Das Zentrum ist dort von den Vororten abgeschirmt, zwischen
Mariahilfer Straße und Neustiftgasse gibt es nirgends einen
Durchgang. In abgeschlossenen, zum Teil baumbewachsenen Höfen
existieren daher noch kleine Werkstätten vor sich hin, ein
Hutmacher, eine Tischlerei. Dort wo bereits größere Firmen
eingezogen sind, wurden sie zu asphaltierten Parkplätzen und
Verladeeinrichtungen umgestaltet. Man erwartet auf Schritt
und Tritt, Erhard Busek zu begegnen, mit einem Strohhut auf
dem Kopf, sorgsam seine Kakteen gießend. In der Breite Gasse
wird ein langer Mercedes gesichtet, der an den blinden Schaufenstern
bankrotter Möbelhändler vorbeiflitzt; angeblich waren im Fond
zwischen den unachtsam zugezogenen Vorhängen die Herren Hintschnig
und Dittrich zu sehen. Der eine, der Rote, kriegt viel Geld
dafür, daß er in der Messe AG etwas zu reden hat, der andere
ist der schwarze Präsident der Wiener Handelskammer, die gemeinsam
mit der Gemeinde Wien hinter der Messe AG steht, wie es so
schön heißt. Sie fahren gern in dieser Gegend spazieren, weil
sie für die ihnen (und anderen) anvertraute Firma ein so günstiger
Standort ist: Als Mieter der zum "Messepalast" gewordenen
"Alten Hofstallungen" mit ihren 60.000 m2 Grundfläche, 34.500
m2 Netto-Nutzfläche und 225.000 m3 umbautem Raum, muß die
Messe AG dem Hausherren, also dem Bund, ja bloß soviel Miete
bezahlen (rd. 6.000,- ö. S, pro Monat), wie der Normalverbraucher
für eine bessere Wohnung. An sich müßte sie zwar auch 70%
der Erhaltungskosten tragen, aber der Augenschein beweist,
daß solche Pflichten unter Kollegen nicht ernst genommen zu
werden brauchen. Der Vertrag läuft und läuft, wie das in einem
selbstgenügsamen Rechtsstaat eben oft so geht: die Staatseinrichtung
A kann der Staatseinrichtung B in diesem Fall frühestens per
Ende 1986 kündigen, und derzeit ist es keineswegs sicher,
ob sich bis dahin die notwendigen "wichtigen Gründe" finden
werden, die eine politische Entscheidung zugunsten einer sinnvolleren
Nutzung diesen einmaligen Areals ermöglichen würden.
Gegenüber dem Volkstheater weist eine spezielle Plakatwand
auf die längst geschlossene Ausstellung "Wien 2000" hin, auch
die anderen Schilder, die einen zu ihr in den Seitentrakt
des Messepalastes locken sollen, haben sich erhalten ("Stadtplanung.
Gestern - Heute - Morgen. / Einfahrt nur mit Genehmigung der
Bundesgebäudeverwaltung Wien gestattet). So endlich in das
Innere dieses Komplexes hineingezogen, umgibt einen tatsächlich
ein Szenario, das der Realität des Jahres 2000 entsprechen
könnte: ungenutzte, zerbröckelnde Gebäude und Höfe, überall
archäoloische Spuren des Wirtschaftswunders mit der Funder-Platte,
als besonders signifikantem Relikt. Joseph Beuys hat sich
in den leeren Hallen längst verewigt, ohne daß dafür auch
nur ein Groschen ausgegeben werden mußte. Ganz hinten versteckt
sich das Institut für Umweitwissenschaften und Naturschutz,
auf den Fenstergesimsen stehen Aquarien, in denen Lebewesen
gepflegt und beobachtet werden. 80 Wohnungen gibt es dort,
und auch die Mieter erfahren von niemandem, wie es weitergehen
wird. In dem nach außen hin noch prächtig wirkenden Mitteltrakt
- wo sich die Messe AG dem Vernehmen nach gerade wieder um
10 Millionen Schilling neue Büros adaptiert hat (und so Signale
setzt, daß sie bleiben will) - könnte sich doch gleich auch
der eigentliche Hausherr, Bautenminister Sekanina, installieren
und mit seinem VIP-Club darüber beraten, welches Projekt am
ehesten durchgedrückt werden könnte.
+
In der Halle H 2 diskutieren unterdessen Ingenieure, Architekten,
Museumsleute, Beamte, Wohnungsmieter und andere direkt oder
indirekt Interessierte über die Zukunft des gesamten Komplexes.
