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LINKS |
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Falter Verlag |
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Verbindungen zwischen Tat und Sache
Besuche an Orten vergangener Ereignisse
Essay über zeitgeschichtlich belastete
Stadtsituationen in Wien |
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und
Stichwort: Orient
Über Spuren des Arabischen in der
Alltagsprache |
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in: Stadtbuch Wien 1983
Falter Verlag, Wien 1983
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Weitere
Beiträge von Franz Schuh, Wolfgang Pircher,
Jürgen Langenbach, Wolfgang Förster, Maria
Auböck, Alfred Zellinger, Hans Czarnik
Redaktion: Armin Thurnher |
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Verbindungen
zwischen Tat und Sache
Besuche an Orten vergangener Ereignisse
Im Zentrum der Stadt ist an der Hauptfassade der großen
Kathedrale ein 28 mal 18 Zentimeter großes Zeichen für
Widerstand angebracht: das 05 einer österreichischen
Untergrundorganisation während des Zweiten Weltkrieges
(fünf für E, den fünften Buchstaben des Alphabets).
Irgendwann einmal war es flüchtig in Kreidestrichen
da, im nachhinein ist es dauerhaft eingemeißelt und
offensichtlich manchmal von neuem weiß gefärbt worden.
Im übrigen befinden sich auf diesem Mauerstück mehrere
Grabplatten und die für anerkannte Kulturgüter obligate
Hinweistafel ("Stephansdom / Wien - eine Stadt stellt
sich vor"); vorgesetzt ist eine Doppelsäule, die hoch
oben ein steinernes Objekt trägt, das vermutlich eine
Vulva darstellt. Auf der anderen Seite des Riesentores
steht eine entsprechende Säule mit einem männlichen
Symbol, und unmittelbar neben dem Eingang sind alte
behördlich geeichte Längenmaße in der Wand verankert,
die Große und die Kleine Wiener Elle.
Aus dem Nebeneinander dieser Einzelteile ließe sich
eine uferlos revidierbare Symbolgrammatik herauslesen;
viel stärker als eine solche Möglichkeit irritiert jedoch,
daß ein zentral angebrachtes Zeichen für Widerstand
so hilflos wirkt, so nebensächlich. Auflehnung ist eine
Angelegenheit der Peripherie. Wem daher Manifestationen
früherer Auflehnung großartig in den Mittelpunkt gestellt
werden, kam nur ein starkes Mißtrauen für das notwendige
Gegengewicht sorgen. Wien kennt außer auf seinen Friedhöfen
wenige gekennzeichnete Orte, an denen die Aufmerksamkeit
auf eine vergangene Empörung gelenkt wird. Aber nicht
aus betroffener Sensibilität. Soviel als möglich sollte
immer ins angeblich Schöngeistige hinübergedrängt werden.
Nicht die großen Denkmäler fehlen, sondern eine Tradition
des Ungehorsams. Ein unauffälliges Zeichen an der Mauer
wie das 05 ist wenigstens ein stiller, fast verlegener
Hinweis, der neugierig, vielleicht sogar wachsamer machen
könnte. Wandkritzeleien sind einfach eine wichtige Ausdrucksweise,
selbst dann, wenn ihre Spontaneität schließlich von
Denkmalschützern bewahrt wird.
Mit der (eigenen und allgemeinen) Geschichte "eins
sein" gelingt nicht. Die daraus resultierende Verdrängung
äußert sich öffentlich wie privat als Denken in Entfernungen.
Es geht vor allem darum, Abstand zu "gewinnen". Das
bedrohliche am Ereignis ist seine Nähe, sie und nicht
es soll normalerweise überwunden werden. Der Zeitgeschichte
wird einfach ein Teil weggenommen, die Zeit (als Gegenwart).
Die manchmal erhoffte Kontinuität der Geschichte ist
auch nicht so ohne weiteres zu ertragen. Eine Variante
der Verdrängung besteht deshalb auch darin, künstlich
Bruchlinien zu konstruieren, beispielsweise vom "Zusammenbruch"
im Jahr 1945 zu sprechen. Einerseits braucht man dann
nicht mehr gründlich darüber nachzudenken, "wie das
alles passieren konnte", andererseits kommt man leichter
zur Fiktion einer Stunde Null (bzw. eines individuellen
Neubeginns).
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Pressereaktionen zum Thema:
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Allerhand Quatsch
Stalins frühe Spuren in Wien
Dossier anläßlich des 50. Todestages
von Josef Stalin
Der Standard, Wien, 1. März 2003 |
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1., Stephansplatz
1 |
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Was
überhaupt erinnert wird und in welcher Form dazu angeregt
wird, sagt wahrscheinlich mehr über die Gegenwart aus
als das, worin die Gegenwart sich selbst darzustellen
glaubt. Eines ist die Geschichte sicher, ein kompliziertes
Wechselspiel von Macht und Ohnmacht. Macht identifiziert
sich gerne mit den Ohnmächtigen von früher, beansprucht
ihr Aufbegehren für sich und schmückt sich vielleicht
sogar mit ihrem Leiden. Nach dem Tod der Rebellen bricht
die Verehrung für sie aus. Stellvertretende Einzelhelden
werden herausgegriffen und eine Zeit oder sogar Jahrhunderte
lang weitergereicht. Am lebenden oder toten "Helden"
beeindruckt oft weniger seine Tat, als ihre Verwertung.
Eine ähnliche Verfälschung ergibt sich aus einer Liebe
zur Geschichte um ihrer selbst willen; Geschichte hat
meistens Schmerzen zugefügt, und bekanntlich ist "jedes
Dokument der Kultur auch ein Dokument der Barbarei".
Ein öffentliches Erinnern ist zwangsläufig mit Formen
verbunden (die auf lnhalte zurückwirken). Politische
Zweckdenkmäler zum Beispiel wollen "Aufbauendes" darstellen,
etwa den Mythos der Arbeit, der Familie oder einer bestimmten
Person. Diese Spielart eines Realismus ist gerade in
diesem Jahrhundert zunehmend peinlich und zynisch geworden.
Der inneren Zusammenhanglosigkeit in der Politik oder
ihrer Destruktivität werden allzu leichtfertig Symbole
vermeintlicher Konstruktivität gegenübergestellt. Die
Formen, z. B. auch von "Gedenkstätten", ergeben nicht
den Sinn, auf dessen Vermittlung sie Anspruch erheben.
Alles das dürfte beim unfreiwilligen Betrachter der
Zeitereignisse die Überzeugung fördern, daß die einzige
und letzte kleine Freiheit im Alleingelassensein besteht.
Die stärkste Kraft dieses Jahrhunderts ist möglicherweise
eine Art allgemeiner Dadaismus, der lächelnd oder gequält
die widersprüchlichsten Sinnsplitter zusammenkittet
und im Untergrund bereits alle Lebensbereiche durchzieht;
oft ohne daß die Akteure sich dessen bewußt sind. Einer
dogmatischen Sinnpolitik ist er stillschweigend überlegen,
die Frage ist nur, was nach ihm kommt. Vereinzelt hüten
"Konservative" von allen akzeptablen Flügeln des vergehenden
politischen Spektrums noch Reste wichtiger Werte und
stellen sich letztlich als progressiv heraus, sobald
diese zu neuen Bedürfnissen passen.
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Der
Stephansdom bildet den geographischen Schwerpunkt eines
g!eichschenkligen Dreiecks, an dessen Ecken auffallend
"sinnlose" Objekte der jüngeren Zeitgeschichte stehen,
die Wiener Flaktürme: ein runder Geschützturm in der Stiftskaserne,
zu dem der rechteckige Feuerleitturm im Esterhazy-Park
gehört, und zwei weitere Turmpaare im Arenbergpark und
im Augarten. Ihren "Zweck" als Kriegsmaschinen haben sie
nur bedingt erfüllt. Jetzt stehen sie da wie Burgruinen,
ohne noch bedrohlich zu wirken. Leuten, denen Form wichtig
ist, gelten sie längst als "schön" und "stark". Sie sind
ja auch ausdrücklich gestaltet worden (von Prof. Friedrich
Tamms aus Düsseldorf) und stellen nicht bloß ein Produkt
vor sich hinarbeitender Ingenieure dar. Trotz ihrer massiven
Präsenz scheinen sie sich über die Zeit auszuschweigen,
in der sie gebaut worden sind (1940); sie sind sozusagen
Schauplätze ohne handelnde und betroffene Personen.
Gelegentlich läßt es sich besser abschätzen, wie alte
Tatsachen weiterwirken, wenn sie keine auffälligen materiellen
Spuren hinterlassen haben. In diesem Fall schiebt sich
niemand verfremdend dazwischen, und die eigene Vorstellungskraft
hat ihre Chance. Normalerweise ist die Banalität des
alltäglichen Ortes das Szenario für das, was geschehen
ist.
Ein radikaler Zugang zur Geschichte wäre die Auffassung,
daß am Vergangenen wichtig nur der Widerstand ist; eine
einleuchtende Auffassung, wenn, sie sich nicht fortwährend
als zu simpel erwiese. Von den vielen Orten in Wien,
die quasi aus dem Nichts heraus "etwas an sich haben",
liegt einer in der Nähe des als Ausgangspunkt gewählten
05-Zeichens. Auf dem Stock im Eisen-Platz laufen alle
Bodenplatten auf eine unregelmäßige fünfeckige Fläche
in der Mitte zu, die fächerförmig mit Pflastersteinen
ausgelegt ist. Sie markiert den vor einigen Jahren vorgesehenen
Standort für ein Monument nach freier Wahl des Künstlers.
Unter den Ergebnissen des Wettbewerbs waren kurze Zeit
Hollein-Säulen und ein Hrdlicka-Antifaschismus-Mahnmal
("straßenscheuernde Juden") im Gespräch. Zustandegekommen
ist nichts, und die Aussparung im Plattenmuster fällt
mir immer wieder auf, weil sie an ein ungewolltes Zusammentreffen
von Unfähigkeit und Verweigerung erinnert.
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Flaktürme
im Augarten, 2. Obere Augartenstraße |
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Die
Kehrseite der Innenstadt
Zu Orten mit einer noch jungen Vergangenheit bringt
einen der rasch vom unmittelbaren Zentrum wegführende
Weg über die Rotenturmstraße und den Hohen Markt. Im
Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes
im Alten Rathaus (Wipplingerstraße 8) sind Fotos und
Dokumente ausgestellt. 1848 tagte in diesem Haus der
"Sicherheitsausschuß" des revolutionären Wien. Ein Stück
bergab liegt der Morzinplatz, auf der dem Regierungs-
und Kulturviertel gegenüberliegenden Seite der Innenstadt.
Dort stand bis zum Kriegsende das Hotel Metropol, das
nach 1938 als Gestapo-Zentrale verwendet wurde (Gedenkstein).
Auf dem Areal dieses Gebäudes ist schlließlich ein rötlich
gekacheltes Appartement- und Geschäftshaus errichtet
worden. Ein Balkongeländer in der Mitte des ersten Stocks
(über dem ehemaligen Haupteingang) ist als Steinrelief
gestaltet, auf dem die römischen Jahreszahlen für 1938
und 1945, zwei Galgen, ein Fallbeil, ein Toter im Elektrozaun,
vierzig Menschenköpfe und Stacheldrahtornamente eingemeißelt
sind. An der Rückseite des Hauses, etwa dort, wo sich
früher die für Gefangene bestimmte Hintertür befand,
von der ein direkter Abgang in die Gefängniskeller führte,
ist in einem winzigen Lokal eine Gedenkstätte für die
Opfer des österreichischen Freiheitskampfes eingerichtet
(Salztorgasse 6). Sie ist stundenweise geöffnet und
jemand wartet auf Besucher. Wie auch andere Einrichtungen
in dieser Gegend, muß sie polizeilich gegen Anschläge
und Provokationen geschützt werden. Links schließen
unmittelbar die Geschäftsräume der Firma Eisenberg &
Rittberg an, die einen Großhandel mit Strickwaren und
Textilien betreibt. Auf der anderen Seite verkauft die
Firma Baumalon Berufs-Mode. Mit einem künstlerisch gestalteten
Bronzetor wird versucht nach außen hin mitzuteilen,
daß dort inmitten von Geschäften an Anderes erinnert
werden soll.
