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Kunsthalle Exnergasse - WUK
 

Ein Gespräch über 389qm

Ausstellungsbroschüre
Wien 1994

Zur Ausstellung in der Kunsthalle Exnergasse Wien.

Weitere Beiträge von Peter Rosner, Jean David Roulet, Georg Kohler, Willem van Reijen, Lorenz Schulz, Boris Groys, Wolfgang Müller-Funk, Horst Gerhard Haberl, Rolf Schwendter, Edith Saurer, Peter Strasser, Norbert Bolz, Jochen Hörisch, Peter Pörtner, Frithjof Hager


 

Ch.R.: Als Einstieg erscheint es mir plausibel, daß Sie sich kurz vorstellen, als die handelnden Personen, wie in einem Theaterstück.

E.W.: Mein Name ist Eva Wohlgemuth. Ich habe früher mit Andreas Baumann zusammengearbeitet und zwar an der Werkgruppe der System-Vernetzungsprojekte. Diese Arbeit führe ich jetzt allein weiter. An bestimmten Punkten im geographischen Feld sind Objekte, meist Platten oder Plaketten montiert, und zwar jeweils in bezug auf ein bestimmtes Thema. Der Galerieteil dazu, materialmäßig möglichst reduziert, verkörpert was in der Realität passiert.

Aus dem heraus hat sich ein zweites Arbeitsfeld entwickelt, die "Bodenfotos", eine Kartographie von Bodensituationen im Maßstab 1:1, mit nicht spektakulären, sondern eher zufälligen Ausschnitten der Erdoberfläche, die nach geografischer Länge und Breite exakt bestimmt werden und daraus wieder entstand die Arbeit, die ich in der Kunsthalle Exnergasse ausstelle: die beheizbaren Objekte. Es sind 1:1 Realsituationen, in Aluminium nachgegossen. Die Objekte selbst sind eher spontan gewählt - ein Baumstamm, ein Pflastersteinhaufen und eine Mauerecke mit Gitarre.

Ich habe Probleme mit Sachen die sinn- und zwecklos sind und frage mich immer sehr genau, was soll man damit anfangen. Daraus ergab sich die Idee, Objekte zu machen, die sich wieder in eine Realität integrieren, zwar in eine andere als die, aus der sie stammen, aber dafür um so effektiver. Die Objekte sind innen mit einem Kupferleitungssystem versehen und können als Heizkörper in ein Zimmer integriert werden.

Im Ausstellungsraum binde ich die Objekte, zusammengefasst zu einer Wärmeinsel, in den Kreislauf des Heizsystems ein. Das hat natürlich auch alles wieder was mit Systemen zu tun, weil neue Sinn-zusammenhänge gebildet werden.

C.B.: Mein Name ist Christine Baumann, ich habe in Braunschweig studiert und lebe und arbeite seit zwei Jahren in Wien. Mir waren schon immer Räume wichtig. Ich mache Installationen und Wandarbeiten. Lange Zeit waren sie quadratisch aber jetzt ist mein Thema der Kreis. Es interessiert mich, Arbeiten zu schaffen, die Raum und Menschen konzentrieren. Das kann man in diesem Fall wörtlich nehmen. Der Kreis hat eine Mitte, aus der er entstammt, die aber nicht mehr da ist. Ich denke um diese Mitte, um sie zu finden und zu leben, darum geht es mir sehr oft.

Ich bin sehr lange um den Kreis herumgekreist, weil er endlich und gleichzeitig unendlich ist.

Ich lasse diese Kreise aus Alltagsmaterial entstehen, damit sie faßbar werden. Farbe interessiert mich durchaus, aber oft scheint mir das Sinnliche des Farbmaterials verloren gegangen zu sein. Ich habe Farbe früher schon immer dick gegossen und versucht sie in Formen zu bringen. Heute verwende ich Alltagsmaterialien, die ihre eigenen, material-immanenten Farben haben. So sind eine Reihe unterschiedlicher Kreise entstanden, aus Lakritzen, Zeitungspapier und anderem. Die Dimension spielt dabei auch eine wichtige Rolle.

S.L.: Mein Name ist Suwan Leimanee, ich komme aus Thailand. Meine Arbeit bezieht sich auf ein soziales Umfeld zwischen der Situation hier und der Situation in der ich ursprünglich gelebt habe. Mein Thema ist der tropische Regenwald Thailands. Noch vor 40 Jahren war das Land zu 70% mit Regenwald bedeckt, heute sind es nur mehr 15%.

