Walter Pichler formuliert sich - also seine durch Arbeit
präzisierte Existenz - meist in Worten und Handlungen,
die mit den gerade notwendigen Substanzen und Substantiva
auskommen wollen. Indem streng mit ihnen umgegangen wird,
sollen Emotionen zu einer überzeugenden Macht werden,
ob sie sich nun konzentriert oder vorsichtig und sparsam zeigen.
Das Alter und das Altern von Bezeichnungen ermöglichen
ihm aufrechte Verbindungen mit Sehweisen, aus denen heraus
auf immer gleiche Fragen gültig gebliebene Gegenfragen
gestellt und dargestellt worden sind. Gewicht behalten sie
für ihn vor allem dann, wenn sie sich schließlich
wortlos, kraft einer sorgfältig konkretisierten Form,
dem Lauf der Dinge widersetzen. Das Lebensgefühl, das
damit bestärkt wird, weil ihm in neuen Varianten Zeichen
gesetzt werden, ohne den Augenblick zu diskriminieren, kann
sich so jenseits der Normalität zumindest der Brüchigkeit
eigener und fremder Subjektivität versichern. Den Dissonanzen
ringsum wird etwas entgegengehalten, das sie abweist oder
so direkt miteinbezieht, daß sie aus dem Schutz ihrer
zeitgemäßen Erscheinungsweisen gerissen werden.
Der Rückgriff auf Archaisches und die Wertschätzung
langwieriger, der perfekten Reduktion dienender Entstehungsprozesse
entspringen einer Haltung, die chronischem Erfindungsgeist
bewußt ein gleichsam anachronistisches, neu interpretierendes
Erinnern gegenüberstellt. Die abgelaufene Zeit wird wichtig
genommen; sie ermöglicht Bündnisse über große
zeitliche und räumliche Distanzen hinweg, ermöglicht
ein Einverständnis, nicht zwischen Personen, sondern
mit Kräften, mit Sehweisen, mit Arbeitsmethoden.
Geschichte ist bekanntlich alles, was bekannt ist und neu
bekannt wird; ihr Raum ist die Zeit. Und ein Raum ist ein
Raum - bestimmt durch Maße, Material, Licht. Pichler
spielt weder mit Elementen noch mit Zitaten: Er baut, macht
Plastiken, zeichnet. Sein Beharren auf handwerklicher Sorgfalt
ist der gern geleistete Preis für die Bewahrung einer
Arbeitsweise, bei der jede Einzelheit im Zuge kontinuierlicher
Überprüfung entstehen kann. Die >Idee< wird
minutiösen Transformationsschritten ausgesetzt, damit
sie keine Chance bekommt, das konkrete Ergebnis zu überschatten.
Daß dabei die ästhetische Erfahrung und das Wissen
um konsequente, anderswo und früher gelungene Resultate
in den Überlegungen und Spontanentscheidungen während
des Arbeitsvorganges wirksam werden, oft als fein nuancierte
Abwandlung einer vertraut erscheinenden Ausdrucksform, ist
Folge seiner gesamten Arbeitsauffassung und deren - bei den
Zeichnungen und bei den Skulpturen - auf elementare Situationen
ausgerichteten Thematik. Dafür baut Pichler in St. Martin
im Südburgenland kleine, seinen Plastiken gehörende
Gebäude; wer Eintritt, ist Gast, nicht bloß Besucher.
Für Giacometti - so John Berger - bestand der Inhalt
jedes Werkes >in der unvollständigen Geschichte seines
Blicks darauf<, weil die eigene Wirklichkeit nicht geteilt
werden könne. >Der Akt des Sehens war für ihn
eine Art Gebet - eine Möglichkeit, sich einem Absolutum
zu nähern, ohne es freilich je begreifen zu können.
Es war der Akt des Sehens, der ihm bewußt machte, daß
er sich ständig in der Schwebe zwischen Sein und Wahrheit
befand.< Pichler arbeitet daran, dabei Störungen auszuschließen
und der unvollständigen Geschichte des Blicks auf seine
Arbeit selbstgestaltete Räume zu schaffen. Irritationen
sollen von allein erkennbar werden. Die Zeit, nicht ein Wettbewerb
des Zurschaustellens soll manches klären helfen.
Er will den sich in Unendlichkeit verlierenden Möglichkeiten
etwas wegnehmen, also etwas herstellen, das sonst verborgen
blieben; aber nicht als triumphierender Entdecker, sondern
als listiger Komplize der anonymen, wertvolle Fragmente hütenden
Wächter. Sein Vorgang des Produzierens ist Konzentration
und Annäherung, ohne daß er dazu irgendein spezielles
Ritual bräuchte. Alles daran wirkt selbstverständlich.
Er entzieht sich dabei keineswegs fremder Beobachtung, dafür
aber wird nach der Fertigstellung wieder des Verbergens gedacht;
diesen Anspruch gibt Pichler nie ganz auf. Beim Zeichnen setzt
er sich, sofern er nicht eine der detailgenauen Konstruktionsstudien
vor sich hat, jener von Gefühlen diktierten Bewegung
aus, die er in den Plastiken bannen, zur Ruhe bringen will.
Kunst ist ihm in keiner Weise Träger eines Fortschritts,
weil sie ja auch in sich selbst insgesamt keinen Fortschritt
kennt; sie wird nicht besser, selbst wenn sie wichtige Brüche
oder einsame Höhen geschafft hat, nur weil sie zugleich
immer Ausdruck von Geschichte und Zeitabläufen ist. Victor
Segalen zum Beispiel dachte sogar während der Umwälzungen
von 1917 ähnlich, dem starren Blick nach vorn konnte
er nicht allzuviel abgewinnen, Für seine >Ästhetik
des Diversen< notierte er unterwegs in China: >Die wundervollen
Tiefen der unbekannten Vergangenheit verherrlichen. (Untersuchungen
über längst vergangene Zeiten.) Die Zukunft nur
mit Vorsicht und Ironie betrachten.<
Inzwischen ist das scharenweise Abrücken von alten Positionen
politischer Klarsicht zur Norm geworden, Hoffnungen ordnen
sich Bekenntnissen zur >Neuen Unübersichtlichkeit<
unter, und auf philosophisch-wissenschaftlicher Ebene wird
längst schon jedem noch so winzigen Strukturdetail nachgespürt,
damit es sich in alle Verästelungen seiner geschichtlichen,
macht- oder sogar bloß systemgesteuerten Bedingtheit
verfolgen läßt. Selbst in der Methodik haben >alternative<
Formen der Erkenntnisproduktion deutlich an Boden gewonnen,
die wissenschaftliche Vernunft ändert laufend die ihr
zugewachsenen Regeln, hat sich auf lange Umwege eingestellt
und sucht anscheinend ihrer professionellen Kälte und
Starrheit durch die Nähe zu künstlerisch-literarischen
Arbeitsweisen wenigstens die Sterilität zu nehmen. Selbst
weitab von der Ebene neo-konservativer Täuschungsmanöver
kann man ja fortwährend angeblich Rückständiges
als ernsthafte Möglichkeit wiedererkennen und die Zeitspanne,
aus der Ideen und Impulse bezogen werden, wieder in die Vergangenheit
ausdehnen, und zwar unter Einschluß noch so unterschiedlicher
Kulturen. Daß anhand der Zerstörung des Fremden,
des Fremdgewordenen, die Ahnung vom Verlust an Eigenem - und
sei es über den Abbau sich aufdrängender Romantik
- stärker werden mag, Zeigt im doppelten Sinn, daß
der Mechanismus ein Entkommen nicht zuläßt. Pichlers
Gegnerschaft zu diesem Mechanismus äußert sich
in weit in die Vergangenheit reichenden Bezugsfeldern, im
Respekt vor den ganz alten Zeichen und Texten.
Einschub eins: Nach babylonischer Vorstellung wird die
Welt aus einem riesigen unterirdischen Behälter mit
trinkbarem Wasser versorgt, den man sich würfelförmig
gedacht hat, was ihn symbolisierende, für den Gebrauch
durch Priester bestimmte Geräte bestätigen. Die
aus Holz gezimmerte Arche hatte, den ältesten Überlieferungen
zufolge, die gleiche, für ein Boot völlig untaugliche
Form; das Maß jeder Seite betrug fünfundsiebzig
Schritt, die Einteilung innen berief sich auf magische Zahlen:
je neun auf sieben Ebenen übereinanderliegende Kammern.
Für jenen ersten Versuch, die Geschichte neu zu beginnen,
wurden ausdrücklich auch >Handwerker einer jeglichen
Kunst< gerettet - im diese Berichte aufgreifenden Alten
Testament sind sie nicht mehr extra erwähnt worden.
Die anonyme, in den trockenen Gebieten der alten Kulturen
ständig erneuerte, der Versorgung mit Wasser dienende
Architektur könnte also weiterhin als mit dem unterirdischen
>Raum< zusammenhängendes System gesehen werden,
dessen Bauten an der Oberfläche lebenswichtige Funktionen
erfüllen, genauso jedoch Zeichen für elementare
Abhängigkeiten setzen. Die einem einzigen Inhalt, der
Kostbarkeit von Wasser, gewidmeten Anlagen fordern ununterbrochen
den Aufwand und die Sorgfalt, die sie darstellen. Selbst
wo sie verfallen, rufen ihre Fragmente die Anstrengungen
in Erinnerung, die jahrtausendelang fortgesetzt worden sind,
um an einem bestimmten Ort für das alltägliche
Leben autonomere Bedingungen zu schaffen. Sichtbarer Ausdruck
dieser Notwendigkeit sind tief in die Erde getriebene Brunnen,
in Stein gefaßte Quellen, in Berge geschlagene Stollen,
Zisternen und künstliche Seen, weithin führende
Kanäle, Gräben und Rinnen, verschiedenartige Konstruktionen,
um Wasser zu schöpfen oder es zu verteilen. Das Material
für die kraftsparenden beweglichen Einrichtungen beschränkt
sich meist auf Lehm, hölzerne Stangen und Räder,
auf Stricke und Leder.
Den Schöpfbaum, Prototyp für spätere, von
Tieren betriebene Schöpfmaschinen, soll der erste Pharao
erfunden haben, als er noch ein einfacher Bauer gewesen
ist. Seine Freude über das von ihm gebaute Gestell,
dieses zweibeinige Wesen, das seinen dünnen Körper
den ganzen Tag über hinunterbeugt und wieder aufrichtet,
um Wasser zu schöpfen, ohne daß er selbst allzuviel
Kraft aufwenden mußte, um dabei zu helfen, war anfangs
so groß gewesen, daß er es am Abend fest angebunden
hat, damit es nicht weglaufen könne. Dies ließ
er jedoch bald sein, in der Hoffnung, daß es sich
wirklich davonmachen und ihn so von der weiterhin aussichtslosen,
ermüdenden Arbeit befreien würde. Es rührte
sich aber nicht von seinem Platz, und so wurde er ärgerlich
und ging selbst fort, weit weg, in die große Stadt.
Dort stieg er vom tüchtigen Bettler zum königlichen
Wächter auf, der jedem, der sich gegen das Gesetz nachts
auf der Straße zeigte, den Kopf vom Rumpf schlug;
zuguterletzt auch dem unvorsichtigen Machthaber selbst,
dessen Stellung und Würde er damit für sich allein
beanspruchen konnte.
Am monoton singenden Geräusch krächzender Schöpfwerke
hat sich in all den Gegenden nichts geändert, außer
dort, wo Wasser von selbst fließt oder durch neuere
Techniken dazu gebracht wird. Welche Ansprüche anerkannt
werden, erschlossenes Wasser zu nutzen, bestimmen weiterhin
komplexe soziale und rechtliche Vereinbarungen. Wasser und
Boden gehören nicht unbedingt zusammen. Entweder kann
es während einer wiederkehrenden, zeitlich exakt festgelegten
Frist bezogen und dann selbst verwendet, verkauft oder verliehen
werden, oder es bekommt - was häufiger ist - einer
nach dem anderen seinen vollen Anteil, den er nur selbst
verbrauchen darf. In Zeiten des Mangels geht dann jeder
auf einem Fild in schlechter Lage leer aus. Gepflegt wird
alles, ohne dass dies streng organisiert werden müßte.
