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Falter Verlag
Museumsquartier Wien
   

Der Mensch im Kosmos sucht in Wien ein Zimmer

in: Hubert Christian Ehalt, Gottfried Fliedl, Heiderose Hildebrand, Rudolf Kohoutek, Dieter Schrage (Hg.): Kaiserforum, Museumsinsel, Kulturpalast. Ein neues Museum als Jahrhundertchance?
Kulturjahrbuch 5
Verlag für Gesellschaftskritik, Wien 1986

Essay zu den beginnenden Planungen für das Museumsquartier in Wien
Mit Beiträgen der Herausgeber sowie von Wilhelm Kainrath, Johann Marte, Erich Bramhas, Hermann Czech, Helmut Kunze, Alfred Janata, Walter Dostal, Christian Reder, Peter Noever, Johannes Spalt, Otto Kapfinger, Udo B. Wiesinger, Frank Jürgensen, Georg Hanreich
Nachdruck aus: Falter, Wien 22/1983

Alle gegen die Innenstadt zu liegenden Häuser in der Karl Schweighofer und der Breite Gasse wenden dieser den Rücken zu, so als ob sie vom Regierungs- und Museumsbezirk hinter ihnen nichts wissen wollten. Vielleicht war es aber auch einfach nicht erwünscht, dass aus irgendeiner Bassenawohnung der Blick auf das geplante Kaiserforum gerichtet werden könnte.

 

 

 

 

 

Das Zentrum ist dort von den Vororten abgeschirmt, zwischen Mariahilfer Straße und Neustiftgasse gibt es nirgends einen Durchgang. In abgeschlossenen, zum Teil baumbewachsenen Höfen existieren daher noch kleine Werkstätten vor sich hin, ein Hutmacher, eine Tischlerei. Dort wo bereits größere Firmen eingezogen sind, wurden sie zu asphaltierten Parkplätzen und Verladeeinrichtungen umgestaltet. Man erwartet auf Schritt und Tritt, Erhard Busek zu begegnen, mit einem Strohhut auf dem Kopf, sorgsam seine Kakteen gießend. In der Breite Gasse wird ein langer Mercedes gesichtet, der an den blinden Schaufenstern bankrotter Möbelhändler vorbeiflitzt; angeblich waren im Fond zwischen den unachtsam zugezogenen Vorhängen die Herren Hintschnig und Dittrich zu sehen. Der eine, der Rote, kriegt viel Geld dafür, daß er in der Messe AG etwas zu reden hat, der andere ist der schwarze Präsident der Wiener Handelskammer, die gemeinsam mit der Gemeinde Wien hinter der Messe AG steht, wie es so schön heißt. Sie fahren gern in dieser Gegend spazieren, weil sie für die ihnen (und anderen) anvertraute Firma ein so günstiger Standort ist: Als Mieter der zum "Messepalast" gewordenen "Alten Hofstallungen" mit ihren 60.000 m2 Grundfläche, 34.500 m2 Netto-Nutzfläche und 225.000 m3 umbautem Raum, muß die Messe AG dem Hausherren, also dem Bund, ja bloß soviel Miete bezahlen (rd. 6.000,- ö. S, pro Monat), wie der Normalverbraucher für eine bessere Wohnung. An sich müßte sie zwar auch 70% der Erhaltungskosten tragen, aber der Augenschein beweist, daß solche Pflichten unter Kollegen nicht ernst genommen zu werden brauchen. Der Vertrag läuft und läuft, wie das in einem selbstgenügsamen Rechtsstaat eben oft so geht: die Staatseinrichtung A kann der Staatseinrichtung B in diesem Fall frühestens per Ende 1986 kündigen, und derzeit ist es keineswegs sicher, ob sich bis dahin die notwendigen "wichtigen Gründe" finden werden, die eine politische Entscheidung zugunsten einer sinnvolleren Nutzung diesen einmaligen Areals ermöglichen würden.

