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MAK - Österreichisches Museum für angewandte Kunst
   

Christian Reder
MAK: Dienstleistungsstudie

Ein Museum im Aufbruch. Manuskripte des MAK 2
MAK - Österreichisches Museum für angewandte Kunst, Wien (Ausarbeitung1987) Wien 1991

Studie über resonanz- und einnahmensteigernde privatwirtschaftliche Dienstleistungen des MAK

 

 

INHALT

Peter Noever: Zum Thema
Christian Reder: Vorwort

Zusammenfassung der Ergebnisse
Aktionskatalog
Auftrag und Arbeitskonzept

 

1 Der Ansatzpunkt: Offensive Museumsarbeit

 

2 Tendenzskizze

 

3 Konzept für ein Dienstleistungsprogramm

Ausgangslage
Resonanz
Zielgruppen
Öffnungszeiten
Budgetsituation
Planungsstand
Standort
Entwicklungsmöglichkeiten

Besuchereinrichtungen und Informationsdienste

  • Buch- und Kunsthandlung
  • Verlagstätigkeit
  • Verkaufsausstellungen
  • Café-Restaurant
  • Informationsdienste, Film, Video, Bibliothek
  • Sonderveranstaltungen und Tourismus
  • Sommerakademie, Museumspraktikum

Spezialdienste

  • Fund Raising, Sponsorship-Kooperationen
  • Leihgaben
  • Beratungsdienste
  • Restaurierung und Werkstättendienste

 

4 Management, Organisation, Rechtsfragen

 

5 Rahmenbudget für resonanz- und einnahmensteigernde Dienstleistungen

 

6 Kriterien für die analoge Nutzung in anderen Museen

Informationsgrundlagen
Biographische Angaben

 

Auszüge

ZUSAMMENFASSUNG DER ERGEBNISSE

(1) Das Österreichische Museum für angewandte Kunst unterscheidet sich durch seine, auf Gegenwartskunst und Produktkultur gerichteten Zielsetzungen, die angelaufene Neustrukturierung und die Neuinterpretation des Gründungsgedankens deutlich von den anderen Bundesmuseen. Unter den gegebenen Bedingungen können nur durch den Ausbau einer Parallelorganisation - der ,Gesellschaft für Österreichische Kunst / Austrian Art Society' - jene Initiativmöglichkeiten geschaffen werden, die für eine offensive Museumsarbeit und die erforderliche Ausweitung des Dienstleistungsspektrums notwendig sind.

(2) Diese (1986 gegründete) Einrichtung hat als Managementgeselischaft für Kooperationsprojekte Aufgaben zu übernehmen, die im Rahmen des ,Normalbetriebes' nicht, oder nicht in wirkungsvoller, rationeller Weise erfüllt werden können. Sie unterstützt also unter ungeteilter Gesamtverantwortung des Direktors das Museum bei der Erfüllung seiner öffentlichen Aufgaben. Ihre privatwirtschaftliche - nach Reformen grundsätzlich wieder reintegrierbare - Organisationsform beruht auf reinen Praktikabilitätsüberlegungen.

(3) Diese Konstruktion ordnet sich in generelle Entwicklungserfordernisse ein, nach denen es notwendig ist, auf drei Strukturebenen eine inhaltlich-budgetär-organisatorische Neuorientierung zu verfolgen; also mit Blick auf:

  • das Museum als öffentliche Institution (Überdenken der Aufgabenstellung, der Ausstellungspolitik, der Konzeption der einzelnen Sammlungen; Gewichtung von Funktionsveränderungen und der Beziehungen zwischen Sammeln, Bewahren, Erforschen, Vermitteln; politische Neubewertung der Museen im Rahmen der staatlichen Aufgabenerfüllung)
  • das Museum als Betrieb (Schaffung der Voraussetzungen für eine weitgehend autonome Betriebsführung: Planungs- und Budgettransparenz, bereichs- und projektorientierte Kostenrechnung und Organisation, Verfügungsrecht über eigene Einnahmen; Aktivierung von Initiative durch Abgrenzung des Museums als Wirtschaftskörper von den Bürokratisierungszwängen in jeder ‚nachgeordneten Dienststelle' und durch Entwicklung eines wirksamen betrieblichen Instrumentariums)
  • das Museum als Zentrum eines Kooperationsnetzwerkes (Erweiterung der Aufgabenfelder, der gesellschaftlichen Wirksamkeit und der Budgetflexibilität durch angekoppelte privatwirtschaftliche Organisationsformen - wie sie in spezifischer Form für und durch den Verein Gesellschaft für Österreichische Kunst/ Austrian Art Society' zu verwirklichen sind).

(4) Auf dieser dritten Ebene - die Gegenstand der vorliegenden Studie ist - ergibt sich die hinreichend gesicherte Perspektive, daß sich unter bestimmten Voraussetzungen die extensive, der Neuorientierungskonzeption entsprechende Ausweitung der Museumsaktivitäten aus realistischen Sponsorbeiträgen und aus Zusatzeinnahmen finanzieren läßt.

