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www.ChristianReder.net: Publikationen: Über Bruno Gironcoli
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MAK - Österreichisches Museum für angewandte Kunst
Hatje Verlag
   

Über Bruno Gironcoli

In: Bruno Gironcoli. Die Ungeborenen / The Unbegotten
MAK - Österreichisches Museum für angewandte Kunst
deutsch / englisch
Hatje Verlag. Wien 1997

Essay zur künstlerischen Arbeit von Bruno Gironcoli

Weitere Beiträge von Peter Noever, Donald Kuspit, Franz West, Bettina M. Busse

 

 

Wenn es möglich wäre, Erinnerungen auszublenden und sich unbelastet, also vom Gewicht des bisher Vorgefallenen befreit, wie ein grundlos entfremdeter Mensch zu fühlen, dann würden einem Räume mit Bruno Gironcolis Arbeiten einfach als Ort erscheinen, an dem Gegenwart auf sonderbare Formen konzentriert ist. Daß es die sonst nirgends gibt, könnte einem vorerst gar nicht auffallen. Inwieweit dabei Archaisches und Futuristisches miteinander Verbindung aufnehmen, bliebe unbestimmbar. Solche Zuordnungen ergäben schlicht keinen Sinn, weil sich Fragen danach nicht stellen ließen. Da alles unbeweglich, also offenbar gleich bleibt, tritt Zeit nur über wechselnde Lichtverhältnisse in Erscheinung, als Beleuchtung von Formen. Was zu sehen ist, könnte irgendwo und irgendwann stattfinden; jedes Gefühl von Nähe ist aufgehoben, ohne daß daraus Fremdheit und Ferne wird. Denken und Bilder vereinigen sich gleichsam auf fiktive Art, erregt durch ihre Widersprüche, erregt durch die Gegenkräfte jeder Zivilisiertheit. Nichteinmal als Zwischenstadium lassen sich die Objekte begreifen, dafür sind sie zu voluminös und zu präzis gefertigt. Die Glätte ihrer Oberflächen weist sie als fertiggestellt aus, sie könnten für Fabriksprodukte gehalten werden, mit denen niemand etwas anfangen kann. Ihre Variationen sind Ausdruck unbekannter Vorgänge, die mit Aufträgen und Nachfrage nichts zu tun haben. Diese Dinge erzeugen ihre eigene, kreisende, sich selbst unterbrechende Kontinuität; eines ergibt zwar das andere, wird aber deswegen nicht obsolet. Besucher und Beobachter werden nur sporadisch gebraucht. Menschen stören zwar nicht, merken aber unter Umständen, wie überflüssig diese und andere Arten von Realität sie machen. Miteingeschlossen sind sie ohnedies, sobald sie die Sachen beschäftigen. Der Autor will weder über Präsenz noch über besondere Fertigkeiten Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Er hat Zeit. Es geht ihm um Konstitutionelles, als Verfassung und Körperbeschaffenheit. Bewegung ist die Fiktion jenseits davon. Was hergestellt wurde, könnte genauso in einem Depot überdauern, um irgendwann hervorgeholt zu werden.

Das ist aber auch schon alles, was Hoffnungen auf andere Zustände aufkommen läßt. Gironcoli reagiert eben mit ihm möglichen Formen des Eingreifens; durch Konzentration, durch Abwarten und Ausprobieren. Es wird analysiert und konzipiert, ohne Perspektiven zu unterstellen. Diese Neutralität konstatiert mehr als daß sie erzählt. Mit Zukunft zu tun hat höchstens der Eindruck, daß hier künstliche Intelligenz am Werk ist. Sie ist niemandem mehr Rechenschaft schuldig, erprobt gewisse Möglichkeiten und kümmert sich kaum um Akzeptanz. Was aus all dem werden könnte, ergibt sich eben Schritt für Schritt. Impulse verstärken oder verflüchtigen sich, Form entsteht aus Fragmenten, ohne daß noch Baupläne erforderlich wären. Es ist etwas Artifizielleres als Gefühl oder Emotion, das hier wirksam wird; unerschlossene Speicher geben Vorstellungen frei, Filter schalten sich ein und aus, Bilder werden deutlicher oder verblassen, Diffuses sucht sich provisorische Formen, der Zusammenhalt ergibt sich aus Verwandlungen. Die entstehenden Einstiege in virtuelle Welten sind noch materialisiert, von irgendwie altmodischer und dennoch zugleich transformierter, abgekühlter Künstlichkeit. Das Ich schaut zu, verwundert über seine parallelen und hypothetischen Identitäten, und sagt irgendwann: fertig, weil es weiß, daß es alles widerrufen kann um noch eine Zeitlang weitermachen zu können.

Sich über die Konstruktion ausgeblendeter Erinnerungen, gleichmütig akzeptierter Entfremdung und Vermutungen über künstliche Intelligenz für Bruno Gironcolis Arbeit Sprach- und Argumentationsmaterial zu verschaffen, kann der Sache und der Person nur halbwegs gerecht werden, wenn ein solches Verfahren gleich wieder unterbrochen und von anderen Blickpunkten aus angereichert wird. Um dabei einem vereinfachenden Verstehen zu entkommen, bietet sich an, es direkt ins Gespräch zu bringen, etwa durch den Rückgriff auf eine apodiktische Schlußfolgerung Max Horkheimers: So wie die Menschen heute sind, verstehen sie einander nur zu gut. Wenn sie einmal anfingen, sich nicht mehr zu verstehen, weder sich selbst noch die anderen, wenn die Formen ihrer Kommunikation ihnen suspekt würden und das Natürliche unnatürlich, so käme die grauenerregende Dynamik wenigstens zum Stillstand.1 Ob das angesichts inzwischen auf andere Weise radikalisierter Kommunikationsbedingungen nun antiquiert wirkt oder nicht, es wird damit ein Zusammenhang zwischen Latenz und Zeit hergestellt. Solche Forderungen könnten auch von einem Mystiker des Mittelalters stammen, der gegen das gleichgültige, scheinaktive Inkaufnehmen des vorhergesagten Infernos andere Muster der Verständigung sucht, in Gebeten, im Schweigen. Befreiendes Fluchen ist der zugehörige Gegenimpuls, als Einrahmung von Alltäglichem. Derartiges wiederholt sich, abgelöst von religiösen Bezügen und persönlichen Motiven, sowohl in der Gewöhnung daran, wie schwer vieles mitteilbar ist, als auch in der Herausbildung funktionalisierter, mehrdeutiger, spielerischer, konsequenter oder weniger konsequenter, den Zeichenvorrat erweiternder, immer wieder verstummender Sprachen. Störungen und Unterbrechungen sind daher zentrale Momente jeder Verständigung, selbst wenn Dissens kein zentrales Thema mehr ist. Nur ist längst offensichtlich, daß die normale kommunikative Distanz und Apathie vom Gang der Dinge abgekoppelt ist, ob die Menschen Horkheimers, oder andere, sich nun verstehen oder nicht. Nichteinmal was sie erleben erzeugt Verbindungen oder Verbindlichkeiten. Gültig bleibt der Hinweis auf destruktive, auf paradoxe Bedingungen, einschließlich der immer wieder stattfindenden Beschäftigung mit eigenständigen Formen kommunikativen und nichtkommunikativen Handelns, wozu auch deren Negation gehört.