Und in ganz Westeuropa findet man Grillteller, Jausenteller aus Teakholz, das Stück zu 10 Schilling, als typische Verbrauchsartikel. Früher wurde noch angegeben, welche Holzart verwendet wurde, aber inzwischen gibt es selbst diese Information nicht mehr.

Ich verwende die Holzteller als Realgegenstände, sie beziehen sich auf den Kontext, der viel zu wenig geläufig ist. Daraus ergibt sich eine ganze Geschichte, als Dokumentation dieser Vorgänge, einschließlich der bedenkenlosen Verwendung von Tropenholz für Fenster, Türen, Fußböden und Bilderrahmen. Meine Arbeit soll auch bewirken, daß wir uns Gedanken machen, wie wir mit unserer Umwelt umgehen.

Ch.R.: Wie sind Sie aus Thailand nach Wien gekommen, wie lange leben sie schon hier?

S.L.: Ich bin seit etwa vier Jahren in Wien. Ich habe in Japan gelebt, in Deutschland und Ägypten, mal da, mal dort, ohne festen Wohnsitz. Nachdem ich meine Frau kennengelernt habe, eine Österreicherin, bin ich in Wien geblieben, zufällig sozusagen. Ich habe auch in Deutschland studiert und jetzt arbeite ich in der Meisterklasse Pistoletto an der Akademie.

A.B.: Mein Name ist Andreas Baumann; es ist ein Zufall, daß ich auch Baumann heiße, aber vielleicht ist der gleiche Name ein Grund dafür, daß wir zusammengewürfelt worden sind. Ich bin Schweizer und lebe seit neun Jahren in Wien. Früher habe ich mit Eva Wohlgemuth zusammengearbeitet und das gemeinsame Interesse an Systemen hat sich fortgesetzt. Ich fotografiere und zwar hauptsächlich meine Umgebung, meine Umwelt, meine Kleider, die Aussicht aus dem Fenster.... Ich gehe so vor, daß ich einen Raster aus Fäden vor das Objekt lege. Dann mache ich Foto für Foto, Stück für Stück und diese Fotos lasse ich dann billigst vergrößern, bei DM z.B. zu S 3.90 das Stück, und setze sie wieder zu einem ganzen Bild zusammen, daß das Abgebildete im Maßstab 1:1 zeigt.

Für die Ausstellung in der Kunsthalle Exnergasse mache ich eigene, neue Sachen, und ich hoffe das gelingt, weil ich diesmal Teile der Arbeiten der teilnehmenden Künstler und ihre Körper fotographiere. Ich möchte eben generell auf das reagieren können, was sich gerade in meiner Umgebung befindet, was passiert.

Die 1:1 Bilder hänge ich oft nicht an die Wand, sondern lasse sie über Fenster und Ecken laufen. So klinken sich die 1:1 Abbilder in den anderen Ort wieder ein. Das ist dann eigentlich ein architektonischer Ansatz.

Ch.R.: Einige von Ihnen haben sich vorher nicht gekannt. Wie hat das Zusammenfinden funktioniert? Das Dilemma ziemlich beliebiger Gruppenausstellungen ist ja ein latentes. Andreas Baumann hat am ehesten einen Ansatz, auf die anderen Arbeiten einzugehen. Ist es für seine Gegenüber erfreulich, daß einer integrativ wirken möchte oder gibt's da Probleme. Also, wo liegt der Unterschied zu einer völlig durchkonzipierten Gruppenausstellung oder zu tatsächlichen Gruppenarbeiten?

C.B.: Bei uns hat es da von Anfang an keine Probleme gegeben. Es gab einen Konsens, daß wir zusammen die Ausstellung machen wollen. Jeder und jede kann eigene Arbeiten zeigen aber es muß zusammengehen. Niemand soll im Vordergrund stehen. Das ganze muß eine stimmige Sache sein. Daß Andreas Baumann eine verbindende Rolle übernommen hat, sehen wir positiv. Schließlich wurden wir aber von einer Jury ausgewählt, die etwas Spezielles von uns wollte - also Eva Wohlgemuths beheizbare Objekte, meine Rauminstallationen, Suwans Projekt.

Ich kann mir auch durchaus vorstellen, daß wir in Zukunft gemeinsam etwas machen können. Es gibt viele Berührungspunkte und Parallelen, andererseits sind wir doch sehr unterschiedlich vom Ansatz her.

