Eine gefundene Feder macht Freude. Nur wenige Objekte können
das auf so unmittelbare Weise. Als Zeichen des Fliegens verweist
sie auf Möglichkeiten, auf Leichtigkeit, auf ein Schweben.
Sie verbindet mit Vorstellungen davon, wie sich der Raum im
Flug verdreht und wölbt und alle Horizonte, alle Perspektiven
den Bezug zu einem fixen Standpunkt verlieren. Die Feder ist
Symbol für die Negation alles Schweren, aller Behinderungen,
für müheloses Abheben und kontrollierbares Fallen. Daß sie
dem Vogel und nicht dem Menschen gehört, hat dieser immer
als ungerecht empfunden. Vögel nachzuahmen, ist eines seiner
beständigsten Ziele geblieben. Weil Federn ein Fliegen ermöglichen,
Schutz vor Hitze, Kälte, Nässe bieten, zugleich Tarnung und
Schmuck sind, ein komplexer Kosmos kommunikativ-erotischer
Signale, können sie als "Artefakte" einer eigenen, anderen
Welt gesehen werden. Diese Welt der Adler, Falken, Tauben,
Paradiesvögel, mit ihrem großen Einfluß auf jedes Symbolisieren,
hat Muster geprägt, selbst Muster utopisch-mobiler Gesellschaften,
die glauben, ihre Regeln längst gefunden zu haben. Aber sogar
in der Vogelwelt sehen die mechanisch-reflexhaften Abläufe
bloß wie Freiheit aus. Geheimnisse hat sie dennoch viele bewahrt,
denn trotz aller Erfolge beim Erforschen und Kopieren ist
keineswegs aufgeklärt, wie Vogelschwärme ihre rasend schnellen,
oft völlig unmotiviert erscheinenden Flugmanöver koordinieren
oder wie die Navigation der Zugvögel funktioniert.
Die große Federsammlung, auf die Béatrice Stähli in ihren
neuen Arbeiten zurückgreift, stammt aus der Zeit, bevor begonnen
wurde, mit Schutzbestimmungen der Dezimierung gefährdeter
Arten erste Grenzen zu setzten. Sie wertet solche Relikte
auf, fast wie Reliquien, und bestärkt sie in der melancholischen
Ausstrahlung die sie haben. Was sie auf den ersten Blick repräsentieren,
wird jedoch durch die Art der Präsentation auf lakonische
Weise minimalisiert und verwandelt. Die Exotik des Materials,
mit ihrer Verführung zu stereotypen Bildern von Schönheit,
von Stolz, von natürlicher Freiheit, die jeder ursprüngliche
Federschmuck auslöst, wird durch ihre Transformationen einem
gegenwärtigen, differenzierenden Blick ausgesetzt. Bewußt
bleibt, daß trotz aller Dekonstruktion romantische Zugänge
Bedeutungen prägen. Zugleich wird als Irritationsmoment präsent,
daß mit den Federn und zugehörigen Assoziationen viel passiert
ist, denn mehrere an einem Ort gefundene Federn sind meistens
Hinweise auf eine Tragödie, ob in der Natur oder in einem
Lager, bereitgestellt zum Verkauf. Zu etwas Künstlichem erklärt
und als Ware gehandelt, verwischen sich die Unterschiede zu
Natürlichem. Manchmal entsprechen Farben und die Zeichnung
der Federn noch dem Originalzustand, manchmal sind sie im
Nachhinein verändert. Was wie etwas Seltenes ausschaut, wird
kostbarer, teurer. Grau-Schwarz-Schattierungen gelten als
zu alltäglich, vor allem bei Vögeln. Mit solchen Differenzen
operiert sie, damit das Material sich seine Geltung selbst
schaffen kann. Es ist was es ist. Montiert zu Federflächen,
zu Federkörpern, kann es zeigen, wie subtil es Licht reflektiert,
selbst wenn es gefärbt worden ist und wie nuanciert seine
Eigenschaften an Funktionen erinnern, die sie einmal gehabt
haben.
Unter Vögeln ist der auffälligere Schmuck manchmal weiblich,
manchmal männlich; unter Menschen war der prächtigste Federschmuck
für Häuptlinge, für Könige reserviert, die damit imponieren
wollten. Die Feder selbst hat eine weibliche Aura behalten.
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Béatrice Stähli: Supermarkt
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