Von denen, die Entscheidungen zu tragen haben, ist kaum einer
vertreten, und so fühlt sich das zusammengetrommelte, von
Experten durchsetzte Volk ziemlich unter sich, wird aber den
Verdacht nicht los, aß oben längst anderes geplant wird. Über
den "Skandal" (des Verfalls, des fehlenden Willens, etc.)
sind sich alle rasch einig. Die einen plädieren für eine zügige
Entscheidung über eine neue, eine sinnvolle, d.h. kulturelle
Nutzung des Areals, die anderen für eine gründliche Diskussion
aller Aspekte. Auf jeden Fall müßten zwei Wettbewerbe her,
der erste für Nutzungsvarianten und dann einer für die architektonische
Gestaltung. Soweit sei es eh schon, ruft ein Empörer, der
wie ein Architekt aussieht, in den Saal, daß die Ingenieurkammer
quasi um einen Wettbewerb winseln müsse. Deren Präsident,
Manfred Nehrer hatte eingangs die derzeit kursierenden Überlegungen
zusammengefaßt:
- ein "Centre Pompidou auf Wienerische Art" (dessen Forcierung
Unterrichtsminister Zilk nachgesagt wird)
- eine "Museumsinsel" aus Stallburg, Hofburg, den beiden
großen Museen und den Hofstallungen (für die sich vor allem
die Museumsdirektoren einsetzen)
- ein "Superwurschtelprater" rund um den mit einem Glasdach
zu überdeckenden großen Innenhof (für den Vorstudien eiliger
Architekten bereits vorliegen)
- eine "Shopping City" in der City (über die es angeblich
bereits auf höchster Ebene Gespräche gibt).
Es geht also entweder um eine Einbindung des Areals in ein
Museums- und Ausstellungskonzept ("Kulturlösung"), oder um
seine Anbindung an die Mariahilfer Straße ("Kommerz- und Unterhaltungslösung").
Wie es eben so ist, treffen sich auf jedem freien Platz die
Interessen und nicken einander zu, wie seinerzeit nach der
Sonntagsmesse. In der versammelten Menge heben Gläubige ihre
Stimme, von einer "Jahrhundertehance" ist die Rede und davon,
daß es nicht so weiter gehen dürfe wie bisher. Die Besten
müßten endlich einmal nicht nur gewinnen, sondern dann auch
tatsächlich beauftragt werden. Alle müßten sich dieser kulturellen
Verantwortung bewußt sein. Nieder mit der Spekulation! Über
einige wissende Gesichter im Halbdunkel huscht ein- und dasselbe
Lächeln.
Vom Ersten Direktor des Kunsthistorischen Museums, Hermann
Fillitz, wird dennoch entschieden eine museale Nutzung gefordert,
und zwar im Rahmen des Bundesmuseumskonzeptes, das Anfang
1984 endlich - als Diskussionsgrundlage für eine Neuorganisation
der staatlichen Sammlungen - vorliegen soll. Das Naturhistorische
Museum schließt sich an; daß die Museen für moderne Kunst,
für Völkerkunde, für angewandte Kunst, für Volkskunde und
die Nationalbibliothek (unterirdisches Bücherdepot?) oder
die Albertina ebenfalls mit Entwicklungsvorstellungen und
Raumansprüchen kommen werden, wird nicht extra erwähnt, ist
aber anzunehmen. Die Losung lautet, daß der oft verschlafen
und verstaubt wirkende Wiener Museumsbetrieb primär unter
Raummangel (z.B. für Sonderausstellungen, Werkstätten) leidet
und mit den Hofstallungen aIles besser würde. Es klingt aber
auch an, daß vieles an der Organisation geändert gehört, z.
B., indem die jetzt abzuliefernden Eigeneinnahmen sozusagen
als Erfolgsprämie für Sonderaktivitäten verfügbar bleiben.
Hermann Fillitz betont die Notwendigkeit, "daß die Diskussion
zur Sache kommt und nicht in den Händen der Politiker bleibt"
(Applaus. Gelächter) und setzt fort: "Ich würde vehement ablehnen,
daß die Politiker die Entscheidung treffen sollen und als
nächster Schritt dann ein Architekturwettbewerb kommt. Was
geschehen ist oder geschehen kann, wenn Politiker allein entscheiden,
dafür haben wir in Wien genügend Beispiele ... Ich wehre mich
auch dagegen, daß das Museum der Inbegriff des Toten ist.
