Ch.R.: Als Einstieg erscheint es mir plausibel,
daß Sie sich kurz vorstellen, als die handelnden Personen,
wie in einem Theaterstück.
E.W.: Mein Name ist Eva Wohlgemuth. Ich habe früher
mit Andreas Baumann zusammengearbeitet und zwar an der Werkgruppe
der System-Vernetzungsprojekte. Diese Arbeit führe ich jetzt
allein weiter. An bestimmten Punkten im geographischen Feld
sind Objekte, meist Platten oder Plaketten montiert, und zwar
jeweils in bezug auf ein bestimmtes Thema. Der Galerieteil
dazu, materialmäßig möglichst reduziert, verkörpert was in
der Realität passiert.
Aus dem heraus hat sich ein zweites Arbeitsfeld entwickelt,
die "Bodenfotos", eine Kartographie von Bodensituationen im
Maßstab 1:1, mit nicht spektakulären, sondern eher zufälligen
Ausschnitten der Erdoberfläche, die nach geografischer Länge
und Breite exakt bestimmt werden und daraus wieder entstand
die Arbeit, die ich in der Kunsthalle Exnergasse ausstelle:
die beheizbaren Objekte. Es sind 1:1 Realsituationen, in Aluminium
nachgegossen. Die Objekte selbst sind eher spontan gewählt
- ein Baumstamm, ein Pflastersteinhaufen und eine Mauerecke
mit Gitarre.
Ich habe Probleme mit Sachen die sinn- und zwecklos sind
und frage mich immer sehr genau, was soll man damit anfangen.
Daraus ergab sich die Idee, Objekte zu machen, die sich wieder
in eine Realität integrieren, zwar in eine andere als die,
aus der sie stammen, aber dafür um so effektiver. Die Objekte
sind innen mit einem Kupferleitungssystem versehen und können
als Heizkörper in ein Zimmer integriert werden.
Im Ausstellungsraum binde ich die Objekte, zusammengefasst
zu einer Wärmeinsel, in den Kreislauf des Heizsystems ein.
Das hat natürlich auch alles wieder was mit Systemen zu tun,
weil neue Sinn-zusammenhänge gebildet werden.
C.B.: Mein Name ist Christine Baumann, ich habe in
Braunschweig studiert und lebe und arbeite seit zwei Jahren
in Wien. Mir waren schon immer Räume wichtig. Ich mache Installationen
und Wandarbeiten. Lange Zeit waren sie quadratisch aber jetzt
ist mein Thema der Kreis. Es interessiert mich, Arbeiten zu
schaffen, die Raum und Menschen konzentrieren. Das kann man
in diesem Fall wörtlich nehmen. Der Kreis hat eine Mitte,
aus der er entstammt, die aber nicht mehr da ist. Ich denke
um diese Mitte, um sie zu finden und zu leben, darum geht
es mir sehr oft.
Ich bin sehr lange um den Kreis herumgekreist, weil er endlich
und gleichzeitig unendlich ist.
Ich lasse diese Kreise aus Alltagsmaterial entstehen, damit
sie faßbar werden. Farbe interessiert mich durchaus, aber
oft scheint mir das Sinnliche des Farbmaterials verloren gegangen
zu sein. Ich habe Farbe früher schon immer dick gegossen und
versucht sie in Formen zu bringen. Heute verwende ich Alltagsmaterialien,
die ihre eigenen, material-immanenten Farben haben. So sind
eine Reihe unterschiedlicher Kreise entstanden, aus Lakritzen,
Zeitungspapier und anderem. Die Dimension spielt dabei auch
eine wichtige Rolle.
S.L.: Mein Name ist Suwan Leimanee, ich komme aus
Thailand. Meine Arbeit bezieht sich auf ein soziales Umfeld
zwischen der Situation hier und der Situation in der ich ursprünglich
gelebt habe. Mein Thema ist der tropische Regenwald Thailands.
Noch vor 40 Jahren war das Land zu 70% mit Regenwald bedeckt,
heute sind es nur mehr 15%.
Und in ganz Westeuropa findet man Grillteller, Jausenteller
aus Teakholz, das Stück zu 10 Schilling, als typische Verbrauchsartikel.
Früher wurde noch angegeben, welche Holzart verwendet wurde,
aber inzwischen gibt es selbst diese Information nicht mehr.
