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365 damaskuswien
ein interkulturelles jahrbuch

Ein Folgeunternehmen des Transferprojekt Damaskus

Hämmerle Verlag, Hohenems 2004
(deutsch/arabisch)

Idee und Gestaltung: Angelika Mathis
Fotografie: Cem Yücetas

Textbeiträge: Barbara Albert, Colette Bahna, Gebhart Fartacek, Barbara Frischmuth, Nikolaus Gansterer, Ayman Haykal, Korinna Lindinger, Nabil Maleh, Angelika Mathis, Nora Mourad, Maha Osman, Richard Pettauer, Christian Reder, Rasha Rizk, Petra Rückstätter, Mayssa Sioufi, Stefanie Wuschitz.

 

Arabische Wörter: Alle verwenden sie

Daß angloamerikanische Ausdrücke überall etwas Alltägliches geworden sind, ist bloß ein Aspekt globaler Realität: Film, Television, Love, Star, Fan ... hot, cool ... Ein anderer wäre, daß es weltweit weiterhin 4000, manche sagen sogar 6000 Sprachen gibt, mit fließenden Grenzen zu unzähligen Dialekten. Unter den Muttersprachen, also den von Kind auf verwendeten, ist das Arabische die Fünftgrößte (nach Chinesisch, Englisch, Spanisch und Hindi). Es hat auch im Deutschen bleibende Wirkungen entfaltet, denn viele arabische Wörter sind im zwischen Wien und Hamburg angehäuften „Sprachschatz“, wie es so schön heißt, zu völlig üblichen Ausdrucksweisen geworden, auf welchen verschlungenen Wegen auch immer. An deren Herkunft denkt kaum noch jemand, Menschen hingegen wird diese oft endlos lang vorgehalten, damit sich irgendwer als etwas Besseres fühlen kann. Sogar Allah (arab. allah, von al ilah, der Gott) wird stets mit Allah und nicht mit Gott, wie es richtig wäre, übersetzt.

Sprachliche Bezüge machen Vielfalt bewußt. So heißt zum Beispiel ein bereits müdes Gehen, dem die Erschöpfung anzumerken ist, im Wiener Dialekt hadschen; ob es sich tatsächlich vom arabischen Hadsch (hagg, für Mekkapilger) herleitet, bleibt aber eine Vermutung. Kleine Geschäfte für Zigaretten und Zeitungen werden in Österreich „Trafik“ genannt, vom arabischen tafriq (für das Verteilen, den Kleinverkauf). Auch Kiosk ist eine geläufige Bezeichnung; das Wort ist türkisch-persischen Ursprungs (kösk). Was ein Bazar ist, weiß auch in Wien jedes Kind, aber wahrscheinlich nicht, daß es der persische Ausdruck für den arabischen suq ist. Kebab (von arab. kabab für Fleischspieß) essen alle immer wieder gerne.

Mit Wörtern arabischen Ursprungs Geschichten zu erfinden, ist jedenfalls nicht allzu schwer: Alle die sich eingefunden haben sitzen auf einem Sofa (von arab. suffa, Ruhebank, Erhöhung) oder einem Diwan (von arab. diwan, Amtszimmer, Schreibstube). Sie haben ihre Jacken (von arab. saqq) und Mützen (von arab. mustaqah) draußen abgelegt. Es werden Tassen (von arab. tasa) ausgeteilt und Kaffee (von arab. qahwa für Kaffe, Wein) oder ein Mokka (von arab. moha, eine Kaffeesorte), mit oder ohne Zucker (von arab. sukkar) angeboten. Dazu gibt es Marzipan (von arab. mautaban, ursprünglich Bezeichnung einer Münze) aus einer nahegelegenen Konditorei (von arab. qand, Rohrzucker). Jemand verlangt nach einer Orange (von arab. narang). Andere bestellen Sirup (von arab. sarab, Getränk) mit Soda (von arab. suwwad für Natriumsalz). Alkohol (von arab. al-kuhul für Weingeist) will im Moment gerade niemand. Das Gespräch kommt auf Ziffern und Chiffren (von arab. sifr für Null), auf das Risiko (von arab. rizq für Wagnis, Gefahr), auf den Hasard (von arab. az-zahr für Spielwürfel). Von Algebra (von arab. al-gabr, Wiederherstellung) oder Chemie (von arab. al-kimiya für die Wissenschaft von den Stoffen und stofflichen Umwandlungen) braucht deshalb keiner etwas zu verstehen. Streitfragen entscheidet jener, der sich so gern zum Kadi aufspielt (von arab. qadi, Richter). Über die neuerlich gestiegenen Tarife (von arab. tarifa, Bekanntmachung) wird geschimpft. Wie gut einem eine Massage (von arab. massa, berühren, betasten) tun kann, wird besprochen. Im Hintergrund liegt jemand auf einer Matratze (von arab. matrah für Schlafunterlage) und klimpert leise auf seiner Gitarre (von arab. qitara, griech. kithara für Zupfinstrument). Sein merkwürdiges Amulett (von arab. hammalat für Halsband, Armband) soll ihm offenbar Glück bringen. Zu später Stunde schenkt er es Jasmin (von arab. jasamin, duftender Blütenstrauch), damit sie einen Talisman (von arab. tilasm, talsam für Zauberbild) von ihm hat. In ihrem lässigen Kaftan (arab. quftan, Gewand) mit dem lila Tuch (arab. lilak für Flieder) war sie ihm gleich zu Anfang aufgefallen. Sonderbarer Weise hat er seither dauernd an den Geschmack wirklich guter Zwetschken gedacht.

Das Wort Zwetschke leitet sich über diverse Umwege und sprachliche Wandlungen vom arab. damasq für Damaskus her, von den schon in der Antike berühmten „Pflaumen aus Damaskus“, die in ihrer dort veredelten Form als Pflanzen erst im Mittelalter nach Europa gelangt sind.

Literatur: Nabil Osman (Hg.): Kleines Lexikon deutscher Wörter arabischer Herkunft. München 1982

 

Ausgezeichnet mit dem
Joseph Binder Award 2004
Kategorie 'Design Fiction'

Joseph Binder Award 2004
DesignAustria
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© Christian Reder 2004