Ch.R.: Der Kurator wurde sozusagen eingespart?

E.W.: Es ist sicher ungewöhnlich, daß die Kunsthalle Exnergasse noch so vorgeht. Der letzte Ort ... ?

S.L.: ... für junge Künstler ...

A.B.: ... allerdings hat es bei anderen Ausstellungen auch oft Streitereien gegeben, vielleicht gerade wegen dieser offenen Struktur. Wir aber wollten eine gute Ausstellung machen unter den Voraussetzungen, die wir eben zur Verfügung haben.

Ch.R.: Zur Kuratorenfrage für Sie als Künstler: Ist das ein Test den Verantwortlichen wegzulassen, als Katalysator, als Instanz, als "objektivere" Konfliktlösungsinstanz. Er oder sie kann aber auch eine Entlastung sein oder zur Präzisierung beitragen.

A.B.: Mit Kuratoren ist es ja auch oft so, daß sich die Künstler erst bei der Vernissage richtig treffen. Die Leute brauchen sich auch gar nicht zu kennen. Bei uns ist es einfach einmal umgekehrt.

E.W.: Wir sind ganz auf uns gestellt. Die Kunsthalle Exnergasse übernimmt dabei keine Verantwortung. Es betreut uns niemand, was inhaltliche Belange oder Fragen der Präsentation betrifft.

S.L.: Wir machen alles selber aus dieser Situation heraus.

Ch.R.: Ist es dann der Ort, der Euch anzieht, oder das Budget, sonst hättet Ihr auch eine Halle mieten können und das überhaupt allein organisiert?

A.B.: Ich denke, daß die Exnergasse schon ein guter Ort ist ...

E.W.: ... der eine gewisse Grundstruktur hat ...

C.B.: ... und auch ein lebendiger Ort ist, weil das Publikum sehr unterschiedlich ist, die Ausstellungen dort werden sehr gut besucht.

Ch.R.: Besprechen wir jetzt die Auswahl, die Jury. Wie ist das abgelaufen?

S.L.: Ich habe meine Mappe abgegeben, vor einem Jahr. Dann habe ich die Zusage bekommen und die Telefonnummer von Christine und so haben wir zusammengefunden. Ich kannte die anderen drei nicht.

E.W.: Mir wurde von Franziska Kaspar während einer Vernissage Christine Baumann vorgestellt und man hat mir gesagt, daß wir diese Ausstellung machen sollen. Christine hat dann auch Suvan gekannt.

Vielleicht ist dabei auch interessant, daß am Anfang eine weitere Person an der Ausstellung teilnehmen sollte, die mußten wir zum ersten Treffen bereits "zwingen". Die war grundsätzlich dagegen, mit uns zusammen auszustellen.

Wir anderen haben uns auch sehr oft getroffen, um diesen Konsens zu erreichen, sicher jede zweite Woche.

Ch.R.: Gibt es in Ihrem Köpfen Idealbilder, wie so eine Auswahl funktionieren sollte oder finden sie sich mit den Zufälligkeiten des Kunstbetriebes ab?

A.B.: Wenn nichts Gutes dabei rauskommt ist es nicht akzeptabel. Als Modell finde ich es so durchaus interessant. Ich glaube allerdings nicht, daß das irgendwer bewußt als Versuch sieht. Aber es gibt ja irgendwo den Spruch: Ein Kamel ist ein Rennpferd, das von einem Komitee entworfen wurde. Wenn mehr Leute dabei sind hat das Vor- und Nachteile.

S.L.: Das WUK ist einfach sehr offen. Wo kann man als junger unbekannter Künstler hin? Welche Galerie gibt es da? Das Betriebssystem ist so eng, so dicht geballt, man kommt da nicht durch.

C.B.: Künftig werden sie, soviel ich weiß, Einzelne auswählen und denen dann offenstellen, mit wem sie zusammenarbeiten wollen.

A.B.: Der Künstler als Kurator sozusagen, weil es mit dem anderen System zu oft Spannungen gegeben hat.

C.B.: Für mich ist das alles sehr wichtig gewesen. Mir fehlt in Wien noch der Kontakt, obwohl ich auch im WUK für ein Jahr ein Atelier gehabt habe. Ich habe mir immer mehr Austausch gewünscht. Erst so langsam find ich die Ecken und Nischen wo das möglich ist und es wäre schade, wenn das nach dieser Ausstellung wieder aufhören sollte.