Ich verwende die Holzteller als Realgegenstände, sie beziehen
sich auf den Kontext, der viel zu wenig geläufig ist. Daraus
ergibt sich eine ganze Geschichte, als Dokumentation dieser
Vorgänge, einschließlich der bedenkenlosen Verwendung von
Tropenholz für Fenster, Türen, Fußböden und Bilderrahmen.
Meine Arbeit soll auch bewirken, daß wir uns Gedanken machen,
wie wir mit unserer Umwelt umgehen.
Ch.R.: Wie sind Sie aus Thailand nach Wien gekommen,
wie lange leben sie schon hier?
S.L.: Ich bin seit etwa vier Jahren in Wien. Ich
habe in Japan gelebt, in Deutschland und Ägypten, mal da,
mal dort, ohne festen Wohnsitz. Nachdem ich meine Frau kennengelernt
habe, eine Österreicherin, bin ich in Wien geblieben, zufällig
sozusagen. Ich habe auch in Deutschland studiert und jetzt
arbeite ich in der Meisterklasse Pistoletto an der Akademie.
A.B.: Mein Name ist Andreas Baumann; es ist ein Zufall,
daß ich auch Baumann heiße, aber vielleicht ist der gleiche
Name ein Grund dafür, daß wir zusammengewürfelt worden sind.
Ich bin Schweizer und lebe seit neun Jahren in Wien. Früher
habe ich mit Eva Wohlgemuth zusammengearbeitet und das gemeinsame
Interesse an Systemen hat sich fortgesetzt. Ich fotografiere
und zwar hauptsächlich meine Umgebung, meine Umwelt, meine
Kleider, die Aussicht aus dem Fenster.... Ich gehe so vor,
daß ich einen Raster aus Fäden vor das Objekt lege. Dann mache
ich Foto für Foto, Stück für Stück und diese Fotos lasse ich
dann billigst vergrößern, bei DM z.B. zu S 3.90 das Stück,
und setze sie wieder zu einem ganzen Bild zusammen, daß das
Abgebildete im Maßstab 1:1 zeigt.
Für die Ausstellung in der Kunsthalle Exnergasse mache ich
eigene, neue Sachen, und ich hoffe das gelingt, weil ich diesmal
Teile der Arbeiten der teilnehmenden Künstler und ihre Körper
fotographiere. Ich möchte eben generell auf das reagieren
können, was sich gerade in meiner Umgebung befindet, was passiert.
Die 1:1 Bilder hänge ich oft nicht an die Wand, sondern
lasse sie über Fenster und Ecken laufen. So klinken sich die
1:1 Abbilder in den anderen Ort wieder ein. Das ist dann eigentlich
ein architektonischer Ansatz.
Ch.R.: Einige von Ihnen haben sich vorher nicht
gekannt. Wie hat das Zusammenfinden funktioniert? Das Dilemma
ziemlich beliebiger Gruppenausstellungen ist ja ein latentes.
Andreas Baumann hat am ehesten einen Ansatz, auf die anderen
Arbeiten einzugehen. Ist es für seine Gegenüber erfreulich,
daß einer integrativ wirken möchte oder gibt's da Probleme.
Also, wo liegt der Unterschied zu einer völlig durchkonzipierten
Gruppenausstellung oder zu tatsächlichen Gruppenarbeiten?
C.B.: Bei uns hat es da von Anfang an keine Probleme
gegeben. Es gab einen Konsens, daß wir zusammen die Ausstellung
machen wollen. Jeder und jede kann eigene Arbeiten zeigen
aber es muß zusammengehen. Niemand soll im Vordergrund stehen.
Das ganze muß eine stimmige Sache sein. Daß Andreas Baumann
eine verbindende Rolle übernommen hat, sehen wir positiv.
Schließlich wurden wir aber von einer Jury ausgewählt, die
etwas Spezielles von uns wollte - also Eva Wohlgemuths beheizbare
Objekte, meine Rauminstallationen, Suwans Projekt.
Ich kann mir auch durchaus vorstellen, daß wir in Zukunft
gemeinsam etwas machen können. Es gibt viele Berührungspunkte
und Parallelen, andererseits sind wir doch sehr unterschiedlich
vom Ansatz her.
Ch.R.: Der Kurator wurde sozusagen eingespart?
E.W.: Es ist sicher ungewöhnlich, daß die Kunsthalle
Exnergasse noch so vorgeht. Der letzte Ort ... ?
S.L.: ... für junge Künstler ...
A.B.: ... allerdings hat es bei anderen Ausstellungen
auch oft Streitereien gegeben, vielleicht gerade wegen dieser
offenen Struktur. Wir aber wollten eine gute Ausstellung machen
unter den Voraussetzungen, die wir eben zur Verfügung haben.
