Vom Standpunkt eines Philosophen aus, in diesem Fall von
Gilles Deleuze, sind für das Denken insistierende Monologe
viel bestimmender als jeder Gedankenaustausch; denn "die Philosophie
findet keinerlei letzte Zuflucht in der Kommunikation, die
potentiell nur Meinungen bearbeitet, um 'Konsens' und nicht
Begriffe zu schaffen". Es geht auch nicht ständig um Reflexion.
"Die Kommunikation kommt stets zu früh oder zu spät, und das
Gespräch bleibt überflüssig gegenüber dem Geschaffenen" (Deleuze/Guattari:
Was ist Philosophie? 1996).
Ein solches Argumentieren für konzentriertes Denken und
Tun wirkt angesichts aller stattfindenden Beeinflussungen
und Vermischungen hochgradig spezialisiert, in der Realität
gleichsam unbrauchbar; nur ist es das keineswegs, gerade wenn
Philosophie als "die Kunst der Bildung, Erfindung, Herstellung
von Begriffen" definiert wird; denn "jeder Begriff verweist
auf ein Problem", heißt es, eine solche Logik erläuternd,
anderswo in diesem Text.
Schon wegen der geläufigen Alltagserfahrungen damit, wie
Probleme zerredet, erledigt, hinausgeschoben werden, unter
ständiger Verwechslung von Sorgfalt und Kleinlichkeit, von
Spontaneität und Gedankenlosigkeit, bekommt jede Erfahrung
mit plausibler Konsequenz und konsequenter Flexibilität einen
gewissen Wert. Jetzt Geschaffenes - z. B. als Architektur,
als Kunst - reißt zusätzliche Dimensionen auf, wenn es mit
der Art und Weise, wie es gemacht ist und was es bewirkt,
etwas auslöst. Der Begriff von Qualität und Bedeutung ermüdet,
wenn nicht ständig Neudefinitionen vorgenommen werden. Eine
Modernisierung, die sich mit notwendig erscheinenden Manövern
und perspektivelosen Einschränkungen begnügt, engt auch den
Raum für erfreuliche, vieldeutige, irritierende Überraschungen
ein und bestärkt jene Form von Normalität, die sich bloß auf
Gewöhnung berufen kann. Daß routinemäßiger Schwachsinn geduldig
hingenommen wird und nur auffälligere Abweichungen davon manchmal
Erregung erzeugen, macht evident, wie sonderbar Kommunikation
funktioniert: stumm, reagierend, geschäftsmäßig, privatisiert.
Wenn sich Besonderes zeigt, also etwas, das sich abgrenzt,
weil es seine Eigenheiten hat, das intensiviert, was sich
sonst verflüchtigt, das zusammenbringt, was einem anderswo
abgeht, kann es sein, daß das allgemeine Schweigen gebrochen
wird, es kann aber auch sein, daß dadurch ein interessanteres
Schweigen entsteht, ein Beachten, das unmerklich zunimmt,
wieder vergeht, jedoch im Lauf der Zeit vermutlich Erneuerungen
erlebt.
Nicht nur bei komplexeren Projekten nimmt es oft das Ergebnis
vorweg, wie etwas angefangen wird, von der Ausfächerung der
Problemstellung bis zu den einbezogenen Personen. Dazu gehört
auch der Umgang mit dem Verlust an Entscheidungshilfen, weil
substantielle Kritik längst zu "Promotion" transformiert ist,
als Facette eines grundlos lächelnden Think-Positive-Life-Styles.
Daß das Positive daran genau genommen mit bestimmt, ausdrücklich,
sicher, überzeugt, fest, einwandfrei, wirklich, selbstsicher
übersetzt werden könnte, schreibt nur das Wörterbuch vor,
in der Praxis hat sich längst eine eindimensional-freundliche,
gleichsam tourismusorientierte Verwendung durchgesetzt. Trotzdem
entstehen Ordnungsmuster, weil verschiedene Fachwelten, in
denen es intern ähnlich konfus zugeht wie anderswo, sich als
Forum für das Vorführen kompetenter Beurteilungen behaupten,
ob es sich nun um die Leistungen von Architekten, Autoren
oder Fußballern handelt. Zumindest im Vorfeld dieser Transfermärkte
können die "für gewöhnlich gut informierten Kreise" gelegentlich
noch mitwirken. Die Bedeutungen aber verselbständigen sich
als Medienresonanz, wenigstens auf ökonomisch weniger gestützten
Ebenen schaffen sie noch ein Eigenleben. Solange immer wieder
etwas aufblitzt, wird wenigstens die Vorstellung davon wachgehalten,
daß manche Angebote und Qualitäten nur bessere Bedingungen
bräuchten - etwa in dem Nachfrage für etwas erzeugt wird,
nach dem zuvor niemand gefragt hat.