Während der "Schlacht um Wien" vom 5. bis zum 13. April
1945 ist in diesem Gebiet schwer gekämpft worden, da
offenbar in Kriegen jeder Fluß zum Freund oder Gegner
wird. Beim Wiederaufbau hat dann den Donaukanal niemand
mehr beachtet. Sein rechtes Ufer wurde zu einem verpfuschten
Platz mit Tankstelle und anderem städtischem Zubehör.
Auf der gegenüberliegenden Seite sind nur von der Spekulation
gestaltete Hochhäuser sogar beim Versuch gescheitert,
eine Skyline zu schaffen. Auf dem einen hohen Dach signalisiert
ein IBM-Zeichen die Macht der internationalen Business-Maschine,
auf de. anderen dasjenige der Raiffeisenkasse, wie weit
es die Genossenschaftsidee bisher gebracht hat.
Der Vorgänger des Raiffeisenhauses war der "Stephaniehof"
(2., Obere Donaustraße 85-91), in dem Leo Rothziegel,
ein Mitbegründer der kurzlebigen "Roten Garde", Aufrufe
zur Unterstützung des Jännerstreiks von 1918 druckte,
mit dem fast die Beendigung des Krieges erzwungen worden
wäre. Kurz darauf meuterten große Teile der Kriegsmarine
in Cattaro. Die Monarchie hielt sich jedoch noch bis
zum November, bevor sie zusammenbrach, ohne daß es einer
Eroberung von innen oder außen bedurft hätte.
Am Haupteingang der IBM-Zentrale (2., Obere Donaustraße
95) wird auf einer Aluminiumplatte daran erinnert, daß
dort, im alten Dianabad, Johann Strauß gespielt und
den Walzer "An der schönen blauen Donau" uraufgeführt
hat. Im selben Komplex ist derzeit die OPEC die Organisation
erdölexportierender Staaten untergebracht. Das Haus
Taborstraße 1 war Sitz der sozialdemokratischen "Roten
Hilfe", bis sie 1934 verboten wurde. Sie wirkte noch
jahrelang in der Illegalität weiter, unterstützt von
einer amerikanischen Quäker-Organisation (Singerstraße
16). Im wiederaufgebauten Gebäude sind heute Verwaltungsstellen
der ÖMV - Österreichische Mineraiölverwertungs AG -untergebracht
und nebenan kann man kommerzielle Versicherungen abschließen.
Besuche von Marx und Engels
Über die in dieser Gegend auf den Donaukanal stoßene
Praterstraße ist am 27. August 1848 Karl Marx zu seinem
einzigen Besuch nach Wien gekommen, vom Nordbahnhof
her (dessen Bombenruine 1965 gesprengt worden ist),
wo er aus Berlin eingetroffen war. Vermutlich hat er
die Innenstadt durch das Rotenturm-Tor am heutigen Schwedenplatz
betreten. Er blieb insgesamt zehn Tage da, um sich über
die revolutionären Entwicklungen zu informieren und
um Vorträge zu halten. Sein Biograph Franz Mehring schreibt,
daß es ihm in Wien nicht gelungen sei, die Massen aufzuklären,
da sich die Wiener Arbeiter noch auf einer verhältnismäßig
niedrigen Stufe der Entwicklung befanden, daß aber ihr
"echt revolutionärer Instinkt" hoch einzuschätzen war.
Sechs Monate vorher hatte Marx, als knapp Dreißigjähriger,
gemeinsam mit Engels das Kommunistische Manifest herausgegeben.
Bereits am ersten Tag seines Aufenthaltes nahm er an
einer Versammlung des Demokratischen Vereins teil, der
immer im Gasthaus "Zum Engeländer" in der Währingertraße
unweit der Stadtmauer zusammentraf. Am gleichen Tag
fand im Volksgarten eine große Frauenversammlung statt.
Ob Marx da auch dabei war ist nicht überliefert. Er
sprach weiters zweimal vor dem Ersten Wiener Arbeiterbildungsverein,
der seine Veranstaltungen damals im "Sträußel-Saal"
im hinteren Trakt des Josefstädter Theaters abhielt.
Am Sonntag, dem 3. September 1848 war er Zeuge des großen
Demonstrationszuges für die Toten des vierten Wiener
Aufstandes in diesem Jahr (21.-23. August), der vom
Schottentor über die Währingerstraße zum Währinger Friedhof
führte.
Es war dies die größte Massenkundgebung seit der Trauerfeier
für die Märzgefallenen. An diese erinnert heute ein
abseits liegendes Mahnmal auf dem Zentralfriedhof. Eine
Gedenktafel am Loos-Haus auf dem Michaelerplatz dokumentiert,
daß sich der Oberfeuerwerker Johann Pollet am 13. März
1848 einem Befehl Erzherzog Albrechts widersetzte, gegen
die vor der Hofburg angesammelten Wiener Kanonen abzufeuern.
Die Tafel wurde 1928 angebracht, 1934 entfernt und 1948
wieder befestigt.
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2., Salztorgasse
6 |
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Am
7. September 1848 ist Karl Marx aus Wien abgereist, auf
demselben Weg, auf dem er gekommen war. Dem Namen nach
erinnert heute nur der ]Karl Marx-Hof an seine Existenz,
der erst viel später zu einem zeitgeschichtlichen Objekt
geworden ist. Der Stadtteil St. Marx mit dem großen Schlachthof
und dem ursprünglichen Grab Mozarts hat nichts mit ihm
zu tun. Diese Bezeichnung leitet sich von einer alten
Niederlassung venezianischer Kaufleute in dieser Gegend
und von ihrem Symbol, dem St. Markus-Löwen und dem Evangelisten
Markus ab, dessen angebliche Reliquien in der Frühzeit
Venedigs zur Bekräftigung von Machtansprüchen in Alexandria
geraubt worden waren. Die Marxergasse im 3. Bezirk ist
wiederum nach einem Bischof (Anton Marxer) benannt.
Auffallend bleibt die strukturelle Verflechtung der
Lebensdaten von Karl Marx (5. Mai 1818 - 14. März 1883)
mit de. 20. Jahrhundert, wenn auch deren Deutlichkeit
offenbar langsam verblaßt: 1918 (100. Geburtstag), 1933
(50. Todestag), 1938 (120. Geburtstag), 1968 (150. Geburtstag),
1983 (100. Todestag).
Friedrich Engels war in der zweiten Septemberwoche
des Jahres 1893 in Wien, aus Zürich, München und Salzburg
kommend, um schließlich nach Prag und Berlin weiterzureisen.
Anlaß dafür waren zwei große sozialdemokratische Veranstaltungen,
an denen er als Ehrengast teilnahm. Im Jahr darauf gab
er den dritten Band des "Kapitals" heraus, der in Hamburg
erschien, und ein weiteres Jahr später starb er in London,
in den letzen Tagen davor noch betreut von Viktor Adler.
An ihn sollen der Engelsplatz und der Engels-Hof im
20. Bezirk erinnern; der Text der Gedenktafel an dessen
Haupteingang lautet: "Bis in die Zeit der Donauregulierung
1869-1884 befanden sich hier wilde Donauauen, Wasser
und Wald. Ideales Gebiet für Jagd und Fischerei. In
den Jahren 1930-1933 baute die Stadt Wien den Engelshof.
Er trägt diesen Namen nach Friedrich Engels, dem erfolgreichen
Schriftsteller und Arbeiterführer."
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19., Heiligenstädter
Straße 82-92 |
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Das
erste Haus am Ring
Die Ringstraße beginnt bei der Urania, dem ältesten
der Wiener Volksbildungshäuser. Im Dachatelier des Hauses
Stubenring 2 befand sich im November 1918 die Zentrale
der Kommunistischen Partei Deutsch-Österreichs, die
als erste Mitteleuropas am 3. November 1918 in den Eichensälen
(10., Favoritenstraße 71) gegründet worden war. Heute
logiert sie in einem Hochhaus im 20. Bezirk, Hochstädtplatz
3. Eine tatsächliche Bedeutung hat sie nur in der Zeit
nach 1934 und 1938 im Untergrund und im ersten Jahrzehnt
nach 1945 erlangt.
Dominiert wird der Anfang der Ringstraße vom großen
Ministeriumsgebäude am Stubenring 1, das in der Monarchie
als Kriegsministerium gebaut worden ist und 1913 (gerade
noch rechtzeitig) fertig wurde. Auf dem gegenüberliege
den Areal stand bis zur Jahrhundertwende die Franz Josefs-Kaserne,
die, ebenso wie ihr Gegenstück am Ende der Ringstraße,
die Roßauer Kaserne, nach der niedergeschlagenen Revolution
von 1848 zur Sicherung des Stadtzentrums errichtet worden
war. Seit 1906 steht dort Otto Wagners Postsparkasse.
In der Straße entlang ihrer Rückseite hat Alfred Adler,
der Begründer der Individualpsychologie, gewohnt (Dominikaner
Bastei 10).
Während der Besetzung des Bundeskanzleramtes durch
nationalsozialistische Putschisten der illegalen SS-Standarte
89 am 25. Juli 1934, bei der Bundeskanzler Engelbert
Dollfuß von Otto Planetta und einem Polizisten getötet
worden ist, tagte im ehemaligen Kriegsministerium das
Krisenkabinett. Bundespräsident Miklas bestellte von
Velden am Wörthersee aus telefonisch Kurt Schuschnigg
zum provisorischen Kanzler. Die Putschisten besetzten
kurzfristig auch die Radiostation der Ravag in der Johannesgase
4a (heute das Musikkonservatorium der Stadt Wien) und
gaben den Österreichischen Gesandten in Rom, Anton Rintelen,
als neuen Kanzler bekannt, der im Hotel Imperial den
Gang der Dinge abwartete. Von dort wurde er problemlos
ins frühere Kriegsministerium gebracht, wo er einen
Selbstmordversuch unternahm. Die an verschiedenen Stellen
des Landes aufgeflackerten Kämpfe dauerten noch fünf
Tage und forderten auf beiden Seiten 270 Tote, bevor
eine der wenigen frühen NS-Niederlagen vorläufig abgeschlossen
war. Im gleichen Jahr wurde die von Clemens Holzmeister
erbaute, "den Erneueren des österreichischen Vaterlandes"
gewidmete "Seipel-Dollfuß-Gedächtniskirche" (15., Kriemhildplatz
12, hinter der Stadthalle) als Begräbnisstätte der beiden
christlich-sozialen Bundeskanzler fertiggestellt, finanziert
"aus Liebesgaben des dankbaren Volkes" (laut Inschrifttext
am Haupteingang). Der Kreuzweg dafür war ein Geschenk
Benito Mussolinis, der damals vorgab, das autoritär
regierte Österreich beschützen zu wollen. Nach 1938
erhielten der "Prälat ohne Milde" Ignaz Seipel (der
beabsichtigt hatte "nach der Währung die Seelen zu sanieren")
und Engelbert Dollfuß einfachere Gräber auf dem Zentralfriedhof
bzw. dem Hietzinger Friedhof. In seinem "Generalappell"
auf dem Trabrennplatz hatte Dollfuß 1933 erklärt: "Die
Zeit des kapitalistischen Systems, die Zeit kapitalistisch-liberaistischer
Wirtschaftsordnung ist vorüber, die Zeit marxistischer,
materialistischer Volksverführung ist gewesen! Die Zeit
der Parteienherrschaft ist vorbei! Wir lehnen Gleichschalterei
und Terror ab, wir wollen den sozialen, christlichen,
deutschen Staat Österreich auf ständischer Grundlage,
unter starker autoritärer Führung!". Und im "Korneuburger
Eid" der Heimwehren (1930) ist auf "drei Gewalten" gepocht
worden, auf den Gottesglauben, den eigenen harten Willen
und das Wort der Führer. Die angesprochenen verschiedenen
Zeiten waren keineswegs vorüber, die beschworenen Gewalten
konnten sich und andere nicht mehr bremsen. Von vielem
sind Reste geblieben; auch vom "Ständestaat" durch die
Gremien, die Kammern, Berufsorganisationen, Interessensvertretungen
oder Zwangsmitgliedschaften.
