Gespräch mit Peter Noever
Nach nunmehr fast drei Jahren als Direktor des Österreichischen
Museums für angewandte Kunst in Wien, der - als Novum
hierzulande - auf Zeit bestellt wurde und nicht aus einer
Museumslaufbahn kommt, müßten sich erstrebenswerte
Ziele für dieses Haus bereits vor dem Hintergrund dessen
markant veränderter Praxis diskutieren lassen.
Es ist als Museum für Kunst und Industrie gegründet
worden; könnte es in einigen Jahren eine Art Entwicklungslabor
sein, ein neuer Typ von "Museum", das Fragen stellt,
Antworten anbietet ?
Knapp formuliert ist dieses Haus an seiner Gründungsintention,
dem Kunsthandwerk und der Industrie eine Vorbildhaftigkeit
zu präsentieren schließlich fast erstickt. Heute
muß es seinen Standort völlig neu überdenken
und bestimmen. Also, eine Neudefinition in einer Zeit, die
keine generellen gefestigten Werte mehr kennt, in der - wenn
man so will - statt in Form von üppig inszenierten Ausstellungen,
denen immer der Anschein von unverrückbaren und gefestigten
Antworten eigen ist, Fragen gestellt werden müssen. Wir
dürfen nicht müde werden, essentielle und wenn es
sein muß provokante Fragen zu stellen.
Das Museum als ängstlicher, unfruchtbarer Ort der Bewahrung
von versteinerten Betrachtungs- und Auffassungsweisen hat
sich längst überholt. Die Information, auch die
Vor- und Gegeninformation, dazu gehört - abgesehen von
der Auswahl der Themen der Versuch der Neugestaltung - etwa
die Anordnung und Aufteilung des Raumes, der Einsatz von Sprache,
Ton und Licht: die Schaffung neuer räumlicher Qualitäten
ist Information, muß die Hauptstoßrichtung sein.
Solche und andere Überlegungen führen zwangsläufig
zu der Notwendigkeit von Eigenproduktionen, die Zeitströmungen
aufgreifen und sich abzeichnende Kunstströmungen in geeigneter
Weise darstellen.
Solche Zusammenhänge müssen sich in der Museumsarbeit
ausdrücken, in einer sehr offenen Weise, mit der Bereitschaft
zu ständigen Modifikationen, so wie ich ja meine eigenen
Überlegungen für dieses Haus ebenfalls ständig
überprüfe und nicht irgendein Konzept durchziehe.
Ich muß und will mich in dieser Arbeit persönlich
wiederfinden, muß sie vertreten können. Nur das
kann einen in der überall herrschenden Konturlosigkeit
schützen. Eine Konsequenz daraus ist jedenfalls, daß
ich Vorbildhaftigkeit absolut nicht für ein Thema halte.
Das hieße bestenfalls, dieses Museum sukzessive auf
ein Design-Center zu reduzieren.
Strukturell und aufgabenmäßig gibt es dennoch
gewisse Verwandtschaften mit solchen Einrichtungen, auch wenn
sie wegen verflochtener Abhängigkeiten oft eher wenig
bewirken oder nur kurzfristig Blüten erleben.
Überall wo es um die Gestaltung von Industrieprodukten
geht, ist die Industrie schon zur Stelle. Sie hat ein gewichtiges
Wort mitzureden und drängt auf kurzfristige Lösungen,
um sie unmittelbar verwerten zu können. Obwohl wir keineswegs
den Bereich Design ausklammern, ihn im Gegenteil von der Kunst
- soferne damit nicht die Dekoration von Kunstwerken gemeint
ist - gar nicht trennen wollen, glaube ich, daß es auch
ganz anders geht: nämlich über eine Besinnung auf
das, was man als sinnvoll erachtet. Das muß nicht immer
zu konkret faßbaren Ergebnissen führen, auch Fragen
lassen sich als Ergebnis werten. Also, die Tradition einer
größeren, nicht auf enge Zwecke ausgerichteten
Unabhängigkeit der Museumsarbeit muß verteidigt
und weiter ausgebaut werden.
Daß ein Museum ein Ort der Integrität sein müßte,
bezweifelt kaum wer, nur spielen die Verhältnisse nicht
mit. Es ist ja nichts neues, daß z. B. Krankenhäuser
komplexe Mischgebilde sind, mit der integren Funktion, Kranke
zu heilen, Schmerzen abzuwenden, den Tod hinauszuzögern,
sie zugleich aber völlig verpolitisiert sind, von Marktprozessen
und finanziellen Interessen durchdrungen.
Daß staatliche Museen noch eher am Rand einer solchen
Institutionsrealität stehen, ist vielleicht nur auf ihren
bislang eher marginalen machtpolitischen Stellenwert zurückzuführen.
Der Kampf um strukturelle Verbesserungen verzehrt gerade im
Bereich der öffentlichen Verwaltung soviele Energien,
daß sich kaum wer hartnäckig auf ihn einläßt.
Das ist sicher richtig, überall dort herrschen prinzipiell
sehr ähnliche Bedingungen, inklusive der vielen - oft
völlig unsinnigen - adminstrativen Fesseln: der Einzelne
kann dagegen wenig machen. Er würde seine Energien vergeuden,
zu Lasten konkreter Projekte.
Ähnlich verhält es sich dort, wo Kunst mit der Organisation
oder - wie in diesem Land - mit einer selbstgefälligen,
staatlichen Administration in Berührung kommt; und dennoch
ist der Vergleich mit Spitälern oder anderen Einrichtungen
nicht zulässig. Der typische österreichische Beamte
mit der unverkennbaren, bittersüßen, allzeit präsente
Freundlichkeit ausstrahlenden Gesichtsmaske, der oft etwas
anderes im Sinn hat als er vorzeigt, ist noch nicht gänzlich
ausgestorben - man begegnet ihm noch immer, sei es in einem
Ministerium oder in meiner unmittelbaren Umgebung. Dieser,
dessen einzige tragfähige Entscheidung in seinem Leben
der "lebenslängliche" Vollzug eines vorauseilenden
Gehorsams ist, oft unter Geringschätzung seiner eigenen
Persönlichkeit, ist der natürliche Feind der Kunst.
