Jede Erregung über Design ist Beweis für Vitalität. Sie
bestärkt eine Unzufriedenheit mit halben Lösungen. So gesehen
hätte Design, als exemplarisches Feld halber Lösungen, therapeutische
Funktionen. Geht es doch auch sonstwo ständig um Versprechen,
die nicht gehalten werden können.
Der Urbanist fragt sich vielleicht, was daran falsch sein
soll; aber auch ein Purist wird sich eingestehen müssen, daß
ihn die Beweggründe für seinen Hochmut meist nicht wirklich
interessieren. In der sich ständig reproduzierenden künstlichen
Welt kann so ziemlich alles Gemachte und Gedachte als Design
gelten. Angesichts dieser Form von Unendlichkeit verflüchtigen
sich für Eingriffe und Urteile alle Relationen. Erst Differenzierungen
und konkrete Arbeitsvorgänge grenzen die inhaltsleere Zumutung
einer generellen Zuständigkeit von Design auf tatsächlich
gestaltbare Sachverhalte ein.
Wie Einfälle und Vorstellungen produziert, Entscheidungen
getroffen, Varianten bevorzugt werden, läßt sich allerdings
nie rechtzeitig und detailgenau nachvollziehen; es geschieht,
ergibt sich, Simplifizierungen und Codes liefern den Raster.
Provisorien befreien vom Diktat angeblicher Lösungen. Etappenweise
Verbesserungen halten Denkprozesse und die Wirtschaft in Gang;
manchmal gelingt durch Zeichensetzungen die Visualisierung,
oder sogar die Manifestation, veränderter Kategorien und Gewohnheiten.
Die Entschlüsselung unverständlicher Botschaften, um die es
zunehmend geht, und die Kommunikation von Nichtwissen, wird
durch künstlerische Haltungen offenbar erträglicher, bedeutsamer,
weil so eine Ahnung von Zusammenhängen übergreifende Ansatzpunkte
bekommt.
Daß Design - als Gestaltungsanspruch - in der Produktwelt
festgehalten wird, angekoppelt an die Systeme von Industrie
und Werbung, als Beruf bedrängt von Spezialisten, Autodidakten
und Grenzüberschreitern, eingebunden in die allgemeinen Stilisierungsrituale,
bei Problemlösungen überfordert, wie andere auch, erklärt
einiges seiner zeittypischen Relevanz. Reduktion auf Essentielles
und Normales bleibt als Forderung zwar präsent, trotzdem braucht
jeder Ausdruck von Komplexheit mehrschichtige strukturelle
Bezüge, wenn Funktion, Materie und Psyche in erfreulicher
Weise miteinander auskommen wollen. In der Praxis passiert
anderes. Überall schwören Politiker auf intelligente Produkte,
in durchaus heidnischer Manier; die Steigerung dazu, die kulturelle
Qualität angebotener Dinge, hat sich von einer Selbstverständlichkeit
zum überhöhten Maximalanspruch verwandelt. Vom tatsächlich
Machbaren bleibt vieles unsichtbar, verschwindet, begnügt
sich mit Simulationen. Die Distanz zwischen Original, Kopie
und Epigonalem ist zur fiktiven Größe geworden. Systeme erzeugen
Outputs, Bilder, Zugriffsmöglichkeiten. Das meiste beschleunigt
sich, zum Ausgleich läuft einiges provokant langsam ab. Der
Konsument reagiert. Die Designer reagieren.
Gegenbewegungen, als Summierung von Eigenständigem und Problemorientiertem,
als freche, sensitive, etwas aufbrechende Beschäftigung mit
Situationen, in denen der Mensch mit Erinnerungen, Wünschen,
Überraschungen und Funktionsweisen konfrontiert ist, liefern
manchmal die zyklisch willkommenen Impulse, etwa seine Werkzeuge
und Hilfsmittel, seine Kleidung, seine Fortbewegung, bevorzugte
Materialien, seine Verhaltensweisen, allein und in Gruppen,
seine Emotionen, seine Kultgegenstände, die Medien, die Ökologie,
das private Haushalten, seinen Umgang und seine Verwandtschaft
mit Automaten, seine Eingebundenheit in Systeme betreffend.
Nicht die Hoffnung auf irgendwelche neue Einstellungen in
einer plötzlich gestaltungsbewußten Wirtschaft, sondern notwendige
Angebotsdifferenzierungen über vernetzte, rasant flexibler
werdende Produktionsweisen, mit vielfältigen Kleinserien und
Adaptionen, mit einem Aufschwung für spezialisierte Kleinbetriebe
und neue Arbeitsteilungen, werden Parameter für künftige Designleistungen
bilden, auch wenn doch kein Designerjahrhundert bevorsteht,
so wie es vielfach prophezeit - und befürchtet - wird.
Vom an "Lösungen" interessierten Paar, der Imagination und
der Pragmatik, ist jeder der eifersüchtigen Partner darauf
angewiesen, daß Realitäten und die Reflexion sie betreffender
Unterscheidungsprobleme, als subjektiv und vom Beobachter
abhängig betrachtet werden, denn "Individuum im modernen Sinne
ist, wer sein eigenes Beobachten beobachten kann" (Niklas
Luhmann).
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Das Wissen, nichts zu wissen, ist längst
nicht mehr der Anfang aller Weisheit.
Heute geht es darum, zu wissen, was man weiß - oder doch
wissen könnte.
Philosophie nach ihrem Ende ist Wissensdesign ...
Norbert Bolz: Philosophie nach ihrem Ende. 1992 |
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Aufrechter Gang, kurzes Gesicht, Hände,
die bei der Fortbewegung frei bleiben, und der Besitz
beweglicher Werkzeuge, dies sind in der Tat die fundamentalen
Merkmale der Menschheit.
André Leroi-Gourhan: Hand und Wort. Die Evolution
von Technik, Sprache und Kunst. 1980
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Es geht gut, solange es gut geht. Das
ist die Botschaft.
Niklas Luhmann: Beobachtungen der Moderne. 1992 |
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