Was nahe liegt, hält jeder selbst instand. Größere
Arbeiten werden gemeinschaftlich erledigt. Als besondere
religiöse Leistung gilt es, wenn jemand einen Brunnen
der Öffentlichkeit schenkt. Er wurde meist kuppelförmig
übermauert, so wie ein Heiligtum oder ein besonders
verehrtes Grab.
In Palästina ist es seit jeher als ideal angesehen
worden, verschiedenartige, nicht nur ertragreiche Böden
zu besitzen, vermutlich, weil der Weissagung nach die Wüste
zum Garten, zum Paradies werden würde, oder auch bloß
deshalb, weil sich Werte durch eine kultivierende Bearbeitung
steigern ließen. Selbst der Mensch sei, so alte arabische
Deutungen, in einem langwierigen Prozeß erschaffen
worden: Gott knetete den Erdklumpen und ließ ihn dann
in vierzig Jahren zu einer übelriechenden, verdorbenen
Tonmasse werden. Darauf gab er dem Ton Gestalt, ließ
ihn aber noch hundertzwanzig, vielleicht jedoch bloß
noch vierzig Jahre ohne Seele. Die Engel, die an dem vorübergingen,
das >noch nichts Nennenswertes< war, fürchteten
sich; wenn einer es mit dem Fuß trat, erklang ein
klirrender Laut wie von einem Tonkrug. Schließlich
begann Gott es mit seinem Atem zu beseelen, aber der werdende
Mensch ging immer gleich weg, um sich zu setzen. Da sprach
Gott: >Der Mensch hat es allzu eilig.< Als dieser
dann doch nach und nach ganz vom göttlichen Atem erfüllt
und somit fertig war, da nieste er.
Die Meister, von denen im Talmud berichtet wird, einigten
sich erst nach langem Hin und Her, was sie von all dem,
das da passiert ist, halten sollten: Es wäre dem Menschen
zwar dienlicher, wenn er nicht erschaffen worden wäre,
als daß er erschaffen worden ist; jetzt aber, da er
erschaffen worden ist, untersuche er sein Tun; es wird auch
gesagt: erwäge er sein Tun.
Bloch hatte vom Prinzip her noch die einfache Hoffnung: >Er
(der Mensch) steht immer wieder vorn an Grenzen, die keine
mehr sind, indem er sie wahrnimmt, er überschreitet sie.<
Vierzig Jahre, nachdem diese auf Hegel anspielenden Sätze
geschrieben worden sind, herrscht an wahrnehmbaren Grenzen
nirgends Mangel, und jene ganz andere >Freiheit<, in
deren Namen sie ständig überschritten werden, ist
so machtvoll verankert wie nie zuvor. Selbst daß weiterhin
Kraft aufgebracht wird, an viel wichtigeren Grenzen zu arbeiten
als an den vordersten Linien der Aggression, an denen die
Systeme in Bewegung gehalten werden, läßt sich
aus der Notwendigkeit heraus erklären - wenn auch bislang
noch nicht motivieren -, die jede Oppositionsrolle für
die Ausübung von Herrschaft hat. Blochs fernes >Zukunftsland<
ist, wie alles >Mögliche<, >voll genau verfolgbarer
geschichtlich-tendenzieller Vermittlung<. Gegen die grassierende
Stereotypie - auch im Urteilen - ist die Auflehnung allerdings
sehr schwach geblieben. Dem ostentativ Progressiven, in welcher
Verfassung immer er gerade sein möge, zwingt die Konvention
angesichts eines quasi archäologischen Zugangs zur Gegenwart
weiterhin oft vorschnelle Verachtung auf. Das Pathos der einfachen
Fragen verführt eben zur Flucht vor dem Einfachen oder
zu kryptischeren Neufassungen. Bloch ist dem nicht ausgewichen:
>Wer sind wir? Wo kommen wir her? Wohin gehen wir? Was
erwarten wir? Was erwartet uns? Viele fühlen sich nur
als verwirrt. Der Boden wankt, sie wissen nicht warum und
von was. Dieser ihr Zustand ist Angst, wird er bestimmter,
so ist er Furcht. Einmal zog einer weit hinaus, das Fürchten
zu lernen. Das gelang in der eben vergangenen Zeit leichter
und näher, diese Kunst ward entsetzlich beherrscht. Doch
nun wird, die Urheber der Furcht abgerechnet, ein uns gemäßeres
Gefühl fällig. Es kommt darauf an, das Hoffen zu
lernen. Seine Arbeit entsagt nicht, sie ist ins Gelingen verliebt
statt ins Scheitern.<
Angesichts der Absurdität der weiter wachsenden Bedrohung
interessiert sich selbst die künstlerische Avantgarde
wieder viel eher für hinterhältige Plätze,
die eine gewisse Deckung bieten, damit sie etwas überlegter
an Artikulationsmöglichkeiten arbeiten kann, bevor die
mediale Maschinerie zu deren Verstümmelung ansetzt. Zu
früheren Umbruchszeiten lassen sich nur vage Parallelen
konstruieren. Allerorts sind die Strukturen kaputt, nicht
einmal ,ob oder warum sie noch Macht haben, läßt
sich vernünftig begründen. Die diffuse Automatik
von Systemen dürfte sich als das eigentliche System herausstellen.
Den Gedanken und ihrer Handhabung entglittene Utopien sind
von einer Verzweiflung um Frieden, Menschenrechte und Naturschutz
abgelöst worden, inklusive aller in politischer Vereinfachung
liegenden Gefahren. Wo es noch prinzipielle Hoffnungen gibt,
dort klammern sie sich an die Chance des Zerstörtseins.
Vorstellungen vom Anfang und vom Ende treffen sich wieder
einmal: der Garten Eden (als Ursprung und Ziel), die Apokalypse
(als dank ständiger Vorwegnahme und Ästhetisierung
längst normalisierte Erwartung).
Pichler reagiert durch >Erinnerungsarbeit<, so der
häufig von ihm benutzte Ausdruck. Sie wendet sich gegen
Vergeßlichkeit, setzt exakte Untersuchungen voraus,
verwirklicht Wahrnehmungen, die a priori keinen Zeithorizont
akzeptieren. Seit seinen ersten Plastiken - der kleinen Figur
von 1960, der Alten Figur von 1960-63, den Stelen I und II
von 1962 - ist eine solche, später dominierende Auffassung
evident. Die Position, von der aus immer wieder scharf akzentuiert
und eingegrenzt worden ist, blieb im wesentlichen gleich:
das Ritual, die kultische Handlung, als Grundlage von Kunst
und eines ihr ausgelieferten Lebens; zugleich die Freiheit
als Freiheit von jedem Zweck. Eine Skulptur, an der er mit
Unterbrechungen vielleicht einige Jahre gearbeitet hat und
die dann fertig vor ihm steht, sei im Idealfall für ihn
etwas, >das schon immer da war<, schreibt er 1983. Und
seine frühen Arbeiten sind genauso Zeichen für Stillstand,
Zeichen in einer Landschaft jenseits des Todes.
Die innere Dialektik der Dinge, nach der sie mit ihrem Gegenteil
schwanger sind, soll bezwungen werden. In anfänglichen
Arbeitsphasen war sie noch voll ausgebrochen. Gleichzeitig
zur vorzeitlichen Hermetik der ersten Figuren entstanden die
radikalen Architekturkonzepte, gefolgt von brutal utopischen
Manifestationen, die ihrerseits den Widerspruch zwischen Vorschlag
und in ihm enthaltener Kritik, zwischen totalem Machtanspruch
und erzeugtem Leiden enthielten und aushielten
Im Katalog der ersten Ausstellung (>Architektur<, in
der Galerie nächst St. Stephan, Wien 1963; mit Hans Hollein)
wird kategorisch >absolute Architektur< gefordert. Die
Rede ist von der Notwendigkeit der Arbeit >bewußter
Visionäre und Revolutionäre, die nicht in Revolte
gegen die Herrlichkeiten der Geschichte, sondern gegen die
geistlose Mittelmäßigkeit der Gegenwart sind<,
und weiter: >Der Ausdruck, die Sprache ihrer Arbeit ist
nicht beschränkt durch Zweck oder Verwendung, sondern
ist absolut. Zwecke und Verwendungen können später
kommen, sie sind der leichteste Teil.< Und Pichler selbst
postuliert eine Architektur, >geboren aus den stärksten
Gedanken. Für den Menschen wird sie Zwang sein, sie werden
darin ersticken oder sie werden leben - leben, wie ich es
meine.<
Der Aufklärung wird längst nicht mehr geglaubt.
Eine sich an Funktionen und an ein Funktionieren klammernde
Rationalität wird verhöhnt. Die (Gestaltungs-)Kraft
müsse aus anderen Quellen bestärkt und auf sie bezogen
werden, hieß es schon damals, damit das radikale Selbstbewußtsein
jener, die sich erhoben, eine Entsprechung und ein Gegenüber
finde. Mut mußte zu Hochmut werden, und sei es als Umweg
zu periodischer Demut. Über Bauten und Zeichen sollte
an geistigen Strukturen gearbeitet werden, die sich zugleich
in diesen verwirklichten, als Räume und Kristallisationspunkte
für ein geformtes - die ungeheuren Möglichkeiten
einer hochentwickelten Zivilisation restlos ausschöpfendes
- Leben. Hinter der dazu nötigen Macht brauchte kein
Gott mehr zu stehen. Er wurde durch die >stärksten
Gedanken< ersetzt, die ihrerseits sakrale Huldigungen produzieren
und provozieren würden. Macht sollte sich selbst erzeugen,
unbefleckt von Machinationen und ungebremst von mittelmäßiger
Kontrolle. Dem Subjekt, einem Maß und Maßlosigkeit
zusammenzwingenden Ich, wird noch eine Chance eingeräumt.
Schwaches wird mitgerissen oder benutzt.
Pichler entwarf Skulpturen monströser kompakter Städte,
in die Erde versenkt, deren geleerte Oberfläche dominierend,
und Gebäude, die aus dem Untergrund auftauchen und keine
Zweifel dulden, daß sie sich so und nicht anders ihrer
Umwelt aussetzen. Wenn die Erde noch, wie seit jeher, als
Verkörperung des Weiblichen gelten kann, dann wollten
sich diese Visionen nicht von ihm trennen. Trotzdem drücken
sie nichts anderes aus als den Willen zur Herrschaft. Schutz
vor ihm bot nur ein Platz unter der Oberfläche, dieser
wiederum konnte genauso Gefängnis sein, ohne jede Chance
auf irgendetwas. Das Verborgensein spielt also von Beginn
an eine wichtige Rolle; abgeschlossene Räume - die Kammer,
der Gang, der Tunnel, die Grube, die schließlich für
die Skulpturen errichteten kleinen Gebäude - werden zu
einem bestimmenden Element der gesamten Arbeit. Das im Verlies
verlassene Sein drückt sich darin genauso aus wie die
in Schatzkammern gewonnene Sicherheit. Im Grab verbindet sich
beides: Der Raum vor der Geburt ist sein Gegenteil.
Einschub zwei: Seit dem frühen Mittelalter, und zwar
vermutlich bereits ab jener Phase, in der die Abtrennung
des europäischen Westens vom Osten, von Byzanz, Realität
geworden war, gehört die in der Schatzkammer der Wiener
Hofburg aufbewahrte >Heilige Lanze< zu den wichtigsten
Zeichen für Kontinuität - und Herrschaft -, mit
denen ein römisch-katholischer Anspruch bekräftigt
und sichtbar gemacht werden sollte. Es spricht einiges dafür,
daß sie ausgerechnet während jenes Arbeitsganges
zerbrochen ist, bei dem entlang des Mittelgrates ihrer Spitze
ein schmaler, länglicher Schlitz herausgestemmt wurde,
der Platz für einen >Nagel vom Kreuz Christi<
geschaffen hat.
