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Architekturforum Tirol
Triton Verlag
   

Zur Kommunikation über Kunst & Architektur
Monologe, Dialoge, Unterbrechungen

In: Architekturforum Tirol (Hg.): Peter Kogler, Peter Lorenz, Eva Schlegel, Brigitte Kowanz
Ausstellungskatalog
Triton Verlag, Wien 1996

Texte zu künstlerischen Positionen

Weitere Beiträge von Arno Ritter und Peter Weiermair.

 

 

Vom Standpunkt eines Philosophen aus, in diesem Fall von Gilles Deleuze, sind für das Denken insistierende Monologe viel bestimmender als jeder Gedankenaustausch; denn "die Philosophie findet keinerlei letzte Zuflucht in der Kommunikation, die potentiell nur Meinungen bearbeitet, um 'Konsens' und nicht Begriffe zu schaffen". Es geht auch nicht ständig um Reflexion. "Die Kommunikation kommt stets zu früh oder zu spät, und das Gespräch bleibt überflüssig gegenüber dem Geschaffenen" (Deleuze/Guattari: Was ist Philosophie? 1996).

Ein solches Argumentieren für konzentriertes Denken und Tun wirkt angesichts aller stattfindenden Beeinflussungen und Vermischungen hochgradig spezialisiert, in der Realität gleichsam unbrauchbar; nur ist es das keineswegs, gerade wenn Philosophie als "die Kunst der Bildung, Erfindung, Herstellung von Begriffen" definiert wird; denn "jeder Begriff verweist auf ein Problem", heißt es, eine solche Logik erläuternd, anderswo in diesem Text.

Schon wegen der geläufigen Alltagserfahrungen damit, wie Probleme zerredet, erledigt, hinausgeschoben werden, unter ständiger Verwechslung von Sorgfalt und Kleinlichkeit, von Spontaneität und Gedankenlosigkeit, bekommt jede Erfahrung mit plausibler Konsequenz und konsequenter Flexibilität einen gewissen Wert. Jetzt Geschaffenes - z. B. als Architektur, als Kunst - reißt zusätzliche Dimensionen auf, wenn es mit der Art und Weise, wie es gemacht ist und was es bewirkt, etwas auslöst. Der Begriff von Qualität und Bedeutung ermüdet, wenn nicht ständig Neudefinitionen vorgenommen werden. Eine Modernisierung, die sich mit notwendig erscheinenden Manövern und perspektivelosen Einschränkungen begnügt, engt auch den Raum für erfreuliche, vieldeutige, irritierende Überraschungen ein und bestärkt jene Form von Normalität, die sich bloß auf Gewöhnung berufen kann. Daß routinemäßiger Schwachsinn geduldig hingenommen wird und nur auffälligere Abweichungen davon manchmal Erregung erzeugen, macht evident, wie sonderbar Kommunikation funktioniert: stumm, reagierend, geschäftsmäßig, privatisiert. Wenn sich Besonderes zeigt, also etwas, das sich abgrenzt, weil es seine Eigenheiten hat, das intensiviert, was sich sonst verflüchtigt, das zusammenbringt, was einem anderswo abgeht, kann es sein, daß das allgemeine Schweigen gebrochen wird, es kann aber auch sein, daß dadurch ein interessanteres Schweigen entsteht, ein Beachten, das unmerklich zunimmt, wieder vergeht, jedoch im Lauf der Zeit vermutlich Erneuerungen erlebt.

Nicht nur bei komplexeren Projekten nimmt es oft das Ergebnis vorweg, wie etwas angefangen wird, von der Ausfächerung der Problemstellung bis zu den einbezogenen Personen. Dazu gehört auch der Umgang mit dem Verlust an Entscheidungshilfen, weil substantielle Kritik längst zu "Promotion" transformiert ist, als Facette eines grundlos lächelnden Think-Positive-Life-Styles. Daß das Positive daran genau genommen mit bestimmt, ausdrücklich, sicher, überzeugt, fest, einwandfrei, wirklich, selbstsicher übersetzt werden könnte, schreibt nur das Wörterbuch vor, in der Praxis hat sich längst eine eindimensional-freundliche, gleichsam tourismusorientierte Verwendung durchgesetzt. Trotzdem entstehen Ordnungsmuster, weil verschiedene Fachwelten, in denen es intern ähnlich konfus zugeht wie anderswo, sich als Forum für das Vorführen kompetenter Beurteilungen behaupten, ob es sich nun um die Leistungen von Architekten, Autoren oder Fußballern handelt. Zumindest im Vorfeld dieser Transfermärkte können die "für gewöhnlich gut informierten Kreise" gelegentlich noch mitwirken. Die Bedeutungen aber verselbständigen sich als Medienresonanz, wenigstens auf ökonomisch weniger gestützten Ebenen schaffen sie noch ein Eigenleben. Solange immer wieder etwas aufblitzt, wird wenigstens die Vorstellung davon wachgehalten, daß manche Angebote und Qualitäten nur bessere Bedingungen bräuchten - etwa in dem Nachfrage für etwas erzeugt wird, nach dem zuvor niemand gefragt hat.