Es ist völlig falsch, wie das Forschungsorganisationsgesetz
es definiert, daß der erste Auftrag des Museums das Sammeln
ist. Die Museen sind im 17., 18., 19. Jahrhundert entstanden,
weil man sich in dieser Zeit eben geistig - nicht nur, aber
auch - anhand der Museen mit der Zeit auseinandersetzen wollte.
Und unser Museumskonzept basiert jetzt noch auf der Monarchie,
ist noch nicht in die 2. Republik, noch nicht einmal in das
20. Jahrhundert hereingegangen, davon, daß wir bald ins 21.
gehen, ganz zu schweigen." Ein zusammenhängender Museumskomplex
nach einem völlig neuen Konzept würde in Europa einmalig sein,
und es wäre schlicht absurd, die sich mit dem Messepalast
bietende Chance nicht zu ergreifen.
+
Als vorerst einzige konkret geäußerte Idee könnte "Der Mensch
im Kosmos" die übergeordnete Themenstellung für die neu zu
gewinnenden Ausstellungsräume andeuten (Hofrat Paget vom Naturhistorischen
Museum) und viele - neu zusammengestellte oder ineinander
integrierte - Sammlungen sowie neue Kooperationsformen fänden
Platz.
Gesprochen hat davon niemand, aber trotzdem wäre es doch
denkbar, daß endlich einmal Objekte gegenwärtiger und bereits
klassischer Kunst, der Völkerkunde oder der Urgeschichte miteinander
in eine direkte Beziehung gesetzt werden und so Spannungen,
Verbindungen, Entwicklungen nachgegangen werden kann. Aber
sehr deutlich ist noch nicht erkennbar, was ein erweitertes
Museum morgen alles beherbergen sollte. Mit einer intelligenteren,
regeren Ausstellungstätigkeit allein ist es nicht getan.
+
Ein Museum ist heute zunächst einmal ein "Schutzraum", in
dem etwas vor dem Verfall, der Vernichtung oder dem Verschwinden
- ins Private oder ins Ausland - bewahrt werden soll. Immer
mehr festigt sich inzwischen die allgemeine Tendenz, alles
von irgendeinem (vermutlich bleibenden) Wert aufzuheben, angefangen
vom als Kunstwerk Geschätzten bis zu alten Autos, technischem
Gerät oder Alltagsgegenständen. In dieser Sammeltätigkeit
äußert sich Manie, aber auch Angst davor, etwas zu verlieren,
das es sonst demnächst nicht mehr gäbe. Der drohende Verlust
(das Anzeichen materieller oder ideeller Knappheit) und das
Altem von Dingen fördern ihre Wertschätzung. Absurderweise
wird versucht, die alltäglichen Erfahrungen mit kurzlebigen
Gebrauchsprodukten durch einen grassierenden Antiquitätenkult
zu kompensieren. Akzeptiert wird fast nur noch Tiefkühlkost;
Hauptsache, sie ist nicht mehr ganz frisch, Gerät die hinter
der Gegenwart herhinkende Sehnsucht nach Besonderem völlig
aus den Fugen, dann spricht nichts mehr gegen das billige,
endlos abwandelbare Postulat "Alles ist ein Museum" (oder
kann es sein). Das übliche Museum würde sich damit auflösen,
bloßer "Veranstaltungsort" werden, wenn es nicht doch auch
jene spezielle Funktion behielte, dem Warenmarkt bestimmte
Gegenstände zu entziehen. Indem es (oft für sehr lange Zeit)
die Abfolge von Kauf und Verkauf unterbricht, kann es eine
Beruhigung bewirken und die angekaufte "Ware" vom Geldmaßstab
entfernen. Bei Gegenständen "von unschätzbarem Wert" wird
sozusagen die Schallmauer materieller Kalkulierbarkeit durchbrochen
und ein Sektor utopischer Dimensionen erreicht. Ein Museum
kann also offensichtlich (wenn auch oft ziemlich unbeholfen)
eigenständiger "Raum für Wertmaßstäbe" sein, ein betretbarer
"philosophischer Ort". Eine Verweigerung dieses Ansinnens
nützt ihm nichts, dem Anspruch kann es sich nicht aus eigenem
Entschluß entziehen. Vermutlich wird von einem Museum auch
verlangt, daß es ein "Ort der Integrität" ist, an dem Dinge,
Informationen und Ideen zugänglich sind, an die man (oder
auch nur eine kleinere Gruppe) sich halten kann. In dieser
Funktion ist es auch "Stätte der Wiedergutmachung" für einmal
begangenes Unrecht. Seine Verwalter nehmen aus der Zeit einiges
heraus und stellen anderes in sie zurück: ein Museum ist deshalb
auch eine "Zeitmaschine", deren Bedienung für das Bewußtsein
Folgen hat oder haben kann, je nach dem, wer welche Hebel
wieweit bewegen darf. Als "Tempel" ist es jedoch auch Heimstatt
von Pharisäern. Deshalb wenden sich die Propheten immer wieder
von ihm ab, erbost über die Art und Weise, wie dort mit (Geheim-)Wissen
und Gläubigkeit umgegangen wird; archivieren lassen sie ihre
Worte und Werke dann - fast zwangsläufig - doch wieder am
liebsten an solchen angesehenen Stätten. Ob und in welcher
Form als "Dokument" oder "an sich" Wertvolles aufgehoben und
weiterverwendet werden soll, ist eine gesellschaftspolitische
Frage, auf die sich angesichts der zerstörerischen Kräfte
rundum nicht mit insularer Beschaulichkeit antworten läßt.