Gegenüber dem Volkstheater weist eine spezielle Plakatwand auf die längst geschlossene Ausstellung "Wien 2000" hin, auch die anderen Schilder, die einen zu ihr in den Seitentrakt des Messepalastes locken sollen, haben sich erhalten ("Stadtplanung. Gestern - Heute - Morgen. / Einfahrt nur mit Genehmigung der Bundesgebäudeverwaltung Wien gestattet). So endlich in das Innere dieses Komplexes hineingezogen, umgibt einen tatsächlich ein Szenario, das der Realität des Jahres 2000 entsprechen könnte: ungenutzte, zerbröckelnde Gebäude und Höfe, überall archäoloische Spuren des Wirtschaftswunders mit der Funder-Platte, als besonders signifikantem Relikt. Joseph Beuys hat sich in den leeren Hallen längst verewigt, ohne daß dafür auch nur ein Groschen ausgegeben werden mußte. Ganz hinten versteckt sich das Institut für Umweitwissenschaften und Naturschutz, auf den Fenstergesimsen stehen Aquarien, in denen Lebewesen gepflegt und beobachtet werden. 80 Wohnungen gibt es dort, und auch die Mieter erfahren von niemandem, wie es weitergehen wird. In dem nach außen hin noch prächtig wirkenden Mitteltrakt - wo sich die Messe AG dem Vernehmen nach gerade wieder um 10 Millionen Schilling neue Büros adaptiert hat (und so Signale setzt, daß sie bleiben will) - könnte sich doch gleich auch der eigentliche Hausherr, Bautenminister Sekanina, installieren und mit seinem VIP-Club darüber beraten, welches Projekt am ehesten durchgedrückt werden könnte.

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In der Halle H 2 diskutieren unterdessen Ingenieure, Architekten, Museumsleute, Beamte, Wohnungsmieter und andere direkt oder indirekt Interessierte über die Zukunft des gesamten Komplexes. Von denen, die Entscheidungen zu tragen haben, ist kaum einer vertreten, und so fühlt sich das zusammengetrommelte, von Experten durchsetzte Volk ziemlich unter sich, wird aber den Verdacht nicht los, aß oben längst anderes geplant wird. Über den "Skandal" (des Verfalls, des fehlenden Willens, etc.) sind sich alle rasch einig. Die einen plädieren für eine zügige Entscheidung über eine neue, eine sinnvolle, d.h. kulturelle Nutzung des Areals, die anderen für eine gründliche Diskussion aller Aspekte. Auf jeden Fall müßten zwei Wettbewerbe her, der erste für Nutzungsvarianten und dann einer für die architektonische Gestaltung. Soweit sei es eh schon, ruft ein Empörer, der wie ein Architekt aussieht, in den Saal, daß die Ingenieurkammer quasi um einen Wettbewerb winseln müsse. Deren Präsident, Manfred Nehrer hatte eingangs die derzeit kursierenden Überlegungen zusammengefaßt:

  • ein "Centre Pompidou auf Wienerische Art" (dessen Forcierung Unterrichtsminister Zilk nachgesagt wird)
  • eine "Museumsinsel" aus Stallburg, Hofburg, den beiden großen Museen und den Hofstallungen (für die sich vor allem die Museumsdirektoren einsetzen)
  • ein "Superwurschtelprater" rund um den mit einem Glasdach zu überdeckenden großen Innenhof (für den Vorstudien eiliger Architekten bereits vorliegen)
  • eine "Shopping City" in der City (über die es angeblich bereits auf höchster Ebene Gespräche gibt).

Es geht also entweder um eine Einbindung des Areals in ein Museums- und Ausstellungskonzept ("Kulturlösung"), oder um seine Anbindung an die Mariahilfer Straße ("Kommerz- und Unterhaltungslösung").