Ch.R.: Zur Kuratorenfrage für Sie als Künstler:
Ist das ein Test den Verantwortlichen wegzulassen, als Katalysator,
als Instanz, als "objektivere" Konfliktlösungsinstanz. Er
oder sie kann aber auch eine Entlastung sein oder zur Präzisierung
beitragen.
A.B.: Mit Kuratoren ist es ja auch oft so, daß sich
die Künstler erst bei der Vernissage richtig treffen. Die
Leute brauchen sich auch gar nicht zu kennen. Bei uns ist
es einfach einmal umgekehrt.
E.W.: Wir sind ganz auf uns gestellt. Die Kunsthalle
Exnergasse übernimmt dabei keine Verantwortung. Es betreut
uns niemand, was inhaltliche Belange oder Fragen der Präsentation
betrifft.
S.L.: Wir machen alles selber aus dieser Situation
heraus.
Ch.R.: Ist es dann der Ort, der Euch anzieht, oder
das Budget, sonst hättet Ihr auch eine Halle mieten können
und das überhaupt allein organisiert?
A.B.: Ich denke, daß die Exnergasse schon ein guter
Ort ist ...
E.W.: ... der eine gewisse Grundstruktur hat ...
C.B.: ... und auch ein lebendiger Ort ist, weil das
Publikum sehr unterschiedlich ist, die Ausstellungen dort
werden sehr gut besucht.
Ch.R.: Besprechen wir jetzt die Auswahl, die Jury.
Wie ist das abgelaufen?
S.L.: Ich habe meine Mappe abgegeben, vor einem Jahr.
Dann habe ich die Zusage bekommen und die Telefonnummer von
Christine und so haben wir zusammengefunden. Ich kannte die
anderen drei nicht.
E.W.: Mir wurde von Franziska Kaspar während einer
Vernissage Christine Baumann vorgestellt und man hat mir gesagt,
daß wir diese Ausstellung machen sollen. Christine hat dann
auch Suvan gekannt.
Vielleicht ist dabei auch interessant, daß am Anfang eine
weitere Person an der Ausstellung teilnehmen sollte, die mußten
wir zum ersten Treffen bereits "zwingen". Die war grundsätzlich
dagegen, mit uns zusammen auszustellen.
Wir anderen haben uns auch sehr oft getroffen, um diesen
Konsens zu erreichen, sicher jede zweite Woche.
Ch.R.: Gibt es in Ihrem Köpfen Idealbilder, wie
so eine Auswahl funktionieren sollte oder finden sie sich
mit den Zufälligkeiten des Kunstbetriebes ab?
A.B.: Wenn nichts Gutes dabei rauskommt ist es nicht
akzeptabel. Als Modell finde ich es so durchaus interessant.
Ich glaube allerdings nicht, daß das irgendwer bewußt als
Versuch sieht. Aber es gibt ja irgendwo den Spruch: Ein Kamel
ist ein Rennpferd, das von einem Komitee entworfen wurde.
Wenn mehr Leute dabei sind hat das Vor- und Nachteile.
S.L.: Das WUK ist einfach sehr offen. Wo kann man
als junger unbekannter Künstler hin? Welche Galerie gibt es
da? Das Betriebssystem ist so eng, so dicht geballt, man kommt
da nicht durch.
C.B.: Künftig werden sie, soviel ich weiß, Einzelne
auswählen und denen dann offenstellen, mit wem sie zusammenarbeiten
wollen.
A.B.: Der Künstler als Kurator sozusagen, weil es
mit dem anderen System zu oft Spannungen gegeben hat.
C.B.: Für mich ist das alles sehr wichtig gewesen.
Mir fehlt in Wien noch der Kontakt, obwohl ich auch im WUK
für ein Jahr ein Atelier gehabt habe. Ich habe mir immer mehr
Austausch gewünscht. Erst so langsam find ich die Ecken und
Nischen wo das möglich ist und es wäre schade, wenn das nach
dieser Ausstellung wieder aufhören sollte.
Ch.R.: Wie schaut das finanziell aus, haben sie
ein Budget oder müssen sie wie üblich das meiste selbst
leisten?
A.B.: Pro Ausstellung stehen 40.000.- S. zur Verfügung,
davon werden sehr viele Fixkosten bezahlt, wie z.B. Einladungskarten,
Versand, Versicherung, Buffet, Hilfskräfte u.s.w. Diese Summe
steht daher nur indirekt uns zur Verfügung.
