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www.ChristianReder.net: Publikationen: MAK: Neue Sammlungspolitik und neue Arbeitsstruktur
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MAK - Österreichisches Museum für angewandte Kunst
   

Christian Reder:
MAK: Neue Sammlungspoilitik und neue Arbeitsstruktur.

Ein Museum im Aufbruch. Manuskripte des MAK 3 MAK - Österr. Museum für angewandte Kunst, Wien 1991

Analysen und Konzeptionsgrundlagen

 

 

INHALT

Erhard Busek: Vorwort
Peter Noever: Zum Thema
Christian Reder: Arbeitskonzept
Aktuelle Positionen

Teil I: Sammlungspolitik

1. Die MAK-Sammlungen

2. MAK-Sammlungszugänge 1986-1990
2. 1. Struktur der Sammlungen und der Inventarisierung
2. 2. Zahl der Objektzugänge pro Sammlungsbereich
2. 3. Ausgaben für Objektankäufe
2. 4. Ankäufe, Geschenke, Verlassenschaften
2. 5. Kooperation mit Handel, Sammlern, Künstlern
2. 6. Struktur der Ankaufspreise
2. 7. Geschichte und Gegenwart: 18., 19., 20. Jahrhundert
2. 8. Geographische Strukturierung
2. 9. Signifikanz der gesammelten Objekte

3. Charakterisierung der Sammeltätigkeit von 1986-1990
3. 1. Inhaltliche Fragen
3. 2. Pragmatische Komponenten
3. 3. MAK-interne Intentionen

4. Zusammenhänge ,Neue Sammlungspolitik' / ,Neue Arbeitsstruktur'

5. Grundzüge einer neuen Sammlungspolitik
5. 1. Funktionswandel eines Museums für ,angewandte' Kunst
5. 2. Themenspektrum
5. 3. Konzept für eine Entscheidungssystematik

 

Teil Il: Arbeitsstruktur

1. Die MAK-Organisationsstruktur 1990
1. 1. Strukturanalyse
1. 2. MAK-interne Intentionen

2. Konzeption einer neuen Arbeitsstruktur
2. 1. Arbeitsbereiche und Leitungsfunktionen
2. 2. Funktionskonzept Sammlungen/Archive
2. 3. Funktionskonzept Verwaltung und Organisation
2. 4. Funktionskonzept Projektkoordination
2. 5. Modellvorschlag projektorientierte Organisation

 

 Teil III: Zusammenfassung der Ergebnisse

Charakterisierung von SammIungspolitik und Arbeitsstruktur
Vorschläge zu Sammlungspolitik und Arbeitsstruktur

 

Teil IV: Anhang

1 MAK-Mitarbeiteraussagen als Ansatzpunkte
(Arbeitsstruktur/ Sammlungspolitik/Kommunikation)

2 MAK-Sammlungszugänge 1986-1990 (Angaben im Hauptinventar)

3 Literatur und verwendete Unterlagen

4 Biographische Angaben

 

Tabellen/Darstellungen

Teil 1. Sammlungspolitik

1: Herkunft und Schwerpunkte der MAK-Sammlungen
2: Die einzelnen MAK-Sammlungen
3: Sammlungsstruktur und Inventarisierungssystem
4: Zahl der Objektzugänge pro Sammlungsbereich 1986-1990
5: Quantitätsprofil pro Sammlungsbereich
6: Ausgaben für Objektankäufe 1986-1990
7: Neuzugänge und Budgets pro Sammlungsbereich
8: Budgetanteilsprofil pro Sammlungsbereich
9: Quantitativer Zuwachs pro Sammlungsbereich
10: Ankäufe, Geschenke, Verlassenschaften 1986-1990
11: Profil entgeltlicher und unentgeltlicher Errwerbungen
12: Ankäufe, Geschenke, Verlassenschaften. Nach Sammlungsbereichen
13: Inventarisierung von altem Bestand
14: Herkunft der Objekte (Handel/Sammler/Künstler)
15: Herkunftsprofil nach Bezugsquellen. Zahl der Objekte
16: Herkunftsprofil nach Bezugsquellen. Budgetanteile
17: Struktur der Ankaufspreise
18: Ankaufsprofil nach Preisgruppen
19: Sammlungsprofil nach Preisgruppen
20: Herkunftsprofil nach Entstehungszeit
21: Objektzugänge 1986-1990 nach Entstehungszeit
22: Objektzugänge aus der Zeit von 1945-1970 und 1970-1990
23: Geographisches Herkunftsprofil
24: Geographische Strukturierung der Neuzugänge
25: Signifikante, 1986-1990 erworbene Objektgruppen
26: Budgetsystem: Planung und Realität
27: Aufgabenfelder des MAK und der Hochschule für angewandte Kunst
28: Studienrichtungen 'Angewandte Kunst'
29: Spektrum des Bereichs ,Bildende Kunst' (Meinungsumfrage)
30: Vergleichende Themengliederung Museen und Hochschulen für angewandte Kunst
31: Abgeschlossene und 'offene' Sammlungsbereiche
32: Konzept für eine Neuordnung der Inventarisierung
33: Abgrenzung und Kooperation
34: Entscheidungssystematik I: ldentitätselemente
35: Entscheidungssystematik II: Intensitätsschwerpunkte
36: Entscheidungssystematik III: Planungsvarianten
37: Maximalvariante
38: Konzept für Sammlungsprioritäten
39: Strategievarianten

 

Teil II: Arbeitsstruktur

40: MAK-Organisationsstruktur I (Ist-Zustand)
41: Kommunikations-Grafik
42: MAK-Organisationsstruktur II (Ist-Zustand)
43: MAK-Organisationsstruktur III (Ist-Zustand/interimistisch)
44: Organisationsvergleiche
45: Arbeitsbereiche und Leitungsfunktionen
46: Organisationsaufbau Sammlungen und Archive
47: Arbeitsschwerpunkte Sammlungsbereich
48: Organisationsaufbau Verwaltung und Organisation
49: Organisationsaufbau Projektkoordination
50: 'Funktions-Logik' I
51: 'Funktions-Logik' II
52: Modellvorschlag: Projektorientierte Organisation

 

Teil III: Zusammenfassung

53: Ausgabenstruktur der Bundesmuseen

oben

Christian Reder
MAK: Neue Sammlungspoilitik und neue Arbeitsstruktur.

