Griechenland I:
Alexandros Ypsilanti, der Held des in Europa mit romantischer
Anteilnahme verfolgten griechischen Freiheitskampfes, hat
nach vorerst vergeblichen Aktionen fliehen müssen und ist
- 1821, der Theseustempel und der Volksgarten waren gerade
in Bau - gleich nach seinem Grenzübertritt von den österreichischen
Behörden vorsorglich für sechs Jahre inhaftiert worden. Kurz
nach seiner Entlassung ist er, 35jährig, in Wien gestorben.
Begraben hat man ihn auf dem Friedhof in St. Marx - so wie
später den in anderer Weise Griechischem verpflichteten Architekten
des Burgtores und des Theseustempels Pietro Nobile.
Griechenland II:
Im neuen Volksgarten-Café Corti, dessen Besitzer sich durch
Spitzeldienste die Privilegien eingehandelt hatte, in unmittelbarer
Nähe der Hofburg für jenes Volk, das ebenfalls diese Nähe
suchte, gastronomisch tätig sein zu können, ist während dieser
Jahre sicher viel über die griechische Sache und den Fall
Ypsilanti gesprochen worden. Durch Lord Byron, dessen Exzentrik
und passenden Tod, hatte sich ja weithin eine poetische Sicht
auf diesen exzessiv-grausamen Krieg verbreitet, der groteskerweise
mit der Einsetzung eines Königs aus Bayern geendet hat. Auch
der Kaiser (Franz I.), ist phasenweise in Griechenlandeuphorie
verfallen. Schon Jahre zuvor hatte ihn in Rom Canovas riesiger
Theseus, der den Zentauren erschlägt, so fasziniert, daß er
ihn gekauft, den komplizierten Transport selbst beaufsichtigt
und schließlich den Auftrag gegeben hat, einen passenden Athener
Tempel zu kopieren, um in Sichtweite der Hofburg für dieses
kolossale Kunstwerk einen würdevollen Aufstellungsraum zu
haben.
Ein Kommentar:
Paul Virilio: "In der ersten hellenischen Demokratie findet
sich bereits ein Großteil der Probleme des Abendlandes, außer
dem wichtigsten: Mobilität."
Freiräume:
Französische Truppen haben durch die Zerstörung der Bastei
vor der Wiener Hofburg die Neugestaltung dieses Areals erzwungen.
Was entstanden ist, hat Gewohnheiten berücksichtigt, denn
Parkanlagen hat es in diesem Gebiet schon früher gegeben und
auch das Cortische Kaffeehaus hat auf der Bastei seine Vorläufer
gehabt, das Kaffeehaus von Johann Milano (später in Cortis
Besitz) und insbesonders die glorietteartige "Ochsenmühle",
die schon seit längerem - so ein Wien-Chronist - "Lieblingsaufenthalt
und Vereinigungspunkt der eleganten Welt" gewesen ist an dem
sich "die Celebritäten der Kunst, der Wissenschaft und des
Adels fast täglich vollzählig" versammelt hatten. Nach jahrelanger
Improvisationszeit wurde diesem Publikum schließlich durch
Cortis neues Etablissement, das von Nobile erbaute elegante
Arkadencafé im Volksgarten, ein für den Rest des Jahrhunderts
wichtiges gesellschaftlich Zentrum geboten. Hohe Fenster haben
bei jeder Witterung eine Naturbetrachtung erlaubt. Dem freien
Blick hinaus hat der freie Blick ins Innere entsprochen, ganz
im Sinne polizeistaatlicher Traditionen, nach denen seit Maria
Theresias Zeiten alle Kaffeehäuser ebenerdig gelegen und von
der Straße her einsehbar sein mußten. Die Fenster durften
nachts weder verhängt noch durch verriegelbare Läden verschlossen
werden, denn gegen "hohe und unerlaubte Spiele" und alle "einschichtigen
Zusammenkünfte" sollte jederzeit eingeschritten werden können.