Während des Krieges war das große Ministeriumsgebäude
Sitz des Wehrkreiskommandos XVII, das sich zu einem
Zentrum des militärischen Widerstandes gegen Hitler
entwickelte. Am 20. Juli 1944, als noch nicht bekannt
war, daß das Attentat Stauffenbergs fehlgeschlagen war,
trafen dort die Befehle ein, aufgrund derer die vorgesehenen
Maßnahmen zum Sturz der NS-Herrschaft auch von Uneingeweihten
zu treffen waren (Stichwort "Walküre"). Verschiedenste
hohe Parteifunktionäre wurden zu einer dringenden Sitzung
in das Gebäude gerufen, entwaffnet und unter Bewachung
gestellt. Unmittelbar darauf kamen jedoch die Gegenbefehle
und die Gestapo startete eine große Verhaftungswelle.
Von den in Wien eingesetzten Verschwörern wurden Oberst
Marogna-Redtwitz und Oberstleutnant Robert Bernardis
hingerichtet. Oberst Kodré kam nach Mauthausen. Major
Szokoll und einige andere blieben unentdeckt und er
konnte Ende März 1945, als sich die russischen Truppen
Wien näherten, von seinem Amtssitz am Stubenring aus
die erste Kontaktaufnahme des Widerstandes mit der 3.
Ukrainischen Front unter Marschall Tolbuchin organisieren.
Oberfeldwebel Ferdinand Käs und der Obergefreite Johann
Reif gelangten bis nach Hochwolkersdorf ins russische
Hauptquartier (2.- 4. April) um dort über den für den
6. April geplanten Aufstand und die Möglichkeiten zu
einer kampflosen Übergabe der Stadt zu berichten. Der
frühere Staatskanzler Karl Renner stand den Russen bereits
zu Gesprächen über die künftige politische Situation
zur Verfügung. Kurz nach der Rückkehr von Käs und Reif
wurde jedoch Major Karl Biedermann verraten und in den
Räumen des Stadtkommandos Wien (Universitätsstraße 7,
heue Neues Institutsgebäude der Universität) verhaftet.
Als Kommandant der in der Roßauer Kaserne stationierten
Heeresstreife Groß-Wien hätte er im Rahmen der Widerstandsaktionen
die wichtige Brückensicherung übernehmen sollen. Da
somit die Vorbereitungen zum Aufstand teilweise bekamt
geworden waren, kam er nicht mehr zustande. Major Karl
Biedermann, Hauptmann Alfred Huth und Oberleutnant Rudolf
Raschke (die beiden leuteren waren im Gebäude Stubenring
1 festgenommen worden) sind am 8. April 1945 in Floridsdorf
am Spitz öffentlich gehängt worden. Anwesend dabei war
auch der als "Mussolini-Befreier" noch lange nach dem
Krieg vielfach gefeierte österreichische SS-Führer Skorzeny
(gestorben 1975). Er hatte sich schon im März 1938 hervorgetan,
als er mit seinen illegalen Einheiten das Wohnhaus von
Bundespräsident Miklas umstellte (3., Hainburgerstraße
15), weil dieser sich noch gegen den Anschluß wehrte.
In der "Reichskristallnacht" vom 9. auf den 10. November
1938 war er führend an der Zerstörung von zwei Synagogen
im 3. Bezirk beteiligt.
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1., Stubenring
1 (das ehemalige Kriegsministerium) |
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Elf
Jahre vor seinem Tod war derselbe Major Karl Biedermann
bei der Bekämpfung der aufständischen Arbeiter des Karl
Marx-Hofes in Heiligenstadt eingesetzt. In den vom 12.
bis zum 15. Februar 1934 dauernden Kämpfen spielte er
mit seiner Schutzkorpseinheit offenbar eine führende Rolle.
Diese sicherte die Rückseite des langgestreckten Baus,
hielt den ihr gegenüberliegenden Bahnhof besetzt und blockierte
die Verbindung in die Brigittenau und nach Floridsdorf.
Der Karl Marx-Hof wurde deswegen in der Folgezeit offiziell
Biedermann-Hof genannt, später hieß er dann einfach Heiligenstädter-Hof
und erst nach dem Krieg bekam er wieder sei en alten Namen.
Daß das Gebäude am Ende des Kampfes schließlich an Major
Marx, den Kommandanten der 9. Deutschmeisterkompanie,
übergeben worden war, konnte bei den Umbenennungsritualen
nicht berücksichtigt werden.
Am Montag, dem 12. Februar 1934 zelebrierte Kardinal
Innitzer um 11 Uhr im Stephansdom anläßlich eines Papstjubiläums
ein Hochamt, an dem fast die ganze Regierung und das
diplomatische Korps teilnahmen. Um 11.47 Uhr gingen
plötzlich dreimal die Lichter aus und viele wußten offenbar
sofort, was der französische Gesandte später notierte:
"Das Signal zu dem aufrührerische. Generalstreik war
jetzt gegeben worden; das Licht der Industrie hatte
dem Befehl der marxistischen Führer gehorcht. Auf dem
Altar flammten noch immer die mittelalterlichen Kerzen
des kathoIischen Österreich."
Die Kampfleitung des Republikanischen Schutzbundes
hatte ihr Hauptquartier im Ahornhof (10., Wienerbergstraße
8), einem Teil der Wohnhausanlage George Washington-Hof
in Favoriten. Dieses Gebäude wurde bereits gegen Abend
des 12. Februar widerstandslos besetzt. Otto Bauer und
Julius Deutsch entkamen und flohen schon am nächsten
Tag in die Tschechoslowakei. Neben dem Karl Marx-Hof
waren vor allem das dann im Krieg zerstörte Arbeiterheim
Floridsdorf (21., Angererstraße 14), der Schlingerhof
(21., Brünner Straße 34), der Goethe-Hof (22., Schüttaustraße
1-39), der Högerhof in Simmering (11., Hakelgasse 15),
der "lndianerhof" in Meidling (offiziell Azaleenhof,
später einige Zeit nach dem Wiener Heimwehrführer Emil
Fey-Hof; 12.., Koppreitergasse), der Fuchsenfeldhof
(12., Längenfeldgasse 68), das Arbeiterheim Ottakring
(16., Kreitnergasse 29-33) oder der Reumannhof (5.,
Margaretengürtel 104-110) besonders stark umkämpft.
In ganz Österreich gab es 270 Tote und über 800 Verletzte.
Neun Sozialisten wurden hingerichtet, darunter Georg
Weissel aus Floridsdorf, der schwerverletzte Karl Münichreiter
und Koloman Wallisch aus Bruck an der Mur. Otto Bauer
starb 1938 in Paris, Alexander Eifler, der militärische
Leiter des Republikanischen Schutzbundes, 1945 in Dachau.
Der Schutzbund-Obmann Julius Deutsch kämpfte mit etwa
zweitausend anderen Österreichern (von denen etwa siebenhundert
getötet wurden) im Spanischen Bürgerkrieg auf Seiten
der Republik und starb 1968 in Wien. Etwas tausend Emigranten
gingen 1934 in die Sowjetunion und viele von ihnen kamen
dort um.
In Reichweite der Hiltonkultur
Die Gegend des Stadtparks (dessen Betreten nach 1938
für Juden verboten war) wird von den Blöcken des Hilton-
und des Intercontinental-Hotels dominiert. An seinem
einen Ende steht auf dem Dr. Karl Lueger-Platz das Denkmal
des gleichnamigen christlichsozialen Bürgermeisters
(gestorben 1910), der auf bürgerlicher Seite zu einer
Symbolfigur für antisemitische Traditionen und für die
Entwicklung Wiens zur Großstadt wurde. Daß ihm vor der
Universität nochmals ein eigener Dr. Karl Lueger-Ring
gewidmet ist, macht ihn zum mit Straßennamen in guter
Lage meistgeehrten Politiker dieser Stadt; und auch
die große Kirche auf dem Zentralfriedhof ist nach ihm
benannt.
Im Simpl, Ecke Luegerplatz und Wollzeile, waren in
der Zwischenkriegszeit die legendären Schauspieler und
Kabarettisten Fritz Grünbaum und Karl Farkas tätig.
Der eine starb 1940 im Konzentrationslager, der andere
gelangte rechtzeitig ins Ausland und kehrte später nach
Wien zurück. An einer anderen Ecke dieses Häuserblocks
(Zedlitzgasse 7) lebte und starb Bertha von Suttner
("Die Waffen nieder!", Wien, 1890), die Gründerin der
Österreichischen Friedensgesellschaft. Die höchste heimische
Banknote trägt ihr Bild. Von ihrer Wohnung sah sie auf
die Zedlitzhalle (Zedlitzgasse 6), die zuerst eine Markthalle
war und in der danach Kokoschka, Schiele und Gütersloh
ausstellten und damit den Thronfolger Franz Ferdinand
zum Toben brachten. Die Schwestern Wiesenthal oder Grete
Bieberach traten dort bei Aufführungen des neuen Tanzes
auf. Später wurde sie als Kartoffelkeller, Lazarett
und dann wieder für Ausstellungen vewendet, bis sie
überhaupt nicht mehr benötigt und 1965 abgebrochen wurde.
Am Parkring 8 liegt das ehemalige Hoch- und Deutschmeisterpalais,
das nach dem Hochmeister des Deutschen Ritterordens
benannt ist. Nach 1938 war es der Sitz des "Höheren
SS- und Polizeiführers" und späteren Nachfolger Heydrichs
als Chef des Reichssicherheitshauptamtes, des Linzer
Rechtsanwaltes Ernst Kaltenbrunner. Er und der "Anschlußkanzler"
Arthur Seyß-Inquart waren jene beiden Österreicher,
die 1946 in Nümberg mit weiteren zehn Hauptkriegsverbrechern
zum Tod verurteilt worden sind, (insgesamt wurden nach
dem Krieg etwa 13.000 Österreicher wegen NS-Verbrechen
schuldig gesprochen). In der Zweiten Republik zog n
dieses Gebäude die Polizeidirektion ein und vor kurzem
der "OPEC-Fund for International Development".
Der Schubertring quert ein unbelebtes Philosophen-Viertel
aus Straßennamen, das die Kant-, Fichte-, Hegel- und
Schellinggasse umfasst. Dort war naheliegenderweise
früher einmal die Redaktion der "Neuen Freien Presse"
(Fichtegasse 9-11), die von 1848 bis 1939 existierte.
Nach dem Krieg, als wiedereinmal der Zusatz "frei" und
"neu" nicht mehr notwendig schien, wurde sie als "Die
Presse" zuerst am Fleischmarkt und dann in der Muthgasse
im 19. Bezirk herausgegeben. Die "Neue Kronen Zeitung"
folge ihr bei dieser Wahl der Orte. Der "Kurier", aus
einem Blatt der US-Besatzungsmacht entstanden, erscheint
in der Lindengasse 52. Die "Arbeiter-Zeitung" (gegr.
1889) hatte ihre Redaktion zuerst in der Gumpendorfertraße
79, unweit der Wohnung Viktor Adlers (von 1905 bis zu
seinem Tod 1918: Gumpendorferstaße 56), und dann kurz
in der Mariahilfer Straße. Seit 1910 ist ihre Redaktion,
abgesehen von der Verbotszeit zwischen 1934 und 1945,
im Gebäude des "Vorwärts" (5., Recht, Wienzeile 97)
untergebracht. Das Haus daneben ist der Geburtsort von
Hans Moser, der eigentlich Jean Julier geheißen hat
(5., Rechte Wienzeile 93).