Wir haben eine Förderung von 25.000.- S von der Stadt Wien,
die deckt unsere Kosten ab. Ein Katalogansuchen wurde abgelehnt.
Es ist also sehr knapp. Deshalb wollen wir das mit diesem
Text auch extra dokumentieren ...
E.W.: ... denn es macht natürlich schon einen Unterschied,
wieviel Geld für die Präsentation von Arbeiten zur Verfügung
steht.
Ch.R.: Die Ausstellungsökonomie hat, auch bei reicheren
Veranstaltern, sonderbare Eigenheiten. Es wird immer ein
Katalog finanziert, das heißt relativ marktgerechte Grafikhonorare,
hohe Druckkosten, aber ärmliche oder ausbleibende Vergütungen
für Textproduzenten. Kuratoren, Ausstellungsdesigner oder
Architekten können bisweilen auch mit Normalhonoraren rechnen,
dem Künstler muß die Ehre genügen, selbst wenn er manchmal
monatelang an einer Ausstellung arbeitet und - in Non-Profit-Bereichen
- gar nichts verkaufen kann.
E.W.: Grundsätzlich glaube ich, daß in der Kunsthalle
Exnergasse verkauft werden könnte, aber wer denkt daran ...?
Ch.R.: Wollen wir Künstler, die gleichbehandelt
werden wie der Grafiker, der Architekt - im Sinn üblicher
Leistungsentgelte, mit allen Fragen zur "Nachfragesituation"?
Wofür treten sie als jüngere Generation ein? Die darwinistische
Kampfsituation - "wer sich durchsetzt setzt sich durch"
- ist ja weiterhin der Normalfall.
E.W.: Es ist auch eine Frage, wieviele sich überhaupt
durchsetzen können, auf dem Markt. Momentan leben hier viele
Künstler von irgendwelcher Kuratorentätigkeit, als Organisatoren
von Kunstevents oder von irgendwelchen Jobs.
Ch.R.: Mich interessieren speziell eigenständige
Formen. z. B. Künstler, die ihre Projekte selbst organisieren
und finanzieren, sehr oft mit nicht unmittelbar verkäuflicher
Arbeit. Ich jedenfalls denke tendenziell in "Projekten"
und wie sie mit "Strukturen", also Institutionen, kooperieren
können. Auch die Kunstkonjunktur der letzten Jahre hat in
Österreich keine leistungsfähigen "Strukturen" schaffen
können (Galerien, Verlage, Zeitschriften). Es herrscht weiterhin
das Prinzip "Do-it-yourself".
C.B.: Ich zum Beispiel arbeite mit Installationen,
die sind ja nicht verkäuflich und das ist für mich immer wieder
ein Problem. Gerade Installationen sind nur für etablierte
Künstler finanziell machbar, oder auf ehrenamtlicher Ebene,
wo nur jobben übrigbleibt, um alles zu finanzieren. Es wäre
schon schön wenn Formen gefunden werden könnten, die solche
künstlerische Arbeiten in irgendeiner Form honorieren.
Ch.R.: Man muß aber im Auge behalten, daß die schwierigsten
Filme finanzierbar gewesen sind, oft in ganz schlechten
wirtschaftlichen Zeiten. Auch ein Pasolini hat Millionenbeträge
aufgebracht und das oft nicht hereingespielt. In einer relativ
wohlhabenden Gesellschaft heißt das nachdenken, inwieweit
Kunst, die immer wieder die phantasievollsten Finanzierungsformen
gefunden hat, unter sich ändernden Bedingungen ermöglicht
werden kann, ohne daß man dafür bloß den Staat, Mäzene,
Sammler oder Banken im Blickfeld hat. Die Blüte des italienischen
Films nach dem Krieg haben vielleicht irgendwelche Mafiabosse
finanziert aus Steuerabschreibgründen. Es gilt also künstlerisch
wachsame Strategien zu entwickeln: Doppelberuf oder nicht
u.s.w., die Arbeitsbedingungen als solche zu überdenken.
E.W.: Also, ich versuche das so zu lösen, daß ich
neben den Systemen, die lang dauern und sehr kostenaufwendig
sind, mit Bodenfotos und beheizbaren Objekten eine durchaus
kommerziellere Schiene aufbaue und daneben noch meinen tatsächlichen
Lebensunterhalt mit diversen Nebenjobs verdiene. Grundsätzlich
habe ich auch nichts gegen kleinere Jobs nebenbei, weil das
Distanz gibt. Aber für eine Art Abgeltung künstlerischer Leistungen
wäre ich schon.