Ch.R.: Wie schaut das finanziell aus, haben sie ein Budget oder müssen sie wie üblich das meiste selbst leisten?

A.B.: Pro Ausstellung stehen 40.000.- S. zur Verfügung, davon werden sehr viele Fixkosten bezahlt, wie z.B. Einladungskarten, Versand, Versicherung, Buffet, Hilfskräfte u.s.w. Diese Summe steht daher nur indirekt uns zur Verfügung.

Wir haben eine Förderung von 25.000.- S von der Stadt Wien, die deckt unsere Kosten ab. Ein Katalogansuchen wurde abgelehnt. Es ist also sehr knapp. Deshalb wollen wir das mit diesem Text auch extra dokumentieren ...

E.W.: ... denn es macht natürlich schon einen Unterschied, wieviel Geld für die Präsentation von Arbeiten zur Verfügung steht.

Ch.R.: Die Ausstellungsökonomie hat, auch bei reicheren Veranstaltern, sonderbare Eigenheiten. Es wird immer ein Katalog finanziert, das heißt relativ marktgerechte Grafikhonorare, hohe Druckkosten, aber ärmliche oder ausbleibende Vergütungen für Textproduzenten. Kuratoren, Ausstellungsdesigner oder Architekten können bisweilen auch mit Normalhonoraren rechnen, dem Künstler muß die Ehre genügen, selbst wenn er manchmal monatelang an einer Ausstellung arbeitet und - in Non-Profit-Bereichen - gar nichts verkaufen kann.

E.W.: Grundsätzlich glaube ich, daß in der Kunsthalle Exnergasse verkauft werden könnte, aber wer denkt daran ...?

Ch.R.: Wollen wir Künstler, die gleichbehandelt werden wie der Grafiker, der Architekt - im Sinn üblicher Leistungsentgelte, mit allen Fragen zur "Nachfragesituation"? Wofür treten sie als jüngere Generation ein? Die darwinistische Kampfsituation - "wer sich durchsetzt setzt sich durch" - ist ja weiterhin der Normalfall.

E.W.: Es ist auch eine Frage, wieviele sich überhaupt durchsetzen können, auf dem Markt. Momentan leben hier viele Künstler von irgendwelcher Kuratorentätigkeit, als Organisatoren von Kunstevents oder von irgendwelchen Jobs.

Ch.R.: Mich interessieren speziell eigenständige Formen. z. B. Künstler, die ihre Projekte selbst organisieren und finanzieren, sehr oft mit nicht unmittelbar verkäuflicher Arbeit. Ich jedenfalls denke tendenziell in "Projekten" und wie sie mit "Strukturen", also Institutionen, kooperieren können. Auch die Kunstkonjunktur der letzten Jahre hat in Österreich keine leistungsfähigen "Strukturen" schaffen können (Galerien, Verlage, Zeitschriften). Es herrscht weiterhin das Prinzip "Do-it-yourself".

C.B.: Ich zum Beispiel arbeite mit Installationen, die sind ja nicht verkäuflich und das ist für mich immer wieder ein Problem. Gerade Installationen sind nur für etablierte Künstler finanziell machbar, oder auf ehrenamtlicher Ebene, wo nur jobben übrigbleibt, um alles zu finanzieren. Es wäre schon schön wenn Formen gefunden werden könnten, die solche künstlerische Arbeiten in irgendeiner Form honorieren.

Ch.R.: Man muß aber im Auge behalten, daß die schwierigsten Filme finanzierbar gewesen sind, oft in ganz schlechten wirtschaftlichen Zeiten. Auch ein Pasolini hat Millionenbeträge aufgebracht und das oft nicht hereingespielt. In einer relativ wohlhabenden Gesellschaft heißt das nachdenken, inwieweit Kunst, die immer wieder die phantasievollsten Finanzierungsformen gefunden hat, unter sich ändernden Bedingungen ermöglicht werden kann, ohne daß man dafür bloß den Staat, Mäzene, Sammler oder Banken im Blickfeld hat. Die Blüte des italienischen Films nach dem Krieg haben vielleicht irgendwelche Mafiabosse finanziert aus Steuerabschreibgründen. Es gilt also künstlerisch wachsame Strategien zu entwickeln: Doppelberuf oder nicht u.s.w., die Arbeitsbedingungen als solche zu überdenken.

