INHALT
Peter Noever: Zum Thema
Christian Reder: Vorwort
Zusammenfassung der Ergebnisse
Aktionskatalog
Auftrag und Arbeitskonzept
1 Der Ansatzpunkt: Offensive Museumsarbeit
2 Tendenzskizze
3 Konzept für ein Dienstleistungsprogramm
Ausgangslage
Resonanz
Zielgruppen
Öffnungszeiten
Budgetsituation
Planungsstand
Standort
Entwicklungsmöglichkeiten
Besuchereinrichtungen und Informationsdienste
- Buch- und Kunsthandlung
- Verlagstätigkeit
- Verkaufsausstellungen
- Café-Restaurant
- Informationsdienste, Film, Video, Bibliothek
- Sonderveranstaltungen und Tourismus
- Sommerakademie, Museumspraktikum
Spezialdienste
- Fund Raising, Sponsorship-Kooperationen
- Leihgaben
- Beratungsdienste
- Restaurierung und Werkstättendienste
4 Management, Organisation, Rechtsfragen
5 Rahmenbudget für resonanz- und einnahmensteigernde Dienstleistungen
6 Kriterien für die analoge Nutzung in anderen Museen
Informationsgrundlagen
Biographische Angaben
Auszüge
ZUSAMMENFASSUNG DER ERGEBNISSE
(1) Das Österreichische Museum für angewandte Kunst unterscheidet
sich durch seine, auf Gegenwartskunst und Produktkultur gerichteten
Zielsetzungen, die angelaufene Neustrukturierung und die Neuinterpretation
des Gründungsgedankens deutlich von den anderen Bundesmuseen.
Unter den gegebenen Bedingungen können nur durch den Ausbau
einer Parallelorganisation - der ,Gesellschaft für Österreichische
Kunst / Austrian Art Society' - jene Initiativmöglichkeiten
geschaffen werden, die für eine offensive Museumsarbeit und
die erforderliche Ausweitung des Dienstleistungsspektrums
notwendig sind.
(2) Diese (1986 gegründete) Einrichtung hat als Managementgeselischaft
für Kooperationsprojekte Aufgaben zu übernehmen, die im Rahmen
des ,Normalbetriebes' nicht, oder nicht in wirkungsvoller,
rationeller Weise erfüllt werden können. Sie unterstützt also
unter ungeteilter Gesamtverantwortung des Direktors das Museum
bei der Erfüllung seiner öffentlichen Aufgaben. Ihre privatwirtschaftliche
- nach Reformen grundsätzlich wieder reintegrierbare - Organisationsform
beruht auf reinen Praktikabilitätsüberlegungen.
(3) Diese Konstruktion ordnet sich in generelle Entwicklungserfordernisse
ein, nach denen es notwendig ist, auf drei Strukturebenen
eine inhaltlich-budgetär-organisatorische Neuorientierung
zu verfolgen; also mit Blick auf:
- das Museum als öffentliche Institution (Überdenken der
Aufgabenstellung, der Ausstellungspolitik, der Konzeption
der einzelnen Sammlungen; Gewichtung von Funktionsveränderungen
und der Beziehungen zwischen Sammeln, Bewahren, Erforschen,
Vermitteln; politische Neubewertung der Museen im Rahmen
der staatlichen Aufgabenerfüllung)
- das Museum als Betrieb (Schaffung der Voraussetzungen
für eine weitgehend autonome Betriebsführung: Planungs-
und Budgettransparenz, bereichs- und projektorientierte
Kostenrechnung und Organisation, Verfügungsrecht über eigene
Einnahmen; Aktivierung von Initiative durch Abgrenzung des
Museums als Wirtschaftskörper von den Bürokratisierungszwängen
in jeder ‚nachgeordneten Dienststelle' und durch Entwicklung
eines wirksamen betrieblichen Instrumentariums)
- das Museum als Zentrum eines Kooperationsnetzwerkes (Erweiterung
der Aufgabenfelder, der gesellschaftlichen Wirksamkeit und
der Budgetflexibilität durch angekoppelte privatwirtschaftliche
Organisationsformen - wie sie in spezifischer Form für und
durch den Verein Gesellschaft für Österreichische Kunst/
Austrian Art Society' zu verwirklichen sind).
(4) Auf dieser dritten Ebene - die Gegenstand der vorliegenden
Studie ist - ergibt sich die hinreichend gesicherte Perspektive,
daß sich unter bestimmten Voraussetzungen die extensive, der
Neuorientierungskonzeption entsprechende Ausweitung der Museumsaktivitäten
aus realistischen Sponsorbeiträgen und aus Zusatzeinnahmen
finanzieren läßt.
(5) Die Gesamt-Ökonomie des Museums hätte dem entwickelten
Ziel-Budget zufolge bei laufendem ‚Normalbetrieb' (auf Preisbasis
1986/87) etwa folgende Struktur:
18 Mio. öS.
7 Mio. öS.
|
Personalaufwand des Museums
Sachaufwand des Museums
|
29 %
11 %
|
25 Mio. öS.
|
Basiskosten des Museums (1986)
|
40 %
|
10 Mio. öS.
1 Mio. öS.
13 Mio. öS.
14 Mio. öS.
|
Planungsforderung des Museums:
Ausstellungsbudget Museum
Werbebudget Museum
Planung privatwirtschaftlicher Bereich:
Ziel-Budget ‚Gesellschaft'
Inkl.:
1,5 Mio öS. Basisbudget Publikationen
Umsätze direkter Kooperationspartner
|
16 %
1 %
21 %
22 %
|
63 Mio. öS.
|
Total
|
100 %
|
(6) Können also die Prämissen der vorgelegten Konzeption
erfüllt werden, läßt sich mit einem gegenüber 1986 um öS.12,5
Mio erhöhten Budget (für Ausstellungen, Werbung, Publikationen)
das Aktivitätsvolumen insgesamt von öS 25 auf öS 63 Mio. steigern.