Die Kommunikation darüber ist darauf angewiesen, daß Monologe
akzeptiert und dennoch verbal faßbare Zusammenhänge hergestellt
werden, beschleunigend oder als Verlangsamung. Gerade wenn
Architektur und Werke bildender Kunst mit den jeweils eigenen
Stärken auf eine Aufgabe und einen Ort reagieren, ohne die
Existenz eines geschlossenen Ganzen zu behaupten, weil Position
beziehen eine Gegenkraft zur Unterordnung ist (wie im Fall
der Zusammenarbeit von Peter Lorenz mit Brigitte Kowanz, Eva
Schlegel und Peter Kogler), entstehen Raum-, Material-, Zeit-,
Licht- und Zeichenbeziehungen von uneingrenzbarer Kompliziertheit,
die zuerst einmal für sich sprechen. Genauer gesagt müßte
es natürlich heißen: die für sich schweigen. Geht es doch
unwillkürlich eher um Blicke, um Bewegung, um Gefühle. Dimensionen
wirken, Details fallen einem auf, Atmosphäre wird spürbar.
Aus dieser Art zu lesen ergeben sich die unmittelbaren Eindrücke,
vermischt, überlagert, ungeteilt. Die beim Übergang zu Sätzen
zwangsläufig auftretenden Verluste fordern als Kompensation
andere Arten von Gewinn: Sprachbilder, Einsichten, Erkenntnisse,
aber auch die Akzeptanz verschiedener Sprachen. Verstehen
ist auf die Beschäftigung mit Grenzen des Verstehens angewiesen.
Nichteinmal wie Denken wirklich vor sich geht, ist hinlänglich
bekannt. Ob konzipierte Situationen als ansprechend empfunden
werden, hängt also auch vom Potential der Fragen und von der
Wahrnehmungsfähigkeit ab. Wo Anbiederndes erwünscht ist, kann
man sich beides sparen.
Die Produktivität von Kommunikation entsteht eben nicht
aus simplem Bemühen um Verständigung, um Dialog, um Dienstleistungen.
Sie beruht "auf der Herstellung, Verarbeitung, Nutzung von
Zeichen und Bedeutungen", also ist es eine zu enge Sicht,
ihre Entwicklung vor allem technologisch zu determinieren
und daraus harmonisierende, ökonomisch nutzbare Wirkungen
abzuleiten. Sich in ihrer Automatik eher undeutlich artikulierende
Machtstrukturen bilden im Großen wie im Kleinen den Raster
für mögliche Freiheiten, ohne daß dafür überall Beweise notwendig
wären, weil auch Abweichungen und Eigendynamik gebraucht werden.
Wenn Kommunikation gerade deswegen als "Machen, Schaffen,
Herstellen sozialer Verbindungen und Verständigungschancen"
verstanden wird und "als Verfahren, Zusammenhänge herzustellen,
diese zu beschreiben, zu bedeuten oder zu verändern", macht
dies gleichzeitig klar, "daß es die Störung ist, die Wahrnehmung
erzeugt"; selbst Information ist "immer auch Störung, da sie
Neues darstellt, ob bestätigend oder irritierend" (Manfred
Faßler: Künste der Kommunikation, 1996). Im Fließen und Rauschen
der Bilder, der Daten, der Vorgänge sind solche Störungen
also a priori weder Pannen noch heroische Widerstandsakte,
sondern Unterbrechungen, als Voraussetzung für Aufmerksamkeit,
aus der erst sich im weiteren Verständigungs- und Veränderungsmöglichkeiten
ergeben. Adressat dafür ist nicht die Allgemeinheit mit ihrer
fiktiven Gleichgültigkeit, sondern die einzelne Person mit
ihren wechselnden, sich verwandelnden, sich vermischenden
Gruppenzugehörigkeiten und Gruppencodes.
Als minimalistische Verallgemeinerung läßt sich vielleicht
sagen: Visuelle (und akustische) "Unterbrechungen", deren
Eigenschaften ihre Präsenz und gedankliche Haltbarkeit rechtfertigen,
besetzen frei gewordenen Raum durch hergestellte Situationen,
Zeichen und Bedeutungen, also komplexer als es Erwartungen
entspricht; erst so wird Kommunikation produktiv und - in
mehrdeutigem Sinn - nachfragefördernd.
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