Stalinplatz und Bürckel-Ring
Den Schwarzenbergplatz beherrscht in seinem hinteren
Teil, der während der Besatzungszeit Stalinplatz hieß,
das von der Roten Armee errichtete Befreiungsdenkmal
(Gesamtleitung Major Ing. Schönfeld, Entwurf Major Jakowiew,
Skulpturen Leutnant Intazarin). Links von ihm, an der
Stelle des heutigen Bürogebäudes des Steyr-Konzerns,
stand früher das Palais Castiglioni. Der aus Triest
stammende Castiglioni begann als Reifenhändler und Flugzeugproduzent,
verdiente an der Sachdemobilisierung der k. u. k. Armee
enorme Summen und baute als einer der größten Inflationsgewinner
ein europaweites Finanzimperium auf, das 1924 zusammenbrach.
Im Krieg wurde dieses Palais als NS-Parteihaus benutzt
(Schwarzenbergplatz 5). Im Haus Nr. 4, dem Sitz der
Industriellenvereinigung, war von 1945 bis 1955 der
Alliierte Rat untergebracht, das eigentliche Machtzentrum
des Landes. Dort ist am 20. Oktober 1945 die Regierung
Renner von allen vier Großmächten anerkannt worden und
am 14. Mai 1955 hat in diesen Räumen Außenminister Leopold
Figl die Vertragspartner noch dazu überredet, die Klausel
über die Mitschuld Österreichs am 2. Weltkrieg aus dem
am nächsten Tag im Belvedere zu unterzeichnenden Staatsvertrag
zu streichen.
Weiter stadtauswärts, an Stelle des heutigen Gebäudes
der "Kammer für Arbeiter und und Angestellte" (4., Prinz
Eugen-Straße 20-22) befand sich die "Zentralstelle für
jüdische Auswanderung". Dort hat 1938 (der in Deutschland
geborene, in Linz aufgewachsene) Adolf Eichmann begonnen,
als immer wichtiger werdendes "ausführendes Organ" die
bürokratischen Grundlagen für das Rassenprogramm zu
schaffen, das dann im organisierten Massenmord geendet
hat. Hannah Arendt berichtet von seinem Prozeß in Jerusalem
(1961), wie deutlich er betonte, daß der Auftrag und
der Aufenthalt in Wien "seine glücklichste und erfolgreichste
Zeit gewesen sei".
Ganz draußen, am Landstraßer Gürtel 25, gegenüber dem
Arsenal, wohnte 1925 für einige Monate Walter Ulbricht,
der die österreichische KP organisieren sollte, aber
bald von den Behörden abgeschoben wurde. Neben dm Funkhaus,
in der Argentinierstaße 22, war der Sitz der Wiener
Heimwehr, deren Führer, Major Emil Fey, zeitweilig auch
Vizekanzler und Sicherheitsminister war. Am 16. März
1938 verübte er mit Frau und Sohn in seiner Wohnung
Selbstmord (3., Reisnerstraße 21).
Das Hotel Imperial am Kärntnerring 16 erinnert heute
nur mit einer Gedenktafel daran, daß dort Richard Wagner
im Jahre 1875 mit seiner Familie fast zwei Monate lang
wohnte, um die Aufführungen seiner Opern Tannhäuser
und Lohengrin vorzubereiten. Am 2. Oktober 1932 bereiteten
jedoch auch Hermann Göring und Ernst Röhm durch die
Abnahme einer Parade von NS-Formationen vor dem Hotel
kommende Ereignisse vor. Um die Ecke, in der Bösendorferstraße
3, wohnte damals noch Adolf Loos (gestorben 1933). Der
schon erwähnte Anton Rintelen hat in den Hotelräumen
darauf gewartet, von den NS-Putschisten des Juli 1934
zum Kanzler gemacht zu werden. Und im März 1938 wählte
sich Adolf Hitler dieses Domizil. Er empfing dort den
um Loyalität bemühten Kardinal Innitzer. Nach 1945 hat
die sowjetische Besatzungsmacht das Imperial als ihr
Hauptquartier für Österreich beschlagnahmt. Am 11. September
1945 trafen sich in diesen Räumen zum ersten Mal die
Hochkomissare der vier Besatzungsmächte.
Parallel zum Opernring verläuft die, nach der 1898
in Genf vom italienischen Anarchisten Luigi Luccheni
ermordeten Kaiserin benannte Elisabethstraße. Ein Teil
von ihr begrenzt den Schillerplatz auf jener Seite,
die der Akademie der bildenden Künste (von der die Talente
Adolf Hitlers nicht akzeptiert worden waren) gegenüber
liegt. In dem einen Eckhaus war vor dem Verbot von 1933
das Wiener Sekretariat der NSDAP untergebracht (Elisabethstraße
9), die 1919 in München zuerst als "Deutsche Arbeiterpartei"
(ab 1920 NSDAP) gegründet worden war. In Österreich
bestand bereits seit 1903 eine ursprünglich in Sudetenland
verankerte gleichnamige Vorläuferin, die ihre Bezeichnung
schon im Mai 1918 in "Deutsche Nationalsozialistische
Arbeiterpartei abgeändert hatte. Sie existierte auch
nach der Abspaltung einer österreichischen Hitlerbewegung
im Mai 1926 (Sophiensäle) weiter ohne sich etablieren
zu können. Ihren Sitz hatte sie in der Kanzlei ihres
Geschäftsführers, des Rechtsanwaltes Walter Riehl, am
Stephansplatz 5. Von ihrer Ortsgruppe St. Pölten ist
erstmals eine Flagge mit dem Hakenkreuz als Parteisymbol
verwendet worden. Hitler hat es dann gemeinsam mit anderen
Symbolen, Organisationsformen und Programmpunkten auf
einer Salzburger Kontakttagung im August 1920 übernommen.
Das zur Erinnerung an die Völkerschlacht bei Leipzig
errichtete Neue Burgtor ist 1933/34 im Auftrag der Regierung
Dollfuß von Rudolf Wondracek zum Heldendenkmal umgestaltet
worden. Der rechte Teil des Gebäudes ist den Gefallenen
beider Weltkriege gewidmet. In der Mitte des Hauptraumes
liegt ein in Marmor gehauener toter Soldat. In großen
Inschriften dahinter wird weiterhin an die "ersten und
letzten Toten des Weltkrieges' erinnert, an den ermordeten
Thronfolger Franz Ferdinand und an den letzten Kaiser,
Karl I. Im linken, von der Tordurchfahrt abgetrennten
Teil, wurde später eine Gedenkstätte für die "Opfer
im Kampfe für Österreichs Freiheit" eingerichtet.
Nach Angaben des Militärwissenschaftlichen Instituts,
Wien (1974) starben im 2. Weltkrieg 247.000 Österreicher
als Soldaten und 24.300 als von Kriegshandlungen direkt
betroffene Zivilisten. Zwischen 1938 und 1945 wurden
65.459 österreichische Juden ermordet (an die gesondert
nur eine Tafel in der Synagoge, Seitenstettengasse 4
erinnert). Es wurden 2.700 Österreicher hingerichtet,
16.100 starben in Gestapo-Haft und 16.500 in Konzentrationslagern.
Solche Zahlen entwickeln bereits wieder eine eigene
Grausamkeit, aber eines deuten sie an: Drei Viertel
dieser Opfer fanden durch den Krieg den Tod, die anderen
jedoch, weil sie daheim auf einer anderen Seite standen.
Das "nationale" Moment deklariert seine Abgründigkeit
am makabersten beim Kult um die eigenen Toten und bei
der Aufrechnung um Schuld. Der "Unbekannte Soldat" ist
ein Integrationsversuch auf völlig falscher Ebene. Die
Lebenden reichen sich nur vorübergehend versöhnlich
die Hand und Leichen überhaupt nicht. Die "eigenen"
Leiden stehen weiterhin überall im Vordergrund; was
"eigene Leute" und "eigene Gewalt" hier und woanders
angerichtet haben und welches diesbezügliche Potential
ständig verfügbar bleibt, das deckt der übliche Umgang
mit der Geschichte fortwährend zu.
Kein einziges offizielles Straßenschild weist darauf
hin, daß der Heldenplattz diesen Namen trägt; die Postadressen
lauten auf "Neue Burg". Dieser transzendentale Effekt
dürfte bei einem derart geschichtsbeladenen Demonstrationsplatz
gewollt sein. Die erste große Bundesheerparade der neuen
Republik fand dort statt (1920). Die Heimwehr marschierte
auf (z. B. 1929). 1932 gab es die erste große NS-Massenkundgebung
mit Ansprachen von Goebbels und Röhm. Am 12. Februar
1934 wurde auf diesem Platz die Eingreifreserve des
Bundesheeres gegen den Arbeiteraufstand zusammengezogen.
Am 8. August 1934 fand die Trauerfeier für den ermordeten
Bundeskanzler Dollfuß statt. Und am 15. März 1938 wurde
dort der große Auftritt für Adolf Hitler inszeniert,
bei dem er "der deutschen Geschichte" die Heimkehr Österreichs
in das Reich meldete. Daß bei der Volksabstimmung über
den "Anschluß" vier Wochen später 1.953 anonym gebliebene
Wiener mit "Nein" gestimmt haben, wird in den Analysen
der damaligen Vorgänge nur selten gewürdigt. 1945 war
der Heldenplatz Kampfgebiet. Ein in den Kellern der
Hofburg für Gauleiter Baldur von Schirach ausgebauter
Gefechtsstand hätte das Zentrum einer Verteidigung der
Stadt "bis zum letzten Mann" sein sollen.
Der am Parlament vorbeiführende Abschnitt der Ringstraße
war vor 1934 nach dem 12. November (Republikgründung
1918), dann nach Bundeskanzler Ignaz Seipel, von 1940-1945
nach dem NS-Gauleiter Joseph Bürckel und dann wieder
für kurze Zeit nach Ignaz Seipel benannt. Seither heißt
er Dr. Karl Renner-Ring. Im Haus Nr. 1, dem heutigen
Stadtschulrat, befand sich die sowjetische Stadtkommandantur;
zuerst war sie vorübergehend am Graben 12 untergebracht
gewesen. Neben dem Hotel Imperial wurden auch das Grandhotel
am Kärntnerring (später Sitz der Atomenergiekommission)
und Teile der Hofburg (als Offizierskasino in den Räumen
des jetzigen Konferenzzentrums) von der sowjetischen
Besatzungsmacht benutzt. Solange sie im Land war, hieß
die 1976 eingestürzte Reichsbrücke "Brück der Roten
Armee", die alte Floridsdorfer-Brücke "Malinovsky-Brücke"
und die Laxenburgerstraße "Tolbuchin-Straße" (nach den
beiden Marschällen, deren Einheiten in Ost-Österreich
gekämpft haben). Das US-Hauptquartier für Wien befand
sich im Hotel Bristol am Kärntnerring 1 und im Gebäude
der Österreichischen Nationalbank am Otto Wagner-Platz
3. Die britische Besatzungsmacht benutzte als Zentrale
das Schloß Schönbrunn, sowie das Parkhotel, das Hotel
Sacher und die Rennweger Kaserne. Die Franzosen hatten
sich unter anderem im Hotel Kummer (6., Mariahilfer
Straße 71), in der Breitenseer- und in der Radetzky-Kaserne
einquartiert.
Am Außenrand des Volksgartens
Zwischen Stadtschulrat und Parlament, an der dortigen
scharfen Biegung des Rings, wurde das Republikdenkmal
aufgestellt. Die Büsten der sozialdemokratischen Politiker
Viktor Adler (Parteivorsitzender), Jakob Reumann (Wiener
Bürgermeister) und Ferdinand Hanusch (Sozialminister)
sollen offenbar all jene vertreten, denen ein Verdienst
um die Gründung der Republik zukommt. Zwischen 1934
und 1945 war dieses Denkmal in einem Depot. Möglicherweise
glaubte irgendwer daran, daß es wiedereinmal gebraucht
werden könnte.