Unter fiskalischer Einrechnung von rd. öS 3 Mio. zusätzlicher
Einnahmen des Museums (Eintrittsgelder), rd. öS 3 Mio. rückfließender
Steuerleistungen und der sonst anfallenden Kosten für die
Schaffung von 10 bis 15, das Museumsbudget nicht belastender
Arbeitsplätze, senkt sich der als Multiplikator wirkende Mitteleinsatz
noch entsprechend.
(7) Ein Faktum ist, daß sich ohne eine budgetär-planerisch
gesicherte Möglichkeit zur kontinuierlichen Erhöhung von Reputation
und Anziehungskraft, die Besucherzahlen von derzeit 70.000
nicht auf anzustrebende 150.000 bis 300.000 steigern lassen.
Erst damit würde aber ein - auf Gegenwartskunst und Produktkultur
ausgerichtetes - Umfeld entstehen können, das für kostendeckende
bzw. ertragbringende flankierende Dienstleistungen, wie Buch-
und Kunsthandlung, Verlagstätigkeit, eigene Produkt-Editionen,
Verkaufsausstellungen, Café-Restaurant, Film- und Video-Studio
oder Sonderveranstaltungen die entsprechenden Angebots- und
Nachfragebedingungen herstellt. Auch eine sich vom ‚Fund Raising'
zu ‚Sponsorship-Kooperationen' entwickelnde Beteiligungsbereitschaft
(von der das Osterreichische Museum für angewandte Kunst bzw.
die ‚Gesellschaft' summenmäßig z. Z. 1/3 im privaten und 2/3
im öffentlichen Bereich aktivieren kann) wird sich erst im
Rahmen einer solchen Funktionsvielfalt dauerhafter integrieren
lassen.
(8) Der Aufwand von öS 280 Mio. für die beschlossene Generalsanierung
würde zur Fehlinvestition werden, wenn nicht als Konsequenz
auch eine geordnete Betriebsführung mit entsprechenden Budgets
für Ausstellungen, Ankäufe, Publikationen, Öffnungszeiten
und daran anknüpfende Zusatzinitiativen ermöglicht wird. Die
bisherigen Budget-, Sponsor- und Kooperationsimprovisationen
werden sich in ihrer erzwungenen Planlosigkeit auf Dauer nicht
im Sinne einer glaubhaften Neuorientierung und Profilierung
durchhalten lassen.
(9) Damit nach Jahren der Defensive die gesellschaftliche
Wirksamkeit erhöht und eine internationale Akzeptanz erreicht
werden kann, müssen signifikante Ausstellungen konzipiert
und vorausplanbar werden (unter Vermeidung gerade verfügbarer
Gefälligkeitsausstellungen). Da das Österreichische Museum
für angewandte Kunst im Unterschied zu praktisch allen anderen
Wiener Museen schon jetzt über relativ große Sonderausstellungsflächen
verfügt und seine auf Eigenkonzeptionen ausgerichtete Ausstellungsstrategie
bereits anläuft, ist es für eine solche Vorgangsweise geradezu
prädestiniert.
(10) eiche ökonomische Dynamik mit vergleichsweise geringen
Mitteln in Gang zu setzen ist, zeigt sich unter anderem an
den Umsätzen, die nach dem Ziel-Budget von externen - in bestimmten
Fällen leistungsfähigeren - Partnern schon in einer ersten
Phase erzielt werden können:
Buch- und Kunsthandel
Verlagskooperationen
Café-Restaurant
Total öS.
|
öS. 5,0 Mio.
öS. 3,7 Mio.
öS. 5,0 Mio.
öS. 13,7 Mio.
|
(11) Fast gleichhoch sind die mittelfristig realisierbaren,
ausreichende Kalkulationsreserven beinhaltenden Umsatzziele
der ‚Gesellschaft für Österreichische Kunst / Austrian Art
Society':
Verpachtungen
Publikations- und Produkt-Editionen
Verkaufsausstellungen
Projektfinanzierungen, Mitgliedsbeiträge
Andere Aktivitäten
Total
|
öS 0,6 Mio.
öS 3,6 Mio.
öS 1,9 Mio.
öS 3,2 Mio.
öS 3,6 Mio
öS 12,9 Mio.
|
(12) Daß vom Museum allein während der letzten Jahre nur
Jahreseinnahmen zwischen öS 160.000,- und öS 270.000,- erzielt
worden sind (ohne Spenden), von der ‚Gesellschaft' 1987 jedoch
bereits öS 5,4 Mio., dokumentiert prägnant, welches resonanz-
und einnahmenbezogene Potential in diesem für Kunst und Industrie'
gegründeten Haus brach liegt, solange nicht für Zusatzaktivitäten
tragfähige Grundlagen geschaffen werden.
1 DER ANSATZPUNKT OFFENSIVE MUSEUMSARBEIT
Alle seine Aktivitäten sind Ausdruck des Selbstverständnisses
eines Museums. Wie die zentralen Museumsfunktionen - nach
derzeitiger Konvention: Sammeln, Bewahren, Erforschen, Vermitteln
- inhaltlich interpretiert und gewichtet werden, bestimmt
im Kern die Identität eines Hauses. Prägnanter als über diese
Daueraufgaben wird sie in Projekten dokumentiert und medial
verbreitbar (Sonderausstellungen, Veranstaltungen, Kataloge,
Forschungsvorhaben). Auffächerung und Niveau zusätzlicher
Serviceeinrichtungen schließlich vervollständigen die miteinander
verflochtenen öffentlichen Funktionen. Sie insgesamt repräsentieren
die Haltung gegenüber der Öffentlichkeit und dem Besucher
- als Summe von Eindrücken und ‚Bildern', die sich vage oder
markant, fragmentarisch, geplant oder ‚selbstverständlich'
zur Reputation eines Museums (bzw. zur ‚Corporate Identity')
formen.