Dieser als Nagel gedeutete Eisenstift ist ebenfalls zerbrochen,
sein unteres Drittel fehlt. Am oberen Ende ist er lanzenartig
zugespitzt, dann folgt ein langer schmaler Hals, der sich
zu einem Knoten verdickt, bevor er in ein breites Mittelstück
mündet, das durch mondsichelförmige Ausnehmungen
drei Erhöhungen hat, die durch Stege verbunden und
mit Kreuzen markiert sind. Anschließend kommt der
gleiche Knoten wie im oberen Teil und unmittelbar nach ihm
die Bruchstelle. Dies und die Form des nach unten konisch
zulaufenden Schlitzes weisen darauf hin, daß der sogenannte
Nagel keinen Kopf hatte und an beiden Enden gleich aussah.
In der wissenschaftlichen Literatur wird infolgedessen einhellig
betont, daß derartige Nägel unbrauchbar waren.
Der ursprünglich etwa eine Handspanne lange, eigentümlich
geformte, knotige Eisenstift war also offensichtlich nie
das, als was er zu so hohen Ehren gekommen ist. Am ehesten
läßt er sich als >Schildfessel< deuten,
als Griff eines Schildes. Im übertragenen Sinn ist
dieses Wort auch für den schildtragenden Knecht und
weiters dann für räuberische Landstreicher verwendet
worden, weil ja meisten der - mindestens 36 - bekannten
>Heiligen Nägel< erinnert der in der Wiener Lanze
nicht einmal annähernd an antike Vorbilder. Die tatsächliche
Benutzbarkeit mußte sich nicht in Regeln der Plausibilität
einordnen lassen. Es genügte bereits die überlieferte
Berührung durch eine bestimmte Person oder die Einarbeitung
winziger Teile eines anderen heiligen Gegenstandes, damit
sich alle weiteren Fragen erübrigten: >Form, Sinn,
Zweckbestimmung und Bedeutung dieses Eisenstiftes sind trotz
der uralten Tradition bis heute rätselhaft und ungedeutet.<
Von der Lanze, in deren Spalt dieses mysteriöse Objekt
genau eingepaßt und mit einem in vier Bahnen straff
um sie gewickelten Silberdraht befestigt ist, blieb nur
die aus Metallteilen zusammengesetzte Spitze erhalten. Vom
vermutlich aus Eschenholz gefertigten Schaft und dem ursprünglich
dazugehörenden Fahnentuch sind keine Reste mehr vorhanden.
Das gesamte unter der Inventarnummer XIII 19 verwahrte
Exponat besteht hauptsächlich aus Stahl, Eisen, Messing,
Silber, Gold und Leder. Sein Gewicht beträgt 968 Gramm,
die Länge 51 cm, die größte Breite des Blattes
5 cm, die der Flügel 7,8 cm und der Durchmesser der
Schafthalterung 3,3 cm. Der herausgestemmte Schaft für
den Nagel hat eine Länge von 24 cm und eine maximale
Breite von 1,5 cm. Das noch existierende Stück des
Nagels selbst ist 16,7 cm lang. Es war versucht worden,
die Bruchstellen des Lanzenblattes zu schweißen, bevor
sie durch ein schmales Eisenband miteinander verbunden und
schließlich zusätzlich mit einer silbernen (im
Auftrag von Heinrich IV., dem Canossa-Besucher) und einer
goldenen Manschette (in Prag durch Karl IV.) umhüllt
worden sind., die Inschriften tragen, mit denen für
die Heiligkeit von Lanze und Nagel gebürgt wird. Dort,
wo sich das Lanzenblatt verjüngt, um in den Schaft
überzugehen, ist auf jeder Seite eine Messerklinge
angebracht, in deren Rücken zu diesem Zweck Ösen
gebohrt worden sind. Halt finden sie in schmalen Rinnen
der Lanzenflügel, durch kunstvoll verspannten Silberdraht
und durch von den Manschetten weitgehend verdeckte Lederbänder.
Da die Art ihrer Verbindung mit dem Hauptteil der Lanze
sehr ähnlich ist wie beim oben eingefügten Eisenstift,
wird angenommen, daß beides im gleichen Arbeitsgang
ausgeführt worden ist. Die hinzugekommenen Messer vergrößern
Fläche und Schnittstelle des Lanzenblattes, die Flügel
stehen nur mehr geringfügig vor und verlieren ihre
Widerstandsfunktion. Daß letztere mit gleicharmigen
Kreuzen signiert sind, entspricht einer häufig auch
bei anderen Flügellanzen zu findenden Übung.
Von den Nietlöchern der Halterung, die den hölzernen
Lanzenschaft aufzunehmen hatte, ist eines ausgebrochen.
Die zugehörigen Nietstifte, die vermutlich goldplattierte
und mit gekerbtem Golddraht umrandete Köpfe hatten,
fehlen. Die Lanzenspitze konnte daher nicht mehr am Schaft
befestigt werden, weshalb ein breiter Eisenring mit vier
Nietlöchern und zwei herausgemeißelten Kerben,
die um die unteren Ränder der Flügel fassen. über
den beschädigten Teil geschoben und kalt angelötet
worden sind. Daß auch die neuen Nietlöcher ausgeleiert
sind, ist eine Bestätigung für die anfänglich
intensive, nicht auf Schonung bedachte Nutzung der Lanze.
Deutliche Gebrauchsspuren zeigt auch die abgewetzte Furchenverzierung
im unteren Teil. Neben diesen Abnützungserscheinungen
ist sogar die Weiterverwertung ganzer Teile feststellbar.
Den verschwundenen Teil des Nagels soll sich angeblich Karl
IV. im Jahre 1374 angeeignet haben, als er die obere Manschette
hat anbringen lassen. Es fehlen jedoch noch andere kleine
Teile, so an den Bruchstellen des Lanzenblattes, an der
Furchenverzierung und an einem Lanzenflügel, woraus
geschlossen wird, daß auf diesem Wege Kraft von der
>richtigen< Lanze auf zumindest eine Parallelreliquie,
die eingeschmolzene Partikel aufgenommen hat, übertragen
werden sollte.
Möglicherweise war es jene vereinfachte, noch existierende
Kopie, die im Jahr 1000 von Otto III. nach Krakau verschenkt
worden ist. Da sie auch eine Nachbildung des Nagels eingepaßt
bekommen hat, ist sie der Beweis dafür, daß spätestens
kurz vor diesem Zeitpunkt (wahrscheinlich jedoch früher)
die Wiener Lanze umgearbeitet worden ist, damit sie ihren
Nagel aufnehmen konnte. Die Kopie bestätigt auch, daß
ihr Vorbild anschließend noch oft größeren
Belastungen ausgesetzt war, also die Reparatur durch den
nachträglich angebrachten neuen Schaftring später
erfolgt ist, weil sie noch auf die ursprüngliche Form
bezug nimmt. In der Folgezeit sind noch andere Duplikate
hergestellt worden (so jenes im Stift Melk, das von Graf
Ernst, gestorben 1075, übergeben worden sein soll).
Zum sogenannten >Originale<, das im Petersdom in Rom
aufbewahrt wird, bestehen offenbar keine vergleichbar direkten
Beziehungen. Der Reliquienkult intensivierte sich, nach
Anfängen während der großen Christenverfolgungen
und der Zeit Konstantins (der, entgegen jeder historischen
Glaubwürdigkeit, als früherer Besitzer der Wiener
>Heiligen Lanze< gegolten hat), speziell seit dem
6. Jahrhundert. Da schon winzige Teilchen, und sei es Staub,
genügten, um eine >heilige Kraft< zu binden,
also eine >Verklärung von Materie< herbeizuführen,
war eine uferlose Vermehrung solcher Gegenstände möglich,
ohne daß die Unterscheidung von Original, Kopie oder
Fälschung und ein oft ziemlich bedenkenloser Bedeutungswandel
allzu gravierende Probleme darstellten. Gefühle der
Verehrung verbanden sich abstrakt mit Kostbarem, das als
Zugang zum Jenseits gelten konnte, ohne daß seine
tatsächliche Herkunft, die geschichtliche Wahrheit
also, mehr als Fiktion sein mußte.
Die Wiener Lanze soll König Rudolf II. von Burgund
921/922 vom oberitalienischen Grafen Samson als Herrschaftszeichen
übergeben worden sein, damit er den Aufstand gegen
Kaiser Berengar unterstütze. Rudolf war zwar erfolgreich,
mußte jedoch unter dem Druck der in sein Stammland
vorgedrungenen Ungarn bald seine erworbenen Ansprüche
auf Italien aufgeben. Verbürgt ist, daß er die
Lanze (vermutlich 935) König Heinrich I. überlassen
hat, der von diesem >unschätzbaren himmlischen Geschenk<
gehört hatte und es durch Kriegsdrohungen und Tauschgeschäfte
an sich brachte. Andere, nicht so gesichert erscheinende
Vermutungen gehen dahin, daß die Lanze schon 774 von
Papst Hadrian Karl dem Großen übergeben worden
war, nachdem dieser mit der Eroberung Pavias das Langobardenreich
unterworfen hatte und dessen Königswürde auf die
Karolinger übergegangen war. Der Legende nach waren
das Kreuz und die Nägel um das Jahr 330 von Konstantins
Mutter Helena in Jerusalem wieder aufgefunden worden.
Übereinstimmung herrscht, daß die Lanze etwa
um das Jahr 800, also in langobardisch-karolingischer Zeit,
angefertigt worden ist, was sich anhand der durch Grabungsfunde
und Buchmalereien belegten Entwicklung von den Lanzenspitzen
des 7. Jahrhunderts bis zu den >karolingischen<, also
jenen >mit vollendeter Form<, schlüssig nachvollziehen
läßt. Ob der Schlitz für den Nagel wirklich
ausgestemmt worden ist oder nicht doch eine Lanze mit von
vornherein ausgesparten Zwischenräumen, wie es bei
den älteren Typen üblich war, Verwendung gefunden
hat, ist offenbar nicht völlig geklärt.
Lanze und (Himmels-)Schild sind alte Herrschaftszeichen,
schon Alexander der Große wurde mit ihnen abgebildet.
Die Lanze, Sinnbild des Freien, trug als Machtsymbol bereits
bei den Persern goldgeschmückte Fahnen, als Ausdruck
des Siegesfeuers. Der Schild war Synonym für Himmel
und Weltherrschaft; die Deutung des >Heiligen Nagels<
als >Schildfessel< würde, obwohl von der Wissenschaft
erstaunlicherweise dieser Bezug nicht hergestellt wird,
in diesen Zusammenhang perfekt hineinpassen. Zwei überlieferte
Zeichen wären dann zu einem verschmolzen worden, um
bisherigen offiziellen Insignien etwas begründbar Eindrucksvolles
entgegensetzen zu können; Ansatzpunkt war, die Herrschaft
über Italien zu bekräftigen (als Vorbedingung
für die Kaiserwürde), sei es nun durch Rudolf
von Burgund und speziell Heinrich I. oder, nach der anderen
Version, bereits durch Karl den Großen. Als ein wichtiges
Instrument der Politik mußte die Lanze zugleich religiöse
Reliquie sein. Im Reichsschatz war nichts zufällig,
jedes Stück hat seinen - unbekümmert veränderbaren
- Sinn. Als Zeichen der Herrschaft über das irdische
Reich, das der ersehnten Endzeit zusteuert, wurden Lanze
und Insignien in Prozessionen mitgeführt und als Zeichen
der Unbesiegbarkeit anfangs häufig dem Feind entgegengetragen.