Die Parkanlage hinter dem Denkmal grenzt an den Justizpalast,
der am 15. Juli 1927 Zentrum blutiger Unruhen war, bei
denen 85 Demonstranten und 4 Polizisten getötet wurden.
Am Tag vorher hatte ein Wiener Geschworenengericht mit
neun gegen drei Stimmen die "Frontkämpfer" freigesprochen,
die am 30. Jänner in Schattendorf im Burgenland in eine
Arbeiterdemonstration geschossen und dabei den arbeitslosen
Kriegsinvaliden Matthias Cmarits und den achtjährigen
Josef Grössing getötet hatten. Die "Frontkämpfervereinigung"
(3., Rasumovskygasse 15) war die erste der späteren
"Bürgerkriegsarmee". Während in Wien offenkundig Schuldige
freigelassen wurden, sind in den USA offenkundig Unschuldige
(Nicola Sacco und Bartolomeo Vanzetti) zu staatsfeindlichen
Anarchisten abgestempelt und 1927 als vermeintliche
Bombenattentäter hingerichtet worden. Die weltweite
Empörung gegen dieses Urteil war auch in Wien zu spüren.
Friedrich Austerlitz schrieb in der Arbeiter-Zeitung
seinen wütenden Artikel gegen die Wiener Rechtsprechung:
" - - - die eidbrüchigen Gesellen auf der Geschworenenbank
... Wir warnen sie alle, denn aus einer Aussaat von
Unrecht, wie es gestern geschehen ist, kann nur schweres
Unheil entstehen." Die Arbeiter der Wiener Elektrizitätswerke
beschlossen im Hof des Direktionsgebäudes im 9. Bezirk,
Mariannengasse 4, einen Proteststreik und einen Demonstrationszug
und in vielen anderen Betrieben geschah spontan das
gleiche. Zu den ersten Unruhen kam es vor der Universität
durch Zusammenstöße mit Studenten. Eine Erstürmung des
Gebäudes mißlang. Die zornige Menschenmenge wuchs rasch
auf etwa 30.000 Personen an. Das Polizeiwachzimmer in
der Lichterielsgasse 5 ging in Flammen auf. Um die Mittagszeit
brannte der Justizpalast. Besänftigungsversuche der
Parteiführung waren gescheitert. Am Nachmittag wurde
auch noch die Redaktion der christlichsozialen "Reichspost"
(8., Strozzigasse 8) in Brand gesteckt. Nachher wurden
Austerlitz und die "schwache" Parteiführung beschuldigt,
zuerst "aufgewiegelt", dann aber die "Kontrolle" über
die Massen verloren zu haben. Den damaligen Polizeipräsidenten
und mehrmaligen Bundeskanzler Johann Schober machte
sein Schießbefehl zum "Arbeitermörder" (Karl Kraus forderte
ihn in einer eigenen Plakataktion zum Rücktritt auf).
Erst in den Gefängnissen und Konzentrationslagern des
Dritten Reichs sind sich die verschiedenen Vertreter
der beiden "Lager" so nahe gekommen, dass nach dem Krieg
eine Zusammenarbeit möglich war. Daß es im Februar 1945
auch im Justizpalast zu solchen Kontakten kam, war signifikant
für diese Situation. Damals haben dort Fritz Molden,
der dann "Presse"- und Buchverleger wurde und der Rechtsanwalt
Adolf Schärf, der seit der Verhaftung des ehemaligen
Bürgermeisters Karl Seitz im Juli 1944 als Kopf der
illegalen Sozialdemokratie galt, mögliche Schritte im
Zusammenhang mit dem nahen Kriegsende überlegt. Adolf
Schärf hatte seinerseits Verbindung mit dem Rechtsanwalt
Felix Hurdes, einem Mitbegründer der OVP. In der Besatzungszeit
war im Justizpalast die Interalliierte Kommandantur
untergebracht, vor der immer die zeremoniellen Wachablösen
stattfanden.
Am 18. Dezember 1944 war das Provisorische Österreichische
Nationalkomitee (POEN) in der Wohnung des ehemaligen
Bundeswirtschaftsrates Heinrich Otto Spitz gegründet
worden (19., Heiligenstädter Lände 31), der noch am
10. April 1945 getötet wurde. Ihm gehörten z. B. die
Brüder Fritz und Otto Molden, Alfons Stillfried und
der Völkerrechtsprofessor Verdroß an. Kontakte bestanden
zum späteren Kanzler Julius Raab, der unter Schuschnigg
kurz Minister und in der Heimwehr engagiert gewesen
ist, sowie zu Adolf Schärf, die dann beide bereits der
ersten Bundesregierung angehörten. Schärf vertrat im
Rathaus bei den Verhandlungen unmittelbar nach Kriegsende
die "alte" Sozialdemokratische Partei, während Felix
Slavik Sprecher der "Jungen" war, der nach 1934 entstandenen
"Revolutionären Sozialisten". Felix Slavik wurde später
"glückloser" Wiener Bürgermeister, der 1973 wegen der
Niederlage bei der ersten Volksbefragung (mit dem UmweItthema
Verbauung des Sternwarteparks) zurückgetreten ist. Die
sozusagen erste österreichische Stelle, die im April
1945 in Wien amtierte war das "Siebenerkomitee" der
Widerstandsbewegung 05, das Räume im Palais Auersperg
neben dem Justizpalast bezogen hatte. Auf bürgerlicher
Seite gehörten ihm Raoul Bumballa an (später kurze Zeit
Unterstaatssekretär für Inneres), Emil Oswald (ein "monarchistischer
Links-Liberaler", der im KZ gewesen war und später Direktor
der AKM, Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger
wurde), der spätere Ministerialrat Sobek (als Vertreter
des noch inhaftierten Hans 8ecker), und Viktor Müllner
(der spätere ÖVP-Multifunktionär, der Ende der 60er
Jahre wegen Korruption zu vier Jahren Kerker verurteilt
worden ist). Die Sozialdemokraten wurden von Gustav
Fraser und Eduard Seitz vertreten, die Kommunisten von
Frau Hrdlicka. In diesen Tagen kam es auch zu Kontakten
mit der militärischen Widerstandsgruppe de, Major Szokoll.
Das Chaos dieser Monate hat offensichtlich viele zufällige
Beziehungen begünstigt. Aus einigen weiteren Lebenswegen
damaliger Aktivisten läßt sich rekonstruieren, daß das
Spektrum des Widerstandes, vor allem diesseits der Anonymität,
kein simpel heroisches war und sich die frühere Haltung
nicht immer unwillkürlich fortgesetzt hat. Es fällt
auch auf, dass von denen, die später "etwas wurden",
sich kaum einer zugleich als konsequent mahnende Stimme
etablieren konnte. Sehr rasch ging es auch wieder darum,
eine gewisse Kontinuität wiedererstehender Parteiapparate
zu sichern und damit zugleich um personelle Brücken
zur Zeit vor 1938 und 1934. Karl Renner, Julius Raab,
Leopold Figl, Leopold Kunschak, Theodor Körner, Adolf
Schärf oder Oskar Helmer wurden zu den prägenden Personen.
Aus einem eigenen, schwerer integrierbaren Widerstand
heraus ist praktisch niemand zu dieser Gruppe gestoßen.
Es wurden "Politiker" gebraucht; vom früheren Glauben
an "Neue Menschen" war allseitig nicht mehr die Rede.
Adolf Schärf stellte auch über die damals aufgetretenen
Widerstandsbewegungen sehr pragmatisch fest, daß in
ihnen "nur soviel Einfluß steckte, als ihnen die Parteien,
vor allem unsere Partei, zuerkennen wollten". Offenbar
war es demnach gar nicht so leicht, beim "Wiederaufbau"
engagiert mitwirken zu können. Sehr viele blieben überhaupt
im Ausland (auch dem nach Schweden emigrierten Bruno
Kreisky ist es erst her spät gelungen, sich wieder in
Wien einzugliedern). Weite Lebensbereiche waren ab jetzt
sehr dünn besiedelt.
Aus der allseitigen Verstrickung in die belastende
Vergangenheit ist rasch eine neue Tradition des "Wunden
verheilen Lassen" entstanden, gegen die sich die Forderung
nach einem "Niemals Vergessen" nie so richtig durchsetzen.
konnte. Die Ideologie des "Zusammenbruchs", die sich
die Frage nach dem, was 1945 eigentlich alles zusammengebrochen
sein soll, weitgehend erspart, hat zu einem allgemeinen
"Club 45" geführt, dessen Mitglieder vielfäch davon
leben, durch nüchterne Berechnung weiterhin Herren der
gerade aktuellen Lage zu sein.
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Zentralfriedhof:
Gedenkstätte für die Februarkämpfer
1934 (Gesamtansicht und Detail) |
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Aus
dem von Bundeskanzler Leopold Figl in seiner Weihnachtsansprache
1945 angesprochenen Mangel ist sehr bald eine neue "Geschäftsmäßigkeit"
entstanden: "Ich kann Euch zu Weihnachten nichts geben.
Ich kann Euch für den Christbaum, wenn Ihr überhaupt
einen habt, keine Kerzen geben, kein Stück Brot, keine
Kohle zum Heizen, kein Glas zum Einschneiden. Wir haben
nichts! Ich kam Euch nur bitten, glaubt an dieses Österreich."
Joseph Buttinger, der Obmann der "Revolutionären Sozialisten"
von 1935-1938, der dann wie seine beiden Vorgänger in
dieser Funktion, Manfred Ackermann und Hans Karl Sailer
in die USA emigriert war, hat seine Enttäuschung über
die Art des Neubeginns 1953 publiziert. Er sprach bereits
damals (naheliegenderweise konzentriert auf Entwicklungen
in der SPÖ) von den "im politischen Sumpf dieser Zeit
versinkenden sozialistischen Opportunisten, die als
"Realpolitiker" glauben, politisch unsterblich zu sein,
wenn sie es nur zuwege bringen, sich den "wechselnden
Umständen" anzupassen: nicht durch die Weiterentwicklung,
sondern durch die Preisgabe ihrer sozialistischen Anschauungen.
Aber das Explodieren der Atombombe, die sie heute für
eine Garantie ihres politischen Weiterlebens halten,
kann bereits morgen Umstände schaffen, an denen ihre
Anpassungsfähigkeit scheitern wird". Buttinger selbst
hat es sich jedoch später erstaunlich leicht gemacht.
Von der Wiener Tradition des radikalen Wortes bei gleichzeitig
zögernder, fast unwilliger Handlungsweise ist schließlich
nur der zweite Teil übrig geblieben.
Die österreichische Republik ist an einem (vermutlich
kalt-nebeIigen) Novembertag vor dem Parlament ausgerufen
worden. Aber schon 1933 nahm "man" ihr für zwölf Jahre
wieder ihre entscheidenden Funktionen, wie eben das
Parlament oder unabhängige Gerichte wieder weg. Und
auch derzeit wird sehr vieles (allzu vieles) außerhalb
solcher Demokratie-Instanzen entschieden. Außerhalb
des Parlaments befindet sich - und das sei als Wiener
Kuriosum und um zur Umkreisung der Innenstadt zurückzukehren,
erwähn, - direkt unter der Pallas Athene immer die Funktionärstribüne
der Kommunisten beim Maiaufmarsch. Die Sozialdemokraten
benutzen dazu den Rathausplatz (der von 1907-1926 Luegerplatz
und nach 1938 kalkulierter Weise Adolf Hitler-PIalz
hieß). Denjenigen, denen früher das Alleinvertretungsrecht
alles "Bürgerlichen" zugeordnet wurde, fehlt offenbar
derzeit ein Bedürfnis, sich auf vergleichbare Weise
immer wieder auf der Straße zu zeigen. Reste der alten
Aufteilung lassen sich jedoch noch beobachten: Auf dem
Rathausplatz finden Demonstrationen statt, die nicht
auf den Heldenplatz passen und umgekehrt.