Bestimmend sind insbesonders die generelle Konzeption, die
räumlich-bauliche Situation, die Sammlungsqualität, die Ausstellungspolitik,
die Informationsbereitstellung, die mediale Präsenz, Verhalten
und Ausbildungsstand des Personals, die Öffnungszeiten oder
Einrichtungen, die den Aufenthalt insgesamt anregender gestalten.
Identität ist nur bei sehr oberflächlicher Betrachtungsweise
eine Stylingfrage, nachhaltig wirksam wird sie gerade bei
öffentlichen, in ihren Werbemaßnahmen limitierten Institutionen
erst über Arbeits- und Kommunikationsprozesse, die Eigenständiges,
Besonderes, Unverwechselbares erkennbar machen. Abgesehen
von höher gewordenen Standards für einen funktionierenden
Museumsbetrieb (Besuchereinrichtungen, Informationsarbeit)
sind also Trends (von der Art der baulichen Adaptierung über
die Sammlungsangleichung bis zu Ausstellungsthemen) eher kontraproduktive
Leitlinien.
Der internationale Boom bei Museumsbauten und Großausstellungen
wird in eine - inhaltlich noch zu erarbeitende - Nachfolgephase
münden; sie ideenreich mitzugestalten könnte gerade für österreichische
Museen der Schwerpunkt jetzt abzusteckender Aufgabenfelder
sein.
Ihr Nachholbedarf in bezug auf einen ‚Normalbetrieb' (Öffnungszeiten,
Besuchereinrichtungen, Organisation, etc.) ist zwar unverkennbar,
aber nicht mit schlichtem Zwang zur Nachahmung gleichzusetzen.
Die in Bewegung geratene Diskussion über die Rolle der Museen
kann hier in Kürze nicht zusammenfassend abgehandelt werden.
Als Arbeitshypothese werden drei Museumsfunktionen in den
Vordergrund gestellt, die gerade für das Österreichische Museum
für angewandte Kunst wegen seiner pointiert-selektiven Konzeption
(Produktionsbezüge, Verkaufsausstellungen, Utopie-, Gegenwarts-
und Traditionszusammenhänge) von ganz besonderer Bedeutung
sind:
- Den Blick schärfen, die Wahrnehmungsbereitschaft herausfordern;
gegenüber gegenwärtigem und vergangenem Geschehen und dessen
Ausdrucksweisen. Die Weit, Weltbilder, Arbeitsfelder und
Fragmente davon neu sehen, neu interpretieren.
- Das öffentliche Klima mitprägen; markante Positionen zur
Diskussion stellen, in die Diskussion eingreifen. Widerstand
leisten, Erinnerungen befragen. An einem offenen Kulturbegriff
arbeiten.
- Das Museum als Ort aufwerten; als Veranstaltungsort ‚philosophischer
Ort', Aufenthaltsort, als durch Würde, ‚Patina' und Initiativen
anziehender Ort, als über seine eigenen Grenzen weit hinausweisender
Ort.
Konkret auf das Österreichische Museum für angewandte Kunst
bezogen lassen sich aus bisherigen Absichtserklärungen der
neuen Direktion folgende Präzisierungen der angestrebten Linie
zusammenfassen:
- Um dem Gegenwartsbezug, der sich vor allem in Ausstellungen
und diversen Veranstaltungen manifestiert, wieder gerecht
zu werden, muß sich das Museum inhaltlich sowie strukturell
neu organisieren und definieren. Notwendig sind, abgesehen
von der längst erforderlichen Generalsanierung, bauliche
Adaptionen, die die nötigen Organisationsformen und technischen
Ausstattungen erst ermöglichen. Alle diese geplanten Maßnahmen
haben eine wesentliche Verbesserung der Raumausnutzung,
eine Vergrößerung der Ausstellungs- und Depotflächen und
eine Optimierung der Arbeitsbedingungen zum Ziel.'
- Das österreichische Museum für angewandte Kunst steht
heute nach über hundertjähriger Geschichte am Beginn einer
Neuordnung, deren Ziele zu definieren sind:
- Gegenwartsbezug
- Aktualität
- Lebendigkeit
- Verbesserung der Information
Der Gegenwartsbezug ergibt sich aus einer inhaltlichen Neuorientierung
der Sammlungs- und Ausstellungstätigkeit.
- ‚Die Lebendigkeit soll gefördert werden durch häufigen
Wechsel der Schausammlung je nach Themen und durch eine
Vielzahl anspruchsvoller Sonderausstellungen und VeranstaItungen.
Die Öffentlichkeitsarbeit muß mit gezielten und interessanten
Informationen über die Aktivitäten des Museums berichten.'
(Peter Noever: Perspektiven zur Neuordnung.