Die Kommunikation darüber ist darauf angewiesen, daß Monologe akzeptiert und dennoch verbal faßbare Zusammenhänge hergestellt werden, beschleunigend oder als Verlangsamung. Gerade wenn Architektur und Werke bildender Kunst mit den jeweils eigenen Stärken auf eine Aufgabe und einen Ort reagieren, ohne die Existenz eines geschlossenen Ganzen zu behaupten, weil Position beziehen eine Gegenkraft zur Unterordnung ist (wie im Fall der Zusammenarbeit von Peter Lorenz mit Brigitte Kowanz, Eva Schlegel und Peter Kogler), entstehen Raum-, Material-, Zeit-, Licht- und Zeichenbeziehungen von uneingrenzbarer Kompliziertheit, die zuerst einmal für sich sprechen. Genauer gesagt müßte es natürlich heißen: die für sich schweigen. Geht es doch unwillkürlich eher um Blicke, um Bewegung, um Gefühle. Dimensionen wirken, Details fallen einem auf, Atmosphäre wird spürbar. Aus dieser Art zu lesen ergeben sich die unmittelbaren Eindrücke, vermischt, überlagert, ungeteilt. Die beim Übergang zu Sätzen zwangsläufig auftretenden Verluste fordern als Kompensation andere Arten von Gewinn: Sprachbilder, Einsichten, Erkenntnisse, aber auch die Akzeptanz verschiedener Sprachen. Verstehen ist auf die Beschäftigung mit Grenzen des Verstehens angewiesen. Nichteinmal wie Denken wirklich vor sich geht, ist hinlänglich bekannt. Ob konzipierte Situationen als ansprechend empfunden werden, hängt also auch vom Potential der Fragen und von der Wahrnehmungsfähigkeit ab. Wo Anbiederndes erwünscht ist, kann man sich beides sparen.

Die Produktivität von Kommunikation entsteht eben nicht aus simplem Bemühen um Verständigung, um Dialog, um Dienstleistungen. Sie beruht "auf der Herstellung, Verarbeitung, Nutzung von Zeichen und Bedeutungen", also ist es eine zu enge Sicht, ihre Entwicklung vor allem technologisch zu determinieren und daraus harmonisierende, ökonomisch nutzbare Wirkungen abzuleiten. Sich in ihrer Automatik eher undeutlich artikulierende Machtstrukturen bilden im Großen wie im Kleinen den Raster für mögliche Freiheiten, ohne daß dafür überall Beweise notwendig wären, weil auch Abweichungen und Eigendynamik gebraucht werden. Wenn Kommunikation gerade deswegen als "Machen, Schaffen, Herstellen sozialer Verbindungen und Verständigungschancen" verstanden wird und "als Verfahren, Zusammenhänge herzustellen, diese zu beschreiben, zu bedeuten oder zu verändern", macht dies gleichzeitig klar, "daß es die Störung ist, die Wahrnehmung erzeugt"; selbst Information ist "immer auch Störung, da sie Neues darstellt, ob bestätigend oder irritierend" (Manfred Faßler: Künste der Kommunikation, 1996). Im Fließen und Rauschen der Bilder, der Daten, der Vorgänge sind solche Störungen also a priori weder Pannen noch heroische Widerstandsakte, sondern Unterbrechungen, als Voraussetzung für Aufmerksamkeit, aus der erst sich im weiteren Verständigungs- und Veränderungsmöglichkeiten ergeben. Adressat dafür ist nicht die Allgemeinheit mit ihrer fiktiven Gleichgültigkeit, sondern die einzelne Person mit ihren wechselnden, sich verwandelnden, sich vermischenden Gruppenzugehörigkeiten und Gruppencodes.

Als minimalistische Verallgemeinerung läßt sich vielleicht sagen: Visuelle (und akustische) "Unterbrechungen", deren Eigenschaften ihre Präsenz und gedankliche Haltbarkeit rechtfertigen, besetzen frei gewordenen Raum durch hergestellte Situationen, Zeichen und Bedeutungen, also komplexer als es Erwartungen entspricht; erst so wird Kommunikation produktiv und - in mehrdeutigem Sinn - nachfragefördernd.

 

 
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© Christian Reder 1996/2001