Ch.R.: Andererseits: Künstlergehälter, wie es sie
eine Zeitlang z. B. in Holland gegeben hat, defacto auch
in den sozialistischen Staaten, haben aber erstaunlich wenig
gebracht. Das erzeugt offenbar eine eigene Art Verfilzung
und Blockierung, obwohl ein Basisgehalt für alle der Theorie
nach Freiheiten ermöglichen müßte. Ein konkreter Ausweg
ist eine offensivere Politik der Projektfinanzierung, bei
der der Künstler, der drei Monate an einer Ausstellung arbeitet,
nicht schlechter weg-kommt als der Kurator oder der Grafiker.
Man muß ja auch sehen, daß in Österreich kaum ein literarisches
oder wissenschaftliches Buch ohne Staatsförderung, also
rein marktwirtschaftlich, erscheinen kann. Für fehlende
Nachfrage und seine "besondere" Existenz wird der Künstler
gleichsam bestraft, als ob er etwas dafür könnte.
E.W: Das geht vermutlich von der Grundmeinung aus,
daß der kreative Akt an sich schon so ein Vergnügen ist, daß
er nicht auch noch eine Belohnung braucht, also im Idealfall
mit Kommerz nichts zu tun haben muß. Ich habe das übrigens
auch lange Zeit so gehalten. Und es macht ja auch tatsächlich
Spaß, teilweise.
A.B.: Ich glaube, daß eigentlich niemand an einem
konkreten künstlerischen Produkt interessiert ist. Interessiert
ist ein Markt, ein der Kunstproduktion angeschlossenes kapitalistisches
System, das vielleicht 5% aller Künstler ein Leben ermöglicht
Die restlichen 95% tragen natürlich auch zu diesem gesamten
evolutionären Kunstpotential bei. Sie geben den 5% ihre Seriosität.
Das ist ein sehr komplexes System. Ich habe nicht die Illusion,
daß ich je von der Kunstproduktion werde leben können. Ich
glaube auch nicht, daß es so streng qualitative Kriterien
sind, sondern auch, daß man das Glück haben muß, zur richtigen
Zeit am richtigen Ort zu sein. Man kann natürlich auch versuchen,
der Kunst wieder eine konkrete Aufgabe zu geben, jenseits
von Handelsware. Ich denke an Kunst als gesellschaftliche
Dienstleistung, wie z.B. das Ultranormprojekt, in das ich
involviert war. Das soll auch weitergehen, dieses Artists-open/Badmintonturnier.
E.W.: Das ist für mich eher ein Kommunikationsprojekt,
das zwischen Künstlern gestartet wurde. Da ist ja der Sport,
der Spaß und daß Künstler als Personen dabei sind, das Anziehende,
nicht eine über das ganze hinausgehende reflexive Position.
Also, mir ist einfach eine Tat, ein Objekt und der davon ausgelöste
Gedankenstoß wichtig, wie brisant der ist. Es geht um die
andere Sicht, die etwas bietet.
A.B.: Die Kunst versucht einen Platz zu finden, wo
sie eine echte Funktion hat, gesellschaftlich oder wirtschaftlich.
Daß sie nicht wo herumsteht im luftleeren Raum, man stellt's
wo hin und manchmal schaut man's an. Also Kunst, die versucht
Information zu vermitteln.
C.B.: Für mich muß Kunst nicht vordergründig eine
Funktion haben. Sie braucht auch nicht belehrend wirken, vielleicht
eher klärend, und sie kann dazu beitragen, sich selbst, der
Gesellschaft, der Welt, dem Universum näherzurücken.
Ch.R.: Vom Standpunkt des Textproduzenten aus gesehen,
müßte ja jeder versuchen, Kolumnist bei der Kronenzeitung
zu werden, wenn es simpel um Wirkung, Erfolg, Geld, hohe
Zeilenhonorare ginge. Offenbar gibt es ja auch dabei viele
andere Motivationsbündel. Was sagen solche Vergleiche? Was
wollt Ihr mit Eurer Kunstproduktion? Ich wollte nie Kolumnist
bei der Kronenzeitung werden. Ich will auch nicht Journalist
sein, aber mich von Zeit zu Zeit in überlegter Form schriftlich
äußern. Interessant ist doch, daß ich als Text- Musik- Bild-Produzent
die Möglichkeit habe zu entscheiden, wo will ich mit meiner
Arbeit überhaupt hin. Nur damit habe ich diesen offenen,
forschenden Bereich, der uns offenbar verbindet, auch ohne
das durch den Begriff "Kunst" gleich wieder einzuengen.