Auch die inzwischen geläufigere Forderung nach einer radikalen
Öffnung der Museen "zur Gegenwart hin" mündet noch nicht so
ohne weiteres in ein Konzept, in dem Stille und Bewegung Seite
an Seite Platz haben; dies selbst dann nicht, wenn man sich
der Direktheit etwa des Museums für Deutsche Geschichte in
Berlin (Ost) verschreiben würde, in dem das Schafott aus Plötzensee
als eine Art realistisches Meditationsobjekt "ausgestellt"
ist. Wie sollen Inszenierungen Ernst ausdrücken können, wenn
rundum ganz andere Spiele ablaufen und gefordert werden?
+
Sektionschef Schmelz vom Bautenministerium konzentriert sich
auf materielle Voraussetzungen für solche Überlegungen und
nennt Zahlen: eine Milliarde Schilling als voraussichtliche
Adaptierungskosten für die zur Diskussion stehenden, verfallenden
Gebäude, 20 Milionen für die jährliche Erhaltung und noch
unbekannte, jedenfalls aber sehr hohe Betriebskosten. Auf
ärgerliche Einwendungen gegen solche Pauschalangaben folgt
die Berufung auf "unsere Kubikmeterpreise bei Sanierungen",
die ziemlich unabhängig davon seien, wie Gebäude schließlich
genutzt werden. Die Museumsseite kontert mit steigenden Besucherzahlen
(insgesamt 1,5 Millionen pro Jahr in den bisher als mögliche
Interessenten genannten, bestehenden Wiener Museen), oder
mit dem Hinweis darauf, daß z. B. 14 Tage Bundestheaterdefizit
dem Jahresbudget des Naturhistorischen Museums entsprechen.
Es wird nach einem Verantwortlichen für das Gesamtprojekt
gerufen; für den "neutralen" Bautenminister Sekanina erheben
sich Stimmen, eine auch für den "dynamischen" Unterrichtsminister
Zilk. Gleich zu Beginn war das einzige eingelangte politische
Statement verlesen worden, das von Wissenschaftsminister Fischer,
der für die Bundesmuseen zuständig ist. Nach Fischer könne
"voraussichtlich" ab 1987 mit einer neuen Nutzung der Gebäude
gerechnet werden, für die vor allem Kultur- und Museumszwecke,
aber auch Ausstellungsräume, sonstige kulturelle Aktivitäten,
Künstlerwerkstätten, Restaurants, Kinos und dergleichen in
Frage kämen. Auf die Betriebskosten müsse besonders geachtet
werden, und "in den Entscheidungsprozeß aber die endgültige
Gestaltung und Nutzung dieses Areals" müsse "ein Architektenwettbewerb
eingebaut werden" (worüber übrigens volle Übereinstimmung
mit Bautenminister Sekanina und Bürgermeister Gratz bestünde).
Daß trotz dieser Art von Zusage fast drei Stunden lang weiterdiskutiert
wurde und man weitere Veranstaltungen angekündigt hat, lag
offenbar an einer bereits brüchigen Vertrauensbasis.
+
Hinten im Auditorium hat ein Anonymus einen Zettel in Umlauf
gebracht, auf dem das vermutliche Wettbewerbsergebnis vermerkt
ist: 1. ARGE Glück, Cernin, Hlaweniezka, 2. Stabers UNO-City-Team,
3, Bundesgebäudeverwaltung (ursprünglich außer Konkurrenz),
4. Hans Hollein, 5. Er selbst sicher nicht. Der Nachbar sagt,
Wohnungen für Regierungsmitglieder sollten sie im Areal miteben,
dann täte sich das mit den Villenfinanzierungen aufhören.