Gleichzeitig mit der Errichtung dieses großen öffentlichen
Wiener Parks hat auch die Hofgesellschaft den ihren - den
späteren Burggarten - bekommen und daß "dem Volk" anscheinend
gleichrangig eine entsprechende Vergnügungsstätte präsentiert
worden ist, braucht nicht als Symbol einer Öffnung gesehen
zu werden. Keiner hat bisher Verschlossenes für sich in Anspruch
nehmen dürfen. Auf den Trümmern kriegstechnisch überholter
Verteidigungsanlagen konnte schlicht Platz für etwas mehr
urbane Übersichtlichkeit geschaffen werden, direkt unter den
Augen der Obrigkeit.
Rußland:
Für Dostojewski ist Utopisches untrennbar mit Natur verbunden
gewesen; "die Menschheit" müsse sich "im Garten erneuern",
schrieb er in sein Tagebuch, das sei "die Formel".
Absonderung:
Die weiterhin von Stadtmauern und Gräben (sie verschwanden
in Wien erst nach 1857) begrenzten neuen Freiräume sind leicht
kontrollierbar geblieben. Anzunehmen ist allerdings, daß sie
gerade wegen der Allgegenwart staatlicher Macht bei manchem
die Freude bestärkt haben, ausgerechnet dort in aller Öffentlichkeit
subversive Gedanken zu hegen oder sogar auszutauschen. Im
allgemeinen allerdings wurde "an öffentlichen Orten oder mit
nicht sehr intimen Bekannten jedes Gespräch über Politik vermieden;
das Wirtshausgespräch artete daher meist in in Zweideutigkeiten
und Lascivitäten aus". Vom Café Corti, unter den 70 Kaffeehäusern
jener Zeit eines der eleganteren, ist eine solche, das Spitzelsystem
verhöhnende Geste überliefert. Auf seinem Portalschild war
- wie in der polizeilich motivierten Untersuchu8ng "Die Prostitution
in Wien" vermerkt ist - eine der bekanntesten Wiener "Heträren",
die schöne "Colombe" abgebildet, die sich "dem leichtferigen
Leben hingab". Besonders in den Vormittagsstunden sei, derselben
Quelle zufolge, gerade dieses wegen der herrlichen Aussicht,
des guten Kaffees, der vielen Zeitschriften und es auch bei
"bösem Wetter leidlichen Aufenthalts" beliebte Lokal "von
der Wiener Demimonde stark frequentiert" worden. Die nahe
liegende "Seufzerallee" im Volksgarten wiederum sei als Rendezvousplatz
"für Liebesbedürftige" und unter den 20.000 Prostituierten
der Stadt allgemein geschätzt gewesen.
China:
Wegen der Revolutionsfurcht der Obrigkeit war in Wien Ende
des 18. Jahrhunderts eine geheime Polizei gebildet worden,
die bald über ein Heer von Agenten (die sogenannten "Naderer")
- vor allem "Freudenmädchen, Lohnbediente und Mönche" - verfügt
hat. Das in der von 1821 bis 1848 dauernden Ära Metternich
("Meine Rolle war am 13. März ausgespielt") noch ausgebaute
Zensur- und Polizeisystem hat bei Freund und Feind durch die
weitere Kultivierung von Verschwörungstheorien zur Emanzipation
des Konspirativen beigetragen. Ein Entkommen allerdings ist
erst in späteren großstädtischen Situationen leichter geworden.
Dem ungarischen Franz-Joseph-Attentäter János Libényi zum
Beispiel ist es zwar nicht schwer gefallen, an sein flanierendes
Opfer heranzukommen, dafür ist er unmittelbar am Tatort, der
engen Bastei oberhalb des Kärntnertores, gefaßt und schließlich
auf der Simmeringer Haide hingerichtet worden.