E.W.: Also, ich versuche das so zu lösen, daß ich neben den Systemen, die lang dauern und sehr kostenaufwendig sind, mit Bodenfotos und beheizbaren Objekten eine durchaus kommerziellere Schiene aufbaue und daneben noch meinen tatsächlichen Lebensunterhalt mit diversen Nebenjobs verdiene. Grundsätzlich habe ich auch nichts gegen kleinere Jobs nebenbei, weil das Distanz gibt. Aber für eine Art Abgeltung künstlerischer Leistungen wäre ich schon.

Ch.R.: Andererseits: Künstlergehälter, wie es sie eine Zeitlang z. B. in Holland gegeben hat, defacto auch in den sozialistischen Staaten, haben aber erstaunlich wenig gebracht. Das erzeugt offenbar eine eigene Art Verfilzung und Blockierung, obwohl ein Basisgehalt für alle der Theorie nach Freiheiten ermöglichen müßte. Ein konkreter Ausweg ist eine offensivere Politik der Projektfinanzierung, bei der der Künstler, der drei Monate an einer Ausstellung arbeitet, nicht schlechter weg-kommt als der Kurator oder der Grafiker. Man muß ja auch sehen, daß in Österreich kaum ein literarisches oder wissenschaftliches Buch ohne Staatsförderung, also rein marktwirtschaftlich, erscheinen kann. Für fehlende Nachfrage und seine "besondere" Existenz wird der Künstler gleichsam bestraft, als ob er etwas dafür könnte.

E.W: Das geht vermutlich von der Grundmeinung aus, daß der kreative Akt an sich schon so ein Vergnügen ist, daß er nicht auch noch eine Belohnung braucht, also im Idealfall mit Kommerz nichts zu tun haben muß. Ich habe das übrigens auch lange Zeit so gehalten. Und es macht ja auch tatsächlich Spaß, teilweise.

A.B.: Ich glaube, daß eigentlich niemand an einem konkreten künstlerischen Produkt interessiert ist. Interessiert ist ein Markt, ein der Kunstproduktion angeschlossenes kapitalistisches System, das vielleicht 5% aller Künstler ein Leben ermöglicht Die restlichen 95% tragen natürlich auch zu diesem gesamten evolutionären Kunstpotential bei. Sie geben den 5% ihre Seriosität. Das ist ein sehr komplexes System. Ich habe nicht die Illusion, daß ich je von der Kunstproduktion werde leben können. Ich glaube auch nicht, daß es so streng qualitative Kriterien sind, sondern auch, daß man das Glück haben muß, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Man kann natürlich auch versuchen, der Kunst wieder eine konkrete Aufgabe zu geben, jenseits von Handelsware. Ich denke an Kunst als gesellschaftliche Dienstleistung, wie z.B. das Ultranormprojekt, in das ich involviert war. Das soll auch weitergehen, dieses Artists-open/Badmintonturnier.

E.W.: Das ist für mich eher ein Kommunikationsprojekt, das zwischen Künstlern gestartet wurde. Da ist ja der Sport, der Spaß und daß Künstler als Personen dabei sind, das Anziehende, nicht eine über das ganze hinausgehende reflexive Position. Also, mir ist einfach eine Tat, ein Objekt und der davon ausgelöste Gedankenstoß wichtig, wie brisant der ist. Es geht um die andere Sicht, die etwas bietet.

A.B.: Die Kunst versucht einen Platz zu finden, wo sie eine echte Funktion hat, gesellschaftlich oder wirtschaftlich. Daß sie nicht wo herumsteht im luftleeren Raum, man stellt's wo hin und manchmal schaut man's an. Also Kunst, die versucht Information zu vermitteln.

C.B.: Für mich muß Kunst nicht vordergründig eine Funktion haben. Sie braucht auch nicht belehrend wirken, vielleicht eher klärend, und sie kann dazu beitragen, sich selbst, der Gesellschaft, der Welt, dem Universum näherzurücken.