Auf der Westseite
Direkt hinter dem Burgtheater, in der Löwelstraße 18,
hat die Sozialistische Partei Österreichs ihren Sitz.
Unmittelbar daneben haben die Niederösterreichische
Landwirtschaftskammer (deren Direktoren Dollfuß und
Figl gewesen sind) und die Niederösterreichische Volkspartei
ihre Büros. Von der Bundes-ÖVP ist als Zentrale das
Haus gegenüber der rechten Seitenfront der Staatsoper
gewählt worden (Kärntnerstraße 51) und ein paar Häuser
weiter ist die Freiheitliche Partei Osterreichs untergebracht
(Kärntnerstraße 28).
Am Burgtheater selbst war während des Krieges der Schauspieler
Otto Hartmann tätig. Er ist 1947 zu lebenslangem Kerker
verurteilt worden, weil er als Gestapo-Spitzei die Widerstandsgruppen
um den Chorherren-Priester Roman Scholz, um den Finanzbeamten
Karl Lederer und den Rechtsanwalt Jakob Kastelic verraten
hatte, die daraufhin mit sechs anderen 1944 hingerichtet
worden sind. Die Zentrale und kleine Druckerei der Gruppe
Scholz befand sich im Gartentrakt des großen Gründerzeitblocks
direkt neben Eichmanns, erstem Wiener Hauptquartier
(Prinz Eugen-Straße 14).
Auf der Treppe der Universität ist 1936 der Philosoph
Moritz Schlick ("Wiener Schule"), von einem rechtsradikalen
Attentäter erschossen worden. Vier Straßen hinter der
Universität liegt das Landesgerichtsgebäude, in dem
während der NS-Herrschaft 1.184 Menschen hingerichtet
wurden (Gedenkstätte). Für Wehrmachtsangehörige, die
von Kriegsgerichten verurteilt worden sind (vielfach
vom Militärgerichtshof in der heutigen Trostkaserne,
10., Troststraße 105) ist dafür die Schießstätte Kagran
benutzt worden. Sie befand sich auf dem Gelände zwischen
Alter Donau und der neuen UNO-City, das heute eine Sportanlage
der Eisenbahner ist (22., Kratochwijlestraße).
In der Votivkirche auf dem ehemaligen Maximilans-,
Freiheits-, Dollfuß-, Göring- und jetzigen Rooseveltplatz
sind Franz Jägerstätter, der 1943 wegen aus Gewissensgründen
beanspruchter Wehrdienstverweigerung hingerichtet worden
ist und der Todesstiege im KZ Mauthausen große Glasfenster
gewidmet. Auf dem einen hält ein Mann in blauem Trachtenanzug
eine entzweigerissene Hakenkreuzfahne, das andere zeigt
einen. kreuzbeladenen Christus, der eine Häftlingsgruppe
anführt. In den rechten Eckpfeiler der Vorderfront ist
ein 05-Zeichen eingemeißelt. Die Kirche ist, als ältestes
Ringstraßengebäude, aus Dank für das Mißlingen des am
18. Februar 1853 auf Kaiser Franz Josef verübten Attentates
erbaut worden. Der Attentäter, der ungarische Schneidergehilfe
Janos Libeny, wurde auf der Simmeringer Haide hingerichtet.
In der auf die Kirche seitlich zulaufenden HörIgasse
kam es am 15. Juli 1919 zu einer blutig niedergeschlagene
Demonstration (20 Tote, 70 Schwerverletzte), die als
KP-Putschversuch interpretiert wurde. Der zuständige
Polizeipräsident hieß Joham Schober.
Im Hotel Regina fand am 10. März 1938, unmittelbar
vor dem "Anschluß" eine Sitzung der illegalen NS-Gauleiter
Österreichs statt, an der unter anderen auch die späteren
Kriegsverbrecher Seyß-Inquart, Odilo Globocnik und Friedrich
Rainer teilnahmen: Dabei war noch einmal von einem unabhängigen,
aber NS-dominierten Osterreich die Rede. So eindeutig
war der Weg zum "Anschluß" also selbst für diese Kreise
nicht vorgezeichnet. Im Häuserblock hinter dem Hotel
ist das Anatomische Institut untergebracht (9., Währingerstraße
21). Dort wurden Anfang 1939, als nach den Sudetenländem
auch die Rest-Tschechoslowakei besetzt werden sollte,
auf Befehl Hitlers einige erschlagene und verstümmelte
Leichen vorbereitet, die gegebenenfalls der internationalen
Presse als Deutsche und damit als Einmarschgrund vorzeigbar
sein sollten. Im Chemischen Institut in der Währingerstraße
38 erschoß in den letzten Kriegstagen der Professor
Jörn Lange die Assistenten Kurt Horeischy und Hans Vollmar,
weil sie die Zerstörung wertvoller Instrumente verhindern
wollten. Etwas weiter stadtauswärts stürzte sich am
16. Marz 1938 Egon Friedell aus dem Fenster seiner Wohnung
(18., Gentzgass 7). Das war einer der 1.358 in diesem
Jahr in Wien registrierten Selbstmorde (derzeit sind
es jährlich immer etwa 400).
Ecke Schottenring und Währingerstraße gab es damals
noch das Cafe Victoria. Es war wie viele andere Cafes
ein Stützpunkt illegaler Nationalsozialisten. Zellenleiter,
der Mitglieder aufnahm und betreute, war dort der Portier.
Vom alten Café Central (Herrengasse 14) wird üblicherweise
nur der bekannte Spruch über Leo Trotzki-Bronstein zitiert:
"Revolution in Rußland? Wer soll denn die machen? Vielleicht
der Herr Bronstein aus'm Café Central?". Dort hat zum
Beispiel aber auch ein in den NS-Putschversuch vom 25.
Juli 1934 eingeweihter Polizeibeamter, der Skrupel bekommen
hatte, hohrangige Behördenvertreter über das anlaufende
Vorhaben informiert. Kurz zuvor hatte er dasselbe im
Café Weghuber (7., Museumstraße 5) versucht, ohne daß
die in der Turnhalle Siebensterngasse 11 versammelten
SS-Leule noch rechtzeitig aufgehalten wurden. Zwei Tage
früher hatte im Cafe Eiles (8., Josefstädter Straße
2) die letzte Besprechung der Putschistenführer Otto.
Wächter (im Krieg Gouverneur von Galizien), Rudolf Weydenhammer
und Fridolin Glass stattgefunden. Im Café Girardi im
4. Bezirk, war im Jänner 1938 die gesamte Führung der
SA-Brigade 2 verhaftet worden. Dollfuß wohnte im Haus
des Café Bräunerhof (Stallburggasse 2). Vom ehemaligen
Cafe de l'Europe aus (Stephansplatz 8a) beobachtete
der Wiener Polizeipräsident Steinhäusl am 8 . Oktober
1938 den Sturm von Nationalsozialisten auf das Erzbischöfliche
Palais, ohne irgendetwas dagegen zu veranlassen. Das
Cafe Wunderer (14., Hadikgasse 62) war hingegen bereits
1938 ein wichtiger Treffpunkt der Widerstandsgruppe
des später hingerichteten Jakob Kastelic. Im ehemaligen
Café Siller (Postgasse 19) wurde Anfang März 1934 für
die im Entstehen begriffene Nachfolgeorganisation der
zerschlagenen SPÖ der Name »Revolutionäre Sozialiste."
festgelegt. Das alte Café Meteor im 3. Bezirk ist etwas
später ein wichtiger Mittelpunkt der illegalen Arbeiterbewegung
geworden.
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12., Schönbrunner
Schlossstrasse 30 |
1., Minoritenplatz |
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Der
Weg vom Schottenring in die Innenstadt wird vom Hauptgebäude
der Creditanstalt, der größten österreichischen Bank,
beherrscht. 1931, kurz vor dem Tiefpunkt der damaligen
Weltwirtschaftskrise (mit annähernd 600.000 Arbeitslosen
in Österreich) stand auch sie vor dem Zusammenbruch. Ihr
Hauptaktionär war damals Louis Nathaniel Rothschild, das
letzte Oberhaupt der "österreichischen Rothschild-Linie".
Die damalige Regierung musste deswegen zurücktreten. Zur
Sanierung der Bank wurde schließlich am 1. Oktober 1932
zum ersten Mal das kriegswirtschaftliche Ermächtigungsgesetz
angewandt, das es der Regierung ermöglichte, auch ohne
Parlament zu handeln und die entsprechenden Mittel zu
bewilligen. Auf dasselbe Geset.z stützte sich dann der
autoritäre Ständestaat, um dem Parlamentarismus zu entgehen
und der Opposition ihre politischen Möglichkeiten zu nehmen.
In der Helfersdorferstraße 2-4, zwei Häuser neben der
Bank, hatte vor 1938 die illegale NSDAP ihre 'Parteizentrale
für Österreich. Dort führt ein Durchgang in den Komplex
des Schottenhofes, in dem am 17. April 1945 die Österreichische
Volkspartei gegründet worden ist.
Am Ende der Freyung, im Palais Schönborn-Batthyány
(Renngasse 4), war der Sitz eines gegen die ungarische
Räterepublik gerichteten "Antibolschewistischen Comités
(ABC)", das im Mai 1919 bei einem Raubüberfall auf die
nahegelegene ungarische Botschaft (Bankgasse 4-6) 150
Millionen Kronen erbeutete. Im Nebenhaus residierten
während des Ständestaates die "Ostmärkischen Sturmscharen",
die ein Gegengewicht zur Heimwehr bilden sollten. Am
Hof Nr. 6 befand sich damals die Zentrale der als Einheitspartei
konzipierten "Vaterländischen Front". Im März 1938 wurde
dort die provisorische Gauleitung Wien der NSDAP untergebracht.
(Das "Dritte Reich" bezog ein der Kirche gegenüberliegendes
Haus, von deren Balkon 1806 das Ende des "Ersten Reiches"
- deutscher Nation - verkündet worden war. 1848 lynchte
auf diesem Platz eine aufgebrachte Menge den Kriegsminister
Latour.) Heute ist das an dieser Stelle neuerrichtete
Gebäude Sitz der Österreichischen Elektrizitätswirtschafts
AG (Verbundgesellschaft).
Am Schottenring 7 stand das "Sühnhaus" für die über
400 Toten des Ringtheaterbrandes von 1881 (Gedenktafel
am Betonkubus der Polizeidirektion). Fünf Straßen weiter
stadtauswärts liegt die Berggasse, wo Sigmund Freud
im Haus Nr. 19 seine Wohnung und Ordination hatte (Museum).
Am Ort seines zentralen Erlebnisses, dem Bellevue, einem
Aussichtspunkt des WienerwaIdes am Ende der Himmelstraße,
ist 1977 ein DenkmaI aufgestellt worden: "Hier enthüllte
sich am 24. Juli 1895 dem Dr. Sigm. Freud das Geheimnis
des Traumes."
Am Schottenring 14 wurde Stefan Zweig geboren. In der
Hohenstauffengasse 10-12 ist die Zentrale des Österreichischen
Gewerkschaftsbundes untergebracht (früher Ebendorferstraße
7), dessen Gründung am 15. April 1945 im Direktionssaal
des Westbahnhofes beschlossen worden war. In der Hohenstaufengasse
3 befand sich das österreichische ERP- (European Recovery
Program) Zentralbüro für das westeuropäische Wiederaufbauprogramm
im Rahmen des Marschallplanes.
Beim Deutschmeister-Denkmal vor der Roßauer Kaserne
wurde am 1. November 1918 die "Rote Garde" gegründet.
Egon Erwin Kisch und Franz Werfel waren da auch dabei.