Wissend, daß er in den seltensetn Fällen seiner
Überzeugung entsprechend handeln darf, verbringt er oft
einen wesentlichen Teil seines abgesicherten, an Risiko und
Abenteuer nicht reichen Lebens mit der Erforschung und Entwicklung
von Verhinderungsstrategien auf der Grundlage anonymer Urheberschaft.
Politikern, immer in Zeitnot, gegenüber spontanen und
neuartigen Regungen einer Gesellschaft oft unvorbereitet,
ist ein angeborener Instinkt eigen, dem Bekannten und Bewährten
in der Kunst den Vorzug zu geben. So gesehen ist es nicht
weiter verwunderlich, daß Museen im vitalen Geist des
19. Jahrhunderts wertvolle Orientierungshilfen geben können
und man gerne den Rat eines ahnungslos-kompetenten Beamten
einholt. Wie etwa anders ist die Auftragsvergabe für
das Mahnmal gegen den Faschismus in Wien an einen Künstler,
der sich zum Ende dieses Jahrhunderts mit seiner Arbeit und
verbalen Kampfparolen hartnäckig der Moderne widersetzt,
zu verstehen ? Kurios am Rande, vielleicht aber wienerischer
als wienerisch, ist die Tatsache, daß der Bildhauer
Alfred Hrdlicka, immer wieder gegen den Staat und seine politischen
Vertreter verbale Kämpfe ausficht, sich von diesem bedroht
fühlt, ausschließlich aber von diesen - gegen die
Vertreter zeitgemäßer und moderner Kunst, gegen
die wachen und geistig aufgeschlossenen Künstler - nachdrücklich
unterstützt wird.
Nochmals zurück zur ursprünglichen Frage. Gleichzeitig
sehe ich, fast im Gegensatz zu dem eben Besprochenen, ein
anderes Phänomen: Vielleicht schafft aber auch Kunst
von sich aus andere Voraussetzungen. Beamte, vielmehr aber
noch Politiker, die sich sonst so gerne in alles mögliche
einmischen, signalisieren hier hin und wieder einen gewissen
Respekt, wahrscheinlich in ihrer Unsicherheit der Kunst gegenüber.
Ich glaube, daß das auch als entscheidende Lücke
im System genutzt werden kann. Durch sie kann ein Museumsleiter
mit dezidierten Ansprüchen durchdringen, allen Barrieren
zum Trotz.
Das Museum, unser Haus, hat durchaus die Chance, ein Ort der
Auseinandersetzung, ein Ort des Widerstandes, des Konfliktes
zu werden; gleichzeitig ein Ort der Gefühle, ein Ort
der Träume.
Kunst kann in diesem Kontext gewissermaßen auch eine
Schutzfunktion ausüben, sie kann eine Verbündete
sein im Kampf um Freiräume.
Solche Autonomiebestrebungen sind de facto gleichzusetzen
mit einer personellen Privatisierung einer öffentlichen
Institution. Das Öffentliche an ihr sind nicht die Entscheidungsprozesse,
die Begründungen, die Transparenz des Betriebes, sondern
die Wirkung auf Besucher und Medien, vermittelt über
die subjektive Linie des Museumsleiters. Im Idealfall kann
er wie ein Privatmann handeln, querköpfig, widersetzlich
- sich vor sich selbst verantwortend. Angesichts sonstiger
Verflechtungen und Verfilzungen hat er damit eine fast exterritoriale
Position, wie sie anderswo kaum denkbar ist.
Tendenziell muß das auch so sein. Die Kunst und somit
der Künstler ist immer etwas sehr Persönliches.
Auch ein Museumsdirektor muß die Chance als Individuum
haben. Er darf sich nicht einem System unterordnen, schon
gar nicht einem kunsthistorischen.
Das Öffentliche am Museum ist im Kern eine Überzeugungsarbeit
- gegenüber den Politikern, gegenüber dem Ministerium,
gegenüber den Mitarbeitern, den Medien, dem Publikum
und natürlich auch gegenüber dem Künstler.
Da verbleibt nicht viel Spielraum. Wenn es wirklich darauf
ankommt, bin ich allein auf mich gestellt, darüber mach'
ich mir keine Illusionen. Man kann also eigentlich nur das
tun, was man unter Einsatz aller seiner Kräfte eben zusammenbringt.
Man muß kämpfen und kann im Detail, auch für
sich selbst, nicht immer alles begründen und erklären,
warum man dieses oder jenes tut. Daß einem das die Bedingungen,
die in einem österreichischen Museum schon vom Ministerium
und der Organisation her herrschen, noch zusätzlich erschweren,
brauche ich nicht extra zu betonen. Man muß wach bleiben,
sein Anliegen vertreten und nicht alle möglichen Kompromisse
eingehen, die sich dann letztlich gegen alle Beteiligten wenden.
Die Verantwortung habe ich allein zu tragen, die nimmt mir
niemand ab, auch dann nicht, wenn sie mir scheinbar abgenommen
wird.
Eine Öffentlichkeit, als Kommunikationsebene, existiert
ja höchstens fiktiv. Die Frage nach der Verantwortung
des Museumsleiters gegenüber der vielzitierten Öffentlichkeit
stellt sich also immer sehr systemkonform; bewertet werden
schlicht Medienpräsenz, Sympathiewerte, das Talent zum
Wirbel. Die Urteile der Expertenwelt sind, wegen heterogener
Gruppeninteressen, auch keine verläßliche Stütze.
Sicher. Wir haben es immer nur mit der stellvertretenden
Öffentlichkeiten zu tun, mit den Medien, mit Pressure
Groups. Auf sie zu bauen, bei der Absegnung einer geleisteten
Arbeit, halte ich für gefährlich, genauso, wie ich
es für gefährlich halte, ununterbrochen angebliche
Erfolge zu produzieren, weil dann die Gefahr besteht, daß
die Medien die Definition dessen übernehmen, was man
vielleicht in Frage stellen muß. Im Kern geht es doch
um sinnlich erfahrbare Vorgänge, denen sich Kritik ebenfalls
nur sehr subjektiv und tastend nähern kann, wenn sie
sich - was ein Ziel sein könnte - als Teil, als notwendige
Ergänzung des Kritisierten versteht. Die Irrtümer
von so manchen Kritikern und Experten sind doch allzuoft in
die Nähe einer Lächerlichkeit geraten; man braucht
sich nur die Rezeption des Wiener Aktionismus ansehen.