Ch.R.: Vom Standpunkt des Textproduzenten aus gesehen, müßte ja jeder versuchen, Kolumnist bei der Kronenzeitung zu werden, wenn es simpel um Wirkung, Erfolg, Geld, hohe Zeilenhonorare ginge. Offenbar gibt es ja auch dabei viele andere Motivationsbündel. Was sagen solche Vergleiche? Was wollt Ihr mit Eurer Kunstproduktion? Ich wollte nie Kolumnist bei der Kronenzeitung werden. Ich will auch nicht Journalist sein, aber mich von Zeit zu Zeit in überlegter Form schriftlich äußern. Interessant ist doch, daß ich als Text- Musik- Bild-Produzent die Möglichkeit habe zu entscheiden, wo will ich mit meiner Arbeit überhaupt hin. Nur damit habe ich diesen offenen, forschenden Bereich, der uns offenbar verbindet, auch ohne das durch den Begriff "Kunst" gleich wieder einzuengen. Als Vorfrage geht es um Felder, wo nicht sofort das Denken in Produkten dominiert. Eine rein kommerzielle Sicht trägt zu entscheidenden Fragen erstaunlicherweise wenig bei. Andererseits plädiere ich nicht für eine politische Kunst, die auf entsprechende Aussagen aus ist.

In der letzten Phase des Gesprächs sollten wir daher noch stärker auf Ihre künstlerischen Inhalte eingehen. Ich habe herausgehört: Vernetzungsgedanke, Maßstab 1:1, Einbeziehung von Erfahrungen aus Thailand, Andreas Baumann mit integrierenden Ansätzen. Sie stammen alle aus verschiedenen Ländern, spielt das in Ihrer Arbeit eine Rolle? Was wäre, wenn diese Ausstellung in Thailand gezeigt würde?

S.L.: Das ist schwer zu sagen, die Leute sehen dort momentan nur noch Geld. Vielleicht würde ich auch umgebracht, wegen Geschäftsstörung. Unser Gesellschaftssystem funktioniert nach Angebot und Nachfrage. Die Nachfrage nach Holz ist sehr groß, so wird immer noch mehr exportiert. In Thailand gibt es kaum Urwald mehr, sondern fast nur noch Nationalparks. Und die reich gewordenen Thailänder machen Geschäfte in den Nachbarländern wie Laos oder Kambodscha. Und selbstverständlich kooperieren sie mit westeuropäischen Ländern.

Ch. R.: Und die Nachfrage nach Kunst in Thailand?

S.L.: Die Nachfrage ist da. Aber die kennen keinen Unterschied, was ist schlechte Kunst, was ist gute Kunst. Aber sie haben Geld. Sie kaufen alles. Da gibt es einen Thaistudenten, der in Europa studiert hat und er geht zurück und stellt seine graphischen Arbeiten aus und verdient damit sofort ein, zwei Millionen Schilling. Sie kaufen alles und hängen es in ihre Wolkenkratzer.

Dabei wird die Natur ausgebeutet. Es ist nicht mehr das Tempo des zwanzigsten sondern des einundzwanzigsten Jahrhunderts. Aber ich lebe jetzt hier und so interessieren mich diese Vernetzungsprobleme zwischen hier und dort.

Ch.R.: Als Aktivist von Greenpeace könnten Sie aber in dieser Beziehung mehr bewirken als als Künstler. Ist das für Sie ein Problem

S.L.: Ich übertrage diese Problematik, diesen Inhalt in ein ganz andres Bild, damit es einen Denkanstoß gibt und die Leute diesen Inhalt auf einer ganz anderen Ebene sehen.

C.B.: Die Arbeit von Suwan hat keinen gehobenen Zeigefinger. Das gefällt mir bei seiner Arbeit. Greenpeace ist ein möglicher Schluß aus der Arbeit. Sie hat aber auch ästhetischen Wert und vor allem auch Witz.

Ch.R.: Ist jetzt die Ausstellung an den Ort Exnergasse gebunden oder würde sich die Rezeption verändern, in Thailand zum Beispiel?

S.L.: Ich plane, diese Ausstellung auch in Thailand zu zeigen.

E.W.: Hast du nicht zuerst gesagt, Du würdest umgebracht werden?

S.L.: Die thailändische Politik ist so: Wenn jemand bekannt ist, im Ausland, dann geht das nicht mehr. Aber wenn ein Thailänder allein die Konzerne angreift, ist das anders.

Ch.R.: Was mich noch interessiert sind die Verknüpfungs- und Vernetzungsintentionen. Mit doch sehr verschiedenen Ausgangspunkten. Was habt Ihr miteinander zu tun?

S.L.: Wir sehen uns als Kooperative, die diese Ausstellung organisiert.

E.W.: Inhaltlich haben wir uns ja nicht angenähert. Wir haben auch die Inhalte der anderen nicht zur Debatte gestellt.

A.B.: Es war von Anfang an klar, daß der Inhalt jedem Einzelnen überlassen bleibt.