(5) Die Gesamt-Ökonomie des Museums hätte dem entwickelten Ziel-Budget zufolge bei laufendem ‚Normalbetrieb' (auf Preisbasis 1986/87) etwa folgende Struktur:

18 Mio. öS.
7 Mio. öS.
Personalaufwand des Museums
Sachaufwand des Museums
29 %
11 %
25 Mio. öS.
Basiskosten des Museums (1986)
40 %

10 Mio. öS.
1 Mio. öS.

13 Mio. öS.


14 Mio. öS.
Planungsforderung des Museums:
Ausstellungsbudget Museum
Werbebudget Museum
Planung privatwirtschaftlicher Bereich:
Ziel-Budget ‚Gesellschaft'
Inkl.:
1,5 Mio öS. Basisbudget Publikationen
Umsätze direkter Kooperationspartner

16 %
1 %

21 %


22 %
63 Mio. öS.
Total
100 %

(6) Können also die Prämissen der vorgelegten Konzeption erfüllt werden, läßt sich mit einem gegenüber 1986 um öS.12,5 Mio erhöhten Budget (für Ausstellungen, Werbung, Publikationen) das Aktivitätsvolumen insgesamt von öS 25 auf öS 63 Mio. steigern. Unter fiskalischer Einrechnung von rd. öS 3 Mio. zusätzlicher Einnahmen des Museums (Eintrittsgelder), rd. öS 3 Mio. rückfließender Steuerleistungen und der sonst anfallenden Kosten für die Schaffung von 10 bis 15, das Museumsbudget nicht belastender Arbeitsplätze, senkt sich der als Multiplikator wirkende Mitteleinsatz noch entsprechend.

(7) Ein Faktum ist, daß sich ohne eine budgetär-planerisch gesicherte Möglichkeit zur kontinuierlichen Erhöhung von Reputation und Anziehungskraft, die Besucherzahlen von derzeit 70.000 nicht auf anzustrebende 150.000 bis 300.000 steigern lassen. Erst damit würde aber ein - auf Gegenwartskunst und Produktkultur ausgerichtetes - Umfeld entstehen können, das für kostendeckende bzw. ertragbringende flankierende Dienstleistungen, wie Buch- und Kunsthandlung, Verlagstätigkeit, eigene Produkt-Editionen, Verkaufsausstellungen, Café-Restaurant, Film- und Video-Studio oder Sonderveranstaltungen die entsprechenden Angebots- und Nachfragebedingungen herstellt. Auch eine sich vom ‚Fund Raising' zu ‚Sponsorship-Kooperationen' entwickelnde Beteiligungsbereitschaft (von der das Osterreichische Museum für angewandte Kunst bzw. die ‚Gesellschaft' summenmäßig z. Z. 1/3 im privaten und 2/3 im öffentlichen Bereich aktivieren kann) wird sich erst im Rahmen einer solchen Funktionsvielfalt dauerhafter integrieren lassen.

(8) Der Aufwand von öS 280 Mio. für die beschlossene Generalsanierung würde zur Fehlinvestition werden, wenn nicht als Konsequenz auch eine geordnete Betriebsführung mit entsprechenden Budgets für Ausstellungen, Ankäufe, Publikationen, Öffnungszeiten und daran anknüpfende Zusatzinitiativen ermöglicht wird. Die bisherigen Budget-, Sponsor- und Kooperationsimprovisationen werden sich in ihrer erzwungenen Planlosigkeit auf Dauer nicht im Sinne einer glaubhaften Neuorientierung und Profilierung durchhalten lassen.

(9) Damit nach Jahren der Defensive die gesellschaftliche Wirksamkeit erhöht und eine internationale Akzeptanz erreicht werden kann, müssen signifikante Ausstellungen konzipiert und vorausplanbar werden (unter Vermeidung gerade verfügbarer Gefälligkeitsausstellungen). Da das Österreichische Museum für angewandte Kunst im Unterschied zu praktisch allen anderen Wiener Museen schon jetzt über relativ große Sonderausstellungsflächen verfügt und seine auf Eigenkonzeptionen ausgerichtete Ausstellungsstrategie bereits anläuft, ist es für eine solche Vorgangsweise geradezu prädestiniert.

(10) eiche ökonomische Dynamik mit vergleichsweise geringen Mitteln in Gang zu setzen ist, zeigt sich unter anderem an den Umsätzen, die nach dem Ziel-Budget von externen - in bestimmten Fällen leistungsfähigeren - Partnern schon in einer ersten Phase erzielt werden können:

Buch- und Kunsthandel
Verlagskooperationen
Café-Restaurant
Total öS.

öS. 5,0 Mio.
öS. 3,7 Mio.
öS. 5,0 Mio.
öS. 13,7 Mio.

(11) Fast gleichhoch sind die mittelfristig realisierbaren, ausreichende Kalkulationsreserven beinhaltenden Umsatzziele der ‚Gesellschaft für Österreichische Kunst / Austrian Art Society':

Verpachtungen
Publikations- und Produkt-Editionen
Verkaufsausstellungen
Projektfinanzierungen, Mitgliedsbeiträge
Andere Aktivitäten
Total

öS 0,6 Mio.
öS 3,6 Mio.
öS 1,9 Mio.
öS 3,2 Mio.
öS 3,6 Mio
öS 12,9 Mio.

(12) Daß vom Museum allein während der letzten Jahre nur Jahreseinnahmen zwischen öS 160.000,- und öS 270.000,- erzielt worden sind (ohne Spenden), von der ‚Gesellschaft' 1987 jedoch bereits öS 5,4 Mio., dokumentiert prägnant, welches resonanz- und einnahmenbezogene Potential in diesem für Kunst und Industrie' gegründeten Haus brach liegt, solange nicht für Zusatzaktivitäten tragfähige Grundlagen geschaffen werden.