Der Weg, den ich in diesem Dilemma für richtig halte,
ist der: schneller arbeiten, mit einem Höchstmaß
an Komplexität, nicht müde werden, neue Themen,
neue Fragen aufzuwerfen, Risiken eingehen beim Aufspüren
neuer Tendenzen. Nur dann kann einen niemand in eine Schablone
zwingen. Letztlich ist auch für die Kraft eines Kunstwerkes
das Schablonisieren bedenklich.
Das Museum als Struktur für Subkulturen also, als Transformator
seismographischer Signale ?
Durchaus, solange daraus nicht schon wieder ein Klischee
resultiert. Es muß uns doch alle die Frage beschäftigen,
wo die kommende Kunst entsteht. Vielleicht passiert sie ganz
woanders, als wir es gewohnt sind, in Bereichen die wir gar
nicht wahrnehmen, durch Menschen, die von der Gesellschaft
nicht als Künstler bezeichnet werden.
In dieser Richtung muß ein Museum wie unseres - völlig
im Gegensatz zu musealen Traditionen - so offen wie nur möglich
sein. So versuche ich unter anderem auch im Zuge der angelaufenen
baulichen Sanierung vom Gebäude her bessere Voraussetzungen
dafür zu schaffen. Der Auftrag, den ich definiert habe,
mit dem ich angetreten bin und der vom zuständigen Minister
akzeptiert wurde, lautet ja schließlich, es mit neuen
Inhalten zu füllen.
Bleiben wir beim Zusammen- und Gegeneinanderwirken von Struktur
und Inhalt. Wenn ich "Struktur" als die "unsichtbare
Architektur" verstehe, also als das Geflecht von Regeln,
Vorschriften, Anweisungen, Kontrollen, Informationsflüssen,
Personalpolitik, Entscheidungsabläufen, dann stellt sich
klarer Weise die Frage, wie sie für ein aktives, nicht
bloß bewahrend-verwaltendes Museum ausschauen sollte.
Das ließe sich in einer adäquaten Typenvielfalt
durchaus konzipieren. Nicht so ohne weiteres konzipieren lassen
sich aber die "Inhalte" , es sei denn, wir würden
eine geplante Kulturpolitik befürworten, die inhaltlich
stark eingreift.
Also: Es spricht doch vieles dafür, vielleicht sogar
ziemlich radikal, neue Strukturen - in unserem Fall für
Museen - zu entwickeln, im Vertrauen auf die Chance, die neue
Strukturen für neue Inhalte bieten. Allein eine stärkere
Autonomie, längerfristig planbare Budgets oder eine größere
personelle Flexibilität setzen doch Energien frei, die
derzeit im administrativen Dschungelkrieg gebunden sind.
Selbst wenn man unterstellt, daß verbesserte strukturelle
Voraussetzungen positive Lösungen ermöglichen, ist
damit noch keine Garantie gegeben, daß diese interessante
inhaltliche Veränderungen nach sich ziehen. Andererseits
verhindern unsere gegenwärtigen Strukturen vieles in
so offensichtlicher Weise, daß ein solcher Zusammenhang
von niemandem geleugnet werden kann.
In den Bundesmuseen ist meiner täglichen Erfahrung nach
keinerlei Basis für ein selbständiges Arbeiten gegeben.
Das gesamte System ist auf kleinlichste begleitende Kontrollen
ausgerichtet, obwohl ohnedies alles penibel belegt werden
muß und es rückblickend neuerlich überprüft
wird. Der Zeitfaktor des fließenden Agierens, Reagierens,
neuerlichen Agierens verlangsamt jede Beweglichkeit dermaßen,
daß für alles ein enormer Aufwand betrieben werden
muß. So gesehen darf man die Kräfte nicht unterschätzen,
die gerade im Kampf gegen noch so kaputte Strukturen fruchtbare
Ergebnisse zustandebringen, aus einer Verteidigungsstrategie
heraus, mit einer Guerillataktik.
Vielleicht passieren die interessanteren Inhalte eben dort,
wo nichts geordnet und glatt ablaufen kann. Das mag vielleicht
der einzige Trost sein, den ich habe.
Über die Ideologisierung eines Nichtfunktionierens nachzudenken,
würde sich allerdings auch lohnen. Zwischen der Freude
am Kaputtgehen, wie sie Alexis Sorbas überkommen ist
("Hast Du je etwas so herrlich zusammenbrechen sehen
?") und dem Anspruch möglichst totaler Perfektion,
den gerade Künstler bei ihren Ausstellungen und der Produktion
ihrer Kataloge haben, besteht doch eine interessante Polarität.
Und der Coop Himmelblau-Slogan "Alles, was gefällt,
ist schlecht. Alles, was funktioniert, ist schlecht."
beleuchtet das sozusagen in aktualisiertem dekonstruktivistischem
Licht..
Vielleicht muß man das aus Sicht einer Museumsrealität
einfach so sehen: Möglichkeiten zum Widerstand und zu
unverwendbarem Verhalten wird es in einem Haus mit halbwegs
normalen Arbeitsbedingungen immer noch genug geben. Andererseits
hat eine Ruinenbegeisterung, nach der gerade in desolaten
Strukturen und ärmlichen Verhältnissen eine Chance
auf kreative Widersetzlichkeit zu sehen ist, etwas für
sich - wenigstens als Bild.
Sicher ist es grundsätzlich positiv, daß die Arbeitssituation
in den Museen endlich beginnt, ein Thema zu werden. Nur glaube
ich zugleich, daß die deklarierte Perfektion genauso
tödlich wäre. Würden die in einem Museum Arbeitenden
in ein noch so perfektes Organisationsmodell eingebunden,
könnte eigentlich nichts mehr entstehen. Strikt dagegen
bin auch, daß es zu vereinheitlichenden Konzeptionen
kommt. Gerade die Verschiedenartigkeit der einzelnen Häuser
ist ein Strukturmerkmal, das verteidigt werden muß.