E.W.: Es ist nicht meine Sache andere zu belehren, wenn ich sehe daß jemand an etwas dran ist. Natürlich wären gewisse Inhalte nicht in Frage gekommen, aber unter uns sind daraus keine Probleme entstanden.

Ch.R.: Als Gemeinsamkeit fällt mir ein Hang zum Alltäglichen auf. Das Zerteilen und wieder Zusammensetzen ist ein weiteres Thema.

E.W.: Also was uns sicher verbindet ist der Bezug zum Banalen. - Keine Verzerrungen, Überhöhungen oder irgendwelche Farb-, Form- oder Phantasiespiele. Die Dinge sind das was sie sind.

A.B.: Wie beiläufig ...

E.W.: ... auf keinen Fall inszeniert.

C.B.: Wir sind nicht hochkarätig aber ohne Kurator.

Ch.R.: Ich habe so Alltagsaussprüche gern: "Etwas zusammenbringen" - ist das für Sie noch einen Kommentar wert? Das Denken der Moderne ist von Fragmentierungen geprägt, vom Erforschen des Zusammenhanglosen, von Dissonanzen. Trotzdem muß jeder immer wieder etwas zusammenbringen.

A.B.: Die Ausstellung heißt ja 389 m2, das ist die Fläche der Kunsthalle Exnergasse.

E.W.: Dafür haben wir uns entschieden, weil das für uns der angebrachteste Titel schien. Er stellt einfach die Möglichkeit dar seine/ihre Sachen zu zeigen.

A.B.: Vielleicht ist das was dort passiert auch nur ein Zwischenstop, etwas, das auch weitergehen könnte. Wir haben das Datum der Ausstellung, aber theoretisch könnte das auch weitergehen. Insofern ist es ein Zusammenbringen für mich, auf diesem flächenartigen Raum.

C.B.: Wir haben auch unsere Ideen zusammengebracht und daraus sind weitere Ideen entstanden und gewachsen und jetzt ist es auch so, daß aus unserem Umfeld noch Personen zu uns stoßen. Da ist eine Freundin, die etwas für uns schreibt, eine andere ist Designerin und macht die Einladungskarte u.s.w..

A.B.: Auf jeden Fall ist es sehr kommunikativ. Hoffentlich spürt man das auch in der Ausstellung.

E.W.: Es haben sich schon im Zuge des Prozesses Leute gefunden, die ohne finanzielle Abgeltung hier mitgemacht haben und mitmachen. Es ist uns also gelungen dieses Energiepotential zu schaffen.

Ch.R.: Wollen Sie eigentlich dadurch, daß durch Ihre Aktivitäten dieses Potential entsteht, auch schon die Resonanz beeinflussen, geht das? Ist die Resonanz über die Gruppenbildung vorzuprägen?

E.W.: Ich glaube schon, daß es wichtig ist in welchem Kontext Arbeiten stehen. Und zwar ist damit auch der Zusammenhang gemeint, der über die rein werkimmanenten Felder hinausgeht. Vorarbeiten und drumherum teilen sich irgenwie mit.

A.B.: Als Klima vielleicht ...

E.W.: Ich gehe da vom Prinzip der Units in den Systemen aus. Die sind ja materiell eher unscheinbar. Und was interpretationsmäßig in ihnen liegt, muß vorher eingeladen werden. Ich glaube hier ist in unserer Gruppenarbeit schon das Mögliche passiert. Oder fast das Mögliche.

Ch.R.: Ist es für Sie interessant in einem frühen Stadium der Arbeit bereits mit Kunsttheoretikern oder anderen Gesprächspartnern zu kommunizieren, oder wollen Sie da absichtlich auf Distanz bleiben, allein? Man kann sich ja nicht zu früh auf einen Beurteilungsstandpunkt begeben, sonst kommt man nie auf einen grünen Zweig. Andererseits könnten auf einer frühen Stufe Diskussionen eine Ermunterung oder Klärung bringen?

E.W.: Grundsätzlich wünsche ich mir das schon. Ich glaube, das ist allemal klärend, auch wenn man eine Gegenposition beziehen muß. Nachdem man das Ausbildungsfeld verlassen hat, gibt es ja keine Person mehr, die sich mit den Arbeiten auseinandersetzt. Bei mir hat es sie auch während der Ausbildung kaum gegeben. Bei den Systemen gibt es vielleicht vier oder fünf Personen bis jetzt, die einen eigene Sicht darauf entwickelt haben, alle anderen haben den mitgesandten Text wiedergegeben. Sie haben das also nicht angeschaut. Ich glaube also kaum, daß die Ausstellung in der Kunsthalle Exnergasse eine ernsthafte Kritik finden wird.