Wie es eben so ist, treffen sich auf jedem freien Platz die Interessen und nicken einander zu, wie seinerzeit nach der Sonntagsmesse. In der versammelten Menge heben Gläubige ihre Stimme, von einer "Jahrhundertehance" ist die Rede und davon, daß es nicht so weiter gehen dürfe wie bisher. Die Besten müßten endlich einmal nicht nur gewinnen, sondern dann auch tatsächlich beauftragt werden. Alle müßten sich dieser kulturellen Verantwortung bewußt sein. Nieder mit der Spekulation! Über einige wissende Gesichter im Halbdunkel huscht ein- und dasselbe Lächeln.

Vom Ersten Direktor des Kunsthistorischen Museums, Hermann Fillitz, wird dennoch entschieden eine museale Nutzung gefordert, und zwar im Rahmen des Bundesmuseumskonzeptes, das Anfang 1984 endlich - als Diskussionsgrundlage für eine Neuorganisation der staatlichen Sammlungen - vorliegen soll. Das Naturhistorische Museum schließt sich an; daß die Museen für moderne Kunst, für Völkerkunde, für angewandte Kunst, für Volkskunde und die Nationalbibliothek (unterirdisches Bücherdepot?) oder die Albertina ebenfalls mit Entwicklungsvorstellungen und Raumansprüchen kommen werden, wird nicht extra erwähnt, ist aber anzunehmen. Die Losung lautet, daß der oft verschlafen und verstaubt wirkende Wiener Museumsbetrieb primär unter Raummangel (z.B. für Sonderausstellungen, Werkstätten) leidet und mit den Hofstallungen aIles besser würde. Es klingt aber auch an, daß vieles an der Organisation geändert gehört, z. B., indem die jetzt abzuliefernden Eigeneinnahmen sozusagen als Erfolgsprämie für Sonderaktivitäten verfügbar bleiben. Hermann Fillitz betont die Notwendigkeit, "daß die Diskussion zur Sache kommt und nicht in den Händen der Politiker bleibt" (Applaus. Gelächter) und setzt fort: "Ich würde vehement ablehnen, daß die Politiker die Entscheidung treffen sollen und als nächster Schritt dann ein Architekturwettbewerb kommt. Was geschehen ist oder geschehen kann, wenn Politiker allein entscheiden, dafür haben wir in Wien genügend Beispiele ... Ich wehre mich auch dagegen, daß das Museum der Inbegriff des Toten ist. Es ist völlig falsch, wie das Forschungsorganisationsgesetz es definiert, daß der erste Auftrag des Museums das Sammeln ist. Die Museen sind im 17., 18., 19. Jahrhundert entstanden, weil man sich in dieser Zeit eben geistig - nicht nur, aber auch - anhand der Museen mit der Zeit auseinandersetzen wollte. Und unser Museumskonzept basiert jetzt noch auf der Monarchie, ist noch nicht in die 2. Republik, noch nicht einmal in das 20. Jahrhundert hereingegangen, davon, daß wir bald ins 21. gehen, ganz zu schweigen." Ein zusammenhängender Museumskomplex nach einem völlig neuen Konzept würde in Europa einmalig sein, und es wäre schlicht absurd, die sich mit dem Messepalast bietende Chance nicht zu ergreifen.

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Als vorerst einzige konkret geäußerte Idee könnte "Der Mensch im Kosmos" die übergeordnete Themenstellung für die neu zu gewinnenden Ausstellungsräume andeuten (Hofrat Paget vom Naturhistorischen Museum) und viele - neu zusammengestellte oder ineinander integrierte - Sammlungen sowie neue Kooperationsformen fänden Platz.

Gesprochen hat davon niemand, aber trotzdem wäre es doch denkbar, daß endlich einmal Objekte gegenwärtiger und bereits klassischer Kunst, der Völkerkunde oder der Urgeschichte miteinander in eine direkte Beziehung gesetzt werden und so Spannungen, Verbindungen, Entwicklungen nachgegangen werden kann. Aber sehr deutlich ist noch nicht erkennbar, was ein erweitertes Museum morgen alles beherbergen sollte. Mit einer intelligenteren, regeren Ausstellungstätigkeit allein ist es nicht getan.