Bearbeitet wird, was noch nicht gewußt werden kann

Bruno Gironcoli ist in der Zeit, auf die sich die angesprochene Beschwörung des Nichtverstehens bezieht, geboren worden, in jene kollektive, feindselige - von seiner engeren Umgebung keineswegs geteilte - Euphorie hinein, in der die Bewegung auf den bisherigen Tiefpunkt hin sich ihrem Maximum an organisierter Zustimmung genähert hat. Dieser miterlebte zivilisatorische Bruch, der seither jede Behauptung von kontinuierlichem Fortschritt an ein letztlich unmögliches Erinnernkönnen und Vergessenwollen bindet, bleibt in seiner Ungeheuerlichkeit unvorstellbar und undarstellbar und wurde auch so erfahren. Es läßt sich da nichts veranschaulichen. Alles Allgemeine verhöhnt das Singuläre. Eine Befreiung davon kann nicht stattfinden. Die Präsenz der als Kind (in Kärnten und zeitweilig in Frankfurt am Main) aufgenommenen Zeichen und Bildemotionen ist jedenfalls so prägend gewesen, daß in seiner künstlerischen Arbeit Spuren davon bis heute auftauchen. Es wird also nicht auf die unterschwellige Absicht, irgendwelche glücklichen Momente zu erneuern, reagiert, sondern auf eine Komplexheit, in der solche Wünsche und Stereotypien nicht mehr wiederzuerkennen sind. Das Unerklärliche am Geschehen, einschließlich des Entsetzlichen, ist ohnehin anwesend, selbst wenn Hinweise darauf unterbleiben. Im Gespräch und in Texten beruft er sich auf derartige Impulse nur zögernd, jegliches Spiel mit Betroffenheit abwehrend, als Gegengewicht weiträumige Bezüge und eine Gleichwertigkeit existentieller Situationen, eine Gleichwertigkeit erinnerter Wahrnehmung betonend, als ein Bildhauer, der aus dem vergangenen tausendjährigen chinesischen und elektrischen Zeitalter kommt - zumindest - als Design.2 Eine solche Aussage ist zugleich Schutzbehauptung und subversive Distanzierung, als Verteidigung umfassender Sichtweisen und der minimalen eigenen Möglichkeiten. Es schwingt mit, daß es beim Erinnern um so verfilzte Ablagerungs- und Verarbeitungsmechanismen geht, daß sich zur konkreten Arbeit keine direkten Verbindungen herstellen. Gerade erfahrenes und sonstwie bewußt gewordenes Leid (oder dessen Abwesenheit) betreffend, ergäbe eine solche Umsetzung keinen Sinn, höchstens nachahmende Bestätigungen; trotzdem finden Übersetzungsprozesse statt. Eindeutige Zusammenhänge mit Geschichte lassen sich daher nirgends ableiten, wenn es sich nicht um Erkenntnisse handelt; deren Relikte und ihnen zugeordnete Bedeutungen werden zu etwas eigenem, zu eigenwilligen Feststellungen darüber, daß Allgemeines und Individuelles ihren Dauerkonflikt in uneinsichtiger, nur punktuell faßbarer Weise austragen. Jede Erfahrung und jedes Ding ist etwas Einzelnes. Ein Vergessen und ein Vergessenwollen bekommen keine Mahnungen vorgesetzt sondern schweigende Zeichen. Worüber gesprochen werden sollte, wird dem Sprechen überlassen.

Daß etwas einmal heiter, einmal trostlos erscheinen kann, daß Sinn, Unsinn, Nicht-Sinn besondere Beziehungen zueinander unterhalten, und zwar nicht als Gegensatz oder Mangel (wie das philosophisch z. B. von Gilles Deleuze aktualisiert worden ist),3 wird als Lebens- und Arbeitsvoraussetzung akzeptiert, ohne zuviel abschwächende Ironie zu erzeugen. Oberfläche und Tiefe werden nicht so behandelt, als würden sie getrennt voneinander existieren. Klar ist, daß sich zur unabgrenzbaren Vielschichtigkeit nur Zugänge ergeben, wenn unterschieden, also etwas identifiziert und in Relationen gesetzt werden kann. Auf Form und Formlosigkeit bezogen ergeben sich daraus eigene Abhängigkeiten des Denkens vom Tun; Ursachen lösen sich vom Ursprünglichen, Rekonstruktionen solcher Prozesse würden immer wieder etwas anderes ergeben. An den gewählten Verfahren signifikant ist, daß sakrale und politische Symbole, mit ihrer wechselseitigen Durchdringung und Volkstümlichkeit, als triviale und unschuldige Teile wieder auftauchen, so als ob sie - und zugehörige Strukturen - ein Entmythologisierungsverfahren hinter sich hätten. Gebraucht werden sie längst nicht mehr, trotzdem sind sie noch da; also läßt sich nichts abschließen. Wenn sie Erinnerungen auslösen, dann als Frage nach dem Untergrund jedes Erinnerungsvermögens, als Frage nach der Differenz von Bedeutung und Bedeutetem, als Frage nach zu Abfall gewordener Überhöhung. Alles das aber ist Sache von anderen; das Objekt selbst fragt gar nichts mehr. Es provoziert eher dazu, durch sein Warten.

Gironcoli die Sichtbarmachung einer grauenerregenden Dynamik zu unterstellen, wie das immer wieder vorkommt, wenn er mit der Bedrohung durch Technik, Maschinen, Macht in Zusammenhang gebracht wird, würde ihn völlig unzulässig auf eine ästhetisierende Nutznießerrolle reduzieren. Sein Arbeiten jenseits der Begriffe ist auf andere Erkenntnisse aus. Er experimentiert nicht. Er bleibt nahe dran an dem, was er weiß und doch separiert davon, sich mit unzugänglichen Sprachen der Wirklichkeit beschäftigend. Jedenfalls ergeben sich für jene Art kritischer Haltung, die davon lebt, ihre eigenen dubiosen Harmonievorstellungen zu verbergen, für mich nirgends Hinweise. Wenn schon, dann werden letztere angegangen, ohne Evidentes zu verharmlosen, aber auch ohne daß ein Klagen über Verluste oder entgangene Gewinne, etwa von Sinnlichkeit, von Individualität, von Freude, zugleich behauptet, daß es einmal besser gewesen sei oder irgendwann wirklich besser werden könnte. Das gewählte Metier hat seine eigene Kompliziertheit; und Gironcoli die seine dazu. Was erzeugt wird, bezeugt, was ihm möglich ist. Es geht um Gegenwart; Geistesgegenwart wäre bereits zu dramatisch, zuwenig materialisiert. Welche Bezugsfelder hereinspielen, entscheidet sich auf höchst persönliche Weise, ohne daß Persönliches sichtbar werden müßte. Sein störrischer, autistischer Zugang wird zum Gegensteuern, in den ersten Jahren scheu revoltierend, verhalten aggressiv, phasenweise Sadismus, Perversion, Penetranz miteinbeziehend, aber bereits parallel dazu auch distanzierter, für Aggression und unvorhersehbare Kombinationsmöglichkeiten weiche und unauffällige Formen verwendend. Leicht verfügbare - also angeblich arme - Materialien interessieren ihn von Anfang an. Welcher Überlegungsdurcheinander dem jeweils zugrundeliegt, ergibt sich in einem zögernden, der Zeit ihren Druck nehmenden, sie vertreibenden Prozeß. Zugehörige Gesetze müssen ihre Brauchbarkeit immer aufs neue beweisen bevor sich ein Kodex herausbildet. Dem einzelnen Werk selbst wird mit Skepsis begegnet; wichtiger sind die Vorgänge. Vollendung ist kein Thema. Die Teile sind früher da als das Ganze. Sie bestimmen, wie sie zueinanderpassen. Was wahrnehmbar ist, was wahrnehmbar wird, ergibt sich aus einem Zusammensetzen. Freiheit von Beunruhigung, von Angst, von Blockierung wäre wichtiger als jede Beschäftigung mit dem Endgültigen, mit dem Tod, weil jede Art Leben zwangsläufig unvollendet bleibt. Zeigen läßt sich das nicht, nur abarbeiten. Die zugehörige Sprachlosigkeit braucht Form, die konkretisiert, was sich anders nicht konkretisieren läßt, also auch dokumentiert, daß vieles einfach nicht geht. Inhalte ergeben sich, ohne daß deren Eigenheiten hinreichend präzise verzeichnet werden könnten und das heißt auch, daß begleitende Sätze mit ihrer Fragwürdigkeit zurechtkommen müssen, selbst wenn mit ihnen nicht interpretiert sondern argumentiert werden soll, als Erforschung von Prämissen. Aus Hochmut gegenüber Banalitäten werden sie nicht unbedingt gehaltvoller. Eine Andeutung kann andeuten; zum Beispiel, daß bei Gironcoli trotz aller Verflechtungen von Fremdheit und Vertrautheit als Haltung spürbar wird: Gewalt, selbst Empfindungen gegenüber, ist nie allein Sache der anderen; es geht weiterhin um Ursachen und deren Verneinung, um Abfolgen, um Unterschiede, um Bedeutungen, nur ändern sich deren Erscheinungsweisen und Relationen ständig.