In: Bestand und Neuordnung. Studie über die Raumnutzung
des Österreichischen Museums für angewandte Kunst. Forschungsauftrag
des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung, Wien
1986; Seite 57, 58)
Aus dem Grundkonzept der neuen Direktion (Peter Noever: Gedanken
zum Österreichischen Museum für angewandte Kunst, Wien 1985
und Zurück zur Gegenwart, in der Informationsschrift des Museums,
Wien 1986) sind in diesem Zusammenhang insbesonders noch folgende
Aussagen anzuführen:
- ‚Heute, wo die Aufarbeitung der österreichischen Kultur-
und Geistesgeschichte im Mittelpunkt steht, ist es umso
wichtiger, den kreativen Kräften der Gegenwart jede denkbare
Chance zu geben, sie herauszufordern, und ihnen jene Möglichkeiten
einzuräumen, die für ihre Entfaltung und Wirkung erforderlich
sind. Gerade dieser bedeutende Aspekt wird gegenwärtig von
den Museen vernachlässigt. Die Aufgabe des Österreichischen
Museums für angewandte Kunst wird es sein, sich als neuen
Typus zu begreifen, neue Einsichten zu vermitteln und somit
die bisher kaum wahrgenommenen Aufgaben, wie die Auseinandersetzung
mit Kunstwerken unserer Zeit und den Dialog mit Künstlern,
in den Vordergrund zu stellen.'
- Eine weitere Zielsetzung dieses Museums ist es, unterschiedliche
Themen in ein komplexen Zusammenhang zu stellen und damit
die Wirkung von Gestaltung, Objektalltag, Verpackung, Werbung,
schöpferischer und ästhetischer Qualität in einer den jeweiligen
Themen entsprechenden Weise überzeugend sichtbar zu machen.'
- Aus der Definition der Museumsaufgaben könnten sich Themen
wie folgt ableiten: Neue Wohnformen und deren Gestaltung
/ Komplexe Verschiedenartigkeit von GestaItung als bestimmender
Faktor unserer Umwelt / Objekt-Alltag geformt durch Design
/ Illusions-Design / Mode-Produkte / Design als Indikator
und Ausdrucksmittel kultureller Entwicklung / Vertriebssysteme
bestimmen Art und Ästhetik von Produkten / Gestaltung: Das
vielschichtige Verhältnis zur Welt der Gegenstände / Waren-Ästhetik
und individuelle Probleme / Ökologie und Umwelt / Die zeitlose
Qualität der Dinge / Das Industrieprodukt als Identifikationsmittel
/ Kollektive Nostalgie / Utopie versus utopische Symbole
/ Kitsch als Auflehnung gegen das Massenprodukt / Die Seele
von Industrieprodukten / Design als Ausdruck sozialer Beziehungen
/ Der Einfluß des Industriedesigns auf die Arbeitswelt /
Design als zentrale Kategorie.'
- Aufgabenstellung und Ziel des Museums: ein vitaler Ort
der Informationsvermittlung und Demonstration aller mit
einer gegenwartsbezogenen Produktkultur verbundenen Aktivitäten'
- ,ein Zentrum zeitgemäßer Orientierung, Information, Anregung
und Begegnung'.
Weitere Interpretationen der Neuorientierungs-Philosophie
sind in exemplarischen öffentlichen Einzelaussagen getroffen
worden:
- ‚Es ist die Aufgabe dieses Hauses, Stellung zu beziehen,
auch dann, wenn diese für viele als unbequem empfunden wird.'
- ‚Aus der Zeit heraus die Zeit zu begreifen und zu definieren
ist natürlich unvergleichlich schwieriger und komplizierter,
als sich auf kunsthistorisch fixierte Kategorien zurückzuziehen.
Die Museumsarbeit unseres Hauses muß sehr wohl experimentelle
Züge aufweisen und Neuland miteinbeziehen. Das alles ist
in den letzten 50, 60 Jahren absolut nicht passiert. Wenn
die museale Komponente überwiegt, wenn das Kunstobjekt nicht
mehr in Frage gestellt werden kann - dann ist dies im höchsten
Maße verfänglich, dann wird dem Kunstwerk die eigentliche
Kraft geraubt. Das Österreichische Museum für angewandte
Kunst verstehe ich als Kunstmuseum im weitesten Sinn.'
- ‚Die Vorbildhaftigkeit, wie bei der Gründung angestrebt
und auch erreicht, wäre heute sowohl gedanklich als auch
im Sinne konkreter Maßnahmen unsinnig. Dafür ist zuviel
in Bewegung, das Brüchige, das Bruchhafte, der Verlust an
Glaube und zum Teil auch an Hoffnung ist allerorts zu erkennen.
Wir müssen Fragen stellen, dürfen nicht müde werden, dies
immer neu zu formulieren ... gerade indem wir den Blick
auf aktuelle Kunstströmungen - vor allem in Grenzbereichen
- lenken. Man muß sich eben die Frage stellen, was ist angewandte
Kunst' heute ?'
- ‚Gerade in Wien ist es mir im Bereich der Architektur
wichtig, erstarrte Gedankenmuster aufzubrechen, an tabuisierten
Formen zu kratzen, also etwa das Spannungsfeld zwischen
der gegenwärtigen Bautätigkeit und dem Anspruch von Architektur
- beides findet ja bekanntlich völlig unabhängig voneinander
statt - stärker zu beleuchten. So scheint es mir unumgänglich,
den Themenkreis Produktkultur, Industrial Design ein wenig
anders als allgemein üblich zu behandeln. Interessanter
als das Ergebnis, das fertige Produkt, erscheint mir, Fragen
grundsätzlicher Natur aufzuwerfen, bestehende Formen in
Frage zu stellen.'
- ‚Sich an der sogenannten Durchschnittsöffentlichkeit zu
orientieren, halte ich genauso für bedenklich, wie einen
Publikumserfolg von vorneherein in die Überlegungen zu allen
Ausstellungen einzubeziehen. Das soll nicht heißen, daß
ich Publikumswirksamkeit nicht wichtig fände, jedoch lehne
ich dies als Ausgangspunkt für anständige Ausstellungsarbeit
ab.'