 

1 DER ANSATZPUNKT OFFENSIVE MUSEUMSARBEIT

Alle seine Aktivitäten sind Ausdruck des Selbstverständnisses eines Museums. Wie die zentralen Museumsfunktionen - nach derzeitiger Konvention: Sammeln, Bewahren, Erforschen, Vermitteln - inhaltlich interpretiert und gewichtet werden, bestimmt im Kern die Identität eines Hauses. Prägnanter als über diese Daueraufgaben wird sie in Projekten dokumentiert und medial verbreitbar (Sonderausstellungen, Veranstaltungen, Kataloge, Forschungsvorhaben). Auffächerung und Niveau zusätzlicher Serviceeinrichtungen schließlich vervollständigen die miteinander verflochtenen öffentlichen Funktionen. Sie insgesamt repräsentieren die Haltung gegenüber der Öffentlichkeit und dem Besucher - als Summe von Eindrücken und ‚Bildern', die sich vage oder markant, fragmentarisch, geplant oder ‚selbstverständlich' zur Reputation eines Museums (bzw. zur ‚Corporate Identity') formen.

Bestimmend sind insbesonders die generelle Konzeption, die räumlich-bauliche Situation, die Sammlungsqualität, die Ausstellungspolitik, die Informationsbereitstellung, die mediale Präsenz, Verhalten und Ausbildungsstand des Personals, die Öffnungszeiten oder Einrichtungen, die den Aufenthalt insgesamt anregender gestalten.

Identität ist nur bei sehr oberflächlicher Betrachtungsweise eine Stylingfrage, nachhaltig wirksam wird sie gerade bei öffentlichen, in ihren Werbemaßnahmen limitierten Institutionen erst über Arbeits- und Kommunikationsprozesse, die Eigenständiges, Besonderes, Unverwechselbares erkennbar machen. Abgesehen von höher gewordenen Standards für einen funktionierenden Museumsbetrieb (Besuchereinrichtungen, Informationsarbeit) sind also Trends (von der Art der baulichen Adaptierung über die Sammlungsangleichung bis zu Ausstellungsthemen) eher kontraproduktive Leitlinien.

Der internationale Boom bei Museumsbauten und Großausstellungen wird in eine - inhaltlich noch zu erarbeitende - Nachfolgephase münden; sie ideenreich mitzugestalten könnte gerade für österreichische Museen der Schwerpunkt jetzt abzusteckender Aufgabenfelder sein.

Ihr Nachholbedarf in bezug auf einen ‚Normalbetrieb' (Öffnungszeiten, Besuchereinrichtungen, Organisation, etc.) ist zwar unverkennbar, aber nicht mit schlichtem Zwang zur Nachahmung gleichzusetzen.

Die in Bewegung geratene Diskussion über die Rolle der Museen kann hier in Kürze nicht zusammenfassend abgehandelt werden. Als Arbeitshypothese werden drei Museumsfunktionen in den Vordergrund gestellt, die gerade für das Österreichische Museum für angewandte Kunst wegen seiner pointiert-selektiven Konzeption (Produktionsbezüge, Verkaufsausstellungen, Utopie-, Gegenwarts- und Traditionszusammenhänge) von ganz besonderer Bedeutung sind:

  • Den Blick schärfen, die Wahrnehmungsbereitschaft herausfordern; gegenüber gegenwärtigem und vergangenem Geschehen und dessen Ausdrucksweisen. Die Weit, Weltbilder, Arbeitsfelder und Fragmente davon neu sehen, neu interpretieren.
  • Das öffentliche Klima mitprägen; markante Positionen zur Diskussion stellen, in die Diskussion eingreifen. Widerstand leisten, Erinnerungen befragen. An einem offenen Kulturbegriff arbeiten.
  • Das Museum als Ort aufwerten; als Veranstaltungsort ‚philosophischer Ort', Aufenthaltsort, als durch Würde, ‚Patina' und Initiativen anziehender Ort, als über seine eigenen Grenzen weit hinausweisender Ort.

Konkret auf das Österreichische Museum für angewandte Kunst bezogen lassen sich aus bisherigen Absichtserklärungen der neuen Direktion folgende Präzisierungen der angestrebten Linie zusammenfassen:

  • Um dem Gegenwartsbezug, der sich vor allem in Ausstellungen und diversen Veranstaltungen manifestiert, wieder gerecht zu werden, muß sich das Museum inhaltlich sowie strukturell neu organisieren und definieren. Notwendig sind, abgesehen von der längst erforderlichen Generalsanierung, bauliche Adaptionen, die die nötigen Organisationsformen und technischen Ausstattungen erst ermöglichen. Alle diese geplanten Maßnahmen haben eine wesentliche Verbesserung der Raumausnutzung, eine Vergrößerung der Ausstellungs- und Depotflächen und eine Optimierung der Arbeitsbedingungen zum Ziel.'
  • Das österreichische Museum für angewandte Kunst steht heute nach über hundertjähriger Geschichte am Beginn einer Neuordnung, deren Ziele zu definieren sind:

    - Gegenwartsbezug
    - Aktualität
    - Lebendigkeit
    - Verbesserung der Information

Der Gegenwartsbezug ergibt sich aus einer inhaltlichen Neuorientierung der Sammlungs- und Ausstellungstätigkeit.

  • ‚Die Lebendigkeit soll gefördert werden durch häufigen Wechsel der Schausammlung je nach Themen und durch eine Vielzahl anspruchsvoller Sonderausstellungen und VeranstaItungen.

Die Öffentlichkeitsarbeit muß mit gezielten und interessanten Informationen über die Aktivitäten des Museums berichten.'