ZUSAMMENFASSUNG DER ERGEBNISSE

Aus den vorliegenden Analysen sind Konzeptionsgrundlagen und Varianten abgeleitet worden, die den Charakter eines pragmatischen 'Handbuches' für die Weiterarbeit an der Neuorientierung des MAK, des Österreichischen Museums für angewandte Kunst, haben. In bezug auf das engere Thema 'Neue Sammlungspolitik und neue Arbeitsstruktur' können zusammenfassend folgende Feststellungen und Vorschläge als besonders relevant hervorgehoben werden:

 

CHARAKTERISIERUNG VON SAMMLUNGSPOLITIK UND ARBEITSSTRUKTUR

 

(1) Die Sammlungspolitik - bisher kein Thema

In jährlichen Ankaufsbudgets, die im MAK im Normalfall dem einer mittleren Ausstellung entsprechen (öS 2,5.- 3 Mio.), drückt sich aus, daß primär Bestände verwaltet werden und ihre signifikante Erweiterung einen relativ geringen Stellenwert hat. In diesem Sinn ist auch das Thema, was die Österreichischen Bundesmuseen sammeln bzw. sammeln sollten, im Rahmen der Reformdiskussionen von nachrangiger Bedeutung geblieben, obwohl für den Ausbau der Sammlungen der Bundesmuseen rd. öS 30 Mio. jährlich aufgewendet werden (ca. 7 % der Gesamtausgaben).

 

(2) Heterogene Bestände - latente inhaltliche Probleme

Das MAK steht wegen seines völlig heterogenen Bestandes, der weltberühmte Teilbereiche genauso umfaßt (Teppiche, japanische Farbholzschnitte, Ornamentstichsammlung, liturgische Gewänder, bibliophile Kostbarkeiten) wie industrielles Vorbildmaterial des Historismus (von Möbelbeschlägen, Bronzeschmuckmustern bis zu Spitzen oder Bucheinbänden), darunter vieles, das als 'Kunstgewerbe' und anderswo nicht Dazupassendes seinen Weg ins Museum gefunden hat, vor latenten inhaltlichen Problemen. In größerem Umfang selbst gesammelt wurde immer nur phasenweise. Die Frage nach einer neuen Sammlungspolitik läßt sich daher auch als generelle Frage nach einer Sammlungspolitik schlechthin stellen.

 

(3) Unbekannte Sammlung - völlig unzureichende Inventarisierung

Es ist nicht einmal annähernd bekannt, wie viele Objekte im MAK verwahrt werden. Nach vorsichtiger Kustodenschätzung wird eine Zahl zwischen 200.000 und 300.000 für plausibel gehalten (die rd. 40.000 Inventarnummern haben wegen Gruppen-Inventarisierung diesbezüglich kaum Aussagekraft). Über Jahrzehnte hinweg ist das Museum personell nicht in der Lage gewesen, diesbezüglich einen Normalzustand zu schaffen. Kulturpolitisch stellt sich dabei die Frage, mit welchen Argumenten die gleichsam aristokratisch-privat-schlampige Inventarführung (vor dem Hintergrund eines Vermögens, dessen Wert man gar nicht genau zu kennen braucht) als Antwort auf die Ideologie von den unschätzbaren Werten der Bestände öffentlicher Museen noch weiter aufrechterhalten werden kann. Würde es sich dabei nicht um ,imaginäre' künstlerische, kunstgewerbliche Objekte handeln, sondern schlicht um ‚übliche' Wertgegenstände, etwa Münzen oder gar Goldbarren, wäre das prolongierte Akzeptieren einer solchen Situation schlicht undenkbar. Im Museum selbst wiederum muß jede Sammeltätigkeit letztlich fragwürdig bleiben, solange nicht konsequent bekannt ist, was eigentlich durch Neuerwerbungen ergänzt und erweitert wird.

 

(4) Sammlungsankäufe: Knapp öS 3 Mio. pro Jahr

Von 1986 bis 1990 sind 820 Objekte (Ankäufe und Geschenke) im Hauptinventar neu als Zugänge vermerkt worden. Dafür wurde ein Betrag von rd. öS 14,4 Mio. aufgewendet. Diese Sammeltätigkeit ist unter verschiedenen Gesichtspunkten analysiert worden. Denkmodell dabei war es, mit Blick auf Quantitäten Strukturen aufzuzeigen, die dem Blick auf Qualitäten als Orientierungsrahmen dienen können.

 

(5) 2 bis 4 Neuzugänge pro Woche (Käufe + Geschenke)

Die Zahl der Objekzugänge, als Indikator für Haltungen, die sich in der Häufigkeit bestimmte Sparten betreffende Kauf- und Schenkungsakte ausdrücken, ergibt zwei deutlich voneinander getrennte Kategorien. Stückmäßig eher viel gesammelt wurde, und zwar ziemlich gleichmäßig verteilt, im Bereich Möbel, Kunstblätter, Textil, Metall (Schmuck). Relativ marginal sind die Quantitäten in allen anderen Bereichen (wobei vor allem für ,Glas und Keramik' ausdrücklich Wert auf die Feststellung gelegt wird, daß der beabsichtigte Ausbau durch die konträre Politik der Direktion verhindert worden ist). Insgesamt hat sich - als Anzeichen einer angestrebten ‚Neuorientierung' - die Zahl der Neuzugänge in den letzten drei Jahren gegenüber früher etwa halbiert.