Weil er sich viel erspart, wird vieles deutlicher. Weil er sich nicht damit entschuldigt, daß er nicht wissen kann, was er tut, entsteht irritierende Offenheit. Die Hermetik und Statik seiner Formen ist dazu kein Widerspruch, sie behütet Verborgenes vor Zudringlichkeit. Sie ist aber auch Aussage darüber, daß nicht unmittelbar Wahrnehmbares eine beharrliche Beschäftigung mit ihm erfordert, als potentiell subversive Aktivierung von Erinnerung. Ein Hinzeigen auf etwas würde das eigene Täter-Opfer-Potential aussparen. Ein Erzählen würde von Natürlichkeit und Künstlichkeit sprechen, deren Wirkungsweisen sich einem Urheber fügen. Ein Darstellen würde Bewegung in die Sache bringen, wo um ihretwillen Erstarrung und Beobachtung angesagt sind. Ersetzt wurde das alles durch Beharrlichkeit, die nicht mit gewollter Absurdität spekuliert, sondern Absurdes durch Aufwertung herausfordert, kenntlich macht, in Balance hält, indem es Form bekommt. Es entsteht ein eigenes Bild von der Lage der Dinge. Bearbeitet wird, was noch nicht gewußt werden kann. Bearbeitet wird, was sich anders nicht herausfinden läßt. Erklärungen tun sich schwer, weil sie sich schwer tun sollen, das heißt aber noch lange nicht, daß sie überflüssig sind. Eine Kunst, die sich Begriffen und einem Begreifen völlig entziehen will, ist nicht seine Sache, trotzdem versperrt sich deren Substanz einer Umsetzung in Texte. Die Sphären sind verschieden, ohne daß solche Differenzen eine pathetische Distanzierung brauchen. Leichtigkeit wird nicht als mindere Kategorie angesehen. Es sind die Kategorien selbst, die in Fallen gelockt werden. Allgemeines wird zu Besonderem, Besonderes zu Allgemeinem, wobei die Überlagerungen von Gemeinplatz und Universellem als Familienähnlichkeiten gesehen und angenommen werden. Sicherheiten ergeben sich auch aus den dazu üblichen großen Worten nicht. Eben weil in Gironcolis Arbeit über vieles geschwiegen wird, eher beiläufig und ohne Inszenierung eines finalen Schweigens, wird sie Teil einer Realität, die nicht so ohne weiteres von diversen Konsensformen verdunkelt werden kann.

Etwas, das still vor sich hin vegetiert

Vieles vom bisher gesagten läßt sich wegschieben, in einen Wartesaal resümierender Argumente, wo sich dessen Präzision stets aufs neue Überprüfungen stellen müßte. Als Verallgemeinerung gilt das immer auch für etwas, das nicht gemeint sein konnte; kommt es Speziellem zu nahe, macht es sich überflüssig. Sprachliche, also formale Genauigkeit kann etwas begreifbarer aber auch unbegreifbarer machen. Aus diesem Antagonismus befreit unter Umständen die Beobachtung von Abfolgen, von Abfolgen und Rückbezügen, anhand derer sich wiederum andere Zugänge zur schweigenden Ästhetik Gironcolis ergeben. Mein Ziel war ein ästhetisches sagt er so dezidiert, daß ausufernde Kommentare plötzlich verlassen dastehen, und weiter, seine Bemerkungen langsam zu eruptiv hervorbrechenden kategorischen Aussagen steigernd: Ich hätte immer nur über das Ding eine Antwort auf diese Welt treffen können, nie über meine Person selber. / Mir ging es um eine Ausschließlichkeit ohne viel Gebärden, um einen Gegenstand, der so einfach und still und unattraktiv, so rauh und zackig wie möglich sein sollte. / Ich wollte immer wieder etwas finden, das ganz in der Stille seiner eigenen Aura zuhause ist und nichts nach außen Weisendes in sich zeigt. / Es ging mir darum, Schönheit in etwas zu suchen, das ohne viel Artikulation seine Existenz hat. / Mich hat immer der Sachverhalt beim Machen interessiert, dieses unmittelbare Geschehen, und nie das mittelbare der Interpretation. / Mein psychisches Bewußtsein und mein ästhetisches Verlangen haben einen Zug zur Stille hin erzeugt, hin zu Dingen, die Kraft ihrer einfachen Oberfläche in ein Schweigen geführt werden. / Mir ist es nicht um Ausdruck gegangen. Mich hat die bildhauerische Idee dahinter interessiert, eben eine gewisse Stille und Erstarrung.4

Die Kompaktheit solcher herausgegriffenen Sätze negiert aber die Nuancen dessen, was sie vorbereitet hat, was sonst noch vor sich geht. Nebensächliches hat letztlich das gleiche Gewicht, zum Beispiel, wenn darauf verwiesen wird, wie stark ihn das möglichst Gewöhnliche beschäftigt: Ich habe mir in Kaufhäusern dauernd Plastikhäferln angeschaut, Vim- und ATA-Flascherln, Seifenschalen, Schachteln; also lauter Dinge, die keine Luxuswelt beschreiben, sondern im Alltag vom Menschen gebraucht werden. Alles das hat mich berührt. / Ich habe versucht, im Kleinen das Große wiederzufinden. / Beeindruckt hat mich, wie solche Dinge mit ihrer Dünnwandigkeit ihr Selbstbewußtsein in der Welt aufbauen. / Obwohl das überhaupt kein interessantes Design ist, sondern das Letzte vom Letzten, hat es doch etwas Eigenes, und dem bin ich nachgegangen. / Eine solche Qualität des Objekthaften hat auch Kinderspielzeug, das selbstgemachte und das gekaufte. Nahezu alle Weltgegenstände werden von ihm abgebildet. Es gibt Puppen, Autos, Flugzeuge, Christbäume. Was reproduzierbar vorliegt wird reproduziert. Meine stille Welt hat damit Beispiele. Man muß sie bloß wiederfinden, ihnen im Realisieren neu begegnen. / Nur: Design war damals nichts was mich interessiert hätte. Ich war in meinen Gedanken, in meinen Träumen viel zu unbürgerlich, als daß ich über Design eine Wiederherstellung bürgerlicher Ansprüche hätte dulden können. Das ist irgenwie kurios. / Wo ich mich herumgetrieben habe, war alles ohne Qualität, das war das schäbigste Ausbeuten einer Idee und das hat mir ja gefallen.

Der damit angesprochenen Phase der ersten Ausstellungen (1967, Galerie Heide Hildebrand, Klagenfurt / 1968, Super-Design, Galerie nächst St. Stephan, Wien, mit Roland Goeschl, Hans Hollein, Oswald Oberhuber, Walter Pichler) waren Jahre beharrlicher Versuche vorausgegangen. Das Zeichnen nach der Natur ist bis zur konkreten Erfahrung von Endpunkten vorangetrieben worden, in permanenter Auseinandersetzung mit van Gogh, mit Giacometti und trotz der damaligen Tabuisierung alles Figuralen. Nach abgebrochener Schulausbildung und einer Lehre in einem metallbearbeitenden Betrieb in Innsbruck hatte er zu malen begonnen und phasenweise an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien studiert. Sein zähes Erforschen der eigenen Möglichkeiten schildert er heute als weitgehend autodidaktischen Prozeß. Zuerst hat er Nachahmungen versucht, dann jahrelang hauptsächlich Köpfe gezeichnet, seinem Hang zum Konkreten nachgebend, solange, bis diese Art der Beobachtung aussensibilisiert gewesen ist, bis er nichts mehr hervorholen konnte. Schließlich habe er nur noch Zeichnungen zustandegebracht, die zwar vor dem Modell das Konkrete versuchten, aber zugleich Fragen des Lebens in einer expressiven Sprache mitvollzogen haben, relativ wüste Zeichnungen, wie er sagt, die Arbeit begleitend, jedoch zunehmend abgelöst vom Kontext seines ästhetischen Empfindens. Der vielleicht ein-, zweihundertmal gezeichnete Kopf war eigentlich fast meine letzte Zeichnung, behauptet er jetzt, als Schritt zu Bezugssystemen im Raum und zur skulpturalen Seite der Zeichnung, also dem Versuch, das Freundliche in ihnen zu entwickeln. Daß ihm Bildlösungen, als zweidimensionales Konzentrat von Mehrdimensionalem, wichtig geblieben sind, wird damit nicht bestritten, nur mit den Initialphasen in Zusammenhang gebracht. Bestärkt bei seinem Schritt von der Malerei - die mir nie gelungen ist, wie er nun konstatiert, schon weil ihm die Grundierungen viel besser gefallen haben, als das dann entstandene Bild - hin zur Skulptur, haben ihn Experimente, bei denen er in handwerklich-professioneller Weise Metallteile in Bilder montiert hat. Daraus ist eine vorrangige Beschäftigung mit einem Gebildemachen geworden. Die frühen Polyesterarbeiten sind Köpfe (1964/66) und auch die Drahtplastiken (1960/64, ausgestellt im Museum des 20. Jahrhunderts, Wien, 1970) sind karikaturhafte Zeichensetzungen für den Kopf, um einen offenen Raum und eine räumliche Atmosphäre um ihn herum zu gewinnen. Immer stärker wurde die Sehnsucht nach etwas Einfachem, gerade weil ihm das, was er zustandebrachte, ständig ungenügend erschienen ist; gemessen an den Kunstauffassungen der Zeit und an den eigenen Wertvorstellungen als gespaltenes Subjekt. Viele Versuche wurden abgebrochen, weil Wiederholungen nicht weitergeführt hätten, weil auf solche Weise zuwenig Aussage über diese Welt, wenn so etwas überhaupt darstellbar ist, möglich war.