Als Vorfrage geht es um Felder, wo nicht sofort das Denken
in Produkten dominiert. Eine rein kommerzielle Sicht trägt
zu entscheidenden Fragen erstaunlicherweise wenig bei. Andererseits
plädiere ich nicht für eine politische Kunst, die auf entsprechende
Aussagen aus ist.
In der letzten Phase des Gesprächs sollten wir daher noch
stärker auf Ihre künstlerischen Inhalte eingehen. Ich habe
herausgehört: Vernetzungsgedanke, Maßstab 1:1, Einbeziehung
von Erfahrungen aus Thailand, Andreas Baumann mit integrierenden
Ansätzen. Sie stammen alle aus verschiedenen Ländern, spielt
das in Ihrer Arbeit eine Rolle? Was wäre, wenn diese Ausstellung
in Thailand gezeigt würde?
S.L.: Das ist schwer zu sagen, die Leute sehen dort
momentan nur noch Geld. Vielleicht würde ich auch umgebracht,
wegen Geschäftsstörung. Unser Gesellschaftssystem funktioniert
nach Angebot und Nachfrage. Die Nachfrage nach Holz ist sehr
groß, so wird immer noch mehr exportiert. In Thailand gibt
es kaum Urwald mehr, sondern fast nur noch Nationalparks.
Und die reich gewordenen Thailänder machen Geschäfte in den
Nachbarländern wie Laos oder Kambodscha. Und selbstverständlich
kooperieren sie mit westeuropäischen Ländern.
Ch. R.: Und die Nachfrage nach Kunst in Thailand?
S.L.: Die Nachfrage ist da. Aber die kennen keinen
Unterschied, was ist schlechte Kunst, was ist gute Kunst.
Aber sie haben Geld. Sie kaufen alles. Da gibt es einen Thaistudenten,
der in Europa studiert hat und er geht zurück und stellt seine
graphischen Arbeiten aus und verdient damit sofort ein, zwei
Millionen Schilling. Sie kaufen alles und hängen es in ihre
Wolkenkratzer.
Dabei wird die Natur ausgebeutet. Es ist nicht mehr das
Tempo des zwanzigsten sondern des einundzwanzigsten Jahrhunderts.
Aber ich lebe jetzt hier und so interessieren mich diese Vernetzungsprobleme
zwischen hier und dort.
Ch.R.: Als Aktivist von Greenpeace könnten Sie
aber in dieser Beziehung mehr bewirken als als Künstler.
Ist das für Sie ein Problem
S.L.: Ich übertrage diese Problematik, diesen Inhalt
in ein ganz andres Bild, damit es einen Denkanstoß gibt und
die Leute diesen Inhalt auf einer ganz anderen Ebene sehen.
C.B.: Die Arbeit von Suwan hat keinen gehobenen Zeigefinger.
Das gefällt mir bei seiner Arbeit. Greenpeace ist ein möglicher
Schluß aus der Arbeit. Sie hat aber auch ästhetischen Wert
und vor allem auch Witz.
Ch.R.: Ist jetzt die Ausstellung an den Ort Exnergasse
gebunden oder würde sich die Rezeption verändern, in Thailand
zum Beispiel?
S.L.: Ich plane, diese Ausstellung auch in Thailand
zu zeigen.
E.W.: Hast du nicht zuerst gesagt, Du würdest umgebracht
werden?
S.L.: Die thailändische Politik ist so: Wenn jemand
bekannt ist, im Ausland, dann geht das nicht mehr. Aber wenn
ein Thailänder allein die Konzerne angreift, ist das anders.
Ch.R.: Was mich noch interessiert sind die Verknüpfungs-
und Vernetzungsintentionen. Mit doch sehr verschiedenen
Ausgangspunkten. Was habt Ihr miteinander zu tun?
S.L.: Wir sehen uns als Kooperative, die diese Ausstellung
organisiert.
E.W.: Inhaltlich haben wir uns ja nicht angenähert.
Wir haben auch die Inhalte der anderen nicht zur Debatte gestellt.
A.B.: Es war von Anfang an klar, daß der Inhalt jedem
Einzelnen überlassen bleibt.
E.W.: Es ist nicht meine Sache andere zu belehren,
wenn ich sehe daß jemand an etwas dran ist. Natürlich wären
gewisse Inhalte nicht in Frage gekommen, aber unter uns sind
daraus keine Probleme entstanden.