 

(6) Budgetschwerpunkt: Möbel + Gegenwartskunst, Rest unerheblich, gestreut

Die Budgetanteile, als Indikator für die finanzielle Gewichtung einzelner Bereiche, ergeben ein teilweise davon abweichendes Bild. Die mit Abstand höchsten Mittel wurden für die Bereiche Möbel (47%); ohne Sonderfall des mit öS 3,6 Mio. dotierten Ankaufs der Bugholzmöbelsammlung Vegesack: rd. 22%) und Gegenwartskunst (33%) ausgegeben, wobei für letzteren als Kustode der Direktor zuständig ist. Die restlichen Sammlungen folgen, mit markant-deutlichem Abstand und vergleichsweise marginalen, aber fast gleich verteilten Beträgen zwischen öS 50.000,- und öS 150.000,- pro Jahr, was Anteilen an den Ankaufsausgaben von 0% bis 6% entspricht. Vielfach wird über längere Zeit überhaupt nichts angekauft. Es ergibt sich der Eindruck, daß bestenfalls für einzelne ,Fundstücke', für hereinkommende Angebote und spezielle Gelegenheiten Mittel bereitgestellt werden.

 

(7) Kein Ankaufsbudget - keine Planungsgrundlagen

Da Sammlungsankäufe gemeinsam mit den Anlagen (UT 3) budgetiert werden, existiert zwar eine gewisse Flexibilität, andererseits werden dadurch die Sammlungsausgaben nicht kontinuierlich sichtbar, was gezielte Vorgehensweisen und strukturelle Überlegungen zur Sammlungspolitik gravierend behindert. Die Zuweisungen ‚Anlagen' betreffend überschreiten die Voranschläge in der Regel um mehr als das Doppelte. Für das MAK ist das zwar als deutlicher Erfolg zu werten; zugleich zeigt sich aber darin, auf welch unsicherer, von Einzelbewilligungen und Sonderdotationen abhängiger Basis die Sammlungspolitik nur betrieben werden kann.

 

(8) Fragwürdige Komplettierungsvorstellungen

Da die Relation von Gesamtbestand und Neuzugängen nicht bloß als Zahlenspiel, sondern auch als ‚Ergänzungs- und Erneuerungsquote' aufgefaßt werden kann, ist deren Schätzung versucht worden. Größenordnungsmäßig beträgt sie 0,05 Prozent im Jahr. Bei derzeitigem Sammlungszuwachs wären demnach für die bestehenden MAK-Sammlungen grob 2.000 Jahre an Sammlungstätigkeit einzusetzen. Komplettierungsvorstellungen erweisen sich angesichts dessen als höchst fragwürdig.

 

(9) Relation Ankäufe - Geschenke: 50 : 50

Markant ist, daß die Neuzugänge - ihrer Zahl nach - etwa zur Hälfte Ankäufe und zur anderen Hälfte Geschenke und Verlassenschaften sind. Ausgesprochen von Ankäufen geprägt sind nur die Bereiche Gegenwartskunst und (mit stark abnehmender Intensität) Glas. Werden diese Relationen als Indikator dafür gesehen, wie stark die Neuzugänge von eigenständigen Ankaufsentscheidungen geprägt sind, in welchem Umfang das MAK auf Geschenke angewiesen bzw. wie attraktiv es für Stifter ist und wie intensiv um sie geworben wird, dann brauchen zugehörige Rahmenvorstellungen einen entsprechenden Stellenwert.

 

(10) Konventionelle, etablierte Bezugsquellen (Schwerpunkt Wien)

Bei den Bezugsquellen, die u. a. als Indikator dafür aufzufassen sind, wie früh sich ein Museum in die Zirkulation von Objekten einschaltet, dominieren im MAK budgetär Ankäufe bei Künstlern/Gestaltern (39%), vor allem weil im entsprechend dotierten Bereich Gegenwartskunst eine solche Politik vertreten wird, gefolgt von Händlern (31 %) und privaten Sammlern (16%; ohne Sammlung Vegesack). Auf die Objektanzahl bezogen (Ankäufe und Geschenke), dominieren private Sammler und Händler. In den meisten Bereichen spielt also der Direktbezug bei ,Produzenten' und damit die unmittelbare Auseinandersetzung mit Zeitgenössischem kaum eine Rolle. Die Vorgehensweise ist durchwegs höchst ,konventionell', bevorzugt wird bei renommierten Wiener Galerien, Antiquitätenhändlern und Antiquaren gekauft.

 

(11) ‚Kleinteiliges' Sammeln, unterhalb des ministeriellen Genehmigungslimits

Auf Preisebenen bezogen, ist festzustellen, daß rd. 80 Prozent der Ankäufe unterhalb des Limits, ab dem ministerielle Genehmigungen eingeholt werden müssen (öS 50.000,-; früher öS 30.000,-), stattfinden. Nur in etwa 70 Fällen ist zu höheren Preisen angekauft worden, dreimal davon um Beträge von öS 500.000,- bis öS 650.000,-, und zwar mit dem klaren Schwerpunkt Gegenwartskunst und Möbel. Die sich darin erneut ausdrückende eher kleinteilige Streuung in allen anderen Bereichen ist angesichts von Preisentwicklungen auf den verschiedenen Spezialgebieten, von ,Museumswürdigkeit' und Aufgabeninterpretation vorwiegend einer gewissen internen ‚Automatik' zuzuschreiben. Daß nach oben hin unausgesprochene Limits bestehen, ist angesichts der Kunstmarktrealität eine fragwürdige Beschränkung.

 

(12) Passivität gegenüber Wertentwicklungen und zugehörigen Investitionen

Symptomatisch für das vage tabuisierte Spannungsfeld Markt-Museum ist die Tatsache, daß sich nach erfolgten Ankaufsentscheidungen letztlich niemand mehr darum zu kümmern braucht, ob ,vernünftig', ‚gut' oder ,günstig' eingekauft worden ist, weil ja Verkäufe - als Bewertungsbeweis - nicht zur Debatte stehen, weil systematisch erfaßte Preisentwicklungen kein Bestandteil der Entscheidungsfindung sind und nicht einmal konsequent inventarisiert wird. Das Bild vom ,romantischen' Sammler und Liebhaber, der sich nie von etwas trennen würde, dem Preisentwicklungen völlig egal sind, weil es ihm um das Objekt, um das Kunstwerk geht, läßt sich so aufrechterhalten und möglicherweise auf den Museumsbesucher übertragen. Nachteil dabei ist, daß in einer durchökonomisierten Welt damit weder die Pflege und Bewahrung solcher Werte noch deren Zuwächse und Ergänzungen als investitionen bzw. Betriebskosten betrachtet werden. Zu solche Nachteile ausgleichenden Mechanismen würden eingegrenzte, periodisch zu ‚bilanzierende' Sammlungspublikationen zählen oder eben Bestandskataloge, Sammlungspublikationen, Austellungen.