Aufklärung:
Marx und Engels haben im reaktionären, rückständigen Österreich
"das europäische China" gesehen. Wien selbst jedoch ist über
Jahrzehnte hinweg eine aufsässige Stadt gewesen, durchsetzt
von echten, wankelmütigen und falschen "Jakobinern". Aus Geschichtsbewußtsein
und Heldenverehrung sind fast alle von ihnen verdrängt worden,
sehr im Unterschied zu Überlieferungstraditionen in anderen
Ländern. Daß etwa 1795 Franz von Hebenstreit, ein Offizier,
als angeblich revolutionärer Rädelsführer vor der Stadtmauer
gehängt worden ist, ein halbes Jahr nach der Enthauptung Robespierres
und offenbar eher aus symbolischen Gründen, hat keine historische
Bedeutung gewinnen können. Von den hingerichteten Anführern
der Revolution von 1848 wiederum sind gerade noch Wenzel Messenhauser
(standrechtlich erschossen vor dem Neutor am heutigen Schottenring)
oder Robert Blum (erschossen in der Brigittenau) namentlich
bekannt geblieben. Die anderen exekutierten Revolutionäre
sind völlig in Vergessenheit geraten : Eduard Jelowicki, Eduard
Preßlern, Johann Horváth I, Josef Dangl, Anton Riklinski,
Anton Brogini, Alfred Becher, Herrmann Jelinek, Johann Horváth
II, Josef Krziwan, Jakob Marzatto, Franz Stockhammer, Daniel
Christian Dreßler, Stefan Aringer, Andreas Kerschdorfer, Heinrich
Monoschek, Alois Hüffner, Isidor Mazko, Martin Pausar.
Individuen:
Selbst die Namen der Mörder des Kriegsminsters Latour, Franz
Wangler (ein Schneidergeselle), Thomas Jurkowich (ein Schneider)
und Carl Brambosch (ein Zimmermaler), die vor der Stadtmauer,
zwischen Schotten- und Neutor, gehängt wurden, verblaßten
sehr bald hinter ihrer Tat. Auch im nach Märtyrern süchtigen
Ungarn, wo zur gleichen Zeit eine andere Symbolfigur, der
Stellvertreter des Kaisers und Oberbefehlshaber der kaiserlichen
Truppen Graf Lamberg ermordet worden war, wurden Tat, nicht
die Täter, bejubelt. Dennoch: Für politische Attentate, die
Radikalform persönlichen Eingreifens "von unten", haben sich
ab dem 19. Jahrhundert veränderte Perspektiven herausgebildet;
Medienwirkung, Beispiel statt Nützlichkeit, Terrorwellen,
Mordlust, Todessehnsucht. Das Denkmal Kaiserin Elisabeths
im Volksgarten ist dafür ein Zeichen; indirekt erinnert es
auch an ihren Mörder und an die Beiläufigkeit ihres Todes.
Luigi Lucheni (1873-1910) hatte ja bloß vor, "jemand von Bedeutung"
zu erstechen. Um an König Umberto heranzukommen - dem kaum
zwei Jahre später Gaetano Bresci mit Erfolg aufgelauert hat
- fehlte ihm das Reisegeld. Der französische Thronfolger,
der in Genf erwartet wurde, kam nicht. Stattdessen erschien
die österreichische Kaiserin für eine Übernachtung. Sie reiste
zwar incognito, das Hotel "Beau Rivage" aber dürfte aus Reklamegründen
ihre Identität der Presse bekannt gegeben und so dem wartenden
Attentäter sein Opfer präsentiert haben. Als mit keiner organisierten
Gruppe in Verbindung stehender "überzeugter Anarchist" und
"gewissenhafter Kommunist" hätte er ein Beispiel "für die
wahren Freunde der Menschheit" geben wollen, gestand er freimütig
ein, und auch, daß er in seinem Leben noch nie so zufrieden
gewesen wäre, wie nach dem geglückten Anschlag. Zu lebenslanger
Haft verurteilt hat er sich schließlich erhängt.