Dessen Niederlagen (so jene der Ungarn auf dem Lechfeld
955) hat man ihrer Kraft zugeschrieben. Aufbewahrt wurde
die Lanze im Querbalken des Reichskreuzes, der Standort
wechselte mit dem Reichsschatz. Ab 1424 - etwa zeitgleich
mit dem Beginn der Renaissance, Piero della Francesca war
gerade geboren, Gutenberg ein junger Mann - war er fast
400 Jahre lang Nürnberg, kurz vor dem Ende des Heiligen
Römischen Reiches erfolgte wegen der Bedrohung durch
napoleonische Truppen die Überführung nach Wien.
Der Überlieferung - und der Inschrift auf der unteren
Manschette - nach galt die Lanze zuerst als jene des Hl.
Mauritius, des Patrons und Märtyrers der Ende des 3.
Jahrhunderts mit seiner gesamten römischen Legion auf
dem Eis eines Alpensees dem Tod durch Erfrieren ausgesetzt
worden war. Seinem Namen nach war er ein Maure aus Mauretanien,
der häufig auch mit schwarzer Hautfarbe dargestellt
worden ist. Erst seit dem 13. Jahrhundert begann die Vorstellung
zu dominieren - die später in der Inschrift auf der
oberen Manschette bekräftigt wird -,daß es sich
um die >wahre, heilige Passionslanze< handle, mit
der Longinus Christus in die Seite gestoßen und somit
die Weissagung erfüllt habe, daß man ihm nicht,
wie sonst bei Gekreuzigten vorgesehen, die Knochen zerbrechen
werde, um endgültig seinen Tod herbeizuführen.
Damit wurden Zusammenhänge mit der Gralslegende bestärkt,
in der dem >reinen Tor< nach vielen Prüfungen
die glückverheißende Auffindung des als Schale
oder Kelch (mit weiblicher Symbolkraft) oder bloß
als unauffälliger Stein gedachten Grals und der geheimnisvoll
blutenden Lanze (als männliches Zeichen) in Aussicht
gestellt wird. Noch im 20. Jahrhundert ist der Lanze die
Eigenschaft eines >Schicksalsspeers< zugeschrieben
worden, dessen Deutung - der Nagel als in den esoterisch
begreifbaren Geschichtsablauf verstricktes Individuum -
und Besitz Einsicht und Macht verleihe (auch Hitler soll
an ihm ein derartiges okkultes Interesse gezeigt haben).
Die definitive Beschaffenheit des verwendeten Material
ist 1970 in laserspektralanalytischen Untersuchungen des
Instituts für analytische Chemie und Mikrochemie an
der Technischen Universität Wien erforscht worden,
und zwar wegen der Kostbarkeit des Objektes mit großer
Vorsicht, sodaß nur vorläufige Ergebnisse erzielbar
waren. Ihnen zufolge dürften die Eisenteile der Lanze
durchwegs unlegiertes Material sein, aus dem sich keine
Rückschlüsse auf irgendeinen spezifischen Fundort
ergeben. Spuren von Kupfer sind in allen Eisenteilen, mit
Ausnahme der Flügel, annähernd gleichmäßig
vorhanden, ebenso von Silizium. Der Kalzium-, Magnesium-
und Mangangehalt des verwendeten Eisens weicht bei einzelnen
Teilen in noch aufzuklärender Weise voneinander ab,
da nicht von vornherein davon ausgegangen werden kann, daß
dies durch Korrosion verursacht ist. Letzteres wird auch
aus archäologischer Sicht bezweifelt, da sich die Wiener
Lanze von allen bisher gefundenen Flügellanzen dadurch
unterscheidet, daß sie >keine einzige korrodierte
Stelle aufweist<. Ebenso rief der Nachweis, daß
zwar überall geringe Spuren von Silber (einmal in höherer
Konzentration) und Aluminium festgestellt werden konnten,
Gold jedoch an drei Stellen völlig fehlt, während
es an drei weiteren Stellen deutlich lokalisierbar war,
bei den untersuchenden Technikern >eine gewisse Überraschung<
hervor. Neu war auch die Feststellung, daß für
das >Tauschieren< (Damaszieren), also das Auffüllen
gravierter Rillen mit Edelmetallen, die durch Erhitzen fest
mit dem Untergrund verbunden werden, nicht, wie bislang
immer angenommen, Gold, sondern bloß Messing verwendet
worden war. Beim Silberdraht wiederum ergab die Analyse,
daß er eindeutig aus Silber mit nur geringen Kupferbeimengungen
besteht. Neue Erkenntnisse konnten auch über die Manschetten
gewonnen werden, bei denen das silberne Grundmaterial bestätigt,
beim Gold des Schriftbandes jedoch deutliche Silberbeimengungen
und Quecksilber festgestellt wurden, was auf Feuervergoldung
hinweist.
Dessenungeachtet wird auch von anderer Seite als einziger
materieller Nachteil vermerkt, daß der abgeschreckte
Stahl sehr spröde ist >und deshalb bei Stoß-und
Schlagbeanspruchung zum Bruch neigt<. Durch ihre Funktion
als symbolische - gegen sichtbare und unsichtbare Feinde
gerichtete - Waffe und als Zeichen für Herrschaft und
Kontinuität war die Lanze dieser Gefahr nicht so sehr
in direktem Kampf als bei Umarbeitungen ausgesetzt. Als
sie dann tatsächlich zerbrochen ist, gab das den Anlaß,
in reduziert-kunstvoller Weise weiter an ihr zu arbeiten,
bis sie nach einigen Jahrhunderten ihre endgültige
Form als >montiertes Ensemble< angenommen hatte. Montiert
sind nicht nur ihre einzelnen Teile, sondern genauso die
Kraftfelder, auf die in widersprüchlicher Weise Bezug
genommen wird: der eigensinnig geformte, mit aufwendiger
Einfachheit eingefügte >Heilige Nagel<, der seinen
von den beiden Beschriftungen behaupteten Zweck nie erfüllt
haben kann; die Bezeichnung als Mauritiuslanze auf der verdeckten
unteren und als Passionslanze auf der oberen Manschette;
die subtil angebrachten Messer (die sich vermutlich auf
die Wächter beziehen, die den Rock Christi untereinander
geteilt haben); die Zusammenführung von Lanze und Schildgriff,
von Machtsymbolen und Reliquien einer stolzen Demut, von
Angriff und Verteidigung. Auf der alltäglichen Ebene
wiederum wird bis heute ihre offenbar alle anderen Flügellanzen
bei weitem übertreffende Qualität, ihre >Federstahlhärte,
die Spitze glasharter Stahl<, als >Höchstleistung
der Stahlverarbeitung< jener Zeit gepriesen.
Als Ende der sechziger Jahre die Revolutionsstimmung breitere,
auf Machtwechsel hoffende Kreise erfaßte, hatte Pichler
sich schon von gigantomanischen Vorstellungengelöst.
Seine Objekte, Prototypen und auch die >Räume<
- die tragbaren, die direkte Umwelt ausschließenden
TV-Helme, die Intensivbox - waren klein und beweglich geworden.
Die Verankerung wurde unwichtig. Diverse Anschlüsse für
sein Gerät würden sich überall finden. Und
wirklich sei sowieso bloß, was in den Medien stattfindet.
Maximale Intensität, so die Botschaft, sei nur durch
isolierte Künstlichkeit zu bewirken, ohne jegliche Hoffnung
auf Gemeinsamkeit. Das Hirn und die Sinne werden schonungslos
der Gewalt von Musik, Tönen, Sprache, Bildern ausgesetzt,
gleichsam in Form einer klinischen Behandlung. Das Firmament
reduziert sich auf einen hochtechnisierten Kugelraum für
Kopf oder Körper: Die technischen Möglichkeiten
haben ihren (End-)Punkt gefunden, die Person hängt an
Infusionsschläuchen, jegliche Kommunikation wird ihr
vorgefertigt zugeführt. Der freie Wille kann sich nicht
einmal zwischen Tragik und Groteske entscheiden. Auf der -
als Zeichnung entworfenen - >Intensivbox-Party< (1967)
steigt jeder in sein Gehäuse, und was dort geboten wird,
das ist es, alles. Damit haben sich Pichlers in der Bildhauerei
wurzelnde, über die Architektur bis zur Beschäftigung
mit brauchbarem Design gehenden Untersuchungen und Experimente
zu Fragen systemtechnischer Konsequenzen erledigt. Im >Raum
in einem Felsen< (1970) war keinerlei Ausstattung mehr
nötig. Die Sonne fällt durch schräge Schächte,
innen gibt es eine aus dem Berg gehauene Sitzbank, sonst nichts.
Niemand weiß, wer sich dort treffen soll. Oswald Wiener
- neben Peintner, Geretsegger, Graf, Hollein, Abraham, Attersee
oder Brus einer der seit frühen Zeiten wichtiger Gefährte
jener Tage - schrieb vor diesem Schritt, ahnend, daß
es anders weitergehen würde: >walter selbst lernt
die dinge weil er nicht anders kann und dann kann er sie.
er überläßt das seinen nerven.<
Da war Pichler Anfang Dreißig. Fünfzehn Jahre
später formuliert er dezidiert: >Ich habe bemerkt,
daß ich nicht auf Entwicklung aus bin, schon gar nicht
auf die ausgedachte Idee; immer wenn ich auszuweichen versucht
habe, in die Professionalität, in die Utopie, in die
Mystik, war ich an der Grenze des Kraftfelds, das mich trug.<
Rückblickend spricht er davon, daß seine Utopien
dann viel konkreter geworden seien, mit wesentlich kleinerem
Maßstab, realisierungsfähig eben. Die Hinwendung
zu archaisch-ethnologischen Denkungsweisen, die als weiterwirkende
Kraft parallel zur damaligen politischen Unruhe entstanden
war, sieht er als konsequenten Reduktionsschritt und zugleich
als offensive Beteiligung an der künstlerischen Formulierung
dieser Prozesse. Aus einer Aufarbeitung von Regionalem heraus,
selbst wenn es noch so entfernt voneinander stattfindet oder
stattfand, kam damit eine neue, an ursprüngliche Gemeinsamkeiten
anknüpfende Internationalisierung in Gang. An den aktionistischen
Bemühungen um explosiven Emotions- und Aggressionsausdruck
hat sich Pichler nie beteiligt und ihnen auch nie viel abgewinnen
können. Mit durch gesellschaftlichen Druck verschütteten
Gefühlen wollte er ganz anders umgehen: forschend, erinnernd,
sie durch statische Formen aktivierend. Die Gefahren des einfachen
Nenners und einer stabilisierenden Wärme mußten
untersucht werden, um ihrer Herr zu werden und sich dann wieder
von ihnen abzuwenden. Das eine Zeitlang verfochtene Kunstpriestertum,
mit der Vorstellung, Kunst an die Stelle verlorener religiöser
Inhalte zu setzen, Askese als Gegenmacht aufzubauen, war Teil
dieser Untersuchungen. Zweifel, Skepsis, Genauigkeit interessieren
Pichler weit mehr als ein Glaube an Inhalte; die Gefühlsgebundenheit
sei, wenn es um formal herausragende Lösungen geht -
wie früher etwa beim Bau einer Kathedrale -, immer auf
die Kontrolle durch strenges Denken angewiesen, auf Anstrengungen
in Richtung Mündigkeit und Menschwerdung also. Denn im
Funktionieren hat die Aufklärung ihr aufklärerisches
Moment schon verloren.
Einschub drei: Wer liebt sie nicht, die Russen. >Noch
etwas aus genauer Kenntnis der Dinge zu schreiben<, das
nahm sich Dostojewski, damals vierundfünfzig, für
seine letzte Schaffensperiode vor, und >nebenher<
wollte er weiter das >Tagebuch eines Schriftstellers<
(1873-1881) führen, damit die Fülle von Eindrücken
nicht nutzlos verlorengehe. In diesem als Artikelfolge konzipierten,
skizzenhaften Nebenprodukt formulierte er einmal unmittelbarer
als sonst, welchen Lauf der Dinge er sich wünschte:
>Die Menschheit wird sich in dem Garten erneuern und
durch den Garten gesunden - das ist die Formel!< Mit
der Bourgeoisie und ihren >schrecklichen Großstädten<
und >verpesteten Flüssen< gehe es zu Ende. >Wenn
ich irgendwo den Keim oder die Idee der Zukunft sehe, so
bei uns in Rußland<; die Hoffnung auf eine friedfertige,
industriefeindliche Idylle schwang zwar mit, daß in
jedem Fall revolutionäre Umwälzungen den Hebel
bilden müßten, war ihm jedoch völlig klar.