 

(13) Neue Sammlungsakzente: ‚Grenzbereiche', Re-Importe

Wenn im MAK also mit einem Ankaufsbudget von öS 2-3 Mio. pro Jahr sowohl durch signifikante Einzelobjekte und neue Sammlungsgebiete (Gegenwartskunst, ein sich auf Informationen beschränkendes Design-Archiv) als auch durch eine traditionelle, kleinteilige Ergänzung der bestehenden Sammlungen eine Linie durchgesetzt werden soll, so muß dies defacto als unrealisierbares Vorhaben angesehen werden. Es sei denn, es gelingt, deutlichere Entwicklungsrichtungen argumentierbar zu machen. Ansätze dazu sind zweifellos gegeben, denn trotz dieser Realität konnten Sammlungsakzente gesetzt werden, indem einerseits Grenzbereiche von Kunst, angewandter Kunst , Architektur und Design zum Thema gemacht worden sind, andererseits die Thonet-Tradition durch (späte!) Re-Importe wieder stärkere Verankerung gefunden hat.

 

(14) Generell: Wien-Bezug und Jahrhundertwende

Resümierend kann festgestellt werden, daß sich, bezogen auf die Menge der Neuzugänge, in erster Linie einige wenige durchgehende Sammlungsintentionen manifestieren:

  • die Eingrenzung auf Kunstgewerbe
  • ein starker Wien-Bezug (70 % der Neuzugänge)
  • ein Abdecken der Zeitspanne vom Ende des 18. Jahrhunderts bis - und das nur
  • Relativ dominant ist die Ausrichtung auf Jahrhundertwende und Jugendstil (50 % der Neuzugänge stammen aus der Zeit der Monarchie)

 

(15) Eher zufällige internationale Bezüge

Sehr zufällig wirkt, was an internationalen Bezügen der Sammlung zugute kommt (Dienstreisen im Zuge des Leihverkehrs, punktuelle Einzelkontakte).

 

(16) Passivität Zeitgenössischem gegenüber

Zeitgenössisches (22% der Neuzugänge; Entstehungs zeit nach 1970) und wichtige bzw. wenig erforschte Phasen und Aspekte des 2o. Jahrhunderts spielen eine erstaunlich geringe Rolle.

 

(17) Reaktion auf Gelegenheiten

Einerseits wird (und kann) also nicht ‚richtig' gesammelt (werden), wegen der inhaltlich generell verfahrenen, desperaten Situation, andererseits kommt es - etwas pol emisch ausgedrückt - zu einem ,Warenhaus für alles'- Charakter, im Sinne eines gehobenen Flohmarktniveaus, ergänzt um ,Kunstgalerie'-Ansätze. Die alten Bestände sind die Basis der überlieferten Reputation des Hauses; Neuzugänge haben dazu seit Jahrzehnten kaum etwas beitragen können. Die zuletzt bestärkte internationale Aufmerksamkeit für das MAK basiert in erster Linie auf den Ausstellungen und den kunstorientierten Aktivitäten; also weder auf dem angestammten Kunstgewerbe- noch auf neu gefassten ,Kunst und Industrie'-Aspekten. Wie das Sammeln demgegenüber die notwendige kulturpolitische Aufwertung erfahren könnte, dürfte auch davon abhängen, ob überzeugende Konzeptionen öffentlich thematisiert werden.

 

(18) Interne Budgetverteilung als Motivationselement

In den geringen, letztlich doch als Quasi-Dotation der meisten Sammlungen wirksam werdenden Budgetanteilen kann streng genommen bloß ein gewisser Motivationsbeitrag für die Kustoden und Kustodinnen gesehen werden, damit sie gewisse Ergänzungsankäufe tätigen können.

 

(19) Kunstgewerbe als Identitätsproblem

Insgesamt erzeugen das thematische Feld von Kunst, angewandter Kunst, ‚Objekten' und ‚normalen' Produkte, die Konzentration auf eine Zeitspanne von 200 Jahren, der Anspruch des Wien-Bezugs mit internationalem Kontext, ein durch materialorientierte Sammlungen begünstigtes Zellendenken, aber auch die generellen Identitätsschwierigkeiten von Kunstgewerbemuseen, unter denen sich keine Vorbilder ausmachen lassen, eine Bandbreite von Problemstellungen, die eine konsequente Neuorientierung intern vielfach als unmöglich erscheinen lassen.

 

(20) Chance zum Neubeginn: Renoviertes Haus, neuer Tiefspeicher

Dennoch hat sich in den Mitarbeitergesprächen eine Konsolidierung und verbindlichere Neuorientierung als der zentraler Punkt herausgestellt. Die Besiedlung des renovierten Hauses und der Transfer der nicht ausgestellten Bestände in die neuen Tiefspeicher-Depots bietet sich dafür unmittelbar als zu ergreifende Chance an. Ergänzende, dieser Zusammenfassung zugehörige Feststellungen, insgesamt 60, hier nur teilweise angesprochene Punkte sind im Abschnitt 3, Charakterisierung der Sammeltätigkeit, enthalten.

 

(21) Bisher nie grundlegende Weiterentwicklung der Arbeitsstruktur

Daß in der Arbeitsstruktur, dem zweiten Schwerpunkt dieser Studie, die drei primären Aufgabenfelder - Sammlungen, Verwaltungsbereich, Ausstellungsorganisation (und Assistenzfunktionen der Direktion) - nur in sehr aufgesplitterter Weise verankert sind, ist auf ,historisches' Wachstum mit bloß additiver, punktueller Organisationsentwicklung zurückzuführen.