Ein Falter-Fan zitiert auswendig aus der vorvorletzten Nummer
die Meinung des Ausstellungspapstes Harald Szeemann zum Messepalast:
"Ich glaube, daß alle diese Geschichten, wenn sie nicht primär
für die Kunst gedacht sind und immer noch so halb für Parteitage,
Fachmessen und so da mein müssen, nichts bringen. Dann ergibt
das keine Patina am Gebäude. Ich bin eigentlich sehr gegen
jede Mischform, wenn man wirklich ein Kunstzentrum hier machen
will, dann müßte man den erweiterten Museumsbegriff einführen."
Das wollen ja unsere Experten eigentlich auch, stößt der belesene
Zuhörer erleichtert hervor, da ist doch eh alles in guten
Händen. Wovon der gute Mann offenbar zuwenig weiß, das sind
die Strukturen, die hinter all diesen Absichtserklärungen
stehen und die - sollten sie nicht auch verändert werden -
weiterhin Initiativen lähmen werden. Auch in großzügigen neuen
Räumen nistet sich überall schnell die "unsichtbare Architektur"
der Arbeitsvorschriften, Kompetenzen, Richtlinien, Budgetposten
und Personalentscheidungen ein. Die Museen kooperieren schon
bisher nur sehr unbefriedigend. Sie klammern sich an Anlässe,
Jubiläen, Jubiläen, vereinzelte Angebote, damit hin und wieder
etwas Außerordentliches passiert. Formalisten finden immer
einen Grund dafür, nichts besonderes zu tun. So fand z. B.
1981 im Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum für Völkerkunde
die weltweit beachtete Ausstellung "Rausch und Realität. Drogen
im Kulturvergleich" (Zweibändiger Katalog, später auch als
Taschenbuch) statt; daß parallel dazu (oder sogar schon früher)
in Wien vom Naturhistorischen Museum in Zusammenarbeit mit
dem Museum für Völkerkunde etwa dieselbe Idee verfolgt worden
war, aber dann vom Ministerium ohne Diskussion abgewürgt worden
ist, ist bisher nicht an die Öffentlichkeit gedrungen.
Das "Centre Pompidou" geistert als Modell durch die europäische
Provinz, obwohl es rund 100 Millionen Schilling Jahresbudget
verschlingt und nicht einmal sein Direktor heute voll zu seiner
Konzeption steht. Vielleicht hat es Lernprozesse beschleunigt.
Gegen eine bloße Wiederherstellung der Bauten (wie sie das
Bundesdenkmalamt fordert) wendet sich der Architekturkritiker
Dietmar Steiner, indem er auf die kulturelle Notwendigkeit
eines intelligenten Weiterbauens auf dem Gesamtareal verweist.
Aber ob die Messe AG tatsächlich ausziehen werde, sei mehr
als fraglich, da sie jetzt den latenten Vorwurf, daß sie sich
nicht rechtzeitig auf kleine, intime Spezialmessen eingestellt
habe, in ein Hauptargument für ihr Bleiben umsetzen werde.
Die Skepsis des Theoretikers verbündet sich schließlich mit
ermattender Ironie; Johann Bernhard Fischer von Erlach habe
die Alten Hofstallungen geplant und begonnen, Joseph Emanuel
Fischer von Erlach habe sie weitergebaut, vielleicht sei jetzt
Dr. Heinz Fischer von Erlach geneigt, tatsächlich die Verantwortung
dafür zu übernehmen, wie mit einer historischen Bausubstanz
angesichts der gewünschten Nutzungen umzugehen sei.
+
Nach der Diskussion liegt er dann tatsächlich vor mir, der
riesige imperiale Museumsbezirk, und plötzlich quellen alle
Archive und Keller über, der Platz füllt sich mit bislang
verborgenen Schätzen. Die Objekte gruppieren sich wie von
selbst in völlig ungewohnter Weise, allein durch die Anziehungskraft
von Gemeinsamkeiten und Gegensätzlichem. Obwohl es nur etwas
zu sehen und nichts zu kaufen gibt, drängen sich Menschenmassen
überall, wie sonst nur auf dem Flohmarkt. Auf der Flucht aus
dem Getriebe, zurück in die leeren Hallen der Gegenwart, treffe
ich in einer abgelegenen Kammer auf eine still verharrende
Gestalt, die sich der Würde des Feder-Kopfschmucks von Montezuma
aussetzt. Er hat endlich einen eigenen, ihm angemessenen Raum
gefunden, in dem er nicht mehr bloß ein Schaustück unter vielen
sein muß.
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