- ‚Ein erklärtes Ziel ist es, die starren Sammlungen des
Hauses unter immer wieder veränderten Gesichtspunkten zu
verwenden.'
- ‚Die Haltung und der Gesichtspunkt sowohl bei Ausstellungen
wie auch bei Ankäufen für die Sammlung des Museums müssen
ident sein. Auch geht es mir darum, in Hinkunft Ausstellungen
mit bzw. über Künstler zu veranstalten, bei denen Objekte
für die Sammlung zurückbleiben. Der Maßstab, den man anlegt,
muß eben für beides im gleichen Maße Gültigkeit haben, da
nur so eine kompakte Einheit entsteht und sichtbar wird.
Daran wird man letzten Endes meine Arbeit auch messen und
beurteilen können.'
- ‚Meine Aufgabe sehe ich in der Auseinandersetzung mit
der Kunst, ihren Entwicklungen, den Künstlern, aber nicht
mit den Bürokraten, der Bürokratie und der Huldigung leerer
Rituale. Kunst und Bürokratie lassen sich nie miteinander
verbinden.'
- ‚Ich glaube, die Vermengung mit allem und jedem führt
dazu, daß nichts mehr für etwas steht. Wenn sich jemand
vergnügen will, dann gibt es genug Möglichkeiten. Kunst
ist nicht zum Vergnügen. Man kann natürlich sagen, jedes
Mittel ist recht, um möglichst viele Leute an die Kunst
zu führen, nur glaube ich, daß das dann mit Kunst nicht
mehr zusammenhängt und auch diese Leute nicht mehr das Empfinden
haben, vor einem Kunstwerk zu stehen. Ich glaube, die Suche
nach dem Wesen der Kunst setzt Ruhe voraus, Ruhe, sich mit
dem Kunstwerk auseinanderzusetzen, setzt überhaupt die Bereitschaft
und das Verständnis voraus.'
- ‚Es gibt Ausstellungen, deren Atmosphäre die Besucher
erfreut, also ein Ausstellungserlebnis, das anregt ohne
zusehr auf Details einzugehen. Andererseits gibt es Ausstellungen,
wo es darum geht, bei einzelnen Objekten etwas für sich
selbst zu entdecken. Das sind völlig verschiedene Grundlagen
mit verschiedenen Voraussetzungen, denen Rechnung zu tragen
ist.'
- ‚Ich persönlich finde die modische Attitude, Museen gleich
Supermarkets auszustatten, also die Zentralisierung bestimmter
Themen bzw. Epochen an einem Ort, im höchsten Maße problematisch.
Die Geschichte jedes Hauses birgt ein Geheimnis in sich
und ermöglicht es dem Besucher, die Entwicklung an Hand
der Sammlungen nachzuvollziehen und dem spezifischen Charakter
des Hauses auf die Spur zu kommen. Das unterscheidet letztlich
auch europäische von amerikanischen Museen. Wenngleich ich
immer bereit bin, gegen die Tradition anzukämpfen, halte
ich sie in diesem Fall für richtig.'
(Peter Noever in Grundsatzgesprächen
mit Gottfried Fliedl, Falter, Wien, Nr. 21/1986 und Kulturjahrbuch
5, Wien 1986)
Von den Feststellungen über Pläne, Vorgaben und Absichten
her gesehen, verfügt das Österreichische Museum für angewandte
Kunst also über eine vergleichsweise sehr dezidiert formulierte
Konzeption - durchaus im Sinne deutlicher Ziele für den Neuorientierungsprozeß
in einer öffentlichen Institutionen.
Signifikant daran ist die gleichsam antizyklische Strategie:
- Nicht die akzeptierten Stärken des Museums (etwa die berühmte
Teppich- oder Jugendstilsammlung) werden in den Mittelpunkt
weiterer Bemühungen gestellt
- sondern ausdrücklich eklatante bisherige Schwächen, eben
die Gegenwartskunst und der Gegenwartsbezug.
Die Neuorientierung soll also eine völlig neue Balance zwischen
diesen beiden Ebenen schaffen, ein vom bisherigen stark abweichendes
Profil - und zwar unter schrittweisem Aufbau von nicht oder
erst rudimentär vorhandenen Ressourcen (seien es Sammlungen,
die Infrastruktur, organisatorische und budgetäre Voraussetzungen).
Zug um Zug mit der Konsolidierung dieser Veränderungsphase
werden die traditionellen Stärken des Museums wieder gleichrangige
Bedeutung erhalten müssen.
Eine analoge Polarität ergibt sich aus der zentralen Betonung
der Kunst:
- Das Museum wird als Kunstmuseum im weitesten Sinn' verstanden
- nicht als ein ‚Museum für Kunst und Industrie' oder als
‚Kunstgewerbemuseum'.
Künstlerische Arbeits- und Denkweisen sollen den Ausgangspunkt
für weiterreichende gesellschaftliche Bezüge bilden. Feststellungen
und Fragen erhalten Vorrang vor museal-verbindlichen Antworten.
Diese Präzisierungen der gedanklichen Konzeption verdeutlichen
zugleich, daß mit bloßen Funktionsmodellen - ‚Das Museum'
plus Ausstellungen, Museumsshop, Cafeteria, etc. - der Ausbau
von Informations- und Dienstleistungsaufgaben erst dann kalkulierbar
gemacht wird, wenn er auf die generellen Entwicklungsvorstellungen
und die Prämissen für eine entsprechende budgetäre Beweglichkeit
abgestimmt ist.
Eine neukonzipierte Dienstleistungsstruktur, die nicht auf
die angestrebte Linie des Museums ausgerichtet wird, könnte
bloß additiv hinzugefügte Organisationseinheiten festlegen.