 

(22)Ungegliederte zweite Ebene, kein Mittelbau

Ein gravierender Mangel dieses Organisationsaufbaues ist die kaum hand habbare Anzahl von 15 direkt der Direktion unterstellten Bereichen, darunter die 8 Sammlungen. Das hat ausgesprochen zentralistische, schwer handhabbare Kommunikationsintensitäten zur Folge, da von den rd. 85 Mitarbeitern annähernd 20 Prozent die zweite Ebene unterhalb der Direktion bilden, ohne daß es zusätzlich einen differenzierten ‚Mittelbau' gibt. Eine konsequente Delegation von Arbeitsinhalten ist dadurch praktisch unmöglich. Markant ist, daß die Neuzugänge - ihrer Zahl nach - etwa zur Hälfte Ankäufe und zur anderen Hälfte Geschenke und Verlassenschaften sind. Ausgesprochen von Ankäufen geprägt sind nur die Bereiche Gegenwartskunst und (mit stark abnehmender Intensität) Glas. Werden diese Relationen als Indikator dafür gesehen, wie stark die Neuzugänge von eigenständigen Ankaufsentscheidungen geprägt sind, in weichem Umfang das MAK auf Geschenke angewiesen bzw. wie attraktiv es für Stifter ist und wie intensiv um sie geworben wird, dann brauchen zugehörige Rahmenvorstellungen einen entsprechenden Stellenwert.

 

(23) Arbeitsprinzip: ‚Einzelzellen', additive Anordnung neuer Funktionen

Zu viele Arbeitsbereiche gelten de facto als ,Abteilungen', ohne die zugehörigen Voraussetzungen für Leitungsfunktionen zu erfüllen (entsprechende Zahl zugeordneter Mitarbeiter, Budget- und Personalkompetenzen). Es überwiegen Ein- bis Zwei-Personenbereiche, die im Sinn von ‚Zellen' agieren, was eine übergreifende Kooperation und Gruppenarbeit erschweren muß. Offensichtlich besteht die Tendenz, für die erweiterten Aufgaben des Museums neue Funktionen in additiver Weise auf der zweiten Ebene einzurichten, weil im traditionellen Schema für andere Lösungen wenig Spielraum besteht.

 

(24) Keine ‚betriebliche' Infrastruktur (Personal-, Budgetagenden etc.)

Rund 2/3 der MAK-Mitarbeiter gehören zum Bereich ‚Verwaltung und Organisation', dessen Struktur und Arbeitsweise ein weiteres Kernproblem der Aufgabenbewältigung darstellt. Ohne seine markante Aufwertung und Neuorientierung - auch was die Leitungsposition betrifft - bleiben Entwicklungen in Richtung ,mehr Autonomie' ohne Basis. Abgesehen von der, noch nicht durch die angekündigten ‚flankierenden' Maßnahmen abgesicherten, den Museumsbetrieb personell und budgetär spaltenden Teilrechtsfähigkeit, sind wesentlich stärkere Museumskompetenzen bei den betrieblichen Grundkomponenten Personal und Budget notwendig. Gerade im sensiblen vom starren Gesamtschema dominierten Personalsektor müßte eine markante Flexibilisierung erreicht werden.

 

(25) Zusammenhang: Neue Sammlungspolitik - neue Arbeitsstruktur

Isolierte Einzelmaßnahmen, wie sie unter dem Zwang der Verhältnisse bisher kaum anders möglich sind, können zu keinem Funktionsmodell führen, das im MAK eine ausbaufähige Arbeitsgrundlage bildet. Erst umfassendere Rahmenvorstellungen über anzustrebende Arbeitsstrukturen - mit gegebenenfalls analoger Verwendbarkeit in anderen Bundesmuseen - können Entwicklungen bestärken, die in Museen tatsächlich mehr Autonomie' und Eigenverantwortlichkeit, also eine Neuorientierung des gewohnten Verwaltungshandelns, strukturell in einer flexibel differenzierbaren Weise unterstützen. Auch eine ‚Neue Sammlungspolitik' hängt, wenn sie nicht wiederum zur Kette isolierter Einzelentscheidungen werden soll, aufs engste mit künftigen Arbeits- und Entscheidungsstrukturen innerhalb des Museums und auf übergeordneten ministeriellen Ebenen zusammen.

 

VORSCHLÄGE ZU SAMMLUNGSPOLITIK UND ARBEITSSTRUKTUR

(1) Arbeitsstruktur für Realisierungsschritte

Es ist ein Procedere festzulegen, wie die MAK-interne Kooperation bei der angestrebten Präzisierung eines diese Studie auswertenden Reformprojektes ablaufen soll (Projektgruppe, Projektleitung, Ministeriumskontakte, Arbeitsschritte, Terminpläne, Funktionsbeschreibungen, Geschäftsordnung).

 

(2) MAK-interne Grundsatzentscheidungen

Der Verknüpfung von Sammlungspolitik und Arbeitsstruktur ist durch arbeitsorganisatorische und personelle Entscheidungen, die im autonomen MAK-Bereich möglich sind, Rechnung zu tragen (Bereichsgliederung, neue Stellvertretungsregelung, Besetzungsfragen etc.). Für darüber hinausgehende Maßnahmen sind Initiativen zu setzen, die eine Entwicklung in die angestrebte Richtung greifbar machen.

 

(3) Inhaltliche Präzisierung/Varianten

Es dürfte zweckmäßig sein, im Rahmen eines solchen Folgeprojektes die bewußt ‚pragmatischen' Intentionen dieser Studie um inhaltliche Ideenfindungsprozesse zum Thema Kunst, angewandte Kunst, ‚Objekte', ‚normale' Produkte, Spezialsparten des MAK zu erweitern bzw. sie dadurch fortzusetzen (Expertengespräche, Künstlergespräche, Projektgruppen, essayistische Textaufträge, Ideen-Papiere, Stellungnahmen zu bestimmten Schwerpunkten, Publikationsreihe). Damit könnte das MAK auch seine Funktion in der internationalen Museumsdiskussion bezüglich der Fragwürdigkeiten von Kunstgewerbemuseen und einer Ausgestaltung sich verändernder Museumstypen weiter ausbauen.