Ausgangspositionen:
Anfang 1848, zwei Monate vor Beginn der Aufstandsbewegung
in Wien, hat ein Augenzeuge notiert, daß merkwürdigerweise
"nur die hiesigen Frauen" - deren aktive Beteiligung an den
folgenden Kämpfen aus den Verletzten- und Todeslisten ersichtlich
ist - "eine Ahnung von dem nahen Gewitter zu haben scheinen".
Während des 4. Aufstandes vom 21. bis 23. August sind wütende
Arbeiterinnen erstmals, und zwar wegen Lohnkürzungen, zu eigenen
spontanen Demonstrationen zusammengekommen (mit "massenhaftem
Zuströmen von Weibern und halbwüchsigen Jungen" wurde das
brutale Einschreiten des Militärs gerechtfertigt) und am 28.
August ist es auf der ersten organisierten Wiener Frauenversammlung
"im Salon des Volksgartens" zur Bildung des "Demokratischen
Frauenvereines" gekommen. Ein erhaltenes Flugblatt, in dem
zwar von aggressiven männlichen Störversuchen berichtet, von
den Aktivistinnen jedoch nur eine "Madame Strunz" namentlich
genannt wird, trägt den höhnisch gemeinten Titel: "Frauenaufruhr
im Volksgarten". Am Vortag war Karl Marx in Wien eingetroffen.
Von der wegweisenden Zusammenkunft im Café Corti hat er keine
Notiz genommen.
Staatlichkeit:
Über den weiten Exerzierplatz vor der Stadtmauer, auf dem
später das Reichstagsgebäude (das zum Parlament geworden ist),
das Rathaus und die Universität errichtet worden sind, ist
damals vom Volksgarten aus noch der Blick auf einen anderen
staatsnotwendigen Neubau jener Zeit, das 1839 fertiggestellte
"Criminalgerichtsgebäude" (heute Landesgericht) frei gewesen.
In der NS-Zeit ist es zur Vollzugsanstalt faschistischen Terrors
geworden; 1.184 Menschen starben dort durch das Fallbeil.
Harmonisierungsversuche:
In der entgegengesetzten Richtung wird im "Österreichischen
Heldendenkmal" der Toten sehr verschiedenartiger Kämpfe gedacht.
Den "Opfern im Kampfe um Österreichs Freiheit" ist erst 1965,
anlässlich des 20. Jahrestages der Wiedererrichtung der 2.
Republik, eine eigene Gedenkstätte im linken Seitentrakt des
äußeren Burgtores errichtet worden. Damit hat der Raum mit
dem marmornen "Toten Krieger", der offiziellem Erinnern an
die Gefallenen beider Weltkriege dient, ein Gegenüber erhalten.
Verfließende Schichten einer sich auf ein staatliches Selbstverständnis
berufenden Geschichte der Gewalt haben dem gesamten Gebäude
eine den Tod und das Töten sinnlos harmonisierende Symbolik
aufgedrängt: Unter einem Dach zwar, aber mit deutlicher Separierung,
wird Unbekannten die Ehre erwiesen - Österreichern nur, nicht
Fremden. Ursprünglich war es bei diesem von Soldaten errichteten
Bau darum gegangen. den Sieg "der Völker" (also der alten
Dynastien) über Napoleon bei Leipzig zu feiern. Wegen der
Siege über Franzosen und Türken, die vom Prinz-Eugen- und
vom Erzherzog-Carl-Denkmal repräsentiert werden, ist es auch
zur Bezeichnung "Heldenplatz" gekommen. Der Republik ist das
Burgtor nur erhalten geblieben, weil die Pläne der Monarchie
für das Kaiserforum nur fragmentarisch realisiert worden sind.
Charakteristischerweise ist gerade in den Zäsur- und Krisenjahren
1933/34 dem undemokratisch gewordenen Staat eine Umgestaltung
notwendig erschienen. Den Auftrag dazu hat Rudolf Wondracek
(1886 - 1942) erhalten, ein Wagner-Schüler und Peter-Behrens-Assistent,
der zu jener Zeit Hochbaureferent von St. Pölten gewesen ist.