Ch.R.: Als Gemeinsamkeit fällt mir ein Hang zum
Alltäglichen auf. Das Zerteilen und wieder Zusammensetzen
ist ein weiteres Thema.
E.W.: Also was uns sicher verbindet ist der Bezug
zum Banalen. - Keine Verzerrungen, Überhöhungen oder irgendwelche
Farb-, Form- oder Phantasiespiele. Die Dinge sind das was
sie sind.
A.B.: Wie beiläufig ...
E.W.: ... auf keinen Fall inszeniert.
C.B.: Wir sind nicht hochkarätig aber ohne Kurator.
Ch.R.: Ich habe so Alltagsaussprüche gern: "Etwas
zusammenbringen" - ist das für Sie noch einen Kommentar
wert? Das Denken der Moderne ist von Fragmentierungen geprägt,
vom Erforschen des Zusammenhanglosen, von Dissonanzen. Trotzdem
muß jeder immer wieder etwas zusammenbringen.
A.B.: Die Ausstellung heißt ja 389 m2, das ist die
Fläche der Kunsthalle Exnergasse.
E.W.: Dafür haben wir uns entschieden, weil das für
uns der angebrachteste Titel schien. Er stellt einfach die
Möglichkeit dar seine/ihre Sachen zu zeigen.
A.B.: Vielleicht ist das was dort passiert auch nur
ein Zwischenstop, etwas, das auch weitergehen könnte. Wir
haben das Datum der Ausstellung, aber theoretisch könnte das
auch weitergehen. Insofern ist es ein Zusammenbringen für
mich, auf diesem flächenartigen Raum.
C.B.: Wir haben auch unsere Ideen zusammengebracht
und daraus sind weitere Ideen entstanden und gewachsen und
jetzt ist es auch so, daß aus unserem Umfeld noch Personen
zu uns stoßen. Da ist eine Freundin, die etwas für uns schreibt,
eine andere ist Designerin und macht die Einladungskarte u.s.w..
A.B.: Auf jeden Fall ist es sehr kommunikativ. Hoffentlich
spürt man das auch in der Ausstellung.
E.W.: Es haben sich schon im Zuge des Prozesses Leute
gefunden, die ohne finanzielle Abgeltung hier mitgemacht haben
und mitmachen. Es ist uns also gelungen dieses Energiepotential
zu schaffen.
Ch.R.: Wollen Sie eigentlich dadurch, daß durch
Ihre Aktivitäten dieses Potential entsteht, auch schon die
Resonanz beeinflussen, geht das? Ist die Resonanz über die
Gruppenbildung vorzuprägen?
E.W.: Ich glaube schon, daß es wichtig ist in welchem
Kontext Arbeiten stehen. Und zwar ist damit auch der Zusammenhang
gemeint, der über die rein werkimmanenten Felder hinausgeht.
Vorarbeiten und drumherum teilen sich irgenwie mit.
A.B.: Als Klima vielleicht ...
E.W.: Ich gehe da vom Prinzip der Units in den Systemen
aus. Die sind ja materiell eher unscheinbar. Und was interpretationsmäßig
in ihnen liegt, muß vorher eingeladen werden. Ich glaube hier
ist in unserer Gruppenarbeit schon das Mögliche passiert.
Oder fast das Mögliche.
Ch.R.: Ist es für Sie interessant in einem frühen
Stadium der Arbeit bereits mit Kunsttheoretikern oder anderen
Gesprächspartnern zu kommunizieren, oder wollen Sie da absichtlich
auf Distanz bleiben, allein? Man kann sich ja nicht zu früh
auf einen Beurteilungsstandpunkt begeben, sonst kommt man
nie auf einen grünen Zweig. Andererseits könnten auf einer
frühen Stufe Diskussionen eine Ermunterung oder Klärung
bringen?
E.W.: Grundsätzlich wünsche ich mir das schon. Ich
glaube, das ist allemal klärend, auch wenn man eine Gegenposition
beziehen muß. Nachdem man das Ausbildungsfeld verlassen hat,
gibt es ja keine Person mehr, die sich mit den Arbeiten auseinandersetzt.
Bei mir hat es sie auch während der Ausbildung kaum gegeben.
Bei den Systemen gibt es vielleicht vier oder fünf Personen
bis jetzt, die einen eigene Sicht darauf entwickelt haben,
alle anderen haben den mitgesandten Text wiedergegeben. Sie
haben das also nicht angeschaut. Ich glaube also kaum, daß
die Ausstellung in der Kunsthalle Exnergasse eine ernsthafte
Kritik finden wird.