Des Kopfes ist er schließlich als Modell überdrüssig geworden, aber der Schritt zu Formen für ihn, die - von anderen und von Gironcoli selbst - plötzlich als Angleichung an Möbelstücke gesehen worden sind, hat der Skulptur und dem Thema der Oberfläche, so wie es sich bei Kleiderkästen stellt, die Richtung gewiesen, näher zu Stille, zu Bewegungslosigkeit, weg von der zwangsläufigen Dynamik der Zeichnung, hin zu etwas in sich Ruhendem, das ohne viel Artikulation seine Existenz hat, also weder von einem neuen Expressionismus noch vom abstrakten Bild, das ihm damals tot erschienen ist, herkommt. Das Statement dazu heute: Wenn man sich so die tausend Formen von Kleiderkästen anschaut, die die Menschen entwickelt haben, sind da welche, die durchaus die Frage aufwerfen, warum sie denn gerade Kleiderkästen geworden sind. Sie hätten etwas anderes auch werden können, zum Beispiel: Skulptur. Lebendigkeit, so betont er, ergebe sich aus der gestalteten Oberfläche mit ihrem Oberflächengeschehen, Symmetrien wiederum können zeigen, wie etwas still vor sich hin vegetiert: Ästhetisches bekommt erst in dieser dürftigen Gestaltung seinen vollen Wert.

Warten auf Bewegung

Ich habe eher einen Klang gesucht, keine Abstraktion, heißt ein weiterer Kommentar dazu, ich wollte ja nichts machen, was andere schon fertiggestellt haben; ich wollte meiner Welt begegnen und Fragen, die für mich noch ungeklärt sind, berühren. Ich habe wohl auch das verlorene Menschenbild gestalten wollen, ohne es dafür zu setzen. Daß ihn Existentialismus und Frankfurter Schule intensiv beschäftigt haben - diese Ausdeutung des Materialismusdenkens / die Interpretation der zweiten Linie von Sozialismus / die war mir lieb / Adorno hat mich sehr interessiert - kommt zur Sprache und wird auch in Zusammenhang damit gesehen, daß seine gelegentlichen Versuche, die Zeichnungen und Skulpturen verbal zu begleiten und über Ausgangspunkte seines Handelns Auskunft zu geben, bei Interpreten immer wieder eine scheinbar dazupassende Phraseologie begünstigt haben. Aber letztlich, so seine heutige Haltung dazu, schützen sich die Objekte selbst davor, da so etwas auch Ausdruck der Zeit und einer gewissen Hilflosigkeit des Satzbildes gegenüber dem Thema Bildhauerei ist. An den gedanklichen Ausgangspunkten könne sich ohnedies nichts mehr ändern, nur am eigenen Verhältnis zu ihnen: Das ist aber auch alles. Das heißt nichts anderes, als daß sich die angesammelten Erfahrungen vom Erleben nicht abkoppeln lassen, wie sich die theoretische Zentrierung von Politik und Ökonomie zur Ästhetik hin verschoben hat und wie politische Alternativen demontiert worden sind, zuerst im hochentwickelten Warenwirtschaftssystem selbst, das eher als Restgröße denn als Gewinner übrig geblieben ist, dann überall dort, wo sich dessen Ausweitung lohnt. Aus den formalen Ausdrucksqualitäten ergibt es sich mit einer gewissen Logik, daß einer dieser rational-irrationalen Ökonomisierung dienenden Ästhetik weder Material noch Gesprächsstoff geliefert wird. Es entsteht etwas Insulares, das bei sich bleiben will, ohne eine solche Isolierung zu genießen. Trotzdem bietet der selbstabgesteckte Raum genug Platz für Vielfältigkeit. So sehr eine eigene Ökonomie als bestimmende Kraft einbezogen wird, so wenig fügt er sich bei der Produktion und Verwertung seiner Skulpturen und Zeichnungen deren allgemeinen Gesetzen, weniger aus Widersetzlichkeit als aus Desinteresse diesen Mechanismen und ihrer Enge gegenüber.

Meine Einschätzung, daß in seiner Arbeit schon früh eine im Trostlosen, Quälerischen durchschimmernde, versteckte Gelassenheit und Heiterkeit - als stoisches Element - präsent ist und dieses Zusammenwirken von Zuspitzung und Entlastung spätestens im Zuge des von außen forcierten Bewußtseinswandels deutlicher erkennbar wird, teilt er nur bedingt, weil ihm derartige Selbstanalysen nicht möglich seien, ihn aber zweifellos früher, als er jünger war, alle diese Dinge, die ums Leben herum passieren, weit mehr erschreckt haben als jetzt. Da er immer öfter überprüfe, ob stimmt, was er wahrnimmt, entstehe sicher sowas wie Gelassenheit, die sich auch in der Arbeit niederschlägt, nur werde sie, auf seine Person bezogen, meistens mit einer ihm oft anzusehenden unmenschlichen Müdigkeit verwechselt. Insistierend die Skulpturen und Bilder mit einem Warten, mit einem Warten auf aufgehaltene Bewegung, auf Wunscherfüllung, auf ein noch nicht greifbares Potential in Zusammenhang bringend, gibt es verhaltene Zustimmung. Nur gleicht mein Warten - so seine relativierende Aussage dazu - eher dem Warten der Schlange, die von einer Lichtquelle irritiert ist und nicht weiß, was sie tun soll; sie bleibt, wo sie ist und wird von einem Auto überfahren. Dieses Warten ist nicht das überlegene, spekulative Warten; bei mir ist es eher ein nervöses Warten, eine Hilflosengeste. Damit zu tun hat auch, daß Elektrizität oder Gas in vielen Arbeiten thematisiert, aber nicht eingesetzt wird. Es ist nie sicher, ob die Schalter, Stecker, Hähne, Leitungen und Rohre tatsächlich funktionieren. Das Bedrohliche macht bloß einen kaputten Eindruck. Zugleich scheint es eher um ein Warten auf Energie zu gehen und um Angst vor unbekannten Auswirkungen. Letztlich ist diese Symbolik jedoch sicher noch komplexer zu verstehen, nicht bloß als Analogie zur Furcht vor dem Gewitter. Dessen Funktion als der moraltheologische Ort, sich seines schlechten Gewissens zu erinnern, weil die längste Zeit Blitz und Donner als Vorzeichen des Jüngsten Tages angesehen worden sind, ist ohnehin durch das Wissen um Elektrizität (und durch den Blitzableiter) eliminiert worden.5 Wiederholungen solcher Situationen ergeben sich dennoch, als Ausgeliefertsein, als Verselbständigung verfügbarer Energien. Gironcoli sagt dazu lakonisch, er selbst verstehe sich im Grund als Antriebsaggregat, als Operator mechanischer Vehikel, die er, als Vorstellung, in Bewegung setzt. Maschinell sind die Vorgänge, als Abhängigkeiten im Kopf, nicht die Objekte selbst. Bewegung braucht nicht tatsächlich stattzufinden, sie hat ihre eigenen, vielschichtigen Möglichkeiten. Strom ist für ihn daher bloß eine plakative Metapher, ein Bild für viele Dinge, etwa für Waffen, im übertragenen und tatsächlichen Sinn, da durch Erweiterung von Aktivitätsfeldern erkaufte Bedrohungen den Menschen zum Zwitterwesen mit einer Leidenschaft für Prothesen machen, dessen Erkenntnisse für gewöhnlich auf erzwungenen Geständnissen anderer beruhen. Daß auch vieles aus dem Erosbereich kommt, kann und will er sprachlich nicht berühren, weil er in seinen Bildern ohnedies oft sehr weit gehe mit einem Pornographiegeplapper. Strom sieht er zugleich als ganz primitiven Hypnosevorgang; das Warten auf ihn ist das des Spielers, der von vornherein sagt, ich gewinne eh nicht, ich warte einfach darauf, was passiert. Und diese Stecker sind nicht ein globales Verbinden, sind nicht Interkommunikation, sondern gerade das Vergessen auf solche Sachen. Ich stecke ihn nicht hinein, um eine Reaktion zu haben, sondern um auszudrücken, wie schön es wäre, wenn alles das eintreten könnte, aber gleichzeitig, wie gefährlich es ist, wenn man das tut.

