Trocken, also emotionslos, kühl, unromantisch betrachtet,
widmet sich der Sammler der Zusammenstellung >natürlicher
oder künstlicher Gegenstände, die zeitweilig oder endgültig
aus dem Kreislauf ökonomischer Aktivitäten herausgehalten,
auf besondere Weise geschützt und ausgestellt werden, damit
sie den Blick auf sich ziehen<. Grundformen solchen Strebens
gehen - so Krzysztof Pomian in >Der Ursprung des Museums<
(1988) - auf die Wertschätzung von Grabbeigaben, Opfergaben,
Raritäten, Reliquien, Tributleistungen und Beutestücken zurück.
In der Praxis konnte das nur bedeuten, daß die Musealisierung
von Objekten zuerst ein Anliegen von Hinterbliebenen, von
Erben und von Bewohnern des Jenseits gewesen ist, dann von
Grabräubern, immer auch von Priestern, Gläubigen und Pilgern
und von siegreichen Kriegern und ihren Kumpanen. Wenn das
so stimmt, läßt sich das Interesse für >Gegenstände ohne Nützlichkeit<
von solchen archetypischen Verhaltensweisen herleiten. Offensichtlich
ist es auch ohne derartige Bezüge, daß es vom Spielraum abhängt,
den eine Gesellschaft dafür einräumt, inwieweit Dinge zu Zeichen
werden, die - mit fluktuierender Bedeutung - als >Vermittler
zwischen den Betrachtern und dem Unsichtbaren< gelten.
In einer Geschichte der Konjunkturen bestimmter Formen von
Kompensation und Differenzierung könnte das Sammeln jedenfalls
einen signifikanten Platz einnehmen. Die Hin- und Herwendungen
zwischen Bewahren und Zerstören, zwischen Wertschätzung und
Vergessen bezeichnen charakteristische Tendenzen der Vorlieben
und Urteilskräfte. Das Sammelobjekt ist dabei ein Beweismittel,
manchmal dient es bloß als solches. Beweist es Kennerschaft,
wirkt es als Erkennungszeichen. Unzugehörige bleiben ausgeschlossen.
Kommunikative Unterschiede dieser Art gelten als Ausdruck
von Verfeinerung und Bekräftigung sozialer Hierarchien. Die
Scheu vor einem unmittelbaren, subjektiven Herangehen an die
Dinge mündet in Geziertheit. Vermutungen, welchen Mängeln
das Sammeln abhelfen, welchen Ausgleich es erzeugen soll,
verlieren sich in der Vielfalt der Motive. Was fehlt erhält
oft mehr Bedeutung als Vorhandenes. Gegensätzliches, Nichtzueinanderpassendes
bestärkt Fragen nach existierenden Vorurteilen und nach Vorstellungen
von Zugehörigkeiten, Strukturen, Formen, Aussagen.
Im Nebeneinander von (kultureller) Armut und Überfluß muß
Besonderes und Seltenes in Sammlungen geschützt werden, aus
Angst vor dem Verlust, als Metapher für Bewahrung und Stillstand.
Geschwindigkeit wird negiert, Neues durch Einordnen beruhigt.
Selbst Michael Thompsons >Theorie des Abfalls< (1982), nach
der alle Kultur sich aus dem Müll ihrer Vorgängerin regeneriert,
nach der nur diejenigen Produkte latent wertvoll werden, die
einmal das Stadium des Weggeworfenwerdens durchgemacht haben,
wirkt angesichts der allgemeinen Beschleunigung bereits ziemlich
behäbig. Inwieweit sich dennoch im etwas >Zusammenbringen<
Verwandtschaften mit schöpferischen Akten ausdrücken können,
dürfte sehr viel mit den feinen Unterschieden zu tun haben.
Der Sammler kann sich Nüchternheit erlauben oder sich in
seine Besessenheit verlieben; solange er sein eigenes Geld
ausgibt und im Hintergrund bleibt, wird ihm viel verziehen.
Der Sammler ist ein Monteur, dem es unter Umständen gelingt,
ein Ganzes herzustellen, das mehr ist, als die Summe vereinigter
Teile. Der Sammler greift in das Spiel der Kräfte ein, weil
er im Kampf gegen die Vereinzelung und Zerstreuung Beziehungen
herstellt, weil er Gewichte verteilt, weil er sich für etwas
einsetzt und am Durchsetzen mitwirkt. Der Sammler wird, wie
jeder Mächtige, falsche Informationen bekommen, sobald das
um ihn wuchernde System von Abhängigkeiten seine Schmeichelschwellen
errichtet hat. Durch Anonymität kann er sich vor Schaden schützen
und unbeachtet Risiken, die ihm Freude machen, auf sich nehmen.
Die Société Anonyme wiederum, die Welt der Kapitalgesellschaften
(und Bürokratien), muß den Vorgang des Sammelns erst Personifizieren
und von vorneherein geeignete Wege in die Öffentlichkeit suchen.
Entscheidungsprozesse verlaufen dabei anders als gewohnt,
Autonomie und die Anwendung fremder Kriterien herausfordernd.
Die Unsicherheit dabei ist offenbar wieder gefragt, gleichsam
als Gegenpol zum sich allseitig Versichern. Auch beim Sammeln
sind Ergebnisse wichtiger als Motive; Neugier, Respekt und
Distanziertheit brauchen Erprobungszonen. Die üblichen, austauschbaren
Signale von >Modernität< entwerten sich von selbst, ohne mit
imaginären Höhen der Zeit in Berührung zu kommen. Kompensiert
wird diese Unfähigkeit zu prägendem Eingreifen durch Überbietungsrituale.
Verlaß ist darauf, daß mit den Preisen auch die Aufmerksamkeit
steigt. Nicht bezifferbare Unterschiede werden nebensächlich,
im Wettbewerb der Profilierung dominieren Ähnlichkeiten und
Ersatzhandlungen. Ein Ausscheren aus dieser eintönigen Spirale
ist von Fragen nach dem intelligenten Einsatz von Sozial und
Adventure-Kapital abhängig und von Überlegungen darüber, welche
Dimensionen dem strapazierten Begriff der Herausforderung
zuzumuten sind. Mit Milton Friedmans strengem Schlüsselsatz
aus >Capitalism & Freedom< (1962) würde sich jedenfalls mehr
vertragen, als eine enge Interpretation nahelegt; sagt er
doch nichts anderes, als daß in einer freien Wirtschaft das
Unternehmen nur eine einzige soziale Verantwortlichkeit hat,
>nämlich seine Mittel solange für wachsende Gewinne einzusetzen,
als die geltenden Spielregeln nicht verletzt werden.< Angelpunkte
sind also die >Spielregeln< und jene Veränderungsimpulse,
die zur Ausgestaltung multikultureller Gesellschaften
wirksam werden.
Selbst die Wertschätzung bestimmter Zeichen bräuchte nicht
zwingend nach dem simplen, von Krzysztof Pomian resümierend
beschriebenen Schema abzulaufen: >Sobald sich eine bestimmte
Kategorie von 'Zeichenträgern' in den Sammlungen des intellektuellen
und künstlerischen Milieus verbreitet, beginnen auch die Mächtigen
und die Reichen sich dafür zu interessieren. So wird ein Mechanismus
in Gang gesetzt, durch den vormals geringgeschätzte Gegenstände
oder sogar Abfälle in 'Zeichen-träger' verwandelt werden.<
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Brigitte Kowanz: ohne Titel, 1988.
Acryl, Glas, Halogenlampe. 100 x 162 x 70 cm
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