Denn in allem übrigen, so seine bereits in gesetzterem
Alter geäußerte Auffassung, könne es erst
eine erstrebenswerte Ordnung geben, wenn >der Bodenbesitz,
die Beziehungen der Besitzer zu den Arbeitern und untereinander,
die Art und Weise der Bodenbearbeitung< völlig neu
geordnet seien. Der zaristischen Zensur waren diese Passagen
zu paradiesisch, ihre Veröffentlichung ist verboten
worden.
Wenige Wochen bevor Dostojewski solche schlichten persönlichen
Utopien aufgeschrieben hatte, war in Bern Bakunin gestorben,
den er seit einem Zusammentreffen in London während
seiner ersten Auslandsreise gekannt hat. Als er ihm beim
Genfer Friedenskongreß von 1867 wieder begegnet ist
- Marx hatte vom >Kapital< soeben den ersten Band
herausgebracht, Dostojewskis >Der Spieler< war erschienen
-, hat er sich entsetzt gegen all das gestellt, was ungenannte
Sozialisten und Revolutionäre ihm und 5000 Zuhörern
damals alles vorgelogen hätten: >Die Komik, die
Schwäche, der Unsinn, die Uneinigkeit, die Widersprüchlichkeit
- das kann man sich nicht vorstellen! Und dieser Abschaum
versetzt das unglückliche Arbeitsvolk in Aufregung!
Es ist traurig. Angefangen haben sie damit, daß zur
Errichtung des Friedens auf Erden der christliche Glaube
ausgetilgt werden muß. Die großen Staaten vernichten
und kleine bilden; weg mit allem Kapital, damit alles auf
Befehl Gemeingut wird usw. All das ohne den geringsten Beweis,
das alles wurde schon vor 20 Jahren auswendig gelernt und
ist so geblieben.<
Zu der Zeit, auf die er sich damit bezogen hat, war er
bekanntlich selbst, bloß wegen der Mitgliedschaft
in einer Vereinigung, deren Gefährlichkeit sich auf
konspirative Debatten und verbotene Schriften beschränkte,
zum Opfer herrschender Gewalt geworden. Im berühmten
Brief aus der Peter-Pauls-Festung ist die Form überliefert,
in der die Strafe verhängt worden ist: >Bruder,
mein lieber Freund! alles ist entschieden! Ich bin zu 4
Jahren Zwangsarbeit auf einer Festung (wahrscheinlich Orenburg)
verurteilt worden und muß anschließend als Gemeiner
dienen. Heute, am 22. Dezember [1849], hat man uns auf den
Semjonow-Platz geführt. Dort wurde uns allen das Todesurteil
verlesen, man ließ uns das Kreuz küssen, zerbrach
über unseren Köpfen den Degen und kleidete uns
für die Hinrichtung an (weiße Hemden). Dann stellte
man drei zur Vollstreckung des Urteils an den Pfahl. Wir
wurden zu Gruppen zu je drei aufgerufen, ich war also in
der zweiten an der Reihe und mir blieb kaum noch eine Minute
zum Leben (...). Endlich wurde zum Abbruch getrommelt, die
an den Pfahl gebundenen wurden zurückgeführt,
und man verlas uns, daß Seine Kaiserliche Majestät
uns das Leben schenkte. Dann folgten die wirklichen Urteile.<
Wie bei unzähligen anderen Zeitgenossen auch ergeben
sich daraus Berührungspunkte mit Bakunins Biographie.
Er war, fast zur gleichen Zeit wie Dostojewski, in Chemnitz
(das später sinnigerweise Karl-Marx-Stadt hieß)
verhaftet, zuerst zum Tode verurteilt, dann zu lebenslanger
Haft begnadigt und nach Rußland ausgeliefert worden.
Nach zwölf Jahren konnte er schließlich aus Sibirien
fliehen. Von der Generation der in den damaligen Revolutionszeiten
etwa dreißigjährigen Russen waren zum Beispiel
Bakunin und Turgenjew seit ihrer gemeinsamen Berliner Studentenzeit
eng befreundet. Beide kannten Herzen schon einige Jahre,
bald darauf entwickelte sich zwischen Turgenjew und Dostojewski
(der mit Bakunin und Herzen erst später persönlich
bekannt wurde) eine von Leidenschaft füreinander geprägte
Beziehung. Dem von eigensinniger Exponiertheit herausgeforderten
Druck konnte sie auf Dauer nicht standhalten. Als sie beide
etwa fünfzig waren, ist von der gegenseitigen Wertschätzung
nicht mehr viel übrig gewesen. Dostojewski lästerte
über Turgenjew: >Als Künstler ist er sehr schwach
geworden. Das ist alles Gutsbesitzerliteratur. Sie hat alles
gesagt, was sie zu sagen hatte (großartig bei Lew
Tolstoi).< Und Turgenjew blieb ihm nichts schuldig, als
er sich wenig später, ebenfalls gegenüber einem
Dritten, heftig beschwerte, daß ihn Dostojewski in
den >Dämonen< ohne jede Maskierung als Karamasinow
vorführe, sich auf jede erdenkliche Weise über
ihn lustig mache, ja sogar vorschlägt, ihn auszupeitschen
wie einen Bauern. Das sei zwar schön und gut, also
letztlich seine Sache, nur müsse er selbst dann eigentlich
darauf pochen, daß er ihm das Geld zurückzahle,
das er ihm geliehen habe.
Der in vielfältige Aktivitäten verstrickte Alexander
Herzen hingegen, der den aktivsten Teil seines Lebens im
Exil verbracht hat, blieb mehr oder minder unangetastet.
Dostojewski bewunderte an ihm, daß er immer und in
allem >in erster Linie Dichter< sei: >Er ist als
Agitator - Dichter, als Politiker - Dichter, als Sozialist
- Dichter, als Philosoph - im höchsten Grade Dichter!
Dieser Grundzug seiner Natur scheint mir vieles in seinem
Schaffen zu erklären, sogar seine Leichtfertigkeit
und seinen Hang zum Kalauer in den erhabensten moralischen
und philosophischen Fragen (was, nebenher gesagt, sehr abstoßend
an ihm ist).< Die Dichter untereinander legten strengere
Maßstäbe an, ganz gleich wie gerade der Stand
öffentlichen Zuspruchs war. Den ersten Teil von Dostojewskis
>Schuld und Sühne< (besser übersetzt: >Verbrechen
und Strafe<) fand zum Beispiel Turgenjew >großartig<,
der zweite Teil jedoch, so schränkte er ein, rieche
wieder nach penetranter Selbstseziererei. An die Adresse
des zehn Jahre jüngeren Tolstoi richtete er den Vorwurf,
warum er denn diese ewigen Überlegungen, ob er feige
sei oder nicht, diese ganze Pathologie der Schlacht, nicht
satt bekomme. An seinem Jugendfreund Bakunin wundert Turgenjew
in späteren Jahren nichts mehr: >Daß Bakunin,
der sich Geld von mir geborgt und mich durch sein Weibergeschwätz
und seinen Leichtsinn in eine höchst unangenehme Situation
gebracht hat (andere sind von ihm völlig ins Verderben
gestürzt worden) - daß also Bakunin die gemeinsten
und garstigsten Verleumdungen über mich verbreitet,
ist ganz in Ordnung - und da ich ihn seit langem kenne,
hatte ich nichts anderes von ihm erwartet.< In seinem
Konflikt mit Gontscharow, der ihm über Jahre hinweg
Plagiatsvorwürfe machte, wehrte sich Turgenjew selbst
jedoch bloß verletzt und zurückhaltend: >Was
soll ich nach Ihrer Meinung denn tun? Ich kann doch nicht
ad infinitum die "Aufzeichnungen eines Jägers"
wiederholen! Ein etwa in derselben Phase gegenseitiger Beziehungen
geäußerter Kommentar über Gontscharow fiel
prägnanter aus: >Eine Beamtenseele ohne Ideen, mit
den Augen eines gekochten Fisches, den Gott wie zum Hohn
mit einem glänzenden Talent ausgestattet hat.< Auch
sein Bild von Tolstoi hielt den eigenen Ansprüchen
nicht völlig stand. Er möge ihn zwar sehr, heißt
es einmal in einem Brief, doch er werde seiner Meinung nach
nicht viel schreiben; als dieser das dann doch geschafft
hatte, bestritt Dostojewski heftig, daß es >allem
Großen< ebenbürtig sei: >Mit Krieg und
Frieden< an die Öffentlichkeit zu treten - das hieß,
nach diesem schon von Puschkin gesagten neuen Wort kommen,
und das in jedem Fall, wie weit und hoch Tolstoi auch gelangt
sein mag in der Entwicklung des bereits vor ihm, von einem
Genie, zum ersten Mal gesprochenen neuen Wortes.<
Die ursprünglich mit voller Intensität erlebte
Zuneigung zu Turgenjew war schließlich so weit abgekühlt,
daß Dostojewski sogar ihre Existenz verleugnete: >Ich
sage Ihnen offen: Persönlich habe ich diesen Menschen
schon früher nicht gemocht.< 1845, als sie sich
kennenlernten, machten sie aus ihrer Begeisterung füreinander
keinerlei Geheimnis. Die Zeiten waren gut dafür. Daß
seine Gefühle erwidert wurden, machte ihn glücklich;
dem ältesten Bruder gegenüber schwärmte er:
>Auch ich habe mich fast in ihn verliebt. Ein Dichter,
ein Talent, Aristokrat, schön, reich, klug, gebildet,
25 Jahre alt - ich wüßte nicht, was die Natur
ihm vorenthalten hätte. Schließlich: ein unbeirrbar
geradliniger, wundervoller Charakter, der eine gute Schule
verrät.<
1970 wird ein entscheidendes Jahr für die Neuordnung
seines - von Pichler oft angesprochenen - Kraftfeldes. Während
er früher versuchte, die >eigene Atemlosigkeit<
zukontrollieren, bestärkt sich nun ein Lebensgefühl,
das auf disziplinierte Atemübungen aus ist. Als Plastiken
realisiert werden der >Altar<, der >Tragbare Schrein<,
das >Modelleiner Landschaftsüberspannung< (Text:
>Du sollst Deinen Nächsten lieben wie Dich selbst<),
die >Reliquie (Interpretation einer Aggression)<, die
>Fundstücke aus Kreta<, die >Sitzgruben bei
Breitenbrunn, Burgenland<. Die Arbeit an der >Alten
Figur< wird wieder aufgenommen. Es entsteht das abgeschlagene
>Bett< aus irgendeiner Anstalt, mit dessen Drahteinsatz
die sorgfältig in Metall gearbeitete Negativform eines
menschlichen Körpers verbunden wird, entlang dessen Gliedmaßen
senkrecht in die Luft stehende, zerbrochene Glasscheiben eingesetzt
sind. Von den Zeichnungen geben insbesondere der >Stuhl
für einen Selbstmörder<, die >Laubhütte<
(Text: >Ich stelle mir vor, daß ich heute in der
Laubhütte liegen würde, die ich mit 10 Jahren gebaut
habe<) oder der >Raum in einem Felsen< frühzeitig
an, welche Richtung die Konzentrationsversuche inzwischen
eingeschlagen hatten.
Die utopischen Bezüge werden eingekreist, indem Pichler
die Ausdrucksformen seiner Grundhaltung wieder aufnimmt, wie
sie schon in den ersten Skulpturen erarbeitet worden sind.