Daß beim Warten irgendwann Beruhigung eintritt, also Wildheit verlorengeht, Nervosität zu Geduld wird und ein Perfektionszwang überhand nehmen kann, ergibt sich daraus jedoch nicht so ohne weiteres. Gironcoli unterläuft Vollendungsmanien, indem letztlich alles mehr oder minder unfertig bleibt; ein Zug vom Rauhen und Trümmerhaften zum Glatten und Geschlossenen und Schweren ist trotzdem feststellbar. Materie verdichtet sich. Volumen und Gewicht nehmen zu. Ob es sich nicht doch um Hohlkörper handelt wird nicht sichtbar. Die Haut ist wichtig. Farben unterstreichen, daß andere Materialien erwünscht, denkbar aber nicht notwendig wären. Ihre metallene Tendenz, zuerst mit Blei-, Zink-, Silbertönen, nimmt die spätere Rede von der bleiernen Zeit vorweg.6 Der immer dominanter werdende Bronzeanstrich, bis hin zu Gold, als Farbe, bricht damit, ohne sich vom eher Schäbigen zu lösen, um schließlich mit Aluminium für mögliche Endfassungen wieder in anderer Weise Kälte, Hitze, Licht und Spiegelungen auf die Oberfläche zu bringen. Gentechnische Assoziationen können sich ergeben, sie werden aber vom Beobachter und seinen Vorurteilen produziert. Das Embryonale und Puppenhafte der oft in vegetativ-technische Formationen einmontierten Figuren ist dem Vorläufigen näher als irgendeinem unbekannten neuen Stadium; es genügt, daß sich im Unfertigen ein noch unausgeformtes Potential verbirgt. Ein Mehr an Genauigkeit würde im Moment nichts bringen. Daß der Mensch unter Umständen verschwindet wie am Meeresufer ein Gesicht im Sand (Michel Foucault),7 ist die latente Gegenthese dazu. Claude Lévi-Strauss hat sich nicht gescheut, das ohne jede Einschränkung auf den Punkt zu bringen: Die Welt hat ohne den Menschen begonnen und wird ohne ihn enden.8 Die Zeit scheint mit ihren Dimensionen vor einer solchen Dramatik zu schützen; eine Ästhetisierung von Apokalypse fördert bloß Gewöhnung. Gironcoli interessiert so was nicht, er grenzt sich davon entschieden ab. Sein Raum für Überlegungen ist zwangsläufig ein femininer, mit einer blassen, reagierenden Präsenz des Männlichen, dessen Phantasien zu spüren scheinen, wie abhängig es ist und wie aggressiv-kompensierend es damit umgeht. Inwieweit ein damit einhergehender Wahnsinn echt oder gespielt ist, läßt sich nicht unterscheiden. Manifest wird aber, daß ein instinktives Arbeiten gegen sogenannte eigene Interessen stattfindet. Zu erahnen sind, wenn überhaupt, dann Variationen einer komplizierten, quälerischen und einer unbekannten Erotik, auch des Denkens, mit Mischformen, deren Zusammenhalt auf Umhüllung angewiesen ist. Als gleichsam klimatische Vorgabe wird evident, daß Sexualität eine Grundform des Mißverstehens und damit auch des Verstehens ist, mit aus Vereinigung und Trennung bezogener Intensität, mit emotionellen Exzessen, Ersatzhandlungen, Heimlichkeiten, mit Eifersucht, Rivalität, Ermüdung und unkontrollierbaren Verzweigungen. Denn was sich feststellen, also festhalten läßt, wird zur Negation. Erst daraus ergeben sich immer wieder neue Ansätze. Die Spannung hält an, weil sich die so entstehenden elementar-kombinatorischen Zeichen nicht von analytischer Rationalität und dem Realen lösen wollen, nur läßt sich vieles bloß vorläufig oder in nicht verbalisierbaren Sprachen zum Ausdruck bringen.

Das wird sogar an seinem Umgang mit den Dingen selbst deutlich. Vom endgültigen Aufstellungsort wird es jeweils abhängen, ob das Provisorische ausreicht oder Aluminiumgüsse angefertigt werden müssen. Bis es soweit ist, lebt er mit seinen in Teilen herumliegenden Arbeiten wie in einem vergessenen, bis oben hin angeräumten Lagerhaus, atmosphärisch dem Pfandleiher Rod Steigers näher als irgendwelchen überschaubaren Ordnungen.9 Gewöhnliches und Ungewöhnliches kommen dabei so selbstverständlich miteinander aus, weil - wie bei einem Altwarenhändler - die Wertigkeiten egalisiert oder verändert sind; erst durch ideelles Recycling und definitive Montage werden Vorschläge für neue Abstufungen und Kombinationen gemacht. Bei Gironcoli geht es um eine Rekonstruktion und Neuformulierung von Requisiten und hochkommenden Vorstellungsbildern, nicht um eine direkte Benutzung irgendwelcher Fundstücke. Was an Wiedererkennbarem wiederverwendet wird, beweist und bewertet aus seinem Blickwinkel, inwieweit sich Bedeutungen und Begriffe je nach Gebrauch in ihrer Funktionsweise verändern: Haushaltsgeräte, Kübel, Gefäße, Lautsprecher, Kornähren, das Edelweiß, Weinblätter, Trauben, Glühbirnen, Fotos, Kriegsmaterial, Hunde, Affen, Schafe, Vögel, Sanitäreinrichtungen, Eßbesteck, Flugzeuge, Totenschädel, Maschinenteile, Gitter, die Madonna, Pölster, Spiegel, Puppen, das Hakenkreuz, das Herz, Stöckelschuhe. Der oft auftauchende kauernde Mann gibt Größenverhältnisse an, gleichzeitig bleibt völlig unklar, was er in dieser Umgebung zu suchen hat. Beziehungen zu ihr und ihren Apparaten sind trotzdem existent, gerade weil er als Schablone auftritt, als Hülse, als Silhouette. Der Beobachter und Beobachtetes haben miteinander zu tun, ob das gewollt ist oder nicht. Gironcoli nennt ihn manchmal den Lehrling oder Robert, manchmal auch Murphy, einfach so, mit dem vagen Bezug, daß sich bei Beckett erschöpft wirkende Sätze über ihn finden lassen, wie: Es gibt keine Mrs. Murphy - und anderswo - Das Fenster war nicht erleuchtet, aber das beunruhigte sie nicht, da sie wußte, wie sehr er dem Dunkel verfallen war - mit der Wiederholung ein paar Zeilen weiter - Kein Laut drang aus Murphys Zimmer, aber das beunruhigte sie nicht, da sie wußte, wie sehr er der Stille verfallen war, um lange in ihr zu verharren.10