Das Konkrete am zusätzlichen Angebot wäre dann einer Ausgestaltungsphase
vorbehalten, mit allen Risiken kontraproduktiver Entwicklungen.
Soll ein in seinen Innen- und Außenwirkungen aktivierend vernetztes
Konzept realisiert werden, muß also die inhaltliche Abstimmung
ergänzender Serviceeinrichtungen mit inhaltlichen Intentionen
des spezifischen Museums korrelieren und deren Arbeitsweise
organisatorisch geeignet verankert sein.
Die Umsetzung von Entwicklungsvorstellungen müßte - wenn
die Abläufe konsequent agierender Betriebe als Maßstab herangezogen
werden - über flexible, kurz- und mittelfristige Aktivitäts-
und Budgetplanungen erfolgen, gegliedert nach beeinflussbaren
Positionen, wie Mitarbeitereinsatz, Personal- und Sachkosten,
Sparten (Sammlungen, Forschung, Werkstätten, etc.), Projekten
(Ausstellungen , Veranstaltungen, Kataloge), Einnahmen und
Ausgaben, Sonderbudgets.
Das Österreichische Museum für angewandte Kunst hat - wie
andere Bundesmuseen auch - als nachgeordnete Dienststelle
(ohne eigene Rechtspersönlichkeit) des Bundesministeriums
für Wissenschaft und Forschung aber keine Eigenkompetenzen,
die jenen in Institutionen oder Betrieben mit vergleichbarem
Aktivitätsvolum en entsprechen. Selbst bei guter Kooperation
mit vorgesetzten Stellen kann nur im Rahmen einer ,bürokratischen
Improvisation' gehandelt werden. Die Betriebssysteme und Ablaufvorschriften
binden beträchtliche Energien und verhindern, daß die Museumsarbeit
in transparenter und aktiver Weise gestaltet werden kann.
Die Entscheidungsspielräume sind auf allen Ebenen minimal,
analog zu den minimalen Ausstellungs-, Ankaufs- und Betriebsbudgets.
Nur 7 Prozent der Bundeskulturmittel werden für Museen aufgewendet
(rd. 42 Prozent für die Bundestheater). Die Zuständigkeitsstrukturen
sind äußerst unübersichtlich; eine Reihe musealer Einrichtungen
des Bundes ist anderen Ministerien zugeordnet, für den Zustand
von Bundesgebäuden ist das Bundesministerium für wirtschaftliche
Angelegenheiten verantwortlich, Kunstkompetenzen sind außer
im Wissenschafts- auch im Unterrichts- und Außenministerium
sowie im Bundeskanzleramt angesiedelt. Die Museen sind über
Jahrzehnte hinweg nur in der Lage gewesen,(überwiegend aus
der Zeit vor 1918 stammende) Bestände zu verwalten; ihnen
eine aktivere gesellschaftlich-ökonomische Rolle zu ermöglichen,
bleibt von tiefgreifenden strukturellen und budgetären Maßnahmen
abgängig.
Daß Kameralistik, Einbindung in den Personalstellenplan,
Pflicht zur Einnahmenablieferung und engmaschige Reglementierung
den für viele Arbeitsbereiche der öffentlichen Verwaltung
längst überfälligen Funktionswandel hin zu betrieblicher Autonomie
blockieren, braucht hier - als im Rahmen internationaler Bestrebungen
zur Verwaltungsreform weithin als zutreffend akzeptierte Problemsicht
- nicht weiter ausgeführt zu werden. Die Praxis der Gründung
von Nebenorganisationen, Sondergesellschaften, Vereinen, Instituten
bestätigt zur Genüge, wie häufig eine aufgespaltene Arbeitsweise
als notwendig erachtet wird, um Systemmängel zu umgehen. Staatliche
Museen sind in diesem Kontext also kein Sonderfall.
Um trotz dieser Situation die Bedingungen für eine offensive
Museumsarbeit auch kurzfristig besser gestalten zu können,
ist in Bundesmuseen eine Unterscheidung von drei Strukturebenen
wichtig:
- das Museum als öffentliche Institution - mit deren finanzieller
und personeller Ausstattung der Staat ausdrückt, wie die
mit kulturellem Besitz verbundene Arbeit taxiert wird und
weichen Stellenwert diesbezügliche öffentliche Angelegenheiten
haben
- das Museum als Betrieb -dessen Autonomiegrad, Budgethoheit
und Organisationssystem für eine flexible und lebendige
Museumsarbeit wesentliche Voraussetzungern bilden
- das Museum als Zentrum eines Kooperationsnetzwerkes -
über das es seine Wirkungsmöglichkeiten und budgetäre Beweglichkeit
durch Projekte, Dienstleistungen, Auftragsvergaben, Partnerschaften,
Fund Raising, Sponsorships und privatwirtschaftliche Einrichtungen
erweitert.
Gegenstand der vorliegenden Studie ist primär diese dritte
Ebene der Kooperationen.
2 TENDENZSKIZZE
Informations- und Dienstleistungsgesellschaft
Wenn tatsächlich der Übergang zu ihr bereits in vollem Gang
ist, dann könnte das Museum lapidar als prototypischer Betrieb
zur Verwahrung und Ausstellung von Wertgegenständen und zur
Erzeugung, Verarbeitung und Verteilung von Information aufgefaßt
werden. Wie weit es - speziell angesichts der in Österreich
auf dem Museumssektor gegebenen Situation - in seiner personell-organisatorisch-budgetär-technischen
Ausgestaltung noch von einem dafür notwendigen Entwicklungsstand
entfernt ist, macht deutlich, welche Infrastrukturaufgaben
zur Diskussion stehen sollten. Gerade wenn die Museumsfunktion
komplexer gesehen wird, als es die hier angesprochene Terminologie
nahelegt, müßte die Forderung nach einem vergleichsweise möglichst
hohen Niveau betrieblicher Voraussetzungen die Konsequenz
sein. Ein bereichs- und projektorientierter Organisationsaufbau,
mit darauf abgestimmtem Planungs-, Budgetierungs- und Kostenrechnungssystem
wäre ein notwendiger, grundlegender Schritt in diese Richtung.