 

(4) Korrelation: Inhalte/Sammlungspolitik/Arbeitsstruktur

Priorität haben konzentrierte Bemühungen um eine ,Normalisierung' der betrieblichen Situation. Eine ‚neue', ‚andere' Sammlungspolitik kann nicht getrennt von einer neuen Arbeitsstruktur und zu verbessernden Arbeitsbedingungen gesehen werden. Zentrale Detailaussagen für die konzeptionelle Weiterarbeit sind, abgesehen von auszuwertenden Analysen, in den die Hauptkapitel ‚Sammlungspolitik' und ‚Arbeitsstruktur' abschließenden 17 Tabellen zusammengefaßt: (31) bis (39) und (45) bis (52).

 

(5) Objekte - Informationen - Ausstellungen

Die dort detaillierten Grundgedanken einer - auf Inhalte zurückwirkenden - neuen Arbeitsstruktur gehen von folgenden Prämissen aus:

  • Betonung von drei Prioritäten: Sammlungen (Objekte) - Archivfunktionen (Informationen) - Ausstellungen.
  • Denkmodell ist die Annäherung von Objekt- und Informationsbereichen und die markante Aufwertung von Archivfunktionen
  • Existenz einer MAK-Sammlung, die mehrschichtig-übergreifend untergliedert und vernetzt bearbeitet, ausgewertet und erweitert wird
  • Konsequente Trennung von ‚Daueraufgaben' und ‚Projekten'
  • Projektorientierung der Gesamtorganisation
  • Ggf. Neugliederung, Umgruppierung, Erweiterung der Sammlungsstruktur und der Sammlungsschwerpunkte im Zuge von Aufarbeitungs- und Forschungsprogrammen.

 

(6) Projektorlentiertes Arbeiten/ leistungsfähige Infrastruktur

Im Zentrum solcher Reorganisationsvorstellungen steht das Konzept einer betont projektorientierten Arbeitsweise, für die schrittweise die strukturellen Voraussetzungen zu realisieren sind:

  • Schaffung eines kompakten Bereiches ‚Sammlung und Archive' unter einer Leitung, in dem Kustoden primär projektbezogen, als wissenschaftliche Referenten arbeiten und nicht als (mangels Mitarbeitern und planbarer Budgets) fiktive Abteilungs- bzw. Sammlungsleiter oder bloße ,Verwalter'
  • Entwicklung des Verwaltungsbereiches zu leistungsfähigen ‚Zentralen Diensten', die für ein Funktionieren des Normalbetriebes sorgen und dafür wesentlich gestärkte Aufgaben im Personalbereich (Personalverwaltung) und Budgetbereich (Rechnungswesen, Budgetplanung, Budgetkontrolle) brauchen
  • Kompaktere Struktur für die existierenden Stabs- und Projektfunktionen durch Einrichtung einer Projektkoordination'
  • Klarere Gliederung der internen Kommunikationswege durch ein überschaubares Leitungsteam mit transparent abgegrenzten Verantwortungsbereichen.

 

(7) Modellvorstellung/Akzeptanz/Entwicklungsrahmen

Manche Elemente dieser Konzeption werden angesichts der restriktiven Bedingungen erst längerfristig realisierbar sein; entscheidend ist, daß die prinzipiell in die richtige Richtung weisenden kulturpolitischen Ankündigungen über,mehr Autonomie' der Museen mit adäquaten betrieblichen Modellvorstellungen verknüpft und in geeigneten Etappen umgesetzt werden.

 

(8) Generalinventur/ neues Inventarisierungssystem

Als einer der ersten Schritte für eine Konsolidierung im Sinne einer verantwortlichen Betriebsführung ist eine Generalinventur notwendig. Die zwischen MAK und Bundesministerium begonnenen Kontakte darüber sollten in ein zügig realisierbares Konzept münden, das die Übersiedlung der Bestände in die neuen Tiefspeicher-Depots als Anlaß nimmt. Durch ein systematisches Nachinventarisieren, Ausbuchen nicht mehr existenter Objekte (Kriegsverluste etc.) und ein ausbaufähiges Inventarisierungssystem (Personal Computer) sind endlich Grundlagen der zentralen Museumsaufgabe - des Sammelns und des Bearbeitens der Sammlungen - zu schaffen, damit die betriebliche und wissenschaftliche Organisation nach einer solchen Bereinigung nicht mehr davon belastet ist.

 

(9) Neue Sammlungslogistik

Für die Reform der Inventarisierung sind Ansätze entwickelt worden. In weiterer Folge ist dazu die Erstellung eines Detailkonzeptes notwendig, mit folgenden Schwerpunkten: Neugliederung der Inventarbereiche, Zusammenfassung bzw. Differenzierung von Fachinventaren (z. B. Metall), Wiederherstellung zusammengehöriger Einheiten, Integration der Kunstblättersammlung in das Hauptinventar, Neuregelung der Verantwortlichkeiten für die Inventarführung, für die einzelnen Fachinventare, für die Depotverwaltung. Grundsätzlich sollte es für jedes Sammelobjekt einen primär Zuständigen geben. Eine Systematik dabei wird die Präzisierung inhaltlicher Vorstellungen herausfordern.

 

(10) Überwindung der Zellen-Struktur/Technologieeinsatz

Mit einem Personal-Computer-System könnten Basisinformationen und Verknüpfungen in mehrfach verwertbarer Weise erfasst werden; dadurch ließe sich - unter voller Wahrung von Primär-Verantwortlichkeiten - die einengende Systematik der Fachinventare und der zugehörigen zellenhaften Sammlungsgliederung überwinden und die Zugänglichkeit und Verwertbarkeit der einschlägigen Informationen markant verbessern (ggf. inkl. digitalisierter Bilddokumentation)

 

(11) Abgeschlossene Sammlungen

Die Arbeit an diesen Grundlagen einer neu zu überdenkenden Sammlungspolitik kann unmittelbar mit deren inhaltlicher Neubestimmung verknüpft werden. Wichtige Vorfragen dazu, zu denen in dieser Studie Konzeptionsansätze enthalten sind, betreffen die Entscheidung darüber, was tendenziell nicht mehr gesammelt werden soll, damit Energien (und Geldmittel) gezielter eingesetzt werden. Dabei ist nicht zwingend das Gedankengebäude, was anstelle dessen zu betonen ist, der wichtige Punkt, sondern eine anpassbare Kette temporärer Schwerpunkte und Spezialisierungen, für die relativ detaillierte Entscheidungskriterien erarbeitet worden sind.