Das Paradoxe am Ineinanderfließen von Utopie und Erinnerung,
von künftigen und vergangenen Paradiesen äußert
sich in der weiteren Arbeit nicht mehr als gespannte, dem
Absurden freundliche Polarität, sondern als Negation
dieses Gegensatzes. Der seiner und der Schlechtigkeit anderer
(durch den Sündenfall) ausgesetzte Mensch muß sich
in einer archaischen Sprache wehren können, also imstande
sein, vorbabylonische Zeichen zu setzen, damit er irgendwelche
Chancen wahrt. Buñuel hat eine solche Problematik selbst
auf der technischen Ebene seines Mediums gesehen und das Absterben
des stummen Filmes beklagt, der 1930 anfing zu sprechen, weil
dadurch dessen internationaler Charakter schlagartig verlorengegangen
sei.
Politik ist in signifikanten Wiener Zirkeln als Möglichkeit
schon im Umfeld der sechziger Jahre negiert worden, der Lächerlichkeit
ihrer akuten und denkbaren Formen wegen. Kunst müsse
allein für sich Politik sein und sich strikt von deren
Normalität fernhalten, blieb auch Pichlers durchgehende
Forderung, denn jede Annäherung an reale Macht würde
als Einschränkung spürbar: >Aus Machtpositionen
läßt sich eigentlich nicht sehr viel machen, und
es zeigt sich doch ständig, daß in der Nähe
von Macht keine gute Kunst entsteht.< Erst durch eine dezidierte
Abkoppelung - um die es ständig zu kämpfen gelte
- könne Kunst sich als eigene Instanz behaupten und konkret
erkennbar machen, wie rasch jede Fiktion einer linearen Progressivität
immer wieder zerbricht. Erst damit sei die Kunst ein ragendes
Fundament humaner Erkenntnisprozesse, sei sie Verteidigung
der Integrität des Menschen, sei sie Mittel zum Überleben
vor und nach dem Tode. Sie brauche sich nicht einmal definieren
zu lassen. Derartiges sichtbar zu machen, und zwar über
ein verbissenes Ringen um eigene Statik, ist die von Skepsis
geprägte Verbindung Pichlers zu allem, was sich vorübergehend
als Avantgarde bezeichnen läßt. Seine (rare) Wertschätzung
anderer Arbeiten basiert auf einem Einverständnis mit
folgerichtigen, künstlerischen Denkweisen, mit der gezeigten
Haltung und mit dem jeweiligen konkreten Ergebnis, wobei letzteres
sich erstaunlich weit, bis hin zum Antipodischen, von dem
entfernen kann, was er selbst macht. Daß dabei sehr
lange dauernde und dadurch komplizierte enge Freundschaften
eine zentrale Rolle spielen, ist Ausdruck eines starken, die
Verpflichtung zu urteilen einbettenden (und somit sogar oft
verschärfenden) Emotionspotentials. Seine Affinität
zur - aus religiösen, christlichen Erinnerungen gespeisten
- Mystik kreist er stets von neuem so ein, wie er es mit den
utopischen Ansätzen getan hat. Wichtig ist sie ihm zweifellos
geblieben, und nicht nur als Weg zu Ergriffenheit. Wenn er
ihr erliegt oder sich von ihr abgrenzt, so wird damit die
Randzone abgesteckt, in der er sich bewegen kann. In Tarkowskijs
Film von 1968 (dem Todesjahr Marcel Duchamps) sagt Andrej
Rubljow, als dem kindlichen Meister Boriska das große
Werk gelungen ist. >Die Glocke hat einen guten Klang. Du
hast etwas Wunderbares geschaffen.< Völlig unbeeindruckt
läßt ihn, daß dieser ihm daraufhin eingesteht,
er habe - nur weil er unbedingt diese Arbeit machen wollte
- die ganze Zeit über behauptet, das letzte Geheimnis
des Glockengießens zu kennen, dabei habe es sein Vater
mit ins Grab genommen. Das Gelingen ist auch für Pichler
das entscheidende Ereignis, dem sich die Vorarbeiten geduldig
unterordnen. Zeit wird im Kampf gegen Zeitbezogenheit sichtbar
und durch die Aufhebung einer Zeitökonomie. Hugo Ball
(damals Nachbar Walter Benjamins und schon des längeren
enger Freund Ernst Blochs) formulierte es während seiner
Abwendung von den Dadaisten und von jeglicher Modernität
so: >Schwieriger noch, als dieser Zeit Widerstand zu leisten,
ist es, sich nicht mit ihr zu beschäftigen.<
Einschub vier: Das politische Geschäft, wie es sich
etwa in der Malerei und Benutzung von Guernica ausgedrückt
hat, mochte Buñuel überhaupt nicht; am liebsten
hätte er dieses Bild in die Luft gesprengt. Daß
er hingegen die russische Literatur sehr geliebt und sie
schon als junger Mann viel besser gekannt hat als die neuen
Pariser Freunde, das führt er in der Aufzählung
seiner Neigungen und Abneigungen ausdrücklich an. Mit
dieser Gegenüberstellung setzt er jenes früh begonnene,
ernsthafte >Spiel< fort, bei dem es der kleinen Gruppe
zugelassener Teilnehmer um die Bestimmung und Durchsetzung
von - mit der Ironie verbündeten - Regeln gegangen
war: >In der Zeit des Surrealismus war es bei uns üblich,
streng zwischen gut und schlecht, richtig und falsch, schön
und häßlich zu unterscheiden. Es gab Bücher,
die man lesen mußte, und andere, die man nicht las,
Dinge, die man tat, und Dinge, die man unterließ.<
Noch Jahre, Jahrzehnte, nachdem sich die gemeinsame Absicht,
>die Gesellschaft hochgehen zu lassen< und das Leben
selbst zu verändern, in subjektive Formen der Distanz
zu diesen Ursprüngen transformiert hatte, wurden Mitglieder
wegen Regelverstößen ausgeschlossen; der eine,
weil er ein >übler Händler< geworden war,
ein anderer, weil er den großen Preis der Biennale
in Venedig angenommen hatte. Buñuel jedoch durfte
sogar Preise akzeptieren, ohne zur Rede gestellt zu werden.
Zu Bretons Begräbnis (1966) erschien er verkleidet,
um nicht mit Leuten sprechen zu müssen, die er seit
vierzig Jahre nicht gesehen hatte.
>Im Grunde<, so stellt er in der Aufzählung
seiner Vorlieben fest, >bin ich nur für die griechisch-römisch-christliche
Kultur empfänglich, in der ich aufgewachsen bin.<
Erste Zweifel an den Fundamenten ihrer Lehren überkamen
ihn als Vierzehnjährigen, die Existenz der Hölle
und das Jüngste Gericht betreffend. Er konnte sich
nicht vorstellen, daß die Toten aller Zeiten und aller
Länder zur letzten Auferstehung aus dem Schoß
der Erde kommen sollten, wie es auf den mittelalterlichen
Bildern dargestellt war: >Das schien mir absurd, unmöglich.
Ich fragte mich: Wo sind denn jetzt diese Milliarden und
Abermilliarden Leichen?<
1926, als Buñuel dabei war, seine ersten Filmerfahrungen
zu machen, hatte sich Hugo Ball längst konsequenter
Verlassenheit ausgesetzt und arbeitete intensiv an seiner
>Flucht aus der Zeit<. An den Beginn dieser das eigene
Leben rekapitulierenden Aufzeichnungen stellt er die schon
als junger Mann erhobene Forderung: >Orgiastische Hingabe
an den Gegensatz all dessen, was brauchbar uns nutzbar ist.<
Gepocht hat er auf alle, >die sich dem Mechanismus entziehen
wollen<, und auf >eine Lebensform, die der Verwendbarkeit
widersteht<. Es sei der Glaube an eine >Verbundenheit
aller Wesen<, der die Dissonanzen erst radikal spürbar
mache, und zwar so elementar, daß er bis zur Selbstauflösung
reichendes Leiden erzeugen müsse. Als Künstler
wolle er deswegen >eine magisch-anarchische Welt<
bis zur Absurdität zu entfalten suchen. >Die Kunst
unserer Zeit hat es in ihrer Phantastik, die von der vollendeten
Skepsis herrührt, zunächst nicht mit Gott, sondern
mit dem Dämon zu tun<, schrieb er 1916, >sie
selber ist dämonisch<. Zugleich beschwor er jedoch
die >Aufrichtigkeit von Ereignissen< und stellt diese
weit über die einzelne und die eigene Person, da letztere
stets billig zu haben seien. Und im Mai 1917 bringt er sein
Streben auf die knappe Formel: >Es geht vielleicht gar
nicht um die Kunst, sondern um das inkorrupte Bild.<
Vier Jahre später wiederum verteidigt er Künstler,
die diesem Anspruch nicht voll gerecht werden, denn durch
ihr ausgesetztes Sein seien sie eben gerade dann besonders
korrumpierbar, wenn keine Atmosphäre mehr vorhanden
ist, die sie trägt und bestärkt. Die Abwendung
von seiner Zürcher Dada-Gruppe hatte für ihn eine
innere Logik (>Es war mir daran gelegen, das Kabarett
zu behaupten und es dann aufzugeben.<); das Finden des
Wortes >Dada< sei schon eine mystische Geburt gewesen,
da er sich damals mit Buchstaben- und Wort-Alchimie beschäftigt
habe. Auch Buñuel löste sich von seinen Pariser
Freunden (>Bürger, die sich gegen Bürger auflehnten.
Wie in meinem Fall.<). An ihrem Bild hatte er noch als
alter Mann nicht das geringste auszusetzen: >Die Surrealisten
waren schön. Eine leidenschaftliche und stolze Gruppe,
unvergeßlich.<
Die Vorstellung von korruptionsloser Kunst und von korruptionsloser
Aktivität als Kunst wird als Denkstruktur zur Wahrung
von Distanz eingesetzt, damit die Nähe zum Leben anders
erreicht werden kann. Sie hat sich in unterschiedlichster
Weise immer wieder behaupten können, als ein Anfang,
mit der garantielosen Chance auf - nicht ohne Fiktion auskommende
- Offenheit. Für Buñuel war es zum Beispiel
besonders wichtig, daß die Surrealisten als erste
von einem künstlerischen Standpunkt aus >die Arbeit
systematisch attackiert, die Verlogenheit dieses Wertes
entlarvt und erklärt haben, daß bezahlte Arbeit
eine Schande sei< (>Dagegen adelt die Arbeit, die
man aus Vergnügen, aus Berufung macht<). Für
ihn selbst habe immer gegolten, daß er das, was er
nicht für einen Dollar mache, auch nicht für eine
Million täte. Er habe zwar Filme von sehr unterschiedlicher
Qualität gedreht, weil er von seiner Arbeit leben und
seine Familie ernähren mußte, und er habe Stoffe
und Schauspieler akzeptiert, die er sich nicht selbst aussuchen
konnte, und sich nach den Summen richten müssen, die
ihm zur Verfügung standen, dennoch habe er seines Wissens
nicht eine Szene gedreht, die nicht mit seiner Überzeugung
und seiner persönlichen Moral vereinbar gewesen wäre:
>In diesen Filmen, so ungleich sie sind, ist nichts,
dessen ich mich schämen müßte.< Bei Hugo
Ball finden sich solche Ansprüche nicht in einer auf
Selbstverständliches hin orientierten, sondern in einer
ausgesprochen kategorischen Form. Es gelte, so fordert er
generell, das >Prinzip der Askese< und mit ihm die
Asketen, also jene, die ihre eigene und die Natur überhaupt
>mit der größten Skepsis< betrachten, zur
Herrschaft zu bringen (wenn auch unter >der strengsten
Kontrolle durch die eifersüchtig Beherrschten<),
sofern wirklich die geistigen und nicht die materiellen
Interessen den Ausschlag geben sollten. Signifikant für
die Zeit sei der Verlust von Askese und Strenge des Mönchtums
an Technik und Militär: >Die Maschine ist vielleicht
nur ein säkularisierter Mönch.< So wie er -
ließe sich hinzufügen - will auch sie mittels
Askese etwas umso bestimmter erreichen. Erfüllung,
Macht.