Wenn jetzt auf juristischer Ebene durch die Teilrechtsfähigkeit
der Bundesmuseen ihr Bewegungsspielraum etwas erhöht
wird, ist das zu begrüßen, nur müßte
parallel dazu geklärt sein, daß das nicht zusätzliche
bürokratische Ausfächerungen nach sich zieht. Dieses
Beispiel bestätigt mich in meiner Position, weiterhin
mit Nachdruck dafür zu plädieren, daß die
politische Willensbildung nicht ewig aufgeschoben werden kann.
Die Diskussion kreist wie ein Endlosband um den Status der
Museen, um irgendwelche administrativen Erleichterungen. Das
sind alles Äußerlichkeiten, Oberflächlichkeiten.
T-Shirts ersetzen weder Inhalte noch ersetzen sie plausible
Initiativen zu einer verstärkten privatwirtschaftlichen
Nutzung der Museen.
Ich bin da für alles offen, nur muß von gänzlich
neu überlegten Aufgaben und Inhalten ausgegangen werden.
Da bieten sich etwa Vergleiche mit gesellschaftlichen Entwicklungen
auf dem Universitätssektor an, die Demokratisierungsschritte
dort, das Universitäts-Organisationsgesetz. Positive
und negative Erfahrungen dabei dürfen doch nicht zur
reaktionären Haltung zurückführen, daß
es "so nicht weitergehen kann", im Sinne einer erneuten
Hinwendung zu einer Kultur unkontrollierbarer Eigenmächtigkeiten.
So dominierend sie weiterhin ist, und so schwierig gegenteilige
Ansprüche gerade im Bereich Wissenschaft und Kunst einen
Halt finden, desto dezidierter müßte an der Umsetzung
demokratiepolitischer Forderungen gearbeitet werden. An den
Museen ist, soferne vernünftige Leiter da nicht einiges
austarieren, vieles von dem überhaupt vorbeigegangen.
Ich sehe das so: Ein wesentlicher Punkt jener Art von Demokratie,
die sich bei uns institutionalisiert hat, ist die Forderung
nach Kontrolle. Dabei wird davon ausgegangen, daß die
Dinge meßbar sind und daß auch Dinge, die nicht
meßbar sind, dennoch gemessen werden. Das hat, bei aller
Behelfsmäßigkeit, in den meisten Fällen sicher
seine Berechtigung. Wenn man sich jetzt die Institution Museum
hernimmt, muß man die Kontrollforderungen nach verschiedenen
Aspekten untergliedern. Daß die Art der Organisation
und der Buchführung, die Ordnung der Einnahmen- und Ausgabenrechnung
transparent genug ist für permanente Kontrollen, halte
ich selbstverständlich für sinnvoll. Ein anderer
Punkt ist die inhaltliche Kontrolle. Hier müssen bremsende
Eingriffe entschieden abgewehrt werden. Es ist auch ein grober
Unfug, die inhaltliche Arbeit eines Museums, seine Leistungen
für die Gesellschaft also, lapidar anhand des Presseechos
oder der Besucherstatistiken zu kontrollieren.
Museumsarbeit ist nur in mehrjährigen Phasen wirklich
beurteilbar. Sie braucht den Mut zur Subjektivität und
diese Subjektivität in Person des Museumsleiters muß
von der übergeordneten Stelle, vom Minister also, durch
einen entsprechenden Vertrauensvorschuß gestützt
werden. Genauso plädiere ich für ein Höchstmaß
an Freiraum der Kustoden, auch dann, wenn die grobe Linie
in eine Richtung laufen muß und der Direktor dafür
verantwortlich ist.
Die Diskrepanz zwischen den vielzitierten "Großen
Lösungen" und den Unsicherheiten bezüglich
wünschenswerter Funktionsweisen der Museen ist für
den Diskussionsstand jedenfalls nicht untypisch.
Vielleicht ist das ein EG-Syndrom ? Man starrt in Österreich
nach Westen, sehnt sich nach internationalen Erfolgsbeispielen,
von denen sich bei näherem Hinsehen rasch zeigt, daß
sie selbst in größten Schwierigkeiten stecken,
daß sie gar nicht so funktionieren, wie landläufig
behauptet wird und vor allem, daß eigentlich oft nichts
Neues mehr herauskommt. Die Chance liegt ganz wo anders.
Man muß sich wirklich besinnen auf die Tradition jedes
einzelnen unserer Museen und muß diese dann brechen,
ohne sie wegzuwerfen. Diesen Traditionen muß etwas anderes
gegenübergestellt werden und so werden ganz unterschiedliche
Orte entstehen, wenn es gleichzeitig gelingt, die entscheidenden
Positionen Schritt für Schritt mit signifikanten Leuten
zu besetzen. Deswegen sind auch die kursierenden Vorstellungen,
für die Bundesmuseen eine Dachorganisation im Sinne des
Bundestheaterverbandes zu installieren, schärfstens abzulehnen.
Das wäre eine radikale Zentralisierung bei der der neue
"Zentralsekretär" von vorneherein in Kommerzialisierungszwänge
hineingetrieben würde, um den Staat wenigstens pro forma
von finanziellen Verpflichtungen etwas zu entlasten. Für
die eigentliche Museumsarbeit jedenfalls sind bei einer solchen
Verbundlösung weit mehr Nachteile als Vorteile absehbar.
Kulturpolitik läßt sich nicht als "Sparte"
der Politik definieren, weil sie im Fluß unzähliger,
verzweigter Einzelentscheidungen zum Ausdruck kommt. Dennoch
ist sie im Grunde zuallererst einmal ein Leiten von Geldströmen.
Tatsache ist, daß die Budgets der einzelnen Museen niemanden
interessieren und sie höchstens eine Handvoll Leute inklusive
aller Verästelungen einer wirklich konsequenten Zurechnung
überblicken; dasselbe gilt für die Theater, für
die Oper, für Festspiele. Tatsache ist aber auch, daß
Kulturpolitik erst dann einer öffentlichen Diskussion
zugänglich wird, wenn es als normal gelten würde,
Konflikte um Geldmittel und strukturelle Verschiebungen in
transparenter Weise auszutragen. So gesehen gefiele es mir
ganz gut, wenn solche Institutionen ihre Bilanzen in der Wiener
Zeitung veröffentlichen müßten. Oder haben
wir uns damit abgefunden, daß dieser Kampf um Budgets
in beträchtlichem Umfang in der Grauzone informeller
Kontakte ausgefochten werden muß ?