Das Ding im Raum, nicht Aktion

Ein derartiges Verharren sieht Bruno Gironcoli bis heute als durchaus bezeichnend für seine Vorgangsweise an, die Beschränkung auf formale Kategorien, auf der Dingwelt zugehörige Kategorien meinend. Direktes menschliches Engagement, das zur Handlung hinführt, war damit ausgeschlossen, sehr im Unterschied zum die damalige Wiener Situation potenzierenden Aktionismus von Nitsch, Mühl, Brus, an dem ihm der Anspruch und das Hantieren mit einfachen Möglichkeiten, mit Staub, mit Blut, mit Rotwein, sehr schlüssig erschienen sind. Ihm selbst jedoch ging es im weiteren um die Autistik einer Dingbezogenheit. Daß ein Aktionist ins Leben treten mußte, mit Selbstbewußtsein und Ehrlichkeit, in der er sein Werk bettet und badet, habe ihm wiederum anderes ermöglicht, nämlich, auch in der Arbeit, schüchtern bleiben zu können. Er hat sich auf das Ding konzentriert, nicht auf die Möglichkeiten der Person oder gar des Körpers. Angesprochen ist er vor allem von der räumlichen Darstellung der Aktionisten geworden. Bei ihm hat das zur Skulptur, die sich am Boden ausbreitet geführt, zu seiner in dieser Zeit entwickelten Offenheit der Skulptur. In den 1969 in der Galerie nächst St. Stephan gezeigten Arbeiten bezieht er sich mit einer Art Turngerät, das nicht in positive Formen des Lebens eingreift, auf eine Geschichte des Sadismus und genauso auf persönliche Entgleisungen. Die Ausbeutungs- und Gefangenensituation in einem Haushalt wird durch ein Paar Schuhe auf einer umgrenzten Bodenfläche thematisiert, mit Schrubber, Kübel und Keramikfliesen, aus einer Säule mit Totenkopf und Tisch und Lampe wird ein Sezierraum für die Psyche. In die Modellpuppe einer Frau ist ein Heizkörper eingebaut, um sie, als Vorstellungsspiel, erwärmen oder ganz heiß machen zu können. Damit ist ein primitiver Brutalismus des Lebens berührt worden, wie er heute sagt, mit Bezügen zu den damals reaktivierten Denkmodellen von Marx und Freud und an sie anknüpfenden Theorien, im Sinn einer differenzierten, weiterführenden Analyse von Ursachen psychischer Verformungen. Eine Zeitlang hat ihn aus solchen Zusammenhängen heraus Joseph Beuys sehr beschäftigt, nur konnte er dessen Ausweichen in mystische Sphären bald nicht mehr folgen. Auch zu anderen, in diesen prägenden Phasen dominanten künstlerischen Positionen kommen eher abwehrende Kommentare. Claes Oldenburg etwa ist ihm zu erfinderisch, Edward Kienholz zu vordergründig, überdies konzentriert auf ein ihm fremdes großes Thema. Anselm Kiefer berührt ihn nicht, vor allem nicht mit seinen Skulpturen, eher noch als Maler, mit den Bildern zur Aufarbeitung eines bestimmten Milieus in Deutschland. Gironcoli hat sich auch auf Konzeptkunst nicht einlassen können: Diese Form war mir nicht möglich, weil sie eine gesellschaftliche Selbstsicherheit braucht, um das zu vertreten und zu verbreiten. In Wien war ihm Walter Pichler durchaus nahe, mit seiner Eliminierung der Grenzen zwischen Skulptur und Architektur und seiner permanenten Selbstbeschreibung, nur hat er das letztlich nicht als beispielhaft verstehen können. Er selbst habe, so betont er, immer eine Art Großstadtleben als Grundlage der eigenen Betrachtungen vorgezogen, nicht als Teilnehmen aber als Erfahrungsraum; ein anderer brauche eben für seine Kunst auch thematisch Rückzugsformen. Was ihn positiv betrifft, ist eher auf ein Jetzt bezogen, auf Momente; sogar die Namen dazu fallen ihm nicht so ohne weiteres ein; und Kunstgeschichte interessiert ihn bloß als Geschichte. Die behauptete Verlassenheit von Theorie wird, gerade im Zuge der Verlagerung von literarischen zu philosophischen Prämissen, nicht als undiskutierbarer Mangel, eher als Lokalkolorit gesehen. Trotz der hier geäußerten berufsspezifischen Skepsis verfolge er eben alles, was mir an anderen Künstlern gefällt und an mir gefällt. Was das ist, läßt sich nicht so ohne weiteres festhalten, also auch nicht aussprechen, es taucht einfach auf.

Künstleraussagen zu eigenen und fremden Arbeiten gehen eben von anderen Distanzen aus als Analytiker und Beobachter. Ausschließlich auf Tatbestände ausgerichteten Konventionen würde es entsprechen, sie völlig zu negieren, Bedingungen und Motive unberücksichtigt zu lassen, als Ausgrenzung jener zusätzlichen Dimensionen, die Person und ihre Arbeit, als Bindung und Loslösung, betreffend. Sich dem nicht zu fügen, heißt nur, sich eben nicht zu fügen und der künstlerischen Intention das entsprechende Gewicht zuzuordnen. In den Zonen, wo Bedeutungen, Wertigkeiten und Sinn konstruiert, verändert, zerstört werden, wo Grade von Sinnlosigkeit behauptet werden, wo vieles konträr zur geringen Wirksamkeit von Bildung und Information entsteht und dort wo eine sich der Kultur widersetzende Decodierung Raum verteidigen muß, sind - so oder so - auch noch so desperate Feststellungen und Modelle immer wieder die einzigen Kräfte, die nicht in der widerspruchsfreien Summe kompetenter oder weniger kompetenter Meinungen untergehen. So etwas lebendig zu nennen, versetzt alles andere in einen Gegensatz dazu. Gironcoli sieht seine Stellung in solchen theoriebildenden Abläufen allerdings provokant gelassen: Der Bildhauer hat ja immer die fröhliche Situation, etwas in den Raum zu stellen, das fraglich ist; es wird von der Gesellschaft befragt, der Form nach befragt, es wird akzeptiert oder nicht akzeptiert, angeschaut oder nicht angeschaut. Diesen altmodischen Vorsprung hat ein Bildhauer. Ein sozusagen moderner Bildhauer geht aber weiter, er bringt seine persönlichen Gegebenheiten mit denen der Gesellschaft gleichsam in Einklang, indem er unmittelbar zur Konsultation und zum Konsum anbietet. Die Sache realisiert sich somit nicht auf ihre Weise sondern in dem sie sich auflöst. Da ich in mir nicht die Stärke empfunden habe, so über meine Skulptur hinaus handeln zu können, ist mir nur der Rückgriff auf ein altmodisches Künstlerbild geblieben, mit einer vergleichsweise konventionellen Form der Bildhauerei. Dennoch hatte sich sein Skulpturbegriff früh vom in sich gerundeten Einzelstück gelöst. Skulptur war für ihn kein Bündel von Energien mehr, sondern eine im Raum ausgebreitete Fläche von Überlegungen, also eine Architektur der Überlegungen. Damit hat er das Konstituierende von Gegenwartskunst mitgeprägt, ob es sich nun um die Thematisierung des Kunstwerks im Raum und die Aufhebung der Grenze zur Architektur, die Frage der Autorenschaft und zugehöriger Fertigkeiten, Destruierung und Rekonstruktion, das Heterogen-Hybride, das Interesse an direkter Intervention (aber eigener Reserviertheit demgegenüber), die Ausdifferenzierung von objekthafter Körperlichkeit oder die Auslotung der Mechanismen von Gedächtnis und Erinnerung handelt.11 Statt ständigen Fortschreitens ist ihm aber immer wieder ein Einkreisen konsequenter erschienen.

Auf die Ausformung seines Begriffs von offener Skulpur hat er mit einer neuerlichen Verdichtung geantwortet. Eine weitere Produktion ähnlicher Objekte, so beschreibt er diese Wendung, hätte zu einer Handlungskette führen müssen, die als zeitgemäße Fortsetzung in den Raum, im Sinn einer offensiven Positionierung und Verteilung, ihm unmögliche Verpflichtungen abgefordert hätte. Auch wollte er nicht an der eigenen Retrospektive arbeiten. Um alle seine Fähigkeiten zu integrieren, hat er das alte statische Skulpturenprinzip bis zu einem gewissen Grad gebraucht; gebraucht hat er auch etwas, das er mit ihn beschäftigenden Dingen belasten konnte. So habe er sich mehr und mehr auf Figuren, wie er sie jetzt noch mache, konzentriert, mit wechselnder Intensität davon besessen, daß sie modern, ein Beitrag zur Moderne, also noch sachlicher sein müßten. Es seien aber immer wieder Skulpturen ganz normaler Form entstanden, ihr Anderssein, so betont er, ist wahrscheinlich das, was kein Mensch überschreiten kann, sein persönliches Empfinden in dieser Zeit. Ihre Größe und Unhandlichkeit hat sich teils aus einer Auflehnung gegen das sonst so Anbiedernde seiner Formen ergeben, teils aus den räumlichen Möglichkeiten an der Akademie der bildenden Künste, an die er 1977 als Wotruba-Nachfolger berufen worden war. Eine neue Präzision und Statik folgte aber auch daraus, daß etwa ein Umbau der Skulpturen möglich werden sollte. Das Bedürfnis immer weiter zu variieren schwindet, weil sich die Konzentration auf einige grundlegende archaische Themen, nicht als Vergangenheitsorientierung sondern wegen deren Präsenz und Wiederkehr, als erschöpfend herausgestellt hat. Ähnliches fordert eine Auseinandersetzung mit dem immer Gleichen. Es geht auch um Verlangsamung, um Abstand. Das Erschrecken über überall stattfindende Wiederholungen motiviert zu Gründlichkeit. Was nicht überwunden werden konnte, muß in möglichst komplexen Bezügen bearbeitet werden. In solchen Sichtweisen bestätigt sich Walter Benjamins Szenario: Mit dem rapiden Tempo der Technik, der ein ebenso rapider Verfall der Tradition entspricht, tritt der Anteil des kollektiven Unbewußten, das archaische Gesicht einer Epoche viel schneller als früher ans Licht ...12 Also müßte sich der Raum für ein Erinnern erweitern, als Chance für ein Wahrnehmen und für Entgegnungen. Ein derartiger Blick aktiviert aber auch zur Selbsterforschung, etwa im Sinn der Feststellung Bazon Brocks: Kein Faschist ist nur, wer von sich weiß, daß er durchaus einer sein könnte.13