Hugo Balls Fixierung auf eine >dämonische Kunst<
mündet schließlich in einer >Flucht zum Grunde<,
bei christlichen Mysterien (>Das Kreuz vertreibt die
Dämonen - und macht der Koketterie mit dem Dämonismus
ein Ende<). Es sei lächerlich geworden, meint er
in dieser späten Phase, die Autonomie des einzelnen
noch vertreten zu wollen, angesichts der Wirkungen, zu denen
die Autonomie geführt habe. In Besitzlosigkeit liege
die Rettung, erzwungen beim Proletariat, freiwillig beim
neuen Priestertum, und diese beiden >Klassen< würden
einander gegenüberstehen müssen. Die Abzweigungen
ins Grauen, die schon sehr bald aus derartigen, im und nach
dem ersten weltweiten Krieg präzisierten Visionen heraus
zur Wirklichkeit geworden sind, hat er in keiner Weise vorhergesehen;
nur der Verwendbarkeit, gegen die er immer so massiv aufgetreten
ist, kam er mit solchen Überlegungen bereits gefährlich
nahe. Luis Buñuel, der fünfzig Jahre mehr von
diesem Jahrhundert miterlebt und sich bis Ende der fünfziger
Jahre Sympathien für die kommunistische Partei bewahrt
hatte, postulierte letzten Endes kurz und bündig: >Ich
hasse die Politik.< Besonders gern dachte er an jene
Bars zurück, die ihm von allen die wichtigsten waren,
weil er dort viele Stunden in Träumereien zugebracht
hat, >versunken in einer endlosen Flut von Bildern<.
Hugo Ball (1886-1927) knüpfte - nach dem Zeugnis seiner
Frau - bewußt dort an, >wo das Mittelalter aufgehört
hat<, und Luis Buñuel (1900-1983) betont in seinen
Erinnerungen >die unbestimmte und nachhaltige Anziehungskraft<,
die das Mittelalter immer auf ihn ausgeübt habe. Von
ihren Lebensdaten her decken sie die letzten hundert Jahre
ab. In ihrer Arbeit steht jeder für sich für eine
>Moderne<, die ihre Radikalität nicht aus unmittelbar
Vorhergegangenem bezieht, sondern aus weiträumigem
Zurückgreifen. Konservative Grundzüge formulieren
sich neu, Progressives jenseits jeder Tradition miteinverleibend.
Aufklärung als Zweck spielt keine verwendbare Rolle,
und wenn doch, dann verkleben sich schon wegen der Nähe
zu akuter Macht alle Ausgänge, durch die es irgendwo
weiter weg gehen könnte. Es sind die Blicke auf die
Kunst, nicht so sehr sie selbst allein, an die sich die
Herausforderung richtet, Qualitäten widerzuspiegeln,
und sei es irgendwann viel später, aus einer Realität
heraus, von der bestenfalls bereits (noch) Fragmente existieren.
Brancusi (1876-1957), der mit ziemlicher Sicherheit weder
Buñuel noch Ball je persönlich begegnet ist,
so wie auch diese sich nicht direkt kannten, ist als der
ein bzw. zweieinhalb Jahrzehnte Ältere in dieser abstrakt
zusammengeführten Gruppe ein auf seine ganz eigene
Weise exponierter, durchaus aus ähnlichen Quellen schöpfender,
abgehobener Überbrücker jener Generationen, die
bisher die >Moderne< des 20. Jahrhunderts mitformuliert
haben. Daß er schon sehr früh und offenbar als
einer der ersten als >Klassiker< im Sinn einer reduzierten
Traditionsaufnahme eingestuft worden ist, macht fast vergessen,
daß er 1913 mit fünf Werken auf der Armory Show
vertreten war (die in New York, Chicago und Boston von 300.000
Besuchern gesehen worden ist) und sich unbeirrbar anderen
künstlerischen Wegen - damals vor allem der kryptischen
Ironie seines späteren Freundes Marcel Duchamp - ausgesetzt
hat. Der ostentativ miteinbezogenen bäuerlich-handwerklichen
Herkunft und der osteuropäischen Bezüge wegen
war bereits geklärt, daß er es anders machen
würde. Trotz intensiver Befassung mit ägyptischer,
asiatischer, insbesondere indischer Kunst - und der oft
deklarierten Bedeutung seiner Erinnerungen an die eigene
Kindheit - verschloß er sich offensichtlich von Anfang
an >dämonischen Untergründen<. Deutlich
wurde diese Haltung, als ihm einmal einer der Großen
des Surrealismus einen schwarzen Fetisch zum Geschenk machen
wollte und er diesen Gast eiligst und wortlos zur Tür
hinaus begleitet hat, um derart dunkle Welten aus seiner
Atmosphäre zu bannen. Die tibetanischen Texte wiederum,
die Milarepa im 11. Jahrhundert verfaßt hat, sind
von ihm >wie eine Hausbibel< bewahrt, gelesen und
befragt worden. Die Zeit ließ er an seine Arbeit heran,
indem er beide durch langsame, sich überlagernde Abläufe
miteinander in Beziehung setzte, über Vermittlung der
Sorgfalt und Langwierigkeit persönlicher manueller
Bearbeitung; allein mit dem Vogel setzte er sich in 39 Gold-,
Bronze- und Marmorvariationen auseinander. Werkzeug und
Material mußten mit dem angemessenen Respekt gehandhabt
werden, damit sie ihre Qualität behalten konnten: >Er
streichelte den Marmor, er polierte ihn sein ganzes Leben
lang und dank dieser großen Geduld schuf er eine beispielhafte
Welt.< Brancusis vielzitierte Zurückgezogenheit
war nichts anderes als bewußte Distanz zu diesem und
jenem. Sie vergaß sich in emphatischer Gastfreundschaft
genauso wie in den nicht auf Stetigkeit angewiesenen Freundschaften,
sei es nun mit Matisse, Joyce oder Satie. Das weiße
Kleid rumänischer Bauern trug er noch so unwillkürlich,
daß Gedanken über Spekulation, Sentimentalität
oder Romantik eher fern blieben. Zwei Jahre vor seinem Tod
sagte er zu einem Besucher: >Meine Arbeit ist beendet.<
Pichler zieht sich zuerst vom künstlichen Material zurück.
Auf seinem seit 1972 - neben dem Wiener Atelier - als Wohnung,
Werkstatt und Aufbewahrungsort für seine Plastiken ausgebauten
Bauernhof in St. Martin wird ihm die Zeit, so sagt er, >ein
Werkstoff wie Lehm, Holz, Metall<. Die dort gewonnenen
Erfahrungen mit traditionellem Bauen, mit ungebräuchlich
gewordenen Materialien und Verarbeitungsweisen verstärken
schon früher vorhandene Vorlieben. Nicht Abgeschlossenheit
oder Idylle, sondern die Arbeitsbedingungen für einen
Bildhauer sind ihm Grund für diesen Ortswechsel. In der
unspektakulären Ärmlichkeit dieser Gegend bekommt
er die Einbrüche einer aggressiven Zivilisation und deren
verkümmernde Gegenkräfte prägnanter zu spüren,
weil sie unmittelbar sichtbar werden. Mit Bauern und Handwerkern
gibt es nicht nur der eigenen Herkunft wegen eine selbstverständliche
Verbindung. Es sind auch die Arbeitsweise selbst, das Manuelle,
das Handwerk, die Werkstoffe und regelmäßigen Gewohnheiten.
Pichlers Hang zu gleichförmigen Lebensweisen ist unverkennbar.
Selbst in der Stadt ist sein Alltag nicht auf Abwechslung
hin organisiert; über Vermittlungsmaschinerien Gebotenes
nimmt er bestenfalls am Rande zur Kenntnis. Sein Interesse
für fremde Kulturen wurzelt vermutlich viel stärker
in der Faszination, die von nuancenreicher - also komplizierter
- Gleichartigkeit ausgeht, als in der Bewunderung spektakulärer
Einzelstücke. Überall dort, wo der Ausdruck einer
konsequenten Haltung bis in die Variation kleinster Details
geht, lassen sich für ihn Analogien zum eigenen Anspruch
aufspüren, den er selbst durch eine Freude an der sorgfältigen
Wahl von Werkzeugen oder der eigenen Kleidung auch bei den
gewöhnlichen Dingen behaupten will: penibles Qualitätsstreben
als Ausdruck von Opposition, ein Kult mit Gegenständen
und Erkennungszeichen zur Bekräftigung subversiver Konventionen,
Klanbildung zur Verteidigung und Ausweitung von Territorien,
Konfliktbereitschaft zur Festigung der eigenen Isolation.
Daß seine - von vielen geteilte - Hinwendung zur Ethnologie
mit einem intensiven Interesse für das Mittelalter und
dessen latente, sich erneuernde Ausdrucksweisen einhergeht,
ist eine Wiederaufnahme der Bestrebungen, von denen sich die
stärksten Kräfte der künstlerischen Moderne
schon im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts haben leiten
lassen. Die forschende Annäherung an das Dunkel angeblich
mittelalterlicher Zustände, an eine Mystik des Ausdrucks,
des Lebens, des Verstehens will zeitlich in jenen Phasen ansetzen,
die dem Aufbruch ins Neue vorangegangen sind, und zugleich
>räumlich< unterhalb jener Ebene, wo sich solche
Kräfte erhalten, der Wissenschaft vorauseilen oder sich
vor ihr verstecken konnten. Bloß längst untersuchte
Versatzstücke des Denkens und Empfindens neu zusammenzufügen,
kann nur in Zeichen münden, die Mechanismen darstellen,
also wiederum ihr Produkt sind; interessant wird es erst,
wenn es gelingt, Mechanisches zu überlisten. Spätestens
seit jeder Aufklärer weiß, dass es mit den überkommenen
Methoden nicht zu schaffen ist, die ursprüngliche Absicht
zu verwirklichen, also dem Menschen die Furcht zu nehmen und
Einbildung durch Wissen zu stürzen, weil sich aus Mythen
stets neue Mythen bilden, ist auch oberhalb des erforschten
Untergrundes vieles wieder beim alten. Die Aufklärung
ist, weil sie gar nicht aufgeben kann, auf neue Bündnisse
aus; und die Kunst läßt ihr mitteilen, daß
das ihr Problem sei. Kosmos, das griechische Wort für
(geistige) Ordnung, heißt ja zugleich auch schlicht
>Schmuck<.
Die sich in St. Martin bedächtig verkörpernde Ordnung
entsteht aus einem würdevollen Umgang mit der Auffassung
von gründlicher Arbeit; die Entlegenheit ist dazu Bedingung
und als solche zugleich Aussage. Das gewichtige Substantiv
>Würde< - das durch Relativierung von Rang, Ehre,
Ansehen oder Wert jedem Mißbrauch ausgeliefert ist -
ist als Zweitwort schlichte Möglichkeitsform, entweder
als Konjunktiv Imperfekt oder als Irrealis. Pichler würde
nicht seine Arbeit machen, wenn ihm anderes wichtiger wäre.
Der Konjunktiv taucht auch dort ständig auf, wo Überlegungen
geprüft, ausprobiert und geändert werden. Pichler
zeichnet keine verläßlichen Bilder ihm vorschwebender
Endzustände. Die Schritte in diese Richtung sind klein,
auch bei den errichteten Gebäuden wird jede äußerliche
Großartigkeit vermieden. Zwar ständig tätig
zu sein, jedoch in gewisser weise >wenig< zu tun, jedenfalls
nichts, das sich spektakulär benutzen ließe, ist
bei Pichler auch unwillkürlicher Ausdruck genereller
Forderungen. Behinderungsmechanismen, wie er sie für
sich selbst einbaut, verlangt er auch für die Welt der
Großprojekte.