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Ein Museum ist heute zunächst einmal ein "Schutzraum", in dem etwas vor dem Verfall, der Vernichtung oder dem Verschwinden - ins Private oder ins Ausland - bewahrt werden soll. Immer mehr festigt sich inzwischen die allgemeine Tendenz, alles von irgendeinem (vermutlich bleibenden) Wert aufzuheben, angefangen vom als Kunstwerk Geschätzten bis zu alten Autos, technischem Gerät oder Alltagsgegenständen. In dieser Sammeltätigkeit äußert sich Manie, aber auch Angst davor, etwas zu verlieren, das es sonst demnächst nicht mehr gäbe. Der drohende Verlust (das Anzeichen materieller oder ideeller Knappheit) und das Altem von Dingen fördern ihre Wertschätzung. Absurderweise wird versucht, die alltäglichen Erfahrungen mit kurzlebigen Gebrauchsprodukten durch einen grassierenden Antiquitätenkult zu kompensieren. Akzeptiert wird fast nur noch Tiefkühlkost; Hauptsache, sie ist nicht mehr ganz frisch, Gerät die hinter der Gegenwart herhinkende Sehnsucht nach Besonderem völlig aus den Fugen, dann spricht nichts mehr gegen das billige, endlos abwandelbare Postulat "Alles ist ein Museum" (oder kann es sein). Das übliche Museum würde sich damit auflösen, bloßer "Veranstaltungsort" werden, wenn es nicht doch auch jene spezielle Funktion behielte, dem Warenmarkt bestimmte Gegenstände zu entziehen. Indem es (oft für sehr lange Zeit) die Abfolge von Kauf und Verkauf unterbricht, kann es eine Beruhigung bewirken und die angekaufte "Ware" vom Geldmaßstab entfernen. Bei Gegenständen "von unschätzbarem Wert" wird sozusagen die Schallmauer materieller Kalkulierbarkeit durchbrochen und ein Sektor utopischer Dimensionen erreicht. Ein Museum kann also offensichtlich (wenn auch oft ziemlich unbeholfen) eigenständiger "Raum für Wertmaßstäbe" sein, ein betretbarer "philosophischer Ort". Eine Verweigerung dieses Ansinnens nützt ihm nichts, dem Anspruch kann es sich nicht aus eigenem Entschluß entziehen. Vermutlich wird von einem Museum auch verlangt, daß es ein "Ort der Integrität" ist, an dem Dinge, Informationen und Ideen zugänglich sind, an die man (oder auch nur eine kleinere Gruppe) sich halten kann. In dieser Funktion ist es auch "Stätte der Wiedergutmachung" für einmal begangenes Unrecht. Seine Verwalter nehmen aus der Zeit einiges heraus und stellen anderes in sie zurück: ein Museum ist deshalb auch eine "Zeitmaschine", deren Bedienung für das Bewußtsein Folgen hat oder haben kann, je nach dem, wer welche Hebel wieweit bewegen darf. Als "Tempel" ist es jedoch auch Heimstatt von Pharisäern. Deshalb wenden sich die Propheten immer wieder von ihm ab, erbost über die Art und Weise, wie dort mit (Geheim-)Wissen und Gläubigkeit umgegangen wird; archivieren lassen sie ihre Worte und Werke dann - fast zwangsläufig - doch wieder am liebsten an solchen angesehenen Stätten. Ob und in welcher Form als "Dokument" oder "an sich" Wertvolles aufgehoben und weiterverwendet werden soll, ist eine gesellschaftspolitische Frage, auf die sich angesichts der zerstörerischen Kräfte rundum nicht mit insularer Beschaulichkeit antworten läßt. Auch die inzwischen geläufigere Forderung nach einer radikalen Öffnung der Museen "zur Gegenwart hin" mündet noch nicht so ohne weiteres in ein Konzept, in dem Stille und Bewegung Seite an Seite Platz haben; dies selbst dann nicht, wenn man sich der Direktheit etwa des Museums für Deutsche Geschichte in Berlin (Ost) verschreiben würde, in dem das Schafott aus Plötzensee als eine Art realistisches Meditationsobjekt "ausgestellt" ist. Wie sollen Inszenierungen Ernst ausdrücken können, wenn rundum ganz andere Spiele ablaufen und gefordert werden?