Damit schneiden wir eine Zentralfrage der Kulturpolitikik
dieses Landes an und es ist richtig, daß die Diskussion
darüber bestenfalls zaghaft ist. Niemand legt Rechenschaft
darüber ab, warum die bildende Kunst in Österreich
weiterhin absolut diskriminiert wird, so wie es eben "Tradition"
ist, obwohl sie in der Gegenwart die hervorstechendsten künstlerischen
Regungen in diesem Land erzeugt. Gegenüber Theater, Oper,
Konzerten kommen ihr dermaßen vernichtend kleine Budgetgrößen
zugute, daß es einfach überfällig ist, auf
Regierungsebene über ein Umschichten, ein schrittweises
Angleichen oder ein Aufstocken Entscheidungen zu fällen.
Es ist doch geradezu fahrlässig, den Transport des Kunstgeschehens
den Galerien allein zu überlassen, so positiv sich deren
Anstrengungen auch auswirken.
In Wahrheit verstärken sich sogar gegenläufige Intentionen
und man sagt, die Museen sollen sich ihr Geld selbst beschaffen.
Daß das in gewissem Umfang möglich und notwendig
ist, bestreite ich keineswegs, nur kann sich der Staat nicht
aus seiner Verantwortung völlig entfernen. Wenn das Österreichische
Museum für angewandte Kunst mit seinen 70 Mitarbeitern
und einer Gesamtnutzfläche von etwa 14.000 Quadratmeter
ein Jahresbudget von nicht einmal 30 Millionen Schilling zugeteilt
bekommt, so ist das eine deutliche Aussage, welchen Stellenwert
man der modernen Kunst, aber auch dem Bewahren der alten Kunst
beimißt.
Dieses Abhängighalten ist ein Kernpunkt jeder Einbindung
in die öffentliche Verwaltung. Das einem abgeforderte
Geschick für Einzelbewilligungen gehört da dazu.
Von den Beteiligten, die sich anderswo längst übliche,
freiere betriebliche Strukturen meist gar nicht vorstellen
können, wird auch die tendenzielle Prolongierung einer
Bittstellersituation, einer Untertanengesinnung übersehen.
Wenn nun ein Baumeister Rogner in der Atomruine Zwentendorf
sein - anscheinend kommerziell plausibel durchgerechnetes
- Historyland-Projekt realisieren will, eigenständig,
aber mit beträchtlichen öffentlichen Mitteln, erntet
er von fast allen Seiten Applaus.
Auf die Idee hingegen, einem Museumsdirektor für fünf
Jahre ein tragfähiges Budget zuzusichern, mit der Bedingung,
machen sie eine interessante, wirksame Institution aus diesem
Haus, kommt hingegen niemand. Selbst in der Verstaatlichten
Industrie hat man sich - damit sie aus ihrer Krise herausfinden
kann - längst schon einer solchen Vorgangsweise angenähert.
Damit ist eigentlich alles gesagt, damit sind alle künstlich
erzeugten Probleme angesprochen, die öffentliche Institutionen
gegenüber eigenständigen Unternehmungen heute so
hoffnungslos benachteiligen, selbst wenn letztere für
die Entwicklung der Gesellschaft noch so bedeutungslos sind.
Kulturpolitisch gibt es zwar immer wieder fast unvermutete
Schritte des Mutes, dann aber bekommt so ziemlich jeder vor
der eigenen Courage Angst.
Die Situation in Österreich deckt sich diesbezüglich,
wenn auch verzögert, total mit internationalen Tendenzen.
Der Museumsboom hat sich auch andernorts in Neubauten erschöpft,
ohne daß sich eine Bereitschaft durchgesetzt hätte,
für Folgekosten und eine offensive Museumsarbeit die
Budgets bereitzustellen. Dennoch klammert man sich hier vielfach
an Nachahmungseffekte, will etwas nachholen, ohne daß
ein Überholen bisher die Diskussion bestimmen konnte.
Die Chance ist doch da, teilweise unter völliger Neuinterpretation
des Museumsbegriffes, museumsähnliche öffentliche
Institutionen anzustreben, die in den nächsten zwanzig
Jahren eine gesellschaftliche Stellung und Kraft behaupten
könnten, die tragfähiger und offener ist, als die
der schon etwas abgenutzten Prototypen dieser ganzen Entwicklung.
Richtig. Gerade heute bietet sich eine echte Chance.
Wir wissen doch inzwischen zur Genüge, daß Museen,
als bloßes Thema der Architektur, zu Medienereignissen
hochstilisiert worden sind, ohne daß die in diesen Gebäuden
vorhandenen Inhalte noch eine nennenswerte Rolle spielen.
Das hat auch Wirkung gezeigt; kaum war ein halbwegs interessanter
oder skandalisierter Neubau da, sind die Besucherzahlen in
die Höhe geschnellt, selbst wenn es überhaupt nichts
Neues zu sehen gegeben hat. Man darf das nicht nur in seinen
negativen Aspekten sehen, aber diese Phase der musealen Architekturmonumente
gehört überwunden. Eine eklektisch dramatisierte
Inhaltsleere bringt auch die Architektur nicht weiter.
Optimistisch gesehen: Österreich hat schon seit längerem
die Möglichkeit, diverse Entwicklungen und Fehlentwicklungen
zu analysieren. Letztlich auch, um sich von der traditionellen
Kopiermanie zu befreien.
Es müßte doch zu denken geben, daß gerade
in einer Zeit, wo die Wahrnehmung explodiert, weit über
das Sichtbare hinausgeht, wir an einer Vergegenständlichung
lebendiger Kulturformen wie nie zuvor festhalten. Obzwar laufend
neue Museen gegründet werden, beschränkt sich die
Musealisierung längst nicht mehr auf solche Institutionen.