A.B.: Aber auch ein Kurator garantiert für nichts.
Da läuft es ja oft so ab, daß du angerufen wirst "Dich möchten
wir auch noch dabei, aber die Ausstellung ist bereites in
zwei Wochen, laß Dir schnell etwas einfallen, und könntest
Du nicht jetzt schon Fotos senden." Namedropping oft, das
garantiert gar nichts.
E.W.: Es gibt sicher nur wenig Leute, die kuratieren
können.
Ch.R.: Ausstellungsmacher, Kuratoren, haben ja
schon oft gute Ausstellungen zusammengebracht, gerade weil
sie ein eigenes Selektionssystem entwickeln. Künstler meines
Umfelds haben sich immer negativ ausgesprochen, gegen diese
Vorgangsweise. Andererseits kann man nicht davon ausgehen,
daß Kunst völlig zentrisch, subjektiv passiert und diese
Prozesse keine Rolle spielen.
C.B.: Wo gibt es aber überhaupt ein direktes Feedback
zwischen Künstlern und Öffentlichkeit?
A.B.: Also, ich sage das jetzt auf die Gefahr hin,
daß es mißverstanden wird: Früher habe ich mich als Berufskünstler
gesehen und jetzt bin ich pointiert ausgedrückt "Hobbykünstler".
Ich lebe davon, daß ich Kellner bin. Ich denke nicht mehr
daran, von der Kunst direkt leben zu können. Damit habe ich
auch ein entspannteres Verhältnis zu meiner künstlerischen
Arbeit gewonnen.
Ch.R.: Versuchen wir, einen Schluß zu finden. Ihre
Kunst sieht man ja in der Ausstellung. Dieses Gespräch kann
ja nur zu einer Art Umfeldtext führen.
Für mich ist Ihre Aussage interessant gewesen, daß in
diesem mobilen und schnellen, andererseits kaputten und
verwahrlosten Umfeld von Kunst Ihnen von 13 Leuten, die
sie um einen Text angeschrieben haben zwei absagen, einer
ist bereit zu kooperieren, von den anderen hört man nichts.
Das ist für mich auch eine Frage nach Normalität, nach Zivilisiertheit.
Es ist ja nicht spießig, wenn man Briefe beantwortet und
weil ich das getan habe sitzen wir jetzt da und machen uns
gegenseitig Arbeit.
Ich bin hier in einer Institution, die gewisse Vorfragen
zur Kunst stellt - zu den Arbeitsbedingungen, zu der Struktur
von Museen, Hochschulen und Kunstbetrieb, zu interdisziplinären
Arbeitsweisen. Vielfach geht es dabei um eine Normalisierung,
eine Aufwertung von freischaffender Arbeit - und künstlerische
Arbeit kann auch als Sonderfall davon betrachtet werden.
Defacto igeln sich aber die Institutionen ein, überall sind
diverse Formen von Ausgrenzung zu beobachten. Die politischen
Aussagen dazu lauten Liberalisierung, Deregulierung und
Marktwirtschaft, in Wahrheit sind aber viele gegenteilige
Entwicklungen festzustellen: Überorganisiertheit, Reglementierung,
laufende Einengung "freischaffender" Möglichkeiten. Orte
wie die Exnergasse oder diese Lehrkanzel sind noch Chancen
für unorganisierte Kooperationen. Das sollten wir im Blickfeld
behalten, als Arbeits- und Überlebensstrategie. Ins öffentliche
Bewußtsein dringt wenig davon. Es gilt also solche Freiräume
und Experimentierfelder zu verteidigen, sonst wird alles
von Megastrukturen aufgesogen. Künstlerisches Arbeiten ist
da ein sehr seismografisches Feld, wo sichtbar werden kann,
wie es mit der Gesellschaft weitergeht. Gerade Projekte,
die über die unmittelbare Warenherstellung hinausweisen,
setzen sich diesem Spannungsfeld besonders aus. Die Ausgesetztheit
des künstlerischen Tuns bleibt ein latentes Problem. Trotzdem
macht es jeder freiwillig.
S.L.: Es ist eine freie Entscheidung.
E.W.: Es macht ja auch Spaß...
Ch.R.: Also kein Klagemythos zum Abschluß.
E.W.: Grundsätzlich ist Überleben in Mitteleuropa
ja möglich ohne in miesen Strukturen gefangen zu sein.
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