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Sektionschef Schmelz vom Bautenministerium konzentriert sich auf materielle Voraussetzungen für solche Überlegungen und nennt Zahlen: eine Milliarde Schilling als voraussichtliche Adaptierungskosten für die zur Diskussion stehenden, verfallenden Gebäude, 20 Milionen für die jährliche Erhaltung und noch unbekannte, jedenfalls aber sehr hohe Betriebskosten. Auf ärgerliche Einwendungen gegen solche Pauschalangaben folgt die Berufung auf "unsere Kubikmeterpreise bei Sanierungen", die ziemlich unabhängig davon seien, wie Gebäude schließlich genutzt werden. Die Museumsseite kontert mit steigenden Besucherzahlen (insgesamt 1,5 Millionen pro Jahr in den bisher als mögliche Interessenten genannten, bestehenden Wiener Museen), oder mit dem Hinweis darauf, daß z. B. 14 Tage Bundestheaterdefizit dem Jahresbudget des Naturhistorischen Museums entsprechen. Es wird nach einem Verantwortlichen für das Gesamtprojekt gerufen; für den "neutralen" Bautenminister Sekanina erheben sich Stimmen, eine auch für den "dynamischen" Unterrichtsminister Zilk. Gleich zu Beginn war das einzige eingelangte politische Statement verlesen worden, das von Wissenschaftsminister Fischer, der für die Bundesmuseen zuständig ist. Nach Fischer könne "voraussichtlich" ab 1987 mit einer neuen Nutzung der Gebäude gerechnet werden, für die vor allem Kultur- und Museumszwecke, aber auch Ausstellungsräume, sonstige kulturelle Aktivitäten, Künstlerwerkstätten, Restaurants, Kinos und dergleichen in Frage kämen. Auf die Betriebskosten müsse besonders geachtet werden, und "in den Entscheidungsprozeß aber die endgültige Gestaltung und Nutzung dieses Areals" müsse "ein Architektenwettbewerb eingebaut werden" (worüber übrigens volle Übereinstimmung mit Bautenminister Sekanina und Bürgermeister Gratz bestünde). Daß trotz dieser Art von Zusage fast drei Stunden lang weiterdiskutiert wurde und man weitere Veranstaltungen angekündigt hat, lag offenbar an einer bereits brüchigen Vertrauensbasis.