Bisherige Initiativbarrieren und eine ‚Wissenschaftsverwaltung'
könnten dadurch abgebaut werden.
Managementeuphorie
Die plausible Forderung nach einem Ausbau von Management-
und Dienstleistungsfunktionen der Museen darf nicht den Blick
darauf verstellen, daß für eine offensive Museumsarbeit nicht
durch isolierte Neubestellungen und einzelne neue Detailregelungen
vorgesorgt werden kann. Eine aktivere Wahrnehmung von Leitungsaufgaben
ist in hohem Maße von einer adäquaten Budgethoheit, einer
Kosten- und Planungstransparenz und der eigenständigen Gestaltbarkeit
des Organisationssystems abhängig. Eine breite Aktivierung
kann daher nur über eine Systementwicklung und neue Organisations-
und Ausbildungsformen erreicht werden. Nicht (fehlende) ‚Manager'
sind das vorrangige Problem, sondern die Schaffung der in
Betrieben mit vergleichbarem Aktivitätsvolumen längst selbstverständlichen
Voraussetzungen für die verantwortliche Wahrnehmung von Leitungsaufgaben.
Außerdem ist ‚Management' in seiner betriebswirtschaftlich-durchsetzungsorientierten
Auslegung ein zu stereotyper Begriff geworden, um so vor allem
für öffentliche Institutionen unmittelbar anwendbar zu sein,
wenn nicht zugleich die Tendenz zu komplexeren, auf Eingriffe
in die Prozeßsteuerung ausgerichteten Berufsbildern berücksichtigt
wird. ‚Dienstleistungen' werden im Sprachgebrauch ja auch
allzuleicht mit bloßem ‚Service' gleichgesetzt. Dienste leisten
muß jedoch etwas anderes heißen, als den Gast möglichst reibungslos
zu bedienen. in diesem Sinne erst ist für Aufgaben- und Programmkonzeptionen
eine denkbar breite Ausgestaltungsmöglichkeit gegeben. Für
andere managementorientierte Handlungsmuster, wie Marketing
oder Motivation, die als Nachholbedarf (und daher mit der
Tendenz zur Überschätzung) nun vermehrt aus der Wirtschaft
in den Kulturbereich eindringen, gilt ähnliches. Für die Leitung
öffentlicher Institutionen sollten Anknüpfungspunkte nicht
oder nicht nur auf der diesbezüglichen konventionellen Klaviatur
gesucht werden, sondern bei hochentwickelten Methoden, die
subtiler auf die vielfältige und konfliktreiche Vernetzung
moderner Gesellschaften ausgerichtet sind. Es wäre unergiebig,
sich mit der Kopie von Managementmodellen der 60er Jahre zu
begnügen; deren Transformation und die spezifischen Bedingungen
in Museen müssen in eigenständige Konzeptionen und Aufgabenfelder
münden. Eine kostenbewußte, sozial sensibilisierte Professionalität
und interdisziplinäre, prozeßorientierte Denk- und Handlungsweisen
könnten dafür Leitbilder darstellen.
Privatisierung
Die als Abschluß des vorhergehenden Abschnittes über offensive
Museumsarbeit angeführten drei Organisationsebenen eines staatlichen
Museums (Öffentliche Institution - Betrieb - Zentrum eines
Kooperationsnetzwerkes) zeigen auf, daß für eine verstärkte
Einbeziehung von (Privat-) Initiative unter den gegebenen
Bedingungen zuerst auf letzterer geeignete strukturelle Grundlagen
geschaffen werden können und müssen. Daß in den Bundesmuseen
in diesem Jahrzehnt die Einnahmen stets nur etwa 5 Prozent
(Voranschlag 1987: 7,3 %) der Gesamtausgaben von rd. öS 350
Mio. (1987) decken konnten, dokumentiert allerdings, daß von
den insgesamt (mit Personalaufwand) gesehenen Größenordnungen
her bloß marginale Beiträge von privater Seite zu erwarten
sind. Deswegen ist die Zentralfrage nicht so sehr der Spender,
sondern die Ergänzung öffentlicher Funktionen durch dauerhafte
privatwirtschaftliche Kooperationen.
Kulturboom
Nur bestimmte Segmente künstlerischer Aktivität haben sich
zu expansiven Märkten mit hohen, wirtschaftliche Interessen
anziehenden Rendite- und Imageerwartungen entwickelt. Für
weite Bereiche gilt dies keineswegs. Den luxuriösen Budgets
und Honoraren auf der einen Seite stehen weite, mit Niedriglöhnen
und Gratisarbeit aufrechterhaltene Aufgabenfelder gegenüber.
Die Ungleichgewichtigkeiten dürften sich weiter verschärfen.
Inwieweit Museen und andere öffentliche Institutionen in die
Lage versetzt werden, gegenzusteuern, wird für die kulturelle
Entwicklung tendenziell wichtiger, als in der Vergangenheit.