 

(12) Aufwertung von Archivfunktionen und Informationssammlungen

Eine Sammlungspolitik des MAK ad hoc auf Offensive umzustellen, ist dabei also nicht das Thema. Im Gegenteil: Genereller Ansatzpunkt muß immer wieder die Fragestellung sein, was ein staatliches Museum heute und künftig anders, besser, profilierter, gründlicher machen könnte (oder sollte), als eine in keine vergleichbaren öffentlichen Verpflichtungen eingebundene Institution. Die Chancen liegen in einem differenzierten, sensitiven, flexiblen Agieren. Denkmodell: ‚projektorientiertes' Sammeln, mit Bezug zu Themenfeldern, Forschungsvorhaben, Ausstellungen (und Procedere für Ausnahmen, für die Wahrnehmung von Gelegenheiten). Neue Gewichtungen zugunsten von Informationssammlungen und Archivfunktionen sollten eine hohe Priorität haben. Objekte - Informationen - Ausstellungen sind ein plausibles Muster für die Neuordnung von Inhalts- und Arbeitszusammenhängen.

 

(13) MAK-spezifische Entscheidungssystematik

Die zugehörigen Darstellungen einer Entscheidungssystematik sind Material für die Weiterarbeit. Stichworte dazu: befristeter oder genereller Sammlungsstopp in bestimmten Gebieten, Gegenwartsbezug verschiedener Intensität, befristete Konzentration auf bestimmte Fachbereiche/Themen/Programme/internationale Bezüge; Betonung/Ausbau von Stärken, Eliminierung bestimmter Schwächen, Akzeptierung von Schwachstellen, systematische, längerfristige Bemühungen um die Übernahme interessanter Objekt- und Informationssammlungen, Pionierrolle bei bestimmten Archivfunktionen.

 

(14) Künstlerisch-gestalterische Kontinuitäten bestärken

Ein anderer wichtiger Grundsatz: das MAK als ‚Knotenpunkt' innerhalb von Strukturen, die Kontinuitäten bei künstlerisch-gestalterischen Leistungen bestärken sollen (als Veranstalter, Sammler von Objekten und Informationen, als Aussteller, Auftraggeber, Herausgeber von Publikationen).

 

(15) Neuinterpretation öffentlicher Aufgaben

Dazu gehört die Priorität für ein Samrneln, das kulturpolitisch wichtige Funktionen erfüllt, die außer einem staatlichen Museum kaum wer wahrnimmt, die noch keinen Markt haben (z. B. bestimmte Nachlässe, Modelle, Prototypen, Dokumente, Produktionsunterlagen, Vergängliches, unrealisierte Projekte).

 

(16) Angewandte' Kunst?

Weiters gehören dazu permanente Initiativen zum Thema Kunst/,angewandte' Kunst, zum Thema ‚Objekte' und ‚normale' Produkte, zu noch unbestimmten Zwischenbereichen (für die sich oft niemand zuständig fühlt), zu geistig-gestalterischen Leistungen in einem weiten, interdisziplinären Sinn (als Interpretation des Anwendbaren und Nichtanwendbaren).

 

(17) Planungsraster - Prioritäten

Inwieweit die Darstellung quantitativer Strukturen der vorliegenden Analysen durch Kriterien einer neuen Sammlungspolitik beantwortet wird, ist in internen Diskussionsprozessen zu klären (Rahmenvorstellungen über Quantität der Neuzugänge, über Budgetschwerpunkte, über die Relation von Ankäufen und Geschenken, über Bedingungen für Geschenke, etwa Bearbeitungsbudgets; über Bezugsquellen, wie Händler, private Sammler, Künstler/ Gestalter, Auktionen, Importe; über Preisebenen, über mögliche Großankäufe, über zu bevorzugende zeitliche Perioden, über geographische Schwerpunkte, über Vorstellungen zur Signifikanz von Objekten und Informationen, über eine Politik Ausnahmen und Gelegenheiten gegenüber).

 

(18) Neue Entscheidungsabläufe

Festzulegen sind ferner die Einzelheiten der internen Entscheidungsfindung (inkl. der Aufhebung der - rein formalen - Bewilligungspflicht des Ministeriums, trotz genehmigter Budgets).

 

(19) ‚Projektkultur'

Spezielle MAK-Initiativen könnten den Wandel des Berufsbildes von Kunsthistorikern und Kustoden betreffen; gestützt von einer internen Orientierung auf fachübergreifende, projektorientierte Arbeitsweisen und auf signifikante Beiträge zu einer - auch Arbeitssituationen - positiv prägenden, auf das Umfeld ausstrahlenden ‚Projektkultur'.

 

(20) Durchforsten der Bestände - Sekundär/Tertiär-Sammlungen

Das Tabu der vollkommenen Statik staatlicher Museumssammlungen gehört zum Thema gemacht, durch ein planmäßiges Durchforsten der MAK-Sammlungen. Wenn eine Reihe von MAK-Mitarbeitern eine Aussonderung in der Größenordnung von 10 bis 20 Prozent für wünschenswert und notwendig hält, da weiterhin sogar Fälschungen ‚bewahrt' werden, so könnten erste Schritte dazu Impulse liefern, etwa indem Sekundär- bzw. Tertiär-Sammlungen spezifiziert (und in mindere Depots ausgelagert, eventuell zur öffentlichen Diskussion ausgestellt, zum Tausch angeboten) werden. Auch bezüglich Verkaufs- und Tauschmöglichkeiten sollten dezidierte Rahmenrichtlinien konzipiert werden; und sei es, daß derartiges zum extremen Sonderfall erklärt wird.