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Hinten im Auditorium hat ein Anonymus einen Zettel in Umlauf gebracht, auf dem das vermutliche Wettbewerbsergebnis vermerkt ist: 1. ARGE Glück, Cernin, Hlaweniezka, 2. Stabers UNO-City-Team, 3, Bundesgebäudeverwaltung (ursprünglich außer Konkurrenz), 4. Hans Hollein, 5. Er selbst sicher nicht. Der Nachbar sagt, Wohnungen für Regierungsmitglieder sollten sie im Areal miteben, dann täte sich das mit den Villenfinanzierungen aufhören. Ein Falter-Fan zitiert auswendig aus der vorvorletzten Nummer die Meinung des Ausstellungspapstes Harald Szeemann zum Messepalast: "Ich glaube, daß alle diese Geschichten, wenn sie nicht primär für die Kunst gedacht sind und immer noch so halb für Parteitage, Fachmessen und so da mein müssen, nichts bringen. Dann ergibt das keine Patina am Gebäude. Ich bin eigentlich sehr gegen jede Mischform, wenn man wirklich ein Kunstzentrum hier machen will, dann müßte man den erweiterten Museumsbegriff einführen." Das wollen ja unsere Experten eigentlich auch, stößt der belesene Zuhörer erleichtert hervor, da ist doch eh alles in guten Händen. Wovon der gute Mann offenbar zuwenig weiß, das sind die Strukturen, die hinter all diesen Absichtserklärungen stehen und die - sollten sie nicht auch verändert werden - weiterhin Initiativen lähmen werden. Auch in großzügigen neuen Räumen nistet sich überall schnell die "unsichtbare Architektur" der Arbeitsvorschriften, Kompetenzen, Richtlinien, Budgetposten und Personalentscheidungen ein. Die Museen kooperieren schon bisher nur sehr unbefriedigend. Sie klammern sich an Anlässe, Jubiläen, Jubiläen, vereinzelte Angebote, damit hin und wieder etwas Außerordentliches passiert. Formalisten finden immer einen Grund dafür, nichts besonderes zu tun. So fand z. B. 1981 im Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum für Völkerkunde die weltweit beachtete Ausstellung "Rausch und Realität. Drogen im Kulturvergleich" (Zweibändiger Katalog, später auch als Taschenbuch) statt; daß parallel dazu (oder sogar schon früher) in Wien vom Naturhistorischen Museum in Zusammenarbeit mit dem Museum für Völkerkunde etwa dieselbe Idee verfolgt worden war, aber dann vom Ministerium ohne Diskussion abgewürgt worden ist, ist bisher nicht an die Öffentlichkeit gedrungen.

Das "Centre Pompidou" geistert als Modell durch die europäische Provinz, obwohl es rund 100 Millionen Schilling Jahresbudget verschlingt und nicht einmal sein Direktor heute voll zu seiner Konzeption steht. Vielleicht hat es Lernprozesse beschleunigt. Gegen eine bloße Wiederherstellung der Bauten (wie sie das Bundesdenkmalamt fordert) wendet sich der Architekturkritiker Dietmar Steiner, indem er auf die kulturelle Notwendigkeit eines intelligenten Weiterbauens auf dem Gesamtareal verweist. Aber ob die Messe AG tatsächlich ausziehen werde, sei mehr als fraglich, da sie jetzt den latenten Vorwurf, daß sie sich nicht rechtzeitig auf kleine, intime Spezialmessen eingestellt habe, in ein Hauptargument für ihr Bleiben umsetzen werde. Die Skepsis des Theoretikers verbündet sich schließlich mit ermattender Ironie; Johann Bernhard Fischer von Erlach habe die Alten Hofstallungen geplant und begonnen, Joseph Emanuel Fischer von Erlach habe sie weitergebaut, vielleicht sei jetzt Dr. Heinz Fischer von Erlach geneigt, tatsächlich die Verantwortung dafür zu übernehmen, wie mit einer historischen Bausubstanz angesichts der gewünschten Nutzungen umzugehen sei.

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Nach der Diskussion liegt er dann tatsächlich vor mir, der riesige imperiale Museumsbezirk, und plötzlich quellen alle Archive und Keller über, der Platz füllt sich mit bislang verborgenen Schätzen. Die Objekte gruppieren sich wie von selbst in völlig ungewohnter Weise, allein durch die Anziehungskraft von Gemeinsamkeiten und Gegensätzlichem. Obwohl es nur etwas zu sehen und nichts zu kaufen gibt, drängen sich Menschenmassen überall, wie sonst nur auf dem Flohmarkt. Auf der Flucht aus dem Getriebe, zurück in die leeren Hallen der Gegenwart, treffe ich in einer abgelegenen Kammer auf eine still verharrende Gestalt, die sich der Würde des Feder-Kopfschmucks von Montezuma aussetzt. Er hat endlich einen eigenen, ihm angemessenen Raum gefunden, in dem er nicht mehr bloß ein Schaustück unter vielen sein muß.

 

 
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© Christian Reder 1983/1986/2001