In einer Art museophiler Wahnvorstellung hat die Restaurierung
immer mehr Bereiche erfaßt, die Wiener Innenstadt zum
Beispiel oder die eindrucksvollen Pyramiden- und Tempelruinen
der Majas, die sich - vor wenigen Jahrzehnten noch vom dichten
tropischen Urwald geschützt - heute als phantastische,
sinnentleerte Prachtbauten präsentieren.
Die vorherrschende Politik der systematischen Zurschaustellung
des geistigen und kulturellen Erbes, die Degradierung einst
lebendiger Ideen, Vorstellungen und Mythen zu Ausstellungsobjekten
des Kulturbetriebes ist nicht nur ein zynischer Akt, sondern
läßt auch auf Ängste, hervorgerufen durch
den Verlust von Identitätsspuren oder auf Ängste
einer kulturellen Verarmung schließen.
Daß ausgerechnet von Museen aus gegen Musealisierungstendenzen
der Gesellschaft gekämpft werden soll, ergibt doch eine
sonderbare - vielleicht gerade wegen ihrer offensichtlichen
Unauflöslichkeit interessante - Dialektik, und zwar auf
einer ganz anderen Ebene, als die gängigen Forderungen
nach Verlebendigung des Museums ?
Natürlich. Das Museum, will es nicht lediglich Mumifizierungsanstalt
eines vorgetäuschten Zusammenhanges zwischen erstarrten,
tiefgekühlten Objekten und kulturellen Phänomenen
sein, muß an den Vorgängen in der Kunst teilhaben
- dort die Auseinandersetzung suchen.
Auch eine noch so üppig zur Schau gestellte Retrospektive
eines lebenden Künstlers kommt einer Rekonstruktion,
einer Wiederherstellung, im gewissen Sinn sogar einer Restaurierung
gleich. Etwa an dieser Stelle müssen Überlegungen
zu einer Neuorientierung Platz greifen.
Mir geht es eigentlich mehr darum, den Künstler zu gewinnen,
mit ihm eine Auseinandersetzung zu suchen, ihn gegebenenfalls
zu provozieren.
Ich glaube, gerade heute ist der Prozeß, der Zeitraum
und der Ort, wo möglicherweise Neues entsteht, mindestens
so wichtig, wie das Endprodukt, das Kunstwerk selbst. Einen
Zustand von höchster Komplexität als Grundlage halte
ich heute für das Entscheidende, auch dann, wenn das
gewünschte Ergebnis eine Einengung des Themas, einen
höchsten Verdichtungsgrad zum Ziel hat. In der Architektur
z. B. ist dieser Vorgang ziemlich exakt abzulesen. Das spekulative
Bauwerk beschränkt sich etwa darauf, Komplexität
votzutäuschen. Komplexität, auch das wäre ein
Punkt ...
Jedenfalls wäre es die Aufgabe, völlig neu zu beginnen.
Nicht als bloße Idee, sondern als Notwendigkeit.
Ganz sicher, als Notwendigkeit; als weit über die Museumsssituation
hinausweisende Notwendigkeit, diesen grauenhaften Provinzialismus
zu überwinden, der immer auf das angeblich Internationale
hinschielt und sich in Wahrheit - selbst wenn großes
Bemühen dahintersteckt - immer in einen Starkult flüchtet,
ob das nun die Leitung der Festwochen, eines Museums oder
eines Theaters betrifft. Internationale Koryphäen sollen
uns retten, statt daß man endlich, und das will ich
nicht als Chauvinismus mißverstanden wissen, daran geht,
es Leuten, die aus verschiedensten Gründen nie derartiges
beweisen konnten, und da zähle ich mich ohne weiteres
dazu, zu ermöglichen, von hier aus an diesem Experiment,
das nichts Geringeres ist als gesellschaftliche Entwicklungsarbeit,
mit entsprechender Kraft mitzuwirken. Der Star jedenfalls
ist in den seltensten Fällen ein Experiment. Hier erzeugt
er bloß eine Schicht der Zweitklassigen und seinen Einfluß
hat er ohnedies woanders zurückgelassen, und auch die
Bedingungen, unter denen er groß werden konnte. Ein
anderer Punkt ist, daß man zwar jetzt stattliche Summen
in die bauliche Adaptierung der Museen steckt, aber wider
alle Vernunft nicht bedenkt, daß dies bei Aufrechterhaltung
des Status Quo eine katastrophale Fehlinvestition bedeuten
würde. Ich höre in den Fachkreisen fast nur Geschwätz
über die Vorbildhaftigkeit des Auslandes und jeder der
etwas kritisiert, wird angehalten, irgend ein neues entlegenes
Beispiel zur Kenntnis zu nehmen.
Die gesamte Diskussion um das Messepalast-Projekt ist von
solchen Devisen beherrscht. Ich halte sie für eine Verhöhnung
aller Aspekte, von denen wirklich etwas Neues ausgehen könnte.
Ich glaube nämlich fest, daß etwas Neues möglich
ist, nur sehe ich es im Rahmen der jetzigen Planungen nirgends;
nichteinmal als Anspruch. Denn solange man nicht bereit ist,
den vorhandenen Einrichtungen gewisse Möglichkeiten zuzugestehen,
ist dieses Großprojekt ein bloßes Ablenkungsmanöver,
das sehr viel kostet und letzten Endes bestenfalls eine quantitative
Expansion des Status Quo mit sich bringen wird.
Damit sind wir noch deutlicher als vorhin bei der schmerzlichen
Dialektik zwischen "Reform von oben" und "Reform
von unten". Daß irgendeine Gruppierung ein "Museumskonzept"
zustandebringen könnte, das dann, nach Diskussion und
Adaptierungen, auch akzeptiert und den politischen Maßnahmen
zugrundegelegt würde, glaubt anscheinend kaum jemand.