Konfliktvermeidung
Kunst ist in einem Ausmaß Trägerin von Botschaften, das
von keinem anderen Produkt der Warengesellschaft auch nur
annähernd erreicht wird. Diese Vermittlungskraft wird wieder
stärker erkannt und zur staatlichen und privaten Selbstdarstellung
genutzt, durch jede vordergründige Verwendung aber zugleich
gefährdet. Kapital hält sich von kulturellen und politischen
Konfliktzonen fern. Experimentellem und Pionierhaftem droht
erneut eine stärkere Isolierung. Schon in der üblichen banalen
Benutzung des Begriffes Informations- und Dienstleistungsgesellschaft
drückt sich aus, wie leicht er zur Negierung sozialer Spannungen,
Polaritäten und Interessenskollisionen verwendbar ist. Daraus
ergeben sich Berührungspunkte mit einer traditionellen - konfliktvermeidenden
- Auffassung der Museumsfunktion und im weiteren auch mit
Situationscharakterisierungen wie Freizeitgesellschaft, Unterhaltungsgesellschaft.
Unterhaltungsindustrie
Auf Kunst und Museen bezogen wird mit einer vorbehaltlosen
Eingliederung in solche Prozesse also bloß unterstützt, daß
Kulturkonsum, Tourismus, Vergnügen und Unterhaltungswert zu
immer prägenderen Faktoren werden. In der Bundesrepublik z.
B. gibt es 1.560 Museen mit jährlich 52 Millionen Besuchern;
der Jahresumsatz des Kunst- und Medienmarktes wird auf 30
Milliarden DM geschätzt (Quelle: Die Zeit, Hamburg, Nr.17/86).
Inwieweit Kunst - und das Museum - in einem Unterhaltungsmarkt
aufgeht oder trotz realistischem Umgang mit ökonomischen Möglichkeiten
Kontrapositionen behaupten kann, wird für die kulturelle Entwicklung
von entscheidender Bedeutung sein. Das Freizeitverhalten in
Städten ist fast schon generell sightseeing- und tourismusorientiert,
bei Fremden genauso wie bei ihren Bewohnern: Shopping, Lokalbesuche,
häufige Ortswechsel, medien- und imagegesteuerte Veranstaltungsteilnahme,
Absolvierung von Sehenswürdigkeiten (Berühmtheit/Prominenz
von Schauplätzen, Objekten, Namen; Adabei-Gruppierungen);
‚Etiketten-Kultur' (Armani, Cartier, Van Gogh), Museen als
Fortsetzung von Fußgängerzonen.
Simulationskultur
Der eher beliebigen Nutzung von ‚Tourismuszielen' (Verweildauer
von durchschnittlich 5 Sekunden pro Museumsobjekt; zit. nach
G. Fliedl, Museums- und Ausstellungspolitik, 1986) entspricht
in Analogie die Auflösungstendenz bei Standpunkten und theoretischen
Positionen. Die Vielfalt der Möglichkeiten, der Zugänge, der
Interpretationen ließ eine ‚Simulationskultur' der Attraktionen
entstehen, die als Konsequenz dieser Vielfalt eben auch -
bis zur völligen Beliebigkeit - vielfältig verwertbar ist.
Der an eine Widersetzlichkeit, an ‚die Sehnsucht nach dem
ganz Anderen' (Max Horkheimer) geknüpfte Kunstbegriff ist
unter starken Druck geraten. Das Bild vom seriös-neugierig-kenntnisreichen
Besucher, dem es um Fragen und Erkenntnisprozesse geht, ist
demontiert. Wie es sich in neuer Weise formulieren und aktivieren
läßt, hängt auch davon ab, ob es im spezifischen Fall gelingt,
sich nicht bloß Trends auszuliefern, sondern ihnen im ständig
internationaler werdenden Wettbewerb ein eigenes Profil entgegenzustellen.
Mythen und Aufklärung
Bevor noch Versuche, Museen aktiver in emanzipatorische
Prozesse einzuschalten, in v ielfältiger Form hätten fortgesetzt
werden können, sind solche Absichten von (häufig plagiathaften)
emotional-sakralen Präsentationsbestrebungen überlagert worden.
Das Erlebnis, das Geheimnis sollte aufgewertet werden. Aufklärerische
Intentionen, wie sie etwa im Konzept eines historischen Museums
für Nürnbergs Industriekultur (Hermann Glaser u. a.,1979)
formuliert worden sind, wurden von einer Inszenierungsinflation
in den Hintergrund gedrängt.
Fragen an das Selbstverständnis
Inwieweit ein Museum solche mit unterschiedlichem Druck
auf es zukommende Anforderungen zur Kenntnis nimmt, ohne seine
Funktionen als signifikanter, das KIima und die Diskussion
mitprägender Präsentationsraum preiszugeben, ist die Schlüsselfrage
des künftigen Selbstverständnisses als Institution.
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Pressereaktionen:
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Museumsexperten
tagen Ende Mai
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Presse, Wien, 21.5.1987
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Auf der Suche nach
einem zeitgemäßen Museum
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von Jan Tabor
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Kurier, Wien, 15.12.1987
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Ein programmierter
Eklat
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von Pia Maria Plechl
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Presse, Wien, 21.4.1988
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Gegen die "Sinnlosigkeit"
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von Kristian Sotriffer
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Presse, Wien, 2.2.1988
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Museen fordern mehr
Geld und neue Strukturen
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Presse, Wien, 15.12.1987
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Wie die Museen zu
retten wären
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Salzburger Nachrichten, ?/1987
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Museen: Zuviel Sand
im Getriebe
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von Barbara Petsch
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Presse, Wien, 17.11.1987
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zugehörige Publikation:
MAK: Neue Sammlungspolitik und
neue Arbeitsstruktur
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Ein Museum im Aufbruch. Manuskripte des
MAK 3
MAK - Österreichisches Museum für angewandte Kunst
Wien 1991
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Analysen und Konzeptionsgrundlagen
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Übersicht MAK-Reform
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