Im einzelnen ergeben sich die Inhalte dann weitgehend aus dem Arbeitsvorgang selbst. Die Auseinandersetzung mit einer entstehenden Figur, von der auch im Kopf noch kein Bild existiert, ruft erst in langem Arbeitsaufwand etwas hervor, das sich jeder unwillkürlichen Prädestination widersetzt. Zunehmende Bestimmtheit sei von eigenwilligen Wiederholungen abhängig, betont er, und vom laufend erneuerten Vorgang, sich als Persönlichkeit preiszugeben. Welcher Formenreichtum dennoch möglich wird, beschäftigt ihn weiter; zum Beispiel im Zusammenwirken von Metall und den vergleichsweise wichtigeren, davon getragenen Weichteilen; Körper und Software bleiben sichtbare Materie, aber deren Transformation zu Sprache, als Matrix für Weltentwürfe, scheint greifbar. Ein knappes Resümé dazu: Ich mache keine Maschinen. Besonders bei den Riesenskulpturen der letzten Jahre, aus Stahl, Holz und Polyester, lautet die Bezeichnung oft Ohne Titel oder sie besteht aus einfachen Wörtern bzw. Wortfolgen, wie Große Figur, Mutterfigur, Gebärmutter, Väterliches Mütterliches eine fiktive Modellvorstellung, Die Eltern mit zwei Tischaufsätzen. Aus der in frühen Arbeiten allgegenwärtigen Trostlosigkeit, wo alles abwesend ist, was vor Verlorenheit, vor einem Erschrecken, vor quälerischer Normalität schützen könnte, sind allmählich, zumindest als eine der behauptbaren Linien, auf ihn selbst bezogene Tröstungsversuche geworden; manchmal spricht er sogar von einer Utopie der Selbsttröstung.14 Es kehren aber auch die glatten, jedem Sinn entzogenen Formen der ersten Polyesterarbeiten wieder, die dem Figuralen etwas entgegensetzen. Aus ihrer Vermengung entstehen so etwas wie unbekannte Klanggebilde. Diese pulsierenden Vermischungen sind in ihrer Sichtbarwerdung zu komplizierten, Körper bildenden Oberflächen erstarrt, vielleicht, so hat es den Anschein, nur vorübergehend. Sie sind Strukturen, in die wieder Bewegung geraten könnte, ähnlicher als unabhängigen, in sich ruhenden Dingen. Ihre Statik ist notwendig, weil sie Bewegliches und Unbewegliches der zugrundeliegenden Überlegungen komprimiert, um Zeit zu gewinnen, auch Zeit für den genaueren Blick, für ein Hinhören, für weitere Untersuchungen. Das Verharren im Raum ist eine Unterbrechung von Abläufen, eine Konfrontation mit Stille. Ein kaum merkliches, indifferentes Lächeln, verlegen, fragend, Schutz suchend, scheint präsent zu sein. Vermehrt hinzukommende Verzierungen spielen auf ein kleines, allgemeinverständliches Glück an, ein größeres wäre nicht zu fassen. Gleichzeitig stellt sich die Dramatik der Dimensionen gegen eine solche Genügsamkeit, ohne daß deswegen erfreuliche Einzelheiten nebensächlich werden.

Beruflich wird auch die Involviertheit als Lehrer, mit dem Interesse, die Arbeit anderer mitzudenken, als Bereicherung angesehen; Franz West etwa, häufig als markanter Schüler apostrophiert, ist daher für ihn einfach irgendein Phänomen in dieser Summe von Menschen. Es gehe dabei um die offene Form des Möglichseins mit unkoordinierbaren Bezügen zu einem uneingeschränkten, wechselnden Bild derzeitiger Kunstäußerungen, die sich ja widersprechen, widerlegen, aber manchmal doch etwas miteinander ergeben. Jede indirekte, vorsichtige Kommunikation, inklusive Beobachten, ist ihm hier wichtiger als eingreifende Bemerkungen. Entschiedenheit ergibt sich trotzdem. Auch für sich selbst hält er fest, daß er seit zehn Jahren praktisch keine verbalen Äußerungen über seine Kunst mehr publik gemacht hat. Als Übersteigerung dazu heißt es sogar: Ich denke seit damals nie mehr über Kunst nach. Das letzte was ihn beschäftigt habe, sei wiederum die Frage gewesen, wie weit eine Form nicht nur ganz äußerlich ist, also alles als Oberfläche oder von der Oberfläche her verstanden werden müßte und unter welchen Voraussetzungen und an welchen Grenzen Exemplarisches entsteht, nicht als bloße Kontroverse zwischen Gestalt und Struktur oder Zeichen oder zwischen dem Alltäglichen im Kunstkontext und Kunst als alltagsnahem Kontinuum, sondern noch verzweigter; also so wie Wittgenstein sie aus verschiedensten Ansatzpunkten her gestellt hat15 oder Duchamp, der ein Etwas schaffen wollte, das weder Kunst noch Gebrauchsgegenstand ist,16 oder Malewitsch, Tatlin, Rodtschenko, mit ihrer Vorstellung vom Kunstwerk als Ding, das nichts bedeutet und keine Wirklichkeit außerhalb der Kunst anzeigt17 oder, näher der Gegenwart, etwa Donald Judd mit seinen Specific Objects, für den Form, die weder geometrisch noch organisch ist, eine große Entdeckung wäre und für den Form, Volumen, Farbe, Oberfläche jeweils für sich stehen und nicht als Teil eines gänzlich anderen Ganzen getarnt werden sollten,18 oder Bruce Nauman, der dezidiert feststellt: was ich meine ist, daß alles endlich, alles in sich geschlossen ist, und nichts sich berührt19 oder Vito Acconci mit seiner Auffassung von Kunst als einem Gebiet, das, außer dem Namen, eigentlich keine inhärenten Eigenschaften habe20 oder ... oder ... Das könne man durchaus so sehen und so sehen, als Neufassung oder Akzentuierung solcher gedanklicher Positionen, selbst wenn schließlich das Gegenteil oder eine Vermischung eintritt, sagt Gironcoli dazu, mit interessierter Skepsis gegenüber einer Einordnung seines eigenen Tuns. Regeln genügen nicht, es braucht Beispiele. Sie sind die Modelle für theoretisches Nachdenken. Im allgemeinen aber habe sich für ihn der Zwang ad absurdum geführt, Fragen, die vielleicht schon längst gültig beantwortet sind, als Themen in die Kunst, in die Bildhauerei, zu bringen: Da ich keinen Rand sehe, kann ich auch nicht über ihn hinaussehen.

Aus einer solchen Zurückhaltung ergibt sich, daß er Texte über seine Arbeit oft als zu pompös empfindet, unnötig heroisierend. Sie treffen das Einfache daran nicht (also wird dieser Wunsch hier wenigstens dokumentiert). Keine, also auch nicht seine Gesamtperson ließe sich fassen, sozusagen abgerundet, mit diesem und jenem Gesamtwerk. Eine solche Romantik von Gesamtheit fehle ihm völlig. Es gibt nur Abfolgen von dem, was im Verlauf einer Lebenszeit passiert, was aus undurchsichtigen Situationen heraus möglich wird. Deswegen kann er sich bloß als fraktales, strukturunterworfenes Wesen sehen, das unter gewissen Bedingungen entsprechen kann, unter anderen totale Mißerfolge erlebt. Ein Begriff wie Lebenswerk ist ihm daher zu humanistisch besetzt, auf eine fiktive Erlösung und Geschlossenheit hin orientiert. Der einzige Raum, in dem sich trotzdem manches zusammenbringen läßt, liege eben innerhalb der Hirnschale, weil von ihm ein sich in Bildern und Räumen bewegendes Denken ausgeht, wenn dabei das Eingebundensein in sinnliche Empfindungen des Körpers akzeptiert wird. Um davon wenigstens einiges sichtbar zu machen, braucht es den fortwährenden Impuls es zu versuchen. Daraus ergeben sich in seinem Fall eben immer wieder von handwerklichen Überlegungen geformte Gebilde, die im ausufernden Konglomerat von ihm gedachter und gemachter Dinge konkret geworden sind, als Zwischenstand, als Fragmente, als Ausdruck von Vorstellungen und Reaktionen, wobei die Spannung zwischen Fertigem und Unfertigem, zwischen Erstarrtem und Weiterführendem in sehr spezifischer Weise als Präsenz verschiedenster Intensitäten evident wird. Wenn Bruno Gironcoli mit Arbeiten an die Öffentlichkeit geht, dann bringe er, so seine abschließende Feststellung dazu, nichts großartig anderes, als was sich schon vorbereitet hat, einfach Skulpturen mit einem gewissen Aussehen, mit bestimmten Themen, die eben nur diesen Skulpturen eigen sind - und das ist es auch schon.