Ein "Ehrenmal für Altösterreichs Heldensöhne von 1618 bis
1918" sollte geschaffen werden; im Gedenkraum werden seither
die "ersten und letzten Toten des Weltkrieges" (der ermordete
Thronfolger Franz Ferdinand und Kaiser Karl) besonders hervorgehoben.
Für die Opfer des darauffolgenden Krieges ist eine weniger
dominante Inschrift angebracht worden. Unter der von Wilhelm
Frass (1886-1968) stammenden überlebensgroßen Figur des toten
Soldaten soll der Bildhauer, der 1936 den Großen Österreichischen
Staatspreis und nach dem Anschluß sehr ehrenvolle Aufträge,
wie diverse Hitlerbüsten oder die Großplastik "Die Ostmark"
erhalten hat, einen das Großdeutsche Reich erhoffenden Text
versteckt haben. Noch sein 1950 entstandener "Weiblicher Torso
(Der Kristall)" war ihm Anlaß, sein Entsetzen über eine bemerkbar
werdende Moderne zu beklagen: "Aus dem grauenhaften Mist der
Jahre nach 1945 wuchs er mir in Gedanken an Reinheit und Schönheit
zu ‚Kristall', dieser Blüte des reinsten und geheimnisvollsten
Wuchses der Schöpfung: des Steines". Auch die Plattform oberhalb
der Gedenkräume ist durch Soldatenköpfe von Wilhelm Frass
und Herbert Dimmel (Österr. Staatspreis 1930 und 1936, im
Krieg Professor an der Akademie der bildenden Künste in Wien,
nach 1947 Professor in Linz) dafür eingerichtet worden, dem
Militärischen in der österreichischen Geschichte die Referenz
zu erweisen. Vor den Stiegenaufgängen wurden Gitter angebracht,
die derzeit meist versperrt sind. Zur Zeit großdeutscher Selbstbesinnung
hat man damit nicht das Auslangen gefunden; es gab verschiedene
Neugestaltungspläne für dieses Areal, darunter jenen, den
Theseustempel zu einer Wiener Walhalla umzubauen - nach einem
Entwurf des "Sonderbeauftragten für das deutsche Kunsthandwerk"
Josef Hoffmann. Realisiert wurde ein SA-Ehrenmal in der mittleren
Durchfahrt des Burgtores und ein "Gaugefechtsstand" in den
Kellern der Hofburg, von dem aus die Stadt bis zum letzten
Mann hätte verteidigt werden sollen. Daß dem Heldenplatz (den
manche in "Platz der Opfer" umbenennen wollen) offenbar selbst
auf ganz banaler Ebene etwas Irreales zugeordnet worden ist,
zeigt sich daran, dass er niemandem als Anschrift dient, denn
die Postanschriften angrenzender Gebäude lauten auf Hofburg,
Neue Burg, Burgring oder Ballhausplatz. Atmosphärisch wird
noch lange nachwirken, dass er Symbol für den Anschlussjubel
geblieben ist und Adolf Hitler dort am 15. März 1938 "der
deutschen Geschichte" (nicht der allgemeinen, der internationalen
also) die Heimkehr Österreichs in das Reich gemeldet hat.
Darin liegt etwas Warnendes, denn wer könnte sich eine neue
Kraft wünschen, die jenes Ereignis und seine Folgen verdrängt,
übertrumpft ? Zum Schüren analoger Strömungen braucht es bloß
das Zusammenspiel einiger weniger Kräfte: In einer bedenkenlosen
Heldenplatz-Inszenierung sind ein korrupter Schirennläufer
hysterisch als nationales Idol gefeiert worden und den Kräften
des polnischen Papstes ist es auch nicht gelungen, diesem
Platz das Odium eines Versammlungsortes gewisser Geisteshaltungen
zu nehmen.
Abendland:
Gegen Abend kann man durch den Volksgarten ins Burgtheater
eilen, nur kommen die meisten Leute aus anderen Richtungen.