 

(21) Angewandtes = Übergreifendes

Konträr zu oft geäußerten Auffassungen, daß sich das MAK auf angestammte Funktionen als Kunstgewerbemuseum konzentrieren sollte, liegen gerade im Übergreifenden, in seiner nicht auf einen ,Das-ist-Kunst-Status' fixierten Rolle die eigentlichen Neuorientierungschancen.

 

(22) Längerfristig: Neuer Name?

In diesem Sinn ist auch zu überlegen, ob der eher einengende, antiquierte, von Aspekten der Diskriminierung und Zweitrangigkeit gegenüber Kunst weiterhin nicht freie Name ‚Museum für angewandte Kunst' (der ursprüglich ‚Kunst und Industrie' gelautet hat) auf Dauer beibehalten werden soll. Der Vergleich mit verwandten Museen, mit Hochschulen für angewandte Kunst und Kunstakademien zeigt, daß die Funktionstrennung solcher Institutionen letztlich völlig fiktiv geworden ist.

 

(23) Kompakt abgegrenzte Arbeitsbereiche

Der traditionelle Kern des MAK ist ein Museum des 19. Jahrhunderts, das entweder statisch als solches erhalten werden kann (als ,Museum eines Museums') oder sich durch Konsolidierung und Reform erneuert, über bessere Arbeitsstrukturen und Arbeitsbedingungen, über Orientierung auf das (ausgehende) 20. Jahrhundert und auf unmittelbar Zeitgenössisches, über ein Design-Archiv, über neue Informationsfunktionen, erweiterte Themenstellungen, über eine konsequentere Sammlungspolitik. In beiden Fällen ist ein ,zweites' MAK, im Sinne eines Projekt- und Ausstellungszentrums (begünstigt durch den eindrucksvoll renovierten Ausstellungstrakt Weiskirchnerstraße), eine sehr plausible Entwicklungsvariante - als Basis einer kompakteren internen Kooperation und Abgrenzung inhaltlich unterschiedlicher Arbeitsbereiche oder sogar als Ort, der im Rahmen des MAK-Verbandes eine eigene Identität hat (Name, Personal, Programm). Beide, ihre Verwandtschaft zur Profilierung nutzende ‚Sparten' bzw. Institutionen könnten sich so in ihren Eigenheiten bestärken.

 

(24) Museum und Projektzentrum

Das erneuerte Kunstgewerbemuseum ist - trotz vieler interessanter, bereichsübergreifender Strömungen, die es wieder aktuell und ausbaufähig erscheinen lassen - als Modell nirgends greifbar. Und das ist gut so, damit nach allen Vereinheitlichungstrends eine differenzierte Museumssituation wieder Chancen bekommt. Einem MAK, das in dieser durchgehenden Verunsicherung und Vagheit ein Museum neuen Typs werden will, sind diesen Überlegungen zufolge prinzipiell zwei Wege vorgezeichnet:

  • Es strukturiert sich im Rahmen des konzipierten Organisationsmodells in bewußt getrennte, relativ eigenständige Entwicklungsbereiche und -ebenen, in Form neu gewichteter und neu gegliederter alter und neuer Funktionen (Daueraufgaben; Sammlung von Objekten und Informationen, Zentrale Dienste/Projektbereich),
  • wobei sich als bestärkender Weg einerseits eine deutliche Aufwertung der Archivfunktionen (Informationssammlung), andererseits ein zweites, deutlicher abgegrenztes ‚neues' MAK als ‚Entwicklungslabor' und ‚Projektraum' als sinnvoll erweisen dürfte (in Form des Ausstellungszentrums, ggf. mit eigener Identität/mit eigenem Namen).

 

(25) Priorität : innerbetriebliche Infrastruktur

Nicht ein diffuses ‚bürokratisches' Durcheinander, sondern Abgrenzungen und größere Selbständigkeit wären dabei die Basis neu erarbeiteter Gemeinsamkeiten. Eine adäquate betriebliche Infrastruktur ist als Voraussetzung anzusehen.
Eine ‚projektorientierte' Arbeitsstruktur und ein ‚projektorientiertes' Sammeln sind, so wie es in den entsprechenden Konzeptions-Kapiteln ausgearbeitet ist, dafür ein übersichtliches, praxisnahes - allerdings zu vielen ,Verwaltungstraditionen'' in Gegensatz stehendes - Entwicklungsmodell.

Pressereaktionen:

Brauche keine 5-Millionen-Studie

von Erwin Melchart

Krone, Wien, 3.2.1988

Noevers Vertragsverlängerung fix?
MAK-Studie sorgte für gehörigen Wirbel

von Martina Spitzbart

Kurier, Wien, 1.10.1991

Der Weg in die Autonomie
Die Presse, Wien, 12.11.1991

MAK: Diagnose und Vorschläge für eine Museums-Therapie
Der Standard, Wien, 12.11.1991

Angewandte Kunst: "Neue Strukturen"
von Erwin Melchart
Krone, Wien, 12.11.1991

Nicht für die Schublade

von Martina Spitzbart

Kurier, Wien, 13.11.1991

Sammeln, aber wie und was?

von Doris Krumpl

Falter, Wien, Nr. 46/1991

Zum dritten Mal verschoben

von Martina Spitzbart

Kurier, Wien, 5.6.1992

Eröffnung am 1. Mai
Die Presse, Wien, 2.2.1993

Prestel-Museumsführer
MAK
Prestel-Verlag, München, 1993 (Neuauflage 1995)

 

zugehörige Publikation:

MAK-Dienstleistungsstudie

Ein Museum im Aufbruch. Manuskripte des MAK 2
MAK - Österreichisches Museum für angewandte Kunst Wien (Ausarbeitung 1987)
Wien 1991

Studie über resonanz- und einnahmensteigernde privatwirtschaftliche Dienstleistungen des MAK

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Übersicht MAK-Reform

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