Inzwischen sind um den U-förmigen Hof mit dem Wohn-
und dem Werkstättentrakt vier weitere kleine Gebäude
gebaut oder ausgebaut worden: das - vorerst unfertig gebliebene
- Haus für den Großen und den Kleinen Wagen und
die Große Mähmaschine, die Kapelle mit dem Großen
Kreuz, das Haus für den Rumpf und die Schädeldecken
und das Glashaus für die Bewegliche Figur. Vorbereitungen
getroffen wurden für das Haus für den Grat, für
das Türmchen, das Haus für zwei Tröge [inzwischen
fertiggestellt], das Haus für die Vögel und für
den Stausee mit Bootssteg und Wasserhaus [weiterhin im Projektstadium].
Was davon alles noch realisiert werden wird, das wird sich
mit der Zeit entscheiden. In der Tenne haben die Stelen I
und II ihren Platz gefunden. Quer durch die Werkstatt verläuft
die Regenrinne, ein Stück davon als Rohr mitten durch
die Werkbank. Ein aufklappbarer Regenfänger an der Außenmauer
kann ihr Wasser zuführen. Die Zeichnungen entstehen im
kleinen Arbeitsraum neben der Wohnküche, auf dem Eßtisch,
in Wien oder sonstwo; Pichler braucht für sie weder eine
besondere Umgebung noch Abgeschirmtheit. Von der Straße
her weist kaum etwas darauf hin, daß dort ein Künstler
arbeitet. Nicht einmal die Frage nach dem Zweck der kleinen
Gebäude rund um den Hof stellt sich sofort, und das in
einer Gegend, in der Überflüssiges fremdgeblieben
ist. Die Innenräume sind das Wichtige. In ihnen kann
Pichler mit seiner fertigen Arbeit allein sein und im Licht
sich nie detailgenau wiederholender Momente die Prüfung
von Fertigem fortsetzen. Mit dem willkommenen Gast ergeben
sich zuerst meist Gespräche, die um Fragen der Herstellung
kreisen. Das verwendete Material kommt zur Sprache und der
Inhalt, der Aufbau also, der einzelnen Skulpturen. Beim Rumpf
ist es der rechtwinkelige Astansatz eines umgestürzten
und weitergewachsenen Baumes als innerer Kern, über dem
eine Strohummantelung liegt, als Grundlage für den eigentlichen,
mit Schädeldecke, Brustpanzer und Penis in polierter
Bronze versehenen Lehmkörper. Sockel und Aufstellung
sind so wichtig wie bei Brancusi. Daß Pichler zum Beispiel
mit seinen drei, auf langen Stangen montierten Vögeln
ihm direkt antworten will, wird viel wichtiger genommen als
ein Aussprechen mitschwingender mythischer Bezüge. Ihnen
zufolge ist ja nach der ältesten babylonischen Version
von der Arche zuerst erfolglos eine Taube (die im Alten Testament
zur Land und Freiheit verheißenden Botin geworden ist)
und dann eine Schwalbe ausgesandt worden, bevor der dritte
Vogel - ein Aas und Leichen fressender - Rabe endlich bestätigt
hat, daß der Schrecken vorbei und ein neuer Anfang möglich
sei.
Für Pichlers selbstabgesteckten >Raum<, zu dem
die verstreuten Zeichnungen Verbindung halten, drängen
sich, weil jede Einordnung auf konventionelle Muster angewiesen
ist, Begriffe wie >sakraler Bezirk< oder >Gesamtkunstwerk<
auf. Und wenn man sich den mit einer derartigen Terminologie
allzu häufig betriebenen Mißbrauch wegdenkt, treffen
diese Begriffe durchaus, weil auf der Einheit des Lebens,
der Zusammenführung von Kunst und Leben beharrt wird,
selbst wenn jegliche Realität dagegenspricht. Früher
hat Pichler signifikanten Strömungen einen eigenen Ausdruck
verliehen und sie, auch seinem Selbstverständnis nach,
mitgeprägt. In den letzten Jahren entfernt er sich von
ihnen, eine sich selbst bestätigende Automatik abwehrend,
sich von einmal erreichten oder schon überschrittenen
Grenzen wieder zurückziehend. Daß sich einem solchen
auf Abschirmung bedachten Weg gegenüber unter Berufung
auf die Spannungen und Disharmonien ringsum Feindseligkeiten
aufbauen, bestärkt offenbar nur seine Verteidigungskräfte.
Der experimentelle Anspruch, das Streben nach Präzision
versichern sich immer wieder der ihnen tatsächlich zugrundeliegenden
Basis, deutlicher als früher den Druck da und dort gerade
herrschender Regeln abwehrend. Es ist die Moral ohne Religion,
um die ständig gekämpft wird. Die Sätze, mit
denen er das formuliert, sind irritierend einfach. >Die
Religion ist weg, die Haltung ist geblieben.< Seiner Auffassung
nach könne die bildende Kunst - noch weniger vielleicht
als die Musik, die weit mehr Menschen anspricht - die vom
Unglauben freigesetzten Gefühle jedoch nicht wirklich
binden; die expansiv gestiegenen Erwartungen in die Kunst
setzen höchstens Kräfte frei, die vieles nebeneinander
entstehen lassen, also die Enge allzu doktrinärer Auffassungen
aufbrechen. Das könne das diffuse System, dem alle ausgesetzt
sind, bereichern, die Vielfalt oppositioneller Kräfte
stärken. Im eigenen Arbeitsprozeß gebe es ja ebenfalls,
entgegen jedem Anschein, keine Homogenität: >Am Vormittag
glaubst du an etwas, am Nachmittag bist du schon wieder ungläubig,
jedem Glauben kannst du mit kaltem Rationalismus antworten
und beidem wiederum mit Ironie. Und doch braucht man über
lange Zeit hinweg eine eigenständige Konsequenz, um das
dann genau zu formulieren, und ebenso ein Erinnerungsvermögen,
weil doch jeder irgendwo herkommt und das in ihm etwas auslöst.<
Mit seiner kryptischen Kultivierung eines entlegenen Ortes
stellt Pichler der intellektuellen Mobilität jedenfalls
etwas entgegen, das Faszination auslöst. Es gelingt ihm
auch, seine Arbeit durch distanzierende Zurückhaltung
abzuschirmen. Damit verbundene Gefahren sind ihm durchaus
geläufig. Seine Plastiken und Gebäude, so sagt er
in letzter Zeit oft, würden sowieso nur eine gewisse
Zeit lang bestehen können. Sie hätten möglicherweise
sogar schon ein letztes Stadium an Statik erreicht, das sich
nicht mehr weiter konzentrieren lasse. Die Figuren stehen
oder liegen, seltener sitzen sie. Es existieren also fast
nur Horizontale und Vertikale. Erst bei den neuen Zeichnungen
gibt es wieder etwas Bewegung, da dreht sich ein Kopf plötzlich
zurück, fast wie ein Signal, daß ein Endpunkt durchschritten
worden ist.
Zu den Zeichnungsthemen - der Mensch, die Skulptur, das Abbild
der Skulptur, Pichler selbst, der Freund, das Paar, die Frau,
die Familie, die Mutter, das Kind, das Erlebnis, der Tote,
der Verletzte - kommt der Wanderer hinzu. Er hat sich von
etwas losgelöst, will woanders hin, hat sich zu einer
doppelten Person aufgespalten, die manchmal noch den Blick
nach hinten wendet. Das Gewicht von Vergangenem läßt
keinen Gedanken an Flucht aufkommen. Die Schritte werden bedächtig
gesetzt, so als sollten sie müde wirken, um eine wachsame
Nervosität zu verbergen.
Es sind die Zeichnungen, die gerade durch ihre Unfertigkeit
oft eine viel weiter reichende Statik erreichen als die Plastiken,
weil in ihnen alles offener bleibt und somit in gewisser Weise
endgültiger ist. Auch deswegen gelten sie Pichler inzwischen
als die vermutlich nachhaltigere Möglichkeit, das, an
dem er arbeitet, über längere Zeit hinweg zum Teil
einer Realität zu machen. Das noch unausgesprochene an
gedanklichen Notierungen oder seismographischen Aufzeichnungen
war über lange Zeit hinweg vielfach Vorstufe genauerer,
wiederum zeichnerisch durchgestalteter Pläne. Erst später
ist auf psychische Zustände, Träume, Gefühle
unmittelbar reagiert worden, und parallel dazu haben Farben
und das Malerische immer stärkere Bedeutung erlangt.
Pichler ist sich des Datums dieser Veränderungen deutlich
bewußt: Es war die Ansiedlung in St. Martin und damit
die konkrete Verwirklichungschance für viele der ausgedachten
Projekte. Es war nun völlig seine Sache, wie er die Skulpturen
aufstellen, welche Räume und Gebäude er ihnen errichten
würde. Die Zeichnung hatte sich von Zwecken befreit,
diente nicht mehr überwiegend der Konkretisierung schrittweise
präziserer Vorstellungen. Anfangs war Farbei immer Ausdruck
von Material, nicht spontaner Stimmungen. So ist zerriebener
Ziegelstaub verwendet worden, gebunden mit Eitempera, aus
dem unmittelbaren Zusammenhang mit der bildhauerischen Arbeit
heraus. Allmählich wird dieser Bezug verlassen, neben
den Skizzen, Vorstudien und Konstruktionszeichnungen für
Geplantes entstehen mehr und mehr >freie Zeichnungen<
und >Bilder<. Das simple Instrument des Bleistiftes
bleibt wichtig, wird aber um Farbigkeit ergänzt, weil
das Interesse an komplizierteren Darstellungen steigt.
Präzision habe er früher zu eng gesehen, sagt Pichler
heute. Die Erweiterung seiner künstlerischen Arbeit um
freie Zeichnungen und Bilder sei auch eine Reaktion auf den
strikten Anspruch seines Vorhabens in St. Martin, bei dem
er sich oft wie ein Gefangener in einem selbstgeschaffenen
Bezirk fühle. Mit der Zeichnung könne er ausweichen,
könne er gegensteuern. Jedes System brauche eben einen
gewissen Grad an Schlampigkeit. Im selben Moment, wo man knapp
dran sei an etwas, müsse sich zugleich etwas auflösen.
Und damit meint er auch, daß das Gelingen einer Zeichnung,
das Gelingen einer Arbeit, die Ergebnisse einer ganzen Arbeitsphase
eine Gratwanderung zwischen Vollendungszwang und Spekulation
mit dem Unfertigen sind. Oft drücke sich vielleicht in
Mängeln gerade das aus, worauf es ankommt - das Sichtbarmachen
der Nähe von Möglichem und Erreichtem; und der Ahnung,
was als nächstes folgen sollte.
Verbindendes Strukturmerkmal von Pichlers gesamter Arbeit
ist ihre ostentativ archaische, archetypische Sprache, zu
der die Zustimmung nicht schwer fällt, die sich jedoch
erst dem genauen Blick erschließt. Er setzt seine Sprache
im vollen Bewußtsein des Gewichtes, das im Laufe der
Zeit eingedrungene Bedeutungsüberlagerungen haben, zur
Darstellung jener Art aufwendiger Einfachheit ein, bei der
sich selbst in geringen Einzelheiten die Verbindung zum Ganzen
- und der Zorn darauf - ausdrückt.
Wo Inhalt war, ist nichts mehr. Der Schmerz von Hinterbliebenen
gibt erst langsam den Blick wieder frei für eine Veränderung
des Bildes vom erlittenen Verlust. Dennoch, endgültige
Abwesenheit - der Tod also - hinterläßt nichts
als Form, als Worte, als Abdrücke.
|
Walter Pichler: Raum in einem Felsen,
1979
|
Walter Pichler: Rumpf, 1981
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zum Thema:
|
Die Zeit als Werkstoff
Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurt/Main, 9.12.1986
von Katharina Hegewisch
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Die Einkreisung einer unheimlichen Gewißheit
Kurier, Wien, 5.11.1986
von Jan Tabor
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Die Autoren & Autorinnen des Residenz-Verlages
Salzburg-Wien
1986
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