Am Tag davor war in "Drehers Etablissement" auf der
Landstrasser Hauptstraße , 97 (dem heutigen Schwechater
Hof) der "Soldatenrat" für die Garnison Wien gegründet
worden. Die "Rote Garde" bezog die Stifts- und die Rossauerkaserne
und löste sich in den folgenden Wochen und Monaten etappenweise
wieder auf. Am 12. November kam es während der Ausrufung
der Republik vor dem Parlament zu einer Schießerei mit
zwei Toten. Rote Fahnen wurden gehißt, ohne das österreichische
Weiß dazwischen. Zu einer Räterepublik ist es in Wien
nicht gekommen. Die erste Reichskonferenz der Arbeiterräte
Anfanq März 1919 im Arbeiterheim Favoriten (10., Laxenburgerstaße
8-10) war bereits eine Art Schlußpunkt. Das Münchner
und das Budapester Vorbild brachen rasch zusammen. Bela
Kun flüchtete nach Österreich und wurde mit anderen
Genossen von März bis Juli 1920 in der Nervenheilanstalt
Steinhof interniert. Später verschwand er in der UdSSR,
Egon Erwin Kisch starb 1948 isoliert in Prag, Franz
Werfel 1945 in Kalifornien.
Die Ringstraße beginnt und endet auf dem der Leopoldstadt
gegenüberliegenden Flussufer. In diesem von der Bevölkerungsstruktur
her ärmsten der die Innenstadt umgebenden Bezirke wurde
zum Beispiel Arnold Schönberg geboren (Obere Donaustraße
5) und hat dort in verschiedenen Wohnungen auch seine
Jugend verbracht. Joseph Roth wohnte, als er 1913 aus
Galizien nach Wien kam, zuerst in der Rembrandt Straße
35. Elias Canetti hat als Student anfangs ein Untermietzimmer
in der Praterstraße 22 gehabt (1924). Hermann Broch,
der bis zu seine. vierzigsten Lebensjahr die väterliche
Textilfabrik geleitet hat, wurde bereits am rechten
Flussufer geboren. Sein dickes Buch endet mit den Worten:
... denn es war jenseits der Sprache." Unmittelbar neben
seinem. Geburtshaus (Franz Josefs Kai 37) stand bis
um Kriegsende da, Hotel Metropol, das Haus der Gestapo
- auf der unauffälligen Kehrseite der Wiener Innenstadt.
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19., Himmelstraße:
"Hier enthüllte sich am 24. Juli 1895
dem Dr. Sigm. Freud das Geheimnnis des Traumes." |
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Vier
Fremde 1913, vor siebzig Jahren, hielten sich in
Wien vier jüngere Männer auf: Adolf Hitler (damals 24),
Leo Trotzki und Josef Stalin (beide 37) sowie Wladimir
Iljitsch Lenin (43). Franz Kafka war damals dreißig
Jahre alt und Karl Mary gerade dreißig Jahre tot.. "Totem
und Tabu" erschien. Benito Mussolini (30) war in Mailand
und bereits Chefredakteur des sozialistischen Zentralorgans
"Avanti!". Mao Tse-tung ist erst zwanzig und Student
an der Lehrerbildungsanstalt in Ch'ang-sha gewesen.
Mahatma Gandhi (44) entwickelte in Südafrika Methoden
des gewaltlosen Widerstandes (seine langjährige enge
Mitarbeiterin, die aus England stammende Mira Behn hat
übrigens die letzten 25 Jahre ihres Lebens in Wien und
verschiedene Orten seiner Umgebung verbracht; im Sommer
1982 ist sie in Kracking bei Pressbaum / NÖ gestorben).
Lenin war schon im Frühjahr 1901 kurz in Wien gewesen,
von München und Prag kommend, um auf dem russischen
Konsulat Paßformalitäten für seine Frau zu erledigen.
Die "riesige, lebhafte, schöne Stadt" gefiel ihm anscheinend
und das Kunsthistorische Museum besuchte er auch. Im
selben Jahr war Constantin Brancusi unbemerkt in Wien
und nach seinem endgültigen Aufbruch aus Rumänien ist
er auf seinem Fußmarsch nach Paris (1903/04) nochmals
durchgekommen, ohne sich länger aufzuhalten. Vom nächsten
Lenin-Besuch in der zweiten Julihälfte 1913 berichtet
eine offizielle Biographie, daß er und die Krupskaja
vom Bolschewikentreffpunkt Poronin bei Zakopane nach
Bern unterwegs waren und in Wien ausstiegen, wo sie
Genossen besuchten und durch die Stadt schlenderten.
Daß unter diesen Genossen Trotzki war, wurde später
nicht mehr für erwähnenswert gehalten. 1914, wieder
in Poronin, ist Lenin von den österreichischen Behörden
verhaftet worden. Durch die Intervention Viktor Adlers
und anderer kam er frei und traf diesen dann auf der
Durchreise nach Bern in Wien. Polnisch-österreichische
Zufälle sind offensichtlich bereits drei Jahre später
in mächtigen Gesetzmäßigkeiten aufgegangen.
Adolf Hitler war 1906 zum ersten Mal für 14 Tage in
Wien, dann wieder im Herbst 1907 und schließlich vom
Februar 1908 bis zum Mai 1913. Gewohnt hat er an fünf
verschiedenen Adressen: 6., Stumpergasse 29/2/2/17,
15., Felberstraße 22/16, 9., Simon Denk-Gasse, Meidlinger
Obdachlosenasyl, 11, Kastanienallee 2 und Männerheim
20., MeldemannStraße 27 (Dezember 1909 bis Mai 1913).
Während dieser Zeit hat er unter anderem 30--40 mal
"Tristan und Isolde" gehört. In "Mein Kampf` berichtet
er: "Ich glaube meine Umgebung von damals hielt mich
wohl für einen Sonderling. / Wien aber war und blieb
für mich die schwerste, wenn auch gründlichste Schule
meines Lebens." Am 22. März 1912 hielt Karl May in Wien,
eine Woche vor seinem Tod, in den Sophiensälen (3.,
Marxergasse 17) den Vortrag "Empor ins Reich der Edelmenschen".
Einer der rund 2.000 Zuhörer war Adolf Hitler. Am 24.
Mai 1913 verließ er Wien in Richtung München ("Mir wurde
schlecht, wenn ich an dieses Rassenbabylon auch nur
zurückdachte."). 1920 kam er bereits als Wahlredner
wieder (33.800 Stimmen, aber kein Nationalratsmandat).
Auf der zwischenstaatlichen Wiener NS-Tagung im Juni
1922 wurde er intern erstmals als "der Führer" bezeichnet.
Leo Trotzki ist mit Unterbrechungen von 1907 bis 1914
in Wien gewesen. Zuerst wohnte er mit seiner Familie
in Hütteldorf, wo sein Sohn Serjoscha geboren wurde,
dann in Unter-Sievering ("In der Krim'", 19., Rodlergasse
25). Er gab eine gleichnamige Vorläuferin der späteren
"Pawda" heraus. Ihre Druckerei befand sich laut Impressum
im 9. Bezirk, in der Mariannengasse 17, als Postanschrift
ist die Pantzergasse 12 im 19. Bezirk angegeben. Trotzki
war z. B. mit Viktor Adler (den er seit 1902 kannte),
mit Otto Bauer, Max Adler oder Karl Renner in Kontakt.
Über diese Beziehungen notierte er unter anderem: '
Im alten, kaiserlichen, hierarchischen, betriebsamen
und eitlen Wien titulierten die Marxisten einander wonnevoll
mit "Herr Doktor". Die Arbeiter redeten die Akademiker
oft mit "Genosse Herr Doktor" an. Während der ganzen
sieben Jahre, die ich in Wien verlebte, war es mir nicht
möglich, auch nur mit einer dieser Spitzen mich offen
auszusprechen, obwohl ich Mitglied der Österreichischen
Sozialdemokratie war, ihre Versammlungen besuchte, an
ihren Demonstrationen teilnahm, an ihren Organen mitarbeitet
und manchmal kleine Referate in deutscher Sprache hielt.
Ich empfand die sozialdemokratischen Führer als fremde
Menschen, während ich gleichzeitig in Versammlungen
oder bei Maidemonstrationen mühelos eine gemeinsame
Sprache mit den sozialdemokratischen Arbeitern fand."
Der Chauvinismus der Arbeiter-Zeitung ging ihm auf die
Nerven und auch der allgemein verbreite Verbalradikalismus:
"Sie schrieben in ihren Manifeste zum 1. Mai zwar über
Krieg und Revolution, nahmen das jedoch niemals ernst."
Am 3. August 1914 mußte Trotzki nach Zürich ausreisen.
Aber das Wort Wien verfolgte ihn. Am 21. August 1940
stirbt er an den Folgen eines Attentates, das auf ihn
am Vortag in seinem Wohnhaus in Mexiko City, Avenida
Viena Nr. 40 (in der Wiener Straße) verübt worden ist.
Ernst Fischer, der so friedfertig wirkende Wiener Kommunist,
der bis 1968 brauchte, um sich über "Das Ende einer
Illusion" klar zu werden, soll laut Ruth Mayenburg damals
in Moskau ausgerufen haben: "Das war der rIchtige Tod
für diesen Teufel! Historisch richtig, verstehst du,
der mußte erschlagen werden! / Aber sprich nicht darüber
- es wissen jetzt nur wenige Leute in der Komintern."
Josef Stalin, der Auftraggeber dieser Aktion, kam Mitte
Jänner 1913 aus Krakau nach Wien und kehrte Anfang Februar
nach St. Petersburg zurück. Die Mitglieder der zufälligen
"Wiener Gruppe" von 1913 hat er alle überlebt. Er wohnte
im 12. Bezirk, Schönbrunner Schloßstraße 30 (Gedenktafel).
Sein Gastgeber Alexander Antonowitsch Trojanowski wurde
später sein erster Botschafter in den USA. Er traf sich
mit den in Wien lebenden Emigranten Leo Trotzki und
Nikolaj Bucharin und begann in Wien seine Schrift: "Marxismus
und nationale Frage". In einem Brief teilte er von diesem
Aufenthalt mit: "Lieber Freund! Ich sitze noch in Wien
und ... schreibe allerhand Quatsch."
Die sowjetischen Soldaten haben 32 Jahre später ihrerseits
ein sehr schematisches aber praktisches Verhältnis zur
Zeitgeschichte gezeigt. Auf einem seinem Inhalt nach
freigegebenes Haus wurde außen meist mit Pinsel und
Schablone mit kyrillischen Buchstaben das Wort "Provereno."
Gemalt: Uberprüft, durchsucht (ad acta gelegt). An einigen
Wiener Gebäuden ist dieses Zeichen noch immer nicht
übertüncht worden.
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19., Rodlergasse
25 (Wohnhaus von Leo Trotzki) |
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"Provereno"
(1., Milchgasse, Ecke Petersplatz) |
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Stadtführer/Lexika
- Felix Czeike: Wien. Kunst
& Kultur Lexikon, München 1976 ~ Felix Czeike: Das
große Groner Wien Lexikon, Wien, 1974
- Walter Kleindel: Österreich.
Daten zur Geschichte und Kultur, Wien, 1978
- Museumsverein Innere Stadt,
Robert Muncjak: Führer durch Alt-Wien. Innere Stadt,
Wien, 1980
- Ludwig Rossa: Straßenlexikon
von Wien, Wien 1947
- Scheithauer, Schmeiszer,
Woratschek: Geschichte Österreichs in Stichworten,
Wien, 1976
- Peter Schubert: Schauplatz
Österreich. Topographisches Lexikon zur Zeitgeschichte.
Wien, 1976
Mono- und Biographien
- Autorenkollektiv: Friedrich
Engels, Berlin, l972
- Autorenkollektiv: W. I.
Lenin, Berlin, 1976
- Joachim C. Fest: Hitler.