(Peter Noever: Perspektiven zur Neuordnung. In: Bestand und Neuordnung. Studie über die Raumnutzung des Österreichischen Museums für angewandte Kunst. Forschungsauftrag des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung, Wien 1986; Seite 57, 58)

Aus dem Grundkonzept der neuen Direktion (Peter Noever: Gedanken zum Österreichischen Museum für angewandte Kunst, Wien 1985 und Zurück zur Gegenwart, in der Informationsschrift des Museums, Wien 1986) sind in diesem Zusammenhang insbesonders noch folgende Aussagen anzuführen:

  • ‚Heute, wo die Aufarbeitung der österreichischen Kultur- und Geistesgeschichte im Mittelpunkt steht, ist es umso wichtiger, den kreativen Kräften der Gegenwart jede denkbare Chance zu geben, sie herauszufordern, und ihnen jene Möglichkeiten einzuräumen, die für ihre Entfaltung und Wirkung erforderlich sind. Gerade dieser bedeutende Aspekt wird gegenwärtig von den Museen vernachlässigt. Die Aufgabe des Österreichischen Museums für angewandte Kunst wird es sein, sich als neuen Typus zu begreifen, neue Einsichten zu vermitteln und somit die bisher kaum wahrgenommenen Aufgaben, wie die Auseinandersetzung mit Kunstwerken unserer Zeit und den Dialog mit Künstlern, in den Vordergrund zu stellen.'
  • Eine weitere Zielsetzung dieses Museums ist es, unterschiedliche Themen in ein komplexen Zusammenhang zu stellen und damit die Wirkung von Gestaltung, Objektalltag, Verpackung, Werbung, schöpferischer und ästhetischer Qualität in einer den jeweiligen Themen entsprechenden Weise überzeugend sichtbar zu machen.'
  • Aus der Definition der Museumsaufgaben könnten sich Themen wie folgt ableiten: Neue Wohnformen und deren Gestaltung / Komplexe Verschiedenartigkeit von GestaItung als bestimmender Faktor unserer Umwelt / Objekt-Alltag geformt durch Design / Illusions-Design / Mode-Produkte / Design als Indikator und Ausdrucksmittel kultureller Entwicklung / Vertriebssysteme bestimmen Art und Ästhetik von Produkten / Gestaltung: Das vielschichtige Verhältnis zur Welt der Gegenstände / Waren-Ästhetik und individuelle Probleme / Ökologie und Umwelt / Die zeitlose Qualität der Dinge / Das Industrieprodukt als Identifikationsmittel / Kollektive Nostalgie / Utopie versus utopische Symbole / Kitsch als Auflehnung gegen das Massenprodukt / Die Seele von Industrieprodukten / Design als Ausdruck sozialer Beziehungen / Der Einfluß des Industriedesigns auf die Arbeitswelt / Design als zentrale Kategorie.'
  • Aufgabenstellung und Ziel des Museums: ein vitaler Ort der Informationsvermittlung und Demonstration aller mit einer gegenwartsbezogenen Produktkultur verbundenen Aktivitäten' - ,ein Zentrum zeitgemäßer Orientierung, Information, Anregung und Begegnung'.

Weitere Interpretationen der Neuorientierungs-Philosophie sind in exemplarischen öffentlichen Einzelaussagen getroffen worden:

