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Afghanistan
Augenzeugenberichte zur Flüchtlingssituation

amnesty international, Wien. Nr 11/12 1980

von Christian Reder und Nassim Jawad, die mit der Ärztin Uta Pichl in Pakistan für das "Österreichische Hilfskomitee für Afghanistan" ein Flüchtlingshilfeprogramm ausgearbeitet haben.

 

 

Angesichts der von der UNO bestätigten Zahl von über 1 Million afghanischer Flüchtlinge (700.000 in Pakistan, 300.000 im Iran),wirken besänftigende und manipulierende Argumente regime- und sowjetfreundlicher Stimmen besonders makaber. Bereits 7-10% der gesamten Bevölkerung sind geflüchtet, fast durchwegs arme Bauern aus den Grenzregionen.

Sie fliehen wegen ihrer Wehrlosigkeit gegen politische Verfolgungen, Bombenangriffe und Kampfhandlungen, die mit zunehmendem Widerstand der Bevölkerung gegen inhaltlich wichtige, aber völlig unzureichend vorbereitete, diktatorisch angeordnete Reformen seit dem Taraki-Putsch vom April 1978 immer massiver und brutaler wurden. Wir haben in drei Wochen in den entlegendsten Gegenden zehn der 57 offiziellen und Dutzende der unzähligen wilden Lager besucht, die sich entlang der 2.000 km langen Grenze gebildet haben. Die Situation ist überall bedrückend. In eiligst errichteten Zeltstädten hausen oft mehrere tausend, oft zehntausend Menschen. Internationale Hilfsaktionen laufen erst sehr schleppend an und haben sich bisher auf das Allernotwendigste konzentriert, auf die Ausgabe von Zelten, Decken, auf eine minimale und unregelmäßige Versorgung mit Lebensmitteln und die gelegentliche Auszahlung von Unterstützungsgeldern. Eine ärztliche Betreuung fehlt völlig, in fast jedem der mit zehn bis zwanzig Menschen belegten Zelte liegen Kranke. Es gibt keinerlei sanitäre Einrichtungen, in der Hitze des subtropischen Sommers verschlechtern sich die hygienischen Bedingungen rapide. Es besteht eine unmittelbare Bedrohung durch Seuchen und Epidemien, auch für die lokale Bevölkerung. Außerdem wird sich die Situation durch Überforderung der eindrucksvollen Nachbarschaftshilfe und durch den Verbrauch der letzten mitgebrachten Vorräte zusehends verschärfen.

Damit vom österreichischen Hilfskomitee aus eine wirkungsvolle Hilfe geleistet werden kann, haben wir uns auf die Unterstützung afghanischer Selbsthilfeorganisationen konzentriert, die ab Juli 1980 unter ständiger Einschaltung österreichischer Mitarbeiter das ausgearbeitete Programm realisieren. Es sollen Modellfälle aufgebaut werden, die stufenweise in die UNO-Programme übergehen, damit ihre Fortführung auch nach Versiegen österreichischer Spendengelder sichergestellt ist.

Von unseren vielen Gesprächen mit Flüchtlingen war jenes mit einem ehemaligen Journalisten der großen Tageszeitungen "Anis" und "Eslah" eines der einprägsamsten. Er war ein halbes Jahr in Haft, ohne präzise Anschuldigung, wurde schwer gefoltert und ist mehr wegen der allgemeinen