Eine Biographie, Berlin, 1973
- Adolf Hitler: Mein Kampf,
München, 1925/27
- Franz Mehring: Karl Marx.
Geschichte seines Lebens, Berlin, 1974
- Leo Trotzki: Mein Leben,
Berlin, 1929/1961
- Maximilien Rubel: Stalin,
Reinbek, 1975
Zeitgeschichte
- Hannah Arendt: Eichmann
in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen.
München, 1964
- Hugo Ball: Die Flucht aus
der Zeit, Luzern 1926/1946
- Bundeskommissariat für Heimatdienst
(Hg.): Unser Staatsprogramm. Führerworte. Wien, 1935
- Joseph Buttinger: Das Ende
der Massenpartei. Am Beispiel Österreichs. Frankfurt
l953/ 1972
- Felix Czeike (Hg.): Wien
1938. Wien, 1978
- Ernst Fischer: Österreich
1848. Probleme der demokratischen Revolution in Österreich.
Wien, 1946
- Alben Fuchs: Geistige Strömungen
in Österreich 1867-1918, Wien 1949/1978
- Jaques Hannak: Im Sturm
eines Jahrhunderts. Volkstümliche Geschichte der Sozialistischen
Partei Österreichs. Wien 1952
- Hans Hautmann: Die verlorene
Räterepublik, Wien, 1971
- Heinz Höhne: Der Orden unter
dem Totenkpf. Die Geschichte der SS. München o. J.
- Ludwig Jedlicka: Vom alten
zum neuen Österreich. Fallstudien zur österreichischen
Zeitgeschichte 1900 - 1975. St. Pölten , 1977
- Willam M. Johnston: Österreichische
Kultur- und Geistesgeschichte. Gesellschaft und Ideen
im Donauraum 1848 - 1938. Wien, 1974
- Ruth von Mayenburg: Hotel
Lux. Frankfurt, 1981
- Hermann Mitteräcker: Kampf
Opfer für Österreich. Wien 1963
- Otto Molden: Der Ruf des
Gewissens. Der österreichische Freiheitskampf 1938-1945.
Wien 1958
- 1918 Österreichische Gesellschaft
für Kulturpolitik und Meidlinger Kulturkreis (Hg.):
Mit uns zieht die neue Zeit. Arbeiterkultur in Österreich
1918 - 1934. Wien 1981
- Manfried Rauchensteiner:
Krieg in in Österreich 1945, Wien 1970
- Arnold Reisberg: Februar
1934, Wien 1974
- Adolf Schärf: April 1945
in Wien, Wien 1948
- Karl R. Stadler: Opfer verlorener
Zeiten. Die Geschichte der Schutzbundemigration 1934,
Wien 1974
- Herbert Steiner: Karl Marx
in Wien, Wien 1978
- Erika Weinzierl: Zu wenig
Gerechte. Österreicher und die Judenverfolgung 1938-1945.
Wien 1969
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Stichwort:
Orient
Eine Giraffe mit einer Maske wie aus Lack kommt herein
und setzt sich mit ihrem Galan zu ein paar anderen Mumien.
Er hat seine Mütze aufbehalten und Watte in seiner lila
Jacke. An ihr baumelt ein ganzes Arsenal von Amuletten,
die nur helfen, einige Karat unauffälliger zu machen.
Es duftet plötzlich nach Sandelholz, Safari und Chemie,
ohne daß sich wirklich etwas riechen ließe. Er bestellt
eine Tasse Kaffee, sie einen kleinen Mokka. Die anderen
trinken Limonade aus einem undefinierbaren Sirup mit
Soda und Zucker, obwohl Alkohol auch nicht teurer wäre.
Auf dem Sofa links von ihnen streitet jemand mit einem
korrupten Sensal, der dauernd seinen eigenen Reibach
mit dem hohen Risiko begründet. Kommerzielle Hasardeure
dürften sie aber beide sein, weil ihnen jeder ansieht,
daß sie viel und leicht verdienen wollen. Um was es
genau geht bleibt unklar, weil sie gewisse Chiffren
verwenden und keine Ziffern nennen. Dem pensionierten
Admiral, der sonst immer Tarock spielt, merkt man an,
daß er sich diesmal nur gegen ein Schachmatt wehrt.
Wer ihn kennt, der weiß, daß er ehrlich darüber froh
ist, seinen Zenit längst überschritten zu haben. Gamaschen
hat er nie tragen müssen, an Fanfaren und Huren braucht
er sich nur noch zu erinnern. Eigentlich sitzt er immer
dort, angelehnt an die dunklen Intarsien aus Ebenholz,
über die das schadhafte Kabel herunterhängt, das nie
repariert wird. Unter dem Baldachin weiter hinten gibt
jemand damit an, daß er seit seiner letzten Havarie
endlich Benzin sparen kann. Ein Mulatte, über dessen
vermutliche Rasse sich einige ringsum ungeniert unterhalten,
glaubt in einer Konditorei zu sein und verlangt etwas,
das so klingt wie Orangen-Sorbet mit Marzipan, meint
aber sicher etwas ganz anderes. An die unbegleitete
Gazelle, die in ihr Magazin vertieft ist, traut sich
bisher niemand heran. Einer, der ausschaut wie ein Fakir
mit einem Koffer und einer Gitarre, wird nicht hereingelassen.
Zum Kadi wird er deswegen auch nicht laufen und abends
findet er sich immer irgendwo eine Matratze. Kurz bevor
die Razzia begonnen hat, von der dann alle solange geredet
haben, ist einer nachhause gegangen, hat sich schnell
in einer Trafik versorgt und dann einiges aufgeschrieben,
ohne es gleich wied x-mal zu überarbeiten; diesen Text
nämlich, in dem bis zum eben verwendeten Strichpunkt
alle vorkommenden Hauptwörter arabischer Herkunft sind
(57 sind es insgesamt).
Begriffe wie x-mal oder x-beliebig leiten sich vom
Wort für "Sache" (sai') ab, das arabische Mathematiker
für eine unbekannte Größe verwendeten und mit s abkürzten.
Über Spanien, wo aus dem s ein x wurde, kam es schließlich
bis nach Wien. Descartes hat einiges zur Verbreitung
dieser Abkürzung beigetragen, als er sie zu seiner Reihe
x, y, z ausbaute. Ein weiteres wichtiges Wiener Wort,
das für (Tabak-) "Trafik", stammt vom arabischen Ausdruck
für Verteilen, Kleinverkauf (tafriq). Sogar die Bezeichnung
für Alkohol ist arabischen Ursprungs (al-kuhul). Zuerst
wurde so nur das zum Schminken von Lidern und Augenbrauen
verwendete Antimonpulver bezeichnet. Die arabischen
Alchimisten in Spanien haben dann die Bedeutung wegen
der Feinheit beider Stoffe auch auf den Weingeist übertragen.
Im Deutschen ist das Wort Alkohol erstmals im Jahre
1616 schriftlich erwähnt. Eher eine Vermutung ist es,
wenn das wienerische Wort "hadschen" (für hinken bzw.
unwillig gehen, wandern, marschieren) mit der Pilgerfahrt
nach Mekka (dem Hadsch) in Zusammenhang gebracht wird.
Das "Fremde" schleicht sich jedenfalls seit jeher aufgemeinste
(also gewöhnlichste) Weise überall ein, und diejenigen,
die es nicht mögen, müssen eigentlich sehr aufpassen,
was sie alles in den Mund nehmen.
Schon Iange vor der "Entführung aus dem Serail" (1782)
gab es ganze Wellen einer Musik "alla turca", und der
durch das Spiel aggressiver Janitscharenkapellen in
der eingekreisten Stadt hervorgerufene Schock wirkte
wenigstens auf musikalischem Gebiet sehr belebend. Instrumente
und Klangfolgen wurden übernommen, aber eine Tradition
des Entsetzens über ungewohnt Töne ist auch dageblieben.
Ein Interesse an neu oder ganz wo anders gefundenen
Gesetzmäßigkeiten und Freiräumen hat sich bis heute
kaum entwickeln können. Hinter der Karlskirche (erbaut
1716-1739) steht in sechstausend Kilometer Entfernung
das Tadsch Mahal (1629-1650). In der Nußwaldgasse 14
im 19. Wiener Gemeindebezirk hat sich der Fabrikant
J. Zacherl ein Gebäude als Kolonialwarentraum erbauen
lassen. Die Wiener Werkstätten (1903-1932) waren dort
zu Hause, wo das Zelt Kara Mustaphas gestanden haben
soll (7., Neustiftgasse 32). Zu Lebzeiten Makarts ist
"man" plötzlich statt auf den Semmering nach Ägypten
gefahren, weil es dort den kranken Lungen so gut getan
hat. Selbst Kronprinz Rudolf war vor Mayerling noch
in dieser Gegend, hat aber von seinen Hofschreibern
und Hofzeichnern fast nur über seine Jagderfolge in
der Wüste berichten lassen. Der Jugendstil hätte es
nur mit seiner Jugend und ohne Hilfe aus dem Orient
nicht sehr weit gebracht. Julius Meinl hat seinen Mohr
mit dem roten Fez etabliert. Die heutigen Zeitungszaren
verwenden "Orientalen", um ihre Produkte unters Volk
zu bringen. Arabische Potentaten suchen Trost in Wiener
Spitälern, bauen sich hier Ferien- und Fluchtburgen
aus oder haben auch schon versucht, unliebsame Clanangehörige
in der Wiener Psychiatrie verschwinden zu lassen. Zahlreiche
sogenannte Alt-Wiener Lokale sind stolz auf ihre eingemauerten
türkischen Kanonenkugeln und beschäftigen konsequenterweise
Türken bestenfalls als Abwäscher. Gelegentlich werden
Jubiläen aIter Feindschaften begangen, soauch 1983 wiedereinmal.
"Gastarbeiter" müssen in Massen aus dem Land hinaus,
dafür gibt es seit kurzem eine große Moschee, weit draußen
an der Donau, bei den UNO-Leuten. Eines der wenigen
neuerstandenen Basarviertel, das am Mexikoplatz, wird
von den Behörden schikaniert. "Beanstandet wurden vor
allem: Zollvergehen, Übertretungen der Ladenschlußzeiten,
Aufstellen von Waren auf den Gehsteigen, Verletzungen
der Gewerbeordnung, des Preis- sowie des Maß- und Eichgesetzes."
Es rnuß also auch auf einem Platz eine administrierbare
Ordnung herrschen, dessen Name daran erinnern soll,
daß Mexiko gegen Hitlers Einzug in Osterreich Protest
erhoben hat (nur die Sowjetunion, Chile, China und Rot-Spanien
haben damals das gleiche getan). Giorgione hat vor knapp
fünfhundert Jahren bei seinen "Drei Philosophen" (Kunsthistorisches
Museum) den Araber in die Mitte gestellt. Er schaut
als einziger in die Welt des Betrachters, und zwar von
ihm aus gesehen links an diesem vorbei. Der "Europäer"
vertieft sich hingegen in die Details einer lehmigen
Wand. Den Namen "Orient" benutzen, nachdem der gleichnamige
Expreßzug längst eingestellt ist, heute fast nur noch
Handelsfirmen, Reisebüros, wissenschaftliche Institute
und ein legendäres Stundenhotel (I., Tiefer Graben 30-32).
Die 1001 Nächte beginnen zumindest im privaten Wien
nach zwei Jahren und neun Monaten stets wieder von neuem
(und zwar ohne daß inzwischen die Chance bestand, irgendeinen
Sultan gnädig zu stimmen). Aber manchmal bewegt sich
doch etwas. Statt bloßer Ostpolitik wird hier sogar
Nahostpolitik gemacht.
Literatur:
Nabil Osman
(Hg.): Kleines Lexikon deutscher Wörter arabischer Herkunft.
Verlag C. H. Beck, München, 1982
Leopoldstädter Nachrichten, Wien, Nr. I/Februar 1983 |
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©
Christian Reder 1983/2001 |
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