An seiner Fassade erinnert eine Marmortafel an etwas Heroisches,
das sich tatsächlich an diesem Ort zugetragen hat: "vom 8ten
bis 11ten Sept. 1683 wiesen von hier aus die tapferen Verteidiger
Wiens die heftigsten und letzten Angriffe der Türken zurück."
Wenn sich hingegen Dichter mit dieser Gegend beschäftigt haben,
hinterlassen sie manchmal so leichtfertige Sätze wie H. C.
Artmann: "Ein lauer Wind trägt aus dem Volksgarten die Düfte
verblühter Rosen herüber; aber Rauch und Benzindampf vernebeln
Pallas Athenen. Landluft! Jawohl, Landluft ist es, was wir
zu unserer Regeneration bräuchten." Für Elfriede Gerstl liegen
die Dinge rund um die Göttin der Weisheit und die Schutzherrin
von Volks- und Ratsversammlungen anders: "Die Revolution der
Wünsche / ist das Wunschkind / nüchtern gebliebener Intellektueller
/ wie Pallas Athene / einem Philosophenkopf entsprungen: /
süsser Marcuse wir legen Blumen / in deine Nische / Adorno
wir adorieren dich.".
Statik:
Am Volksgarten fällt auf, daß er baulich seine Eigenständigkeit
demonstriert, durch eine klare Abgrenzung, durch Mauern und
Gitter. Für Demonstrationen hat er schon lange keine Bedeutung
mehr; als ob er zwischen Helden-, Ballhaus- und Rathausplatz
eine nach innen gekehrte Schutzzone wäre. Am 1. Mai sind es
die KPÖ-Funktionäre, die von ihrer Tribüne vor dem Parlament
auf ihn hinübersehen, ansonsten dient er Politikern als Passage.
Jener Teil des Rings, der den Volksgarten vom Haus der Volksvertreter
trennt, war übrigens in republikanischen Zeiten zuerst nach
dem 12. November (Republikgründung 1918), dann nach Bundeskanzler
Seipel, in der NS-Zeit, als das Parlament zuerst Sitz der
Gauleitung und anschließend das "Haus der NSDAP" gewesen ist,
nach Gauleiter Bürckel, dann wieder nach Seipel benannt, bevor
er zum Dr. Karl Renner-Ring geworden ist. In das Gitter des
Volksgartens, vis-a-vis vom Parlament, wurde 1967 für Julius
Raab ein Denkmal eingefügt, als verstecktes Gegenstück zu
den Plastiken von Seiz (1962), Körner (1963) und Renner (1967)
im Rathauspark. Das erste in dieser Reihe war das Republikdenkmal
neben dem Gebäude des Stadtschulrates (in dem sich während
der Besatzungszeit die sowjetische Stadtkommandatur befunden
hat). Es ist 1934 abmontiert worden und erst nach 1945 sind
die Büsten von Viktor Adler, Jakob Reumann und Ferdinand Hanusch
- die diese Jahre unbeschadet in einem Depot überstanden hatten
- wieder an ihren angestammten Platz zurückgekehrt. Im Volksgarten
selbst sind seit dem "Jugendlichen Athlet" (1921) von Josef
Müllner (1878-1968), der ansonsten noch das Lueger-Denkmal
oder das Heldendenkmal für die gefallenen Studenten in der
Aula der Universität geschaffen hat und der bis 1948 durchgehend
Professor an der Akademie der bildenden Künste gewesen ist
(Staatspreis 1928 und 1930, Preis der Stadt Wien 1941), keine
zeitgenössischen Zeichen mehr gesetzt worden. Hundert Jahre
nach dem Bau des Theseustempels und des polizeilichen Interesses
österreichischer Behörden an Alexandros Ypsilanti, ist wiederum
Griechenland, als Utopie der Utopielosen, das Thema gewesen.
