Was aus Absolventen und Absolventinnen einer prominenten
Kunsthochschule wird und wie sie rückblickend über ihre Ausbildung
denken, könnte, wenn die Umstände anders wären, ein ständiges
öffentliches Thema sein. Stattdessen findet ein Austausch
von Klischees statt. Die Bilder, die von künstlerischer Arbeit
kursieren, verschieben sich zwar, hinter hervortretenden Einzelfiguren
werden aber kaum analytische Blicke auf das tatsächliche Geschehen
ermöglicht. Kulturindustrien, allen voran das Fernsehen, bestimmen,
was wahrgenommen wird. Kulturelle Institutionen haben bestenfalls
einen Zulieferstatus, etwa Universitäten - und zur Universität
ist auch die Hochschule für angewandte Kunst inzwischen geworden.
Von der kontinuierlichen Produktivität der diversen 'Betriebssysteme',
in denen sich Möglichkeiten eröffnen, ergibt sich bloß ein
diffuser Eindruck. Dabei haben sich zwischen Starkult und
Duldung von 'Parasitärem' längst vielfältige Differenzierungen
ausgeprägt, deren Exponenten nur ein komplexeres Interesse
an Qualitäten, mehr Herausforderungen brauchen würden, sei
es, mit Bezug auf Kunst und 'angewandte' Kunst, für künstlerische
Aufgaben schlechthin, sei es in der Architektur, im Design,
in Mode, Malerei und Grafik, Skulptur, Mediengestaltung, Foto,
Film, Video, Bühnengestaltung, Keramik, Restaurierung oder
für künstlerisch-wissenschaftliche Konzepte und Analysen.
Gerade wenn Kunst als Organisationsform für offene Handlungsfelder
aufgefaßt wird, in denen es nicht primär und ausschließlich
um den Rang in einer Disziplin, um ein Herstellen von Produkten,
von 'Objekten' geht, sondern um ein Denken, das im Symbolischen
und Realen Wirkungen entfaltet, dann nimmt sie Stellung, formuliert
Positionen, stellt Fragen nach Bedeutung und erzeugt letztlich
- um in der so dominierenden wirtschaftlichen Sprache zu bleiben
- ihre Nachfrage selbst, aber auch Arbeit für jene, die in
die Umsetzung, in die Multiplikation, in die mediale Vermittlung
eingeschaltet sind.
Um dafür, und für die Orientierung der Universität für angewandte
Kunst in Wien genauere Erhebungen verfügbar zu haben, hat
Elisabeth Al Chihade in ihrer Dissertation zum Dr. phil.,
die hiermit auch als Buch vorliegt, alle Absolventen der Jahre
1970 bis 1995 kontaktiert und gut 1/3 von ihnen hat ausführlich
geantwortet. Damit sind über einen Zeitraum von 25 Jahren
Berufs- und Lebenswege zugänglich geworden, für eine Phase,
die allgemein als Modernisierungsschub betrachtet wird. Inwieweit
das auch in den erfaßten Gebieten zutrifft, wird erkennbar.
Insgesamt entsteht ein weit positiveres Gesamtbild als es
diverse Vorurteile über das Reüssieren einiger Weniger vermuten
ließen. Daß die Erinnerung vielleicht manches erfreulicher
aussehen läßt, als es tatsächlich war oder ist, könnte nur
über einen Negativitätsabzug ausgewiesen werden; wie hoch
er jeweils ausfällt, sagt über die Beobachter mehr als über
die Tatsachen. Wenn auch alle Studienabbrecher einbezogen
würden, was angesichts der in Einzelakten verborgenen Daten
einer Nachfolgestudie vorbehalten bleibt, ferner die Meinungen
gebliebener und ausgeschiedener Mitglieder des Lehrkörpers,
die Einflußnahmen der Bürokratie, der Politik, Vergleichsdaten
anderer Ausbildungsstätten oder strukturelle Veränderungen
künstlerischer Arbeitssituationen, dann könnte jene Form von
Selbstreflexion normal werden, die gerade für wissenschaftliches
Arbeiten als Grundvoraussetzung gilt. Aus den Einzelheiten
dieser Studie lassen sich jedenfalls viele signifikante Aussagen
und Kritikpunkte, die zu einer inhaltlichen Debatte über Prioritäten
beitragen könnten, herauslesen.
Mit einer gehorsamen 'Marktorientierung' braucht nichts davon
zu tun zu haben. Auch hier kommt es auf den Begriff und auf
die forcierte Symbolik an: 'Der Markt ist ein Verteiler von
Fremdem' (Michel Serres). Aus einer Kunstausbildung geht im
Idealfall ebenfalls Unabsehbares hervor.
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