„Entwerfen
kommt von werfen.
Planen hat mit ahnen zu tun.“
Wolf D. Prix angesichts dieser Zusammenstellung
seiner Texte zu Urbanismus, zu Architektur, zu
uneingrenzbaren Denkwelten nicht als Architekt
sondern primär als Autor, als einen der schreibt,
zu begreifen und zu würdigen, wäre plausibel,
wenn er es bei der Formulierung von Ansprüchen,
von Visionen, von Theorien hätte bewenden
lassen. Wäre er mit Coop Himmelb(l)au –
also dem Vorsatz „Architektur veränderbar
wie Wolken zu machen“, „die dreidimensionale
Kultur“ pointiert mitzuprägen –
nie zum Bauen gekommen, hätte er eben provokante
Thesen oder fetzige Songtexte verfasst, als poetischer
Ausdruck von Denkbarem, von Wünschenswertem,
das eben nicht konkret werden könne. Von
den Umständen, die trotz vordergründiger
Freiheiten so vieles nicht erlauben, hat er sich
jedoch, weil er bauen will, nie aufhalten lassen.
Den Sachzwängen, die alle möglichen
Sachen – Menschen sowieso – in eine
buchhalterische Ordnung zwingen, wird von ihm
vorgeführt, wie sehr sie konstruktiv verwirrt
und angereichert werden könnten. Einer von
Zwanghaftem fast paralysierten Öffentlichkeit
und deren Exponenten entgegnet Wolf D. Prix in
einem Stakkato, mit modulhaften Losungen, wie
seinerzeit Majakowski, nur erweitert um die Freiheit,
nicht mehr an eine Revolution glauben zu müssen:
„Je härter die Zeiten, umso härter
die Architektur.“
„Unangepasste Ästhetik ist politische
Ästhetik.“
„Den Erbauern des Turms von Babel fehlte
das Material Stahlbeton. Uns fehlt das Material
der Sprachverwirrung um ihn fertig zu stellen.“
„Wir suchen das Fremde, den unsicheren
Grund, die Verschiedenheit.“
„,Fehler machen ist das Baumaterial der
Architektur. Das Unbewusste und der Zufall können
die Planungsmethode sein.“
„Wir trennen das Wort Entwurf in die Silbe
,Ent’ und das Wort ,Wurf’. Ent-Wurf.
,Ent’, wie ent-äußern, ent-flammen.
,Wurf’ wie Werfen.“
„Planung hat eindeutig etwas mit Ahnung
zu tun.“
Die widrigen Umstände betört er immer
wieder mit Bildern, mit sprachlichen Bildern,
mit höchst experimentellen Modellen und mit
der insistierenden Behauptung, es sei weit mehr
möglich als für möglich gehalten
werde. Er ist also ständig dran, dem Lieblingswort
heutiger Effizienzdenker und Realitätsgestalter
– der Machbarkeit – dramatisch erweiterte
Dimensionen, also Welten der Emotion, vieles öffnende
Überraschungsräume zu erschließen.
Wäre er Sprachtheoretiker oder Philosoph,
würde bereits das als beachtliche Leistung
angesehen. Wem gelingt es schon, einen einzementierten
Wortgebrauch so anschaulich aufzubrechen, dass
einem Ergebnisse dieser Verfahren tatsächlich
in gebauten Beispielen vor Augen stehen? Griesgrämige,
vergeblich Palladio nachweinende Gegenstimmen,
warum alles schief sei, zu wenig detailverliebt,
jede Ordnung außer Kraft setze, davonzufliegen
scheine, harmonische Symmetrien verhöhne,
nur als Medien-Hype Wirkung erzeugen könne,
klingen nach Verwirklichung der ersten Großbauten
nur umso verdrossener, wie ein Echo aus düsterer
Vergangenheit, das an den technischen Möglichkeiten
und hybrid-lebendiger Urbanität abprallt.
„Es völlig aufzugeben, von einer Veränderung
der Welt zu träumen,“ sagte er mir
dazu unlängst in einem zum Thema „Projektwelten“
publizierten Gespräch, „würde
wesentliche Dimensionen unseres Selbstverständnisses
ausblenden. Nur ist klar, dass Architektur das
nicht leisten kann. Architektur kann sogar vieles
blockieren. Es ist die Verantwortung des Architekten,
das zu erkennen und Möglichkeiten offensiv
mitzudenken.“ Auch der große Poet
unserer Generation, Bob Dylan, ist ein solch realistischer
Believer geblieben. „It was said“,
schreibt er in seinen „Chronicles“,
„that World War II spelled the end of the
Age of Enlightenment, but I wouldn’t have
known it. I was still in it. Somehow I could still
remember and feel the light of something about
it.“ Spielen Licht und Raum eine so entgrenzende
Rolle wie bei Coop Himmelb(l)au, stellen sich
Fragen nach Fortschritt eben anders, ganz unmittelbar. |