  • ‚Es ist die Aufgabe dieses Hauses, Stellung zu beziehen, auch dann, wenn diese für viele als unbequem empfunden wird.'
  • ‚Aus der Zeit heraus die Zeit zu begreifen und zu definieren ist natürlich unvergleichlich schwieriger und komplizierter, als sich auf kunsthistorisch fixierte Kategorien zurückzuziehen. Die Museumsarbeit unseres Hauses muß sehr wohl experimentelle Züge aufweisen und Neuland miteinbeziehen. Das alles ist in den letzten 50, 60 Jahren absolut nicht passiert. Wenn die museale Komponente überwiegt, wenn das Kunstobjekt nicht mehr in Frage gestellt werden kann - dann ist dies im höchsten Maße verfänglich, dann wird dem Kunstwerk die eigentliche Kraft geraubt. Das Österreichische Museum für angewandte Kunst verstehe ich als Kunstmuseum im weitesten Sinn.'
  • ‚Die Vorbildhaftigkeit, wie bei der Gründung angestrebt und auch erreicht, wäre heute sowohl gedanklich als auch im Sinne konkreter Maßnahmen unsinnig. Dafür ist zuviel in Bewegung, das Brüchige, das Bruchhafte, der Verlust an Glaube und zum Teil auch an Hoffnung ist allerorts zu erkennen. Wir müssen Fragen stellen, dürfen nicht müde werden, dies immer neu zu formulieren ... gerade indem wir den Blick auf aktuelle Kunstströmungen - vor allem in Grenzbereichen - lenken. Man muß sich eben die Frage stellen, was ist angewandte Kunst' heute ?'
  • ‚Gerade in Wien ist es mir im Bereich der Architektur wichtig, erstarrte Gedankenmuster aufzubrechen, an tabuisierten Formen zu kratzen, also etwa das Spannungsfeld zwischen der gegenwärtigen Bautätigkeit und dem Anspruch von Architektur - beides findet ja bekanntlich völlig unabhängig voneinander statt - stärker zu beleuchten. So scheint es mir unumgänglich, den Themenkreis Produktkultur, Industrial Design ein wenig anders als allgemein üblich zu behandeln. Interessanter als das Ergebnis, das fertige Produkt, erscheint mir, Fragen grundsätzlicher Natur aufzuwerfen, bestehende Formen in Frage zu stellen.'
  • ‚Sich an der sogenannten Durchschnittsöffentlichkeit zu orientieren, halte ich genauso für bedenklich, wie einen Publikumserfolg von vorneherein in die Überlegungen zu allen Ausstellungen einzubeziehen. Das soll nicht heißen, daß ich Publikumswirksamkeit nicht wichtig fände, jedoch lehne ich dies als Ausgangspunkt für anständige Ausstellungsarbeit ab.'
  • ‚Ein erklärtes Ziel ist es, die starren Sammlungen des Hauses unter immer wieder veränderten Gesichtspunkten zu verwenden.'
  • ‚Die Haltung und der Gesichtspunkt sowohl bei Ausstellungen wie auch bei Ankäufen für die Sammlung des Museums müssen ident sein. Auch geht es mir darum, in Hinkunft Ausstellungen mit bzw. über Künstler zu veranstalten, bei denen Objekte für die Sammlung zurückbleiben. Der Maßstab, den man anlegt, muß eben für beides im gleichen Maße Gültigkeit haben, da nur so eine kompakte Einheit entsteht und sichtbar wird. Daran wird man letzten Endes meine Arbeit auch messen und beurteilen können.'
  • ‚Meine Aufgabe sehe ich in der Auseinandersetzung mit der Kunst, ihren Entwicklungen, den Künstlern, aber nicht mit den Bürokraten, der Bürokratie und der Huldigung leerer Rituale. Kunst und Bürokratie lassen sich nie miteinander verbinden.'
  • ‚Ich glaube, die Vermengung mit allem und jedem führt dazu, daß nichts mehr für etwas steht. Wenn sich jemand vergnügen will, dann gibt es genug Möglichkeiten. Kunst ist nicht zum Vergnügen. Man kann natürlich sagen, jedes Mittel ist recht, um möglichst viele Leute an die Kunst zu führen, nur glaube ich, daß das dann mit Kunst nicht mehr zusammenhängt und auch diese Leute nicht mehr das Empfinden haben, vor einem Kunstwerk zu stehen. Ich glaube, die Suche nach dem Wesen der Kunst setzt Ruhe voraus, Ruhe, sich mit dem Kunstwerk auseinanderzusetzen, setzt überhaupt die Bereitschaft und das Verständnis voraus.'
  • ‚Es gibt Ausstellungen, deren Atmosphäre die Besucher erfreut, also ein Ausstellungserlebnis, das anregt ohne zusehr auf Details einzugehen. Andererseits gibt es Ausstellungen, wo es darum geht, bei einzelnen Objekten etwas für sich selbst zu entdecken. Das sind völlig verschiedene Grundlagen mit verschiedenen Voraussetzungen, denen Rechnung zu tragen ist.'
  • ‚Ich persönlich finde die modische Attitude, Museen gleich Supermarkets auszustatten, also die Zentralisierung bestimmter Themen bzw. Epochen an einem Ort, im höchsten Maße problematisch. Die Geschichte jedes Hauses birgt ein Geheimnis in sich und ermöglicht es dem Besucher, die Entwicklung an Hand der Sammlungen nachzuvollziehen und dem spezifischen Charakter des Hauses auf die Spur zu kommen. Das unterscheidet letztlich auch europäische von amerikanischen Museen. Wenngleich ich immer bereit bin, gegen die Tradition anzukämpfen, halte ich sie in diesem Fall für richtig.'

    (Peter Noever in Grundsatzgesprächen mit Gottfried Fliedl, Falter, Wien, Nr. 21/1986 und Kulturjahrbuch 5, Wien 1986)

Von den Feststellungen über Pläne, Vorgaben und Absichten her gesehen, verfügt das Österreichische Museum für angewandte Kunst also über eine vergleichsweise sehr dezidiert formulierte Konzeption - durchaus im Sinne deutlicher Ziele für den Neuorientierungsprozeß in einer öffentlichen Institutionen.

Signifikant daran ist die gleichsam antizyklische Strategie:

  • Nicht die akzeptierten Stärken des Museums (etwa die berühmte Teppich- oder Jugendstilsammlung) werden in den Mittelpunkt weiterer Bemühungen gestellt
  • sondern ausdrücklich eklatante bisherige Schwächen, eben die Gegenwartskunst und der Gegenwartsbezug.

Die Neuorientierung soll also eine völlig neue Balance zwischen diesen beiden Ebenen schaffen, ein vom bisherigen stark abweichendes Profil - und zwar unter schrittweisem Aufbau von nicht oder erst rudimentär vorhandenen Ressourcen (seien es Sammlungen, die Infrastruktur, organisatorische und budgetäre Voraussetzungen). Zug um Zug mit der Konsolidierung dieser Veränderungsphase werden die traditionellen Stärken des Museums wieder gleichrangige Bedeutung erhalten müssen.

Eine analoge Polarität ergibt sich aus der zentralen Betonung der Kunst:

  • Das Museum wird als Kunstmuseum im weitesten Sinn' verstanden
  • nicht als ein ‚Museum für Kunst und Industrie' oder als ‚Kunstgewerbemuseum'.

Künstlerische Arbeits- und Denkweisen sollen den Ausgangspunkt für weiterreichende gesellschaftliche Bezüge bilden. Feststellungen und Fragen erhalten Vorrang vor museal-verbindlichen Antworten.

Diese Präzisierungen der gedanklichen Konzeption verdeutlichen zugleich, daß mit bloßen Funktionsmodellen - ‚Das Museum' plus Ausstellungen, Museumsshop, Cafeteria, etc. - der Ausbau von Informations- und Dienstleistungsaufgaben erst dann kalkulierbar gemacht wird, wenn er auf die generellen Entwicklungsvorstellungen und die Prämissen für eine entsprechende budgetäre Beweglichkeit abgestimmt ist.