A.B.: Aber auch ein Kurator garantiert für nichts. Da läuft es ja oft so ab, daß du angerufen wirst "Dich möchten wir auch noch dabei, aber die Ausstellung ist bereites in zwei Wochen, laß Dir schnell etwas einfallen, und könntest Du nicht jetzt schon Fotos senden." Namedropping oft, das garantiert gar nichts.

E.W.: Es gibt sicher nur wenig Leute, die kuratieren können.

Ch.R.: Ausstellungsmacher, Kuratoren, haben ja schon oft gute Ausstellungen zusammengebracht, gerade weil sie ein eigenes Selektionssystem entwickeln. Künstler meines Umfelds haben sich immer negativ ausgesprochen, gegen diese Vorgangsweise. Andererseits kann man nicht davon ausgehen, daß Kunst völlig zentrisch, subjektiv passiert und diese Prozesse keine Rolle spielen.

C.B.: Wo gibt es aber überhaupt ein direktes Feedback zwischen Künstlern und Öffentlichkeit?

A.B.: Also, ich sage das jetzt auf die Gefahr hin, daß es mißverstanden wird: Früher habe ich mich als Berufskünstler gesehen und jetzt bin ich pointiert ausgedrückt "Hobbykünstler". Ich lebe davon, daß ich Kellner bin. Ich denke nicht mehr daran, von der Kunst direkt leben zu können. Damit habe ich auch ein entspannteres Verhältnis zu meiner künstlerischen Arbeit gewonnen.

Ch.R.: Versuchen wir, einen Schluß zu finden. Ihre Kunst sieht man ja in der Ausstellung. Dieses Gespräch kann ja nur zu einer Art Umfeldtext führen.

Für mich ist Ihre Aussage interessant gewesen, daß in diesem mobilen und schnellen, andererseits kaputten und verwahrlosten Umfeld von Kunst Ihnen von 13 Leuten, die sie um einen Text angeschrieben haben zwei absagen, einer ist bereit zu kooperieren, von den anderen hört man nichts. Das ist für mich auch eine Frage nach Normalität, nach Zivilisiertheit. Es ist ja nicht spießig, wenn man Briefe beantwortet und weil ich das getan habe sitzen wir jetzt da und machen uns gegenseitig Arbeit.

Ich bin hier in einer Institution, die gewisse Vorfragen zur Kunst stellt - zu den Arbeitsbedingungen, zu der Struktur von Museen, Hochschulen und Kunstbetrieb, zu interdisziplinären Arbeitsweisen. Vielfach geht es dabei um eine Normalisierung, eine Aufwertung von freischaffender Arbeit - und künstlerische Arbeit kann auch als Sonderfall davon betrachtet werden. Defacto igeln sich aber die Institutionen ein, überall sind diverse Formen von Ausgrenzung zu beobachten. Die politischen Aussagen dazu lauten Liberalisierung, Deregulierung und Marktwirtschaft, in Wahrheit sind aber viele gegenteilige Entwicklungen festzustellen: Überorganisiertheit, Reglementierung, laufende Einengung "freischaffender" Möglichkeiten. Orte wie die Exnergasse oder diese Lehrkanzel sind noch Chancen für unorganisierte Kooperationen. Das sollten wir im Blickfeld behalten, als Arbeits- und Überlebensstrategie. Ins öffentliche Bewußtsein dringt wenig davon. Es gilt also solche Freiräume und Experimentierfelder zu verteidigen, sonst wird alles von Megastrukturen aufgesogen. Künstlerisches Arbeiten ist da ein sehr seismografisches Feld, wo sichtbar werden kann, wie es mit der Gesellschaft weitergeht. Gerade Projekte, die über die unmittelbare Warenherstellung hinausweisen, setzen sich diesem Spannungsfeld besonders aus. Die Ausgesetztheit des künstlerischen Tuns bleibt ein latentes Problem. Trotzdem macht es jeder freiwillig.

S.L.: Es ist eine freie Entscheidung.

E.W.: Es macht ja auch Spaß...

Ch.R.: Also kein Klagemythos zum Abschluß.

E.W.: Grundsätzlich ist Überleben in Mitteleuropa ja möglich ohne in miesen Strukturen gefangen zu sein.

 

 
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© Christian Reder 1994/2001