Eher römisch-imperatorisch waren die Motive, die in der Folgezeit
zur Abtrennung eines Gartenstückes geführt haben. Zum Ballhausplatz
- also zum Regierungszentrum hin - hätte nämlich auf der Achse
zum zwischen Bundeskanzleramt und Präsidentschaftskanzlei
geplanten "Haus der Vaterländischen Front" von Clemens Holzmeister
(das im Krieg durch das ebenfalls unrealisierte Projekt für
ein "Haus des Reichsnährstandes der Landesbauernschaft Donauland"
ersetzt wurde) ein Dollfuß-Denkmal errichtet werden sollen.
Das dafür vorgesehene Areal, heute ein Beamten-Parkplatz,
ist an der rechteckig zurückspringenden Parkeinfassung noch
deutlich zu erkennen.
Möglichkeiten:
"Vom Schrecken reden, könnte heißen, sich einer zerfetzten
Welt von Bildern stellen, ohne sie zum Bild einer schrecklichen
Welt zusammenzufalten." (Hans-Dieter Bahr, 1986).
|
Rini Tandon: ohne Titel, 1988
|
Ingeborg Strobl: WOZU, 1988
|
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Quellen:
Hubert Adolph: Wilhelm Frass. Ein Beitrag
zum Verständnis seines künstlerischen Schaffens. In: Mitteilungen
der Österreichischen Galerie, Wien Nr. 59/1971
H. C. Artmann: Frau Pischinger und die Landluft.
Gesammelte Prosa Band 1, Residenz Verlag, Salzburg - Wien
1979
Hans-Dieter Bahr: Sätze ins Nichts. Ein Versuch
über den Schrecken. Konkursbuchverlag, Tübingen 1986
Fjodor M. Dostojewski: Briefe. 2 Bände. Insel
Verlag, Leipzig 1984
W. G. Dunder: Denkschrift über die Wiener
October-Revolution. Eigenverlag, Wien 1849
Josef Dvorak: Von Krucken-, Haken- und anderen
Kreuzen. Forum, Wien, Nr. 411/412 1988
Gedenkschrift anlässlich der Weihe des österreichischen
Heldendenkmales am 9. September 1934. Wien 1934
Elfriede Gerstl: Wiener Mischung. Texte aus
vielen Jahren. Edition neue Texte . Linz 1982 (Zitat aus:
Zustandsbilder, 1981)
Historisches Museum der Stadt Wien: Bürgersinn
und Aufbegehren. Biedermeier und Vormärz in Wien 1815-1848.
Ausstellungskatalog. Eigenverlag der Museen der Stadt Wien,
Wien 1987
Hans Jessen (Hrsg.): Die Deutsche Revolution
1848/49 in Augenzeugenberichten. dtv-Band 927, München 1973
Wilhelm Kisch: Die alten Straßen und Plätze
Wiens und ihre historisch interessanten Häuser. 3 Bände.
Gottlieb´s Verlagsbuchhandlung, Wien 1883
(Reprint, Cosenza 1967)
Christian Reder: Verbindungen zwischen Tat
und Sache. Besuche an Orten vergangener Ereignisse. Stadtbuch
Wien, Falter Verlag, Wien 1983
Josef Schrank: Die Prostitution in Wien in
historischer, administrativer und hygienischer Beziehung.
1. Band: Die Geschichte der Prostitution in Wien. Wien, Eigenverlag
1886
Leopold Spira (Hrsg.): Attentate, die Österreich
erschütterten. Löcker Verlag, Wien 1981
Herbert Steiner: Karl Marx in Wien. Die Arbeiterbewegung
zwischen Revolution und Restauration 1848. Europaverlag, Wien-München-Zürich
1978
Jan Tabor: ... und sie folgten mir. Österreichische
Künstler und Architekten nach dem "Anschluß" 1938. Eine Reportage.
In: Wien 1938. Ausstellungskatalog Historisches Museum der
Stadtv Wien (Rathaus Volkshalle). Wien 1988
Paul Virilio: Geschwindigkeit und Politik.
Ein Essay zur Dromologie. Merve Verlag, Berlin 1980.
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