Eine neukonzipierte Dienstleistungsstruktur, die nicht auf die angestrebte Linie des Museums ausgerichtet wird, könnte bloß additiv hinzugefügte Organisationseinheiten festlegen.

Das Konkrete am zusätzlichen Angebot wäre dann einer Ausgestaltungsphase vorbehalten, mit allen Risiken kontraproduktiver Entwicklungen. Soll ein in seinen Innen- und Außenwirkungen aktivierend vernetztes Konzept realisiert werden, muß also die inhaltliche Abstimmung ergänzender Serviceeinrichtungen mit inhaltlichen Intentionen des spezifischen Museums korrelieren und deren Arbeitsweise organisatorisch geeignet verankert sein.

Die Umsetzung von Entwicklungsvorstellungen müßte - wenn die Abläufe konsequent agierender Betriebe als Maßstab herangezogen werden - über flexible, kurz- und mittelfristige Aktivitäts- und Budgetplanungen erfolgen, gegliedert nach beeinflussbaren Positionen, wie Mitarbeitereinsatz, Personal- und Sachkosten, Sparten (Sammlungen, Forschung, Werkstätten, etc.), Projekten (Ausstellungen , Veranstaltungen, Kataloge), Einnahmen und Ausgaben, Sonderbudgets.

Das Österreichische Museum für angewandte Kunst hat - wie andere Bundesmuseen auch - als nachgeordnete Dienststelle (ohne eigene Rechtspersönlichkeit) des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung aber keine Eigenkompetenzen, die jenen in Institutionen oder Betrieben mit vergleichbarem Aktivitätsvolum en entsprechen. Selbst bei guter Kooperation mit vorgesetzten Stellen kann nur im Rahmen einer ,bürokratischen Improvisation' gehandelt werden. Die Betriebssysteme und Ablaufvorschriften binden beträchtliche Energien und verhindern, daß die Museumsarbeit in transparenter und aktiver Weise gestaltet werden kann.

Die Entscheidungsspielräume sind auf allen Ebenen minimal, analog zu den minimalen Ausstellungs-, Ankaufs- und Betriebsbudgets. Nur 7 Prozent der Bundeskulturmittel werden für Museen aufgewendet (rd. 42 Prozent für die Bundestheater). Die Zuständigkeitsstrukturen sind äußerst unübersichtlich; eine Reihe musealer Einrichtungen des Bundes ist anderen Ministerien zugeordnet, für den Zustand von Bundesgebäuden ist das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten verantwortlich, Kunstkompetenzen sind außer im Wissenschafts- auch im Unterrichts- und Außenministerium sowie im Bundeskanzleramt angesiedelt. Die Museen sind über Jahrzehnte hinweg nur in der Lage gewesen,(überwiegend aus der Zeit vor 1918 stammende) Bestände zu verwalten; ihnen eine aktivere gesellschaftlich-ökonomische Rolle zu ermöglichen, bleibt von tiefgreifenden strukturellen und budgetären Maßnahmen abgängig.

Daß Kameralistik, Einbindung in den Personalstellenplan, Pflicht zur Einnahmenablieferung und engmaschige Reglementierung den für viele Arbeitsbereiche der öffentlichen Verwaltung längst überfälligen Funktionswandel hin zu betrieblicher Autonomie blockieren, braucht hier - als im Rahmen internationaler Bestrebungen zur Verwaltungsreform weithin als zutreffend akzeptierte Problemsicht - nicht weiter ausgeführt zu werden. Die Praxis der Gründung von Nebenorganisationen, Sondergesellschaften, Vereinen, Instituten bestätigt zur Genüge, wie häufig eine aufgespaltene Arbeitsweise als notwendig erachtet wird, um Systemmängel zu umgehen. Staatliche Museen sind in diesem Kontext also kein Sonderfall.

Um trotz dieser Situation die Bedingungen für eine offensive Museumsarbeit auch kurzfristig besser gestalten zu können, ist in Bundesmuseen eine Unterscheidung von drei Strukturebenen wichtig:

  • das Museum als öffentliche Institution - mit deren finanzieller und personeller Ausstattung der Staat ausdrückt, wie die mit kulturellem Besitz verbundene Arbeit taxiert wird und weichen Stellenwert diesbezügliche öffentliche Angelegenheiten haben
  • das Museum als Betrieb -dessen Autonomiegrad, Budgethoheit und Organisationssystem für eine flexible und lebendige Museumsarbeit wesentliche Voraussetzungern bilden
  • das Museum als Zentrum eines Kooperationsnetzwerkes - über das es seine Wirkungsmöglichkeiten und budgetäre Beweglichkeit durch Projekte, Dienstleistungen, Auftragsvergaben, Partnerschaften, Fund Raising, Sponsorships und privatwirtschaftliche Einrichtungen erweitert.

Gegenstand der vorliegenden Studie ist primär diese dritte Ebene der Kooperationen.