Ich gehe unverdrossen davon aus, daß die Sachlage weit
weniger kompliziert ist, als dauernd behauptet wird. Über
die grundsätzliche Bereitschaft, in dieser Richtung etwas
zu tun, müssen die Politiker entscheiden. Tatsächlich
wesentlich wäre die Schaffung autonomer Institutionen
mit einer adäquaten Budgetausstattung. Die Reform selbst
kann von Politikern de facto nicht verlangt werden, wegen
ihrer zeitlichen Drucksituation usw. Wenn, wie etwa in der
Verstaatlichten Industrie Sanierungamanager eingesetzt werden
und man ihnen die Zeit der glücklosen Phase, vielleicht
auch die Zeit des angedeuteten Zusammenbruchs und die Zeit
der Regenerationsphase läßt, so kann das durchaus
ein Muster sein, wie bei wie bei den Museen oder in anderen
kulturellen Bereichen vorzugehen wäre. In einer Legislaturperiode
allerdings ist wenig zu machen; und auch das muß einkalkuliert
werden.
Auf die Museumssituation bezogen, kann man nämlich einen
anderen Vergleich nicht so einfach wegschieben: In Österreich
hat es in Zeiten der Monarchie, trotz aller Verengungen und
Kurzsichtigkeiten, in gewissen Bereichen weit mehr "liberale"
Großzügigkeit gegeben, als wir dies heute vorfinden.
Es ist nicht einzusehen, daß wir im Gesellschaftssystem
der 2. Republik, dem wir alle zustimmen, und das wir für
das weit bessere halten, ein Versagen in solchen sensiblen
Bereichen so ohne weiteres hinnehmen.
Nehmen wir zur Initiative "von unten" ein konkretes
Beispiel. Warum kann nicht aus der räumlichen Nachbarschaft
des Österreichischen Museums für angewandte Kunst
und der Hochschule für angewandte Kunst, die noch dazu
durch eine eng verflochtene Geschichte miteinander verbunden
sind, eine neue, übergreifende Struktur entstehen, im
Sinne eines Experimentierfeldes für künftige Möglichkeiten
der Gesellschaft, ohne große Planungen und Bewilligungen
von oben ?
In der unmittelbaren Vergangenheit hat die Hochschule das
Museum dominiert. Seitens des Museums ist darauf mit Abwehreinrichtungen
reagiert worden, es wurden Durchgänge zugemauert, Barrieren
errichtet, man hat sich verstärkt gegen eine Infiltration
verteidigt.
Inzwischen ist wieder begonnen worden, Gemeinsames zu machen
- das war eine Initiative von Oswald Oberhuber und mir - und
ich halte es auch für notwendig, das mit dem jetzigen
Rektor Wilhelm Holzbauer fortzusetzen. Ein Gegeneinander wäre
ja völlig unsinnig. Nur glaube ich nicht an eine Zusammenarbeit
um jeden Preis. Jetzt ist eine Phase notwendig, in der das
Museum zu einer eigenen Identität kommen muß. Das
hat für mich Priorität. Kooperationsbereit werde
ich in jeder Weise sein, aber nicht als Postulat, sozusagen
als politischer Akt, sondern aus der Sache heraus.
Um beim Laborbegriff zu bleiben, der ja auch für das
Museum of Modern Art in New York, wie immer es sich inzwischen
definieren mag, als Leitmotiv verwendet worden ist, stellt
sich die Frage, inwieweit er nicht nur über eine offensive
Ausstellungs- und Veranstaltungstätigkeit einlösbar
ist, die klassische Museumsfunktionen - die ständige
Sammlung, das Restaurieren, Bewahren, Aufarbeiten - in den
Schatten drängt. Die in der Ära Noever realiserte
Kette von Ausstellungen hätte, um es vielleicht überspitzt
zu sagen, auch völlig losgelöst von diesem Museum
in einer Kunsthalle stattfinden können.
Vom Grundsätzlichen her betrifft das die Konkurrenz zwischen
der Arbeit an der Museumssammlung und der Arbeit an Ausstellungen,
die doch für eine Diskussion veränderter Museumsinhalte
generell einen wichtigen Stellenwert haben muß.
Die darin verborgene, schon mehrfach geäußerte
Kritik kann ich sehr einfach beantworten.
Es war in meinen Augen eindeutig notwendig, möglichst
prägnant zu signalisieren, daß ich trotz aller
Wertschätzung der Geschichte dieses Hauses jetzt etwas
anderes will, nämlich eine Umschichtung seiner Prioritäten.
Mit den Sammlungen wäre das in kurzer Zeit nicht möglich.
Sie sind schwerfälliger, in ihren Ausdrucksmöglichkeiten
viel gebremster als speziell konzipierte Ausstellungen. Zugleich
entwickelt sich daraus die Daueraufgabe einer eigenständigen
Themensuche, mit dem Ziel, echte Akzente zu setzen und - trotz
der oft schon sehr beliebigen Benutzung dieses Schlagwortes
- der Anspruch, die Ausstellungstätigkeit in Wien zu
radikalisieren. Ein Hinterhertrotten auf abgegrasten Feldern
des Jugendstils, des Art Deco, ist, nur um irgendwelche Lücken
zu schließen, sehr problematisch geworden.
Wo lassen sich Gebiete aufspüren, in denen Risiko noch
Wirkung zeigen könnte ? So sinnlos die klassische Einteilung
unseres Museums in materialbezogene Abteilungen auf den ersten
Blick auch scheinen mochte, sie stellt sich bei näherer
Diskussion durchaus als echte Möglichkeit heraus. Jedenfalls:
Haltbare neue Überlegungen zu den Sammlungen lassen sich
nicht von Heute auf Morgen entwickeln. Ein erster deutlicher
Einschnitt ist, daß im Herbst 1988 die Abteilung für
Gegenwartskunst provisorisch etabliert und vorgestellt wird,
von der aktuelle Geschehnisse aus einer ganz bestimmten Perspektive
und immer unter Einbeziehung der jeweiligen Künstler
dargestellt werden sollen.
Ein wichtiger nächster Schritt wird das Sammeln und zum
Teil Produzieren essentieller Informationen über bedeutende
Künstler und ihre Projekte sein - jener Künstler,
die als wesentliche Kräfte für diese Zeit bestimmend
erscheinen und sie vermutlich einmal repräsentieren werden.
