Arabische
Wörter: Alle verwenden sie
Daß angloamerikanische Ausdrücke überall
etwas Alltägliches geworden sind, ist bloß
ein Aspekt globaler Realität: Film, Television,
Love, Star, Fan ... hot, cool ... Ein anderer wäre,
daß es weltweit weiterhin 4000, manche sagen sogar
6000 Sprachen gibt, mit fließenden Grenzen zu
unzähligen Dialekten. Unter den Muttersprachen,
also den von Kind auf verwendeten, ist das Arabische
die Fünftgrößte (nach Chinesisch, Englisch,
Spanisch und Hindi). Es hat auch im Deutschen bleibende
Wirkungen entfaltet, denn viele arabische Wörter
sind im zwischen Wien und Hamburg angehäuften „Sprachschatz“,
wie es so schön heißt, zu völlig üblichen
Ausdrucksweisen geworden, auf welchen verschlungenen
Wegen auch immer. An deren Herkunft denkt kaum noch
jemand, Menschen hingegen wird diese oft endlos lang
vorgehalten, damit sich irgendwer als etwas Besseres
fühlen kann. Sogar Allah (arab. allah,
von al ilah, der Gott) wird stets mit Allah
und nicht mit Gott, wie es richtig wäre, übersetzt.
Sprachliche Bezüge machen Vielfalt bewußt.
So heißt zum Beispiel ein bereits müdes Gehen,
dem die Erschöpfung anzumerken ist, im Wiener Dialekt
hadschen; ob es sich tatsächlich vom arabischen
Hadsch (hagg, für Mekkapilger) herleitet,
bleibt aber eine Vermutung. Kleine Geschäfte für
Zigaretten und Zeitungen werden in Österreich „Trafik“
genannt, vom arabischen tafriq (für das
Verteilen, den Kleinverkauf). Auch Kiosk ist eine geläufige
Bezeichnung; das Wort ist türkisch-persischen Ursprungs
(kösk). Was ein Bazar ist, weiß
auch in Wien jedes Kind, aber wahrscheinlich nicht,
daß es der persische Ausdruck für den arabischen
suq ist. Kebab (von arab. kabab für
Fleischspieß) essen alle immer wieder gerne.
Mit Wörtern arabischen Ursprungs Geschichten zu
erfinden, ist jedenfalls nicht allzu schwer: Alle die
sich eingefunden haben sitzen auf einem Sofa (von arab.
suffa, Ruhebank, Erhöhung) oder einem
Diwan (von arab. diwan, Amtszimmer, Schreibstube).
Sie haben ihre Jacken (von arab. saqq) und
Mützen (von arab. mustaqah) draußen
abgelegt. Es werden Tassen (von arab. tasa)
ausgeteilt und Kaffee (von arab. qahwa für
Kaffe, Wein) oder ein Mokka (von arab. moha,
eine Kaffeesorte), mit oder ohne Zucker (von arab. sukkar)
angeboten. Dazu gibt es Marzipan (von arab. mautaban,
ursprünglich Bezeichnung einer Münze) aus
einer nahegelegenen Konditorei (von arab. qand,
Rohrzucker). Jemand verlangt nach einer Orange (von
arab. narang). Andere bestellen Sirup (von
arab. sarab, Getränk) mit Soda (von arab.
suwwad für Natriumsalz). Alkohol (von
arab. al-kuhul für Weingeist) will im
Moment gerade niemand. Das Gespräch kommt auf Ziffern
und Chiffren (von arab. sifr für Null),
auf das Risiko (von arab. rizq für Wagnis,
Gefahr), auf den Hasard (von arab. az-zahr
für Spielwürfel). Von Algebra (von arab. al-gabr,
Wiederherstellung) oder Chemie (von arab. al-kimiya
für die Wissenschaft von den Stoffen und stofflichen
Umwandlungen) braucht deshalb keiner etwas zu verstehen.
Streitfragen entscheidet jener, der sich so gern zum
Kadi aufspielt (von arab. qadi, Richter). Über
die neuerlich gestiegenen Tarife (von arab. tarifa,
Bekanntmachung) wird geschimpft. Wie gut einem eine
Massage (von arab. massa, berühren, betasten)
tun kann, wird besprochen. Im Hintergrund liegt jemand
auf einer Matratze (von arab. matrah für
Schlafunterlage) und klimpert leise auf seiner Gitarre
(von arab. qitara, griech. kithara
für Zupfinstrument). Sein merkwürdiges Amulett
(von arab. hammalat für Halsband, Armband)
soll ihm offenbar Glück bringen. Zu später
Stunde schenkt er es Jasmin (von arab. jasamin,
duftender Blütenstrauch), damit sie einen Talisman
(von arab. tilasm, talsam für
Zauberbild) von ihm hat. In ihrem lässigen Kaftan
(arab. quftan, Gewand) mit dem lila Tuch (arab.
lilak für Flieder) war sie ihm gleich
zu Anfang aufgefallen. Sonderbarer Weise hat er seither
dauernd an den Geschmack wirklich guter Zwetschken gedacht.
Das Wort Zwetschke leitet sich über diverse Umwege
und sprachliche Wandlungen vom arab. damasq
für Damaskus her, von den schon in der Antike berühmten
„Pflaumen aus Damaskus“, die in ihrer dort
veredelten Form als Pflanzen erst im Mittelalter nach
Europa gelangt sind.
Literatur: Nabil Osman (Hg.): Kleines
Lexikon deutscher Wörter arabischer Herkunft. München
1982
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Ausgezeichnet
mit dem
Joseph Binder Award 2004
Kategorie 'Design Fiction'
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Joseph
Binder Award 2004 |
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