 

2 TENDENZSKIZZE

Informations- und Dienstleistungsgesellschaft

Wenn tatsächlich der Übergang zu ihr bereits in vollem Gang ist, dann könnte das Museum lapidar als prototypischer Betrieb zur Verwahrung und Ausstellung von Wertgegenständen und zur Erzeugung, Verarbeitung und Verteilung von Information aufgefaßt werden. Wie weit es - speziell angesichts der in Österreich auf dem Museumssektor gegebenen Situation - in seiner personell-organisatorisch-budgetär-technischen Ausgestaltung noch von einem dafür notwendigen Entwicklungsstand entfernt ist, macht deutlich, welche Infrastrukturaufgaben zur Diskussion stehen sollten. Gerade wenn die Museumsfunktion komplexer gesehen wird, als es die hier angesprochene Terminologie nahelegt, müßte die Forderung nach einem vergleichsweise möglichst hohen Niveau betrieblicher Voraussetzungen die Konsequenz sein. Ein bereichs- und projektorientierter Organisationsaufbau, mit darauf abgestimmtem Planungs-, Budgetierungs- und Kostenrechnungssystem wäre ein notwendiger, grundlegender Schritt in diese Richtung. Bisherige Initiativbarrieren und eine ‚Wissenschaftsverwaltung' könnten dadurch abgebaut werden.

Managementeuphorie

Die plausible Forderung nach einem Ausbau von Management- und Dienstleistungsfunktionen der Museen darf nicht den Blick darauf verstellen, daß für eine offensive Museumsarbeit nicht durch isolierte Neubestellungen und einzelne neue Detailregelungen vorgesorgt werden kann. Eine aktivere Wahrnehmung von Leitungsaufgaben ist in hohem Maße von einer adäquaten Budgethoheit, einer Kosten- und Planungstransparenz und der eigenständigen Gestaltbarkeit des Organisationssystems abhängig. Eine breite Aktivierung kann daher nur über eine Systementwicklung und neue Organisations- und Ausbildungsformen erreicht werden. Nicht (fehlende) ‚Manager' sind das vorrangige Problem, sondern die Schaffung der in Betrieben mit vergleichbarem Aktivitätsvolumen längst selbstverständlichen Voraussetzungen für die verantwortliche Wahrnehmung von Leitungsaufgaben. Außerdem ist ‚Management' in seiner betriebswirtschaftlich-durchsetzungsorientierten Auslegung ein zu stereotyper Begriff geworden, um so vor allem für öffentliche Institutionen unmittelbar anwendbar zu sein, wenn nicht zugleich die Tendenz zu komplexeren, auf Eingriffe in die Prozeßsteuerung ausgerichteten Berufsbildern berücksichtigt wird. ‚Dienstleistungen' werden im Sprachgebrauch ja auch allzuleicht mit bloßem ‚Service' gleichgesetzt. Dienste leisten muß jedoch etwas anderes heißen, als den Gast möglichst reibungslos zu bedienen. in diesem Sinne erst ist für Aufgaben- und Programmkonzeptionen eine denkbar breite Ausgestaltungsmöglichkeit gegeben. Für andere managementorientierte Handlungsmuster, wie Marketing oder Motivation, die als Nachholbedarf (und daher mit der Tendenz zur Überschätzung) nun vermehrt aus der Wirtschaft in den Kulturbereich eindringen, gilt ähnliches. Für die Leitung öffentlicher Institutionen sollten Anknüpfungspunkte nicht oder nicht nur auf der diesbezüglichen konventionellen Klaviatur gesucht werden, sondern bei hochentwickelten Methoden, die subtiler auf die vielfältige und konfliktreiche Vernetzung moderner Gesellschaften ausgerichtet sind. Es wäre unergiebig, sich mit der Kopie von Managementmodellen der 60er Jahre zu begnügen; deren Transformation und die spezifischen Bedingungen in Museen müssen in eigenständige Konzeptionen und Aufgabenfelder münden. Eine kostenbewußte, sozial sensibilisierte Professionalität und interdisziplinäre, prozeßorientierte Denk- und Handlungsweisen könnten dafür Leitbilder darstellen.

Privatisierung

Die als Abschluß des vorhergehenden Abschnittes über offensive Museumsarbeit angeführten drei Organisationsebenen eines staatlichen Museums (Öffentliche Institution - Betrieb - Zentrum eines Kooperationsnetzwerkes) zeigen auf, daß für eine verstärkte Einbeziehung von (Privat-) Initiative unter den gegebenen Bedingungen zuerst auf letzterer geeignete strukturelle Grundlagen geschaffen werden können und müssen. Daß in den Bundesmuseen in diesem Jahrzehnt die Einnahmen stets nur etwa 5 Prozent (Voranschlag 1987: 7,3 %) der Gesamtausgaben von rd. öS 350 Mio. (1987) decken konnten, dokumentiert allerdings, daß von den insgesamt (mit Personalaufwand) gesehenen Größenordnungen her bloß marginale Beiträge von privater Seite zu erwarten sind. Deswegen ist die Zentralfrage nicht so sehr der Spender, sondern die Ergänzung öffentlicher Funktionen durch dauerhafte privatwirtschaftliche Kooperationen.

Kulturboom

Nur bestimmte Segmente künstlerischer Aktivität haben sich zu expansiven Märkten mit hohen, wirtschaftliche Interessen anziehenden Rendite- und Imageerwartungen entwickelt. Für weite Bereiche gilt dies keineswegs. Den luxuriösen Budgets und Honoraren auf der einen Seite stehen weite, mit Niedriglöhnen und Gratisarbeit aufrechterhaltene Aufgabenfelder gegenüber. Die Ungleichgewichtigkeiten dürften sich weiter verschärfen. Inwieweit Museen und andere öffentliche Institutionen in die Lage versetzt werden, gegenzusteuern, wird für die kulturelle Entwicklung tendenziell wichtiger, als in der Vergangenheit.

Konfliktvermeidung

Kunst ist in einem Ausmaß Trägerin von Botschaften, das von keinem anderen Produkt der Warengesellschaft auch nur annähernd erreicht wird. Diese Vermittlungskraft wird wieder stärker erkannt und zur staatlichen und privaten Selbstdarstellung genutzt, durch jede vordergründige Verwendung aber zugleich gefährdet. Kapital hält sich von kulturellen und politischen Konfliktzonen fern. Experimentellem und Pionierhaftem droht erneut eine stärkere Isolierung. Schon in der üblichen banalen Benutzung des Begriffes Informations- und Dienstleistungsgesellschaft drückt sich aus, wie leicht er zur Negierung sozialer Spannungen, Polaritäten und Interessenskollisionen verwendbar ist. Daraus ergeben sich Berührungspunkte mit einer traditionellen - konfliktvermeidenden - Auffassung der Museumsfunktion und im weiteren auch mit Situationscharakterisierungen wie Freizeitgesellschaft, Unterhaltungsgesellschaft.

Unterhaltungsindustrie

Auf Kunst und Museen bezogen wird mit einer vorbehaltlosen Eingliederung in solche Prozesse also bloß unterstützt, daß Kulturkonsum, Tourismus, Vergnügen und Unterhaltungswert zu immer prägenderen Faktoren werden. In der Bundesrepublik z. B. gibt es 1.560 Museen mit jährlich 52 Millionen Besuchern; der Jahresumsatz des Kunst- und Medienmarktes wird auf 30 Milliarden DM geschätzt (Quelle: Die Zeit, Hamburg, Nr.17/86). Inwieweit Kunst - und das Museum - in einem Unterhaltungsmarkt aufgeht oder trotz realistischem Umgang mit ökonomischen Möglichkeiten Kontrapositionen behaupten kann, wird für die kulturelle Entwicklung von entscheidender Bedeutung sein. Das Freizeitverhalten in Städten ist fast schon generell sightseeing- und tourismusorientiert, bei Fremden genauso wie bei ihren Bewohnern: Shopping, Lokalbesuche, häufige Ortswechsel, medien- und imagegesteuerte Veranstaltungsteilnahme, Absolvierung von Sehenswürdigkeiten (Berühmtheit/Prominenz von Schauplätzen, Objekten, Namen; Adabei-Gruppierungen); ‚Etiketten-Kultur' (Armani, Cartier, Van Gogh), Museen als Fortsetzung von Fußgängerzonen.

Simulationskultur

Der eher beliebigen Nutzung von ‚Tourismuszielen' (Verweildauer von durchschnittlich 5 Sekunden pro Museumsobjekt; zit. nach G. Fliedl, Museums- und Ausstellungspolitik, 1986) entspricht in Analogie die Auflösungstendenz bei Standpunkten und theoretischen Positionen. Die Vielfalt der Möglichkeiten, der Zugänge, der Interpretationen ließ eine ‚Simulationskultur' der Attraktionen entstehen, die als Konsequenz dieser Vielfalt eben auch - bis zur völligen Beliebigkeit - vielfältig verwertbar ist. Der an eine Widersetzlichkeit, an ‚die Sehnsucht nach dem ganz Anderen' (Max Horkheimer) geknüpfte Kunstbegriff ist unter starken Druck geraten. Das Bild vom seriös-neugierig-kenntnisreichen Besucher, dem es um Fragen und Erkenntnisprozesse geht, ist demontiert. Wie es sich in neuer Weise formulieren und aktivieren läßt, hängt auch davon ab, ob es im spezifischen Fall gelingt, sich nicht bloß Trends auszuliefern, sondern ihnen im ständig internationaler werdenden Wettbewerb ein eigenes Profil entgegenzustellen.

Mythen und Aufklärung

Bevor noch Versuche, Museen aktiver in emanzipatorische Prozesse einzuschalten, in v ielfältiger Form hätten fortgesetzt werden können, sind solche Absichten von (häufig plagiathaften) emotional-sakralen Präsentationsbestrebungen überlagert worden. Das Erlebnis, das Geheimnis sollte aufgewertet werden. Aufklärerische Intentionen, wie sie etwa im Konzept eines historischen Museums für Nürnbergs Industriekultur (Hermann Glaser u. a.,1979) formuliert worden sind, wurden von einer Inszenierungsinflation in den Hintergrund gedrängt.

Fragen an das Selbstverständnis

Inwieweit ein Museum solche mit unterschiedlichem Druck auf es zukommende Anforderungen zur Kenntnis nimmt, ohne seine Funktionen als signifikanter, das KIima und die Diskussion mitprägender Präsentationsraum preiszugeben, ist die Schlüsselfrage des künftigen Selbstverständnisses als Institution.

 

Pressereaktionen:

Museumsexperten tagen Ende Mai
Presse, Wien, 21.5.1987

Auf der Suche nach einem zeitgemäßen Museum

von Jan Tabor

Kurier, Wien, 15.12.1987

Ein programmierter Eklat

von Pia Maria Plechl

Presse, Wien, 21.4.1988

Gegen die "Sinnlosigkeit"

von Kristian Sotriffer

Presse, Wien, 2.2.1988

Museen fordern mehr Geld und neue Strukturen
Presse, Wien, 15.12.1987

Wie die Museen zu retten wären
Salzburger Nachrichten, ?/1987

Museen: Zuviel Sand im Getriebe
von Barbara Petsch
Presse, Wien, 17.11.1987

 

zugehörige Publikation:

MAK: Neue Sammlungspolitik und neue Arbeitsstruktur

Ein Museum im Aufbruch. Manuskripte des MAK 3
MAK - Österreichisches Museum für angewandte Kunst
Wien 1991

Analysen und Konzeptionsgrundlagen

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Übersicht MAK-Reform

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