Darin äußert sich ein gründlicher, wenn man
will wissenschaftlicher Anspruch, der mich zur Frage führt,
welche Nachfolgephasen, die für Museen schon angesprochen
worden sind, den Ausstellungsmoden entgegengesetzt werden
könnte. Kann die Inszenierungsausstellung, der von besorgter
Seite immer Oberflächlichkeit vorgeworfen worden ist,
durch eine Hinwendung zu wissenschaftlicher Gründlichkeit,
durch eine neue Ästhetik der Sorgfalt abgelöst werden
?
Ich glaube in keiner Weise, daß wissenschaftliche Gründlichkeit
der Forderung nach neuen Blickpunkten entsprechen könnte.
Ich vermute, daß solche, gerade in dieser Stadt immer
wieder vehement vertretenen Ansprüche eher Schutzbehauptungen
sind, mit denen latente Unsicherheiten kaschiert werden sollen.
Sicher muß man sich die ganze Inszenierungsfrage, nach
all den Höhepunkten, die uns da geboten worden sind,
sehr konsequent überlegen.
Meine Antwort auf sie ist zur Zeit, daß jede Ausstellung
bewußt und in jedem Fall ein fragmentarisches Ereignis
sein soll. Nicht die Fertigkost, das gesamte Menue, sei es
wissenschaftlich noch so fundiert oder ästhetisch noch
so kulinarisch aufbereitet, liefert den Zugang zu neuen Fragestellungen,
sondern nur die exemplarische offene Frage selbst. Daß
man zugleich den Sinn und Unsinn der ausgebrochenen Ausstellungswut
reflektieren muß, versteht sich dabei fast von selbst.
Die Realität ist jedenfalls, daß Museen hinter
der Ausstellungsflut verblassen, daß sie in diesem Sinn
sehr wohl "Kunsthallen" werden oder bloße
Objektlieferanten, daß sie also um ihre eigene Identität
echt kämpfen müssen. Ausstellungen lassen sich ja
als vergängliches Museum definieren.
Zweifellos ist da dem Museum in den letzten Jahren eine Ebene
davorgestellt worden mit der es sich auseinandersetzen muß.
Holleins "Traum und Wirklichkeit" hat dafür
in Wien und weit darüber hinauswirkend markante Maßstäbe
gesetzt. Die Ökonomie der Entscheidungen für diesen
Weg ist sicher nicht die Zentralfrage. Festzuhalten ist aber
doch, daß mit dem Budget einer einzigen dieser Großausstellungen
unser Museum, dem jährlich etwa 2,5 Millionen Schilling
Budgetmittel für seine Ausstellungen zugeteilt werden,
fast zwanzig Jahre auskommen müßte.
Mit einem derart geringen Budget kommt es zu diesem Gegeneffekt,
daß man einem Thema nicht mehr gerecht werden kann.
Trotz dieser Zwänge gehe ich davon aus, daß Ausstellungen,
mit dem Anspruch einer Art von Gesamtkunsterk, inklusiver
diverser Aus- und Eingrenzungen und Definitionen, tendenziell
eine Gemeinheit gegenüber den einbezogenen Künstlern
sind und in der Überstrapazierung solcher Modelle auch
überholt.
Ein gewisses Maß an Fragilität, an fragmentarischen
Aspekten, wenn man so will auch an Ruinenhaftigkeit, muß
da sein, damit der Besucher zwar angeregt wird, aber gewisse
Dinge für sich selbst weiterführen kann. Ich halte
solche Versuche für wesentlich spannender, als wenn dem
Publikum ein abgerundetes, gleichsam fertiges Produkt vorgesetzt
wird. Wir sind ja kein Ideologieinstitut.
Die Verweigerung einer Neubewertung ist im Museum aber so
oder so nicht möglich. Was immer es tut, ist eine autoritäre
Aussage nach dem Motto "Ich zeig dir was - Du denkst
dir was". Zwischen Vordenken und Nachdenken eine Spannung
zu erzeugen, ohne z. B. verbal im Katalog präzise Standpunkte
oder Reflexionen anzubieten, appelliert stark an Gefühle,
an eine Vagheit, selbst um den Preis extremer Mißverständlichkeit.
Dieses Risiko gehe ich aus Überzeugung ein, denn die
Vorbildhaftigkeit, von der wir eingangs gesprochen haben,
und das Angebot übernehmbarer Standpunkte ergeben für
mich keinen Sinn.
Ein Museum muß positiv und negativ sein, muß laut
und leise auftreten, muß sich dem einen und dem anderen
widmen, mit einem gewissen Maß an Widersprüchlichkeit,
damit das Ja und das Nein periodisch in ein Gleichgewicht
kommen. Ich lehne alle diese klassischen Wertungen von Gut
und Böse ab.
Entscheidend ist, daß neue Informationen entstehen können,
als offener, kontroversieller Prozeß. Dafür ist
der Künstler selbst sehr wichtig.
Deswegen sehe ich unser Museum auch als Wohnstatt für
Künstler, als Gästehaus, als Werkstatt. Bernard
Rudofsky hat für seine Ausstellung hier ein ganzes Jahr
verbracht, Alfons Schilling ist aus New York direkt in unser
Haus übersiedelt, Günther Domenig wird hier über
sein Steinhaus reflektieren und Walter Pichler wird im Museumsgarten
bauen.
Daraus soll kein System werden, immer aber ergeben sich überraschende
Gesichtspunkte, weil etwas anderes herauskommt, als beim üblichen
Ausstellungsbetrieb.
Ich lege auch den größten Wert darauf, daß
ein Künstler keinen Groschen für seine Ausstellung
zu zahlen hat. Denn andernfalls würde das Museum sukzessive
zur Hure. Selbst das Guggenheim Museum hat keine Hemmungen,
mehrere Millionen Schilling für eine 1989 geplante Arnulf
Rainer-Ausstellung einzufordern.
So ist das eben: Die meisten Museen tun so, als ob es ohne
Museen keine Künstler gäbe.
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Peter Noever, Designer
und Museumsdirektor
geb. 1941 in Innsbruck. Lehrbeauftragter für "Design-Analyse"
an der Akademie der bildenden Künste in Wien (seit
1975), Herausgeber der Architekturzeitschrift "Umriss",
seit 1986 Direktor des Österreichischen Museums
für angewandte Kunst in Wien.
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