Vermeintliche Hermetik stellt sich als komplizierte Offenheit heraus. Masse und Größe tragen Zerbrechlichkeit in sich. Glattes kann unsympathisch und anziehend sein. Weiches erinnert an Intimität. Ein Nylonsackerl ist für vieles Form genug. Das im Raum präsente Ding macht anderes unsichtbar. Bloße Widersprüche sind etwas zu Selbstverständliches, um nicht von Momenten sprachlosen Denkens abhängig zu sein.

 


Bruno Gironcoli: Ohne Titel, 1994 - 1995/97

 


Bruno Gironcoli: Entwurf zu Polyesterfigur, 1965

 


Bruno Gironcoli: Entwurf zur Veränderung von Säule mit Totenkopf, 1971

 

 

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  1. Max Horkheimer: Neue Kunst und Massenkultur (1941). In: Gesammelte Schriften, Band 4: Schriften 1936-1941. Herausgegeben von Alfred Schmidt und Gunzelin Schmid Noerr, Frankfurt/M. 1988, Seite 426
  2. Bruno Gironcoli: Entgegnung zum Vorwort. In: Ausstellungskatalog: Land in Sicht. Österreichische Kunst im 20. Jahrhundert. Kunsthalle / Mücsarnok, Budapest 1989, Seite 154
  3. Gilles Deleuze: Logik des Sinns. (Logique du sens, 1969), Frankfurt/M. 1993, Seite 13, 97 f. / Emmanuel Lévinas sagt das noch bündiger: Der Un-Sinn ist von allen Gütern der Welt das am gerechtesten verteilte. In: Eigennamen. Meditationen über Sprache und Literatur. (Noms Propres und Sur Maurice Blanchot), München-Wien 1988, Seite 85
  4. Bruno Gironcoli in 1995/96 für diesen Text geführten Gesprächen mit dem Autor (aus denen im weiteren auch alle nicht anders bezeichneten und kursiv gesetzten Zitate und Ausdrücke stammen)
  5. Heinz D. Kittsteiner: Die Entstehung des modernen Gewissens. Frankfurt/M. 1995, Seite 32, 89
  6. Die bleierne Zeit. Regie und Buch: Margarethe von Trotta, Kamera: Franz Rath, Musik: Nicolas Economou, Darsteller: Jutta Lampe, Barbara Sukowa, Rüdiger Vogler, Verenice Rudolph, Luc Bondy u. a., BRD 1981
  7. Michel Foucault: Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften. (Les mots et les choses,1966), Frankfurt/M. 1974, Seite 462
  8. Claude Lévi-Strauss: Traurige Tropen. (Tristes Tropiques, 1955), Köln-Berlin 1970, Seite 366
  9. Der Pfandleiher (The Pawnbroker). Regie: Sidney Lumet, Buch: David Friedkin, Morton Fine, Kamera: Boris Kaufmann, Musik: Quincy Jones, Darsteller: Rod Steiger, Geraldine Fitzgerald u. a., USA 1964 / ein anderer solche Bildwelten aktivierender und präzisierender Bezug zu den Dingen ließe sich im Werk Elfriede Jelineks sehen; oder auch, weniger schmerzlich, in Christoph Ransmayr: Morbus Kitahara. Frankfurt/M. 1995
  10. Samuel Beckett: Murphy. (1938). Hamburg 1959, Seite 153, 18, 19
  11. Vgl. z. B.: Rainer Metzger: Kunst in der Postmoderne. Dan Graham. Köln 1996, Seite 197 ff.
  12. Walter Benjamin: Über den Begriff der Geschichte (Fragmente und Vorarbeiten). In: Gesammelte Schriften, unter der Mitwirkung von Theodor W. Adorno und Gershom Scholem herausgegeben von Rolf Tiedemann und Hermann Schweppenhäuser, Band I. 3, Frankfurt/M. 1974, Seite 1235 f.
  13. Bazon Brock: Ästhetik gegen erzwungene Unmittelbarkeit. Die Gottsucherbande. Schriften 1978-1986. Herausgegeben von Nicola von Velsen, Köln 1986, Seite 443
  14. Armin Zweite: Eine Utopie der Selbsttröstung. Bruno Gironcoli über sich und seine Arbeit. In: Bruno Gironcoli. Bildhauerische Arbeiten 1980-1990. Herausgeber: Museum moderner Kunst Wien, Klagenfurt 1990
  15. Ludwig Wittgenstein: Die Musik scheint manchem eine primitive Kunst zu sein mit ihren wenigen Tönen und Rhythmen. Aber einfach ist nur ihre Oberfläche [ihr Vordergrund] während der Körper der die Deutung dieses manifesten Inhalts ermöglicht die ganze unendliche Komplexität besitzt die wir in dem Äußeren der anderen Künste angedeutet finden und die die Musik verschweigt. Sie ist in gewissem Sinne die raffinierteste aller Künste. Philosophische Bemerkungen, Band 3, Wiener Ausgabe, Herausgegeben von Michael Nedo, Wien-New York 1995, Seite 154 / Ein Gegenstand darf sich in gewissem Sinne nicht beschreiben lassen. / D. h. die Beschreibung darf ihm keine Eigenschaften zuschreiben deren Fehlen die Existenz des Gegenstandes selbst zunichte machen würde. D. h. die Beschreibung darf nichts aussagen was für die Existenz des Gegenstandes wesentlich wäre. Einführung. Wiener Ausgabe. Aus dem I. Band Philosophische Bemerkungen. Herausgegeben von Michael Nedo, Wien-New York 1993, Seite 113 / Um eine Praxis festzulegen, genügen nicht Regeln, sondern man braucht auch Beispiele. Unsere Regeln lassen Hintertüren offen, und die Praxis muß für sich selbst sprechen. Über Gewißheit. Herausgegeben von G. E. M. Anscombe und G. H. von Wright, Frankfurt/M. 1970, Seite 44 f.
  16. Dieter Daniels: Duchamp und die anderen. Der Modellfall einer künstlerischen Wirkungsgeschichte in der Moderne. Köln 1992, Seite 216
  17. Boris Groys: Die Erfindung Rußlands. München-Wien 1995, Seite 126 f.
  18. Donald Judd: The main virtue of geometric shapes is hat they aren't organic, as all art otherwise is. A form that's neither geometric nor organic would be a great discovery. (1967). A shape, a volume, a color, a surface is something itself. It shouldn't be concealed as part of a fairly different whole. The shapes and materials shouldn't be altered by their context. (1968). In: Donald Judd: Complete Writings 1959 - 1975. Halifax - New York 1975, Seite 193, 196
  19. Bruce Nauman: Cones Cojones. Leo Castelli Gallery, New York 1975. Zit. nach: Coosje van Bruggen: Bruce Nauman. Basel 1988, Seite 209
  20. Vito Acconci: Als mir 1969 klar wurde, daß es mit dem Schreiben für mich vorbei war, war das, was mich zur 'Kunst' hinzog, die Tatsache, daß die Kunst ein Gebiet war, das eigentlich keines war, ein Gebiet, das keine inhärenten Eigenschaften hatte außer seinem Namen, außer der Tatsache, daß man es Kunst nannte: um Substanz zu haben, mußte die Kunst also importieren. Sie importierte von allen anderen Gebieten. Anders ausgedrückt: Was für mich vor der Kunst kommt - im Sinne des Einflusses - ist die Architektur, Filme, (Pop-)Musik. (Aber wahrscheinlich kommen Literatur und/oder Philosophie vorher. Bücher liefern, im wörtlichen Sinn, einen Text, eine Theorie. Aber natürlich kann ein Buch einen Text oder eine Theorie nur deshalb liefern, weil es ein Hort dessen ist, was wirklich zuerst kommt: Geschichte, die Naturwissenschaften ...) In: Vito Acconci: The City Inside Us. Katalog, MAK-Österreichisches Museum für angewandte Kunst, Wien 1993, Gespräch mit Richard Prince, Seite 164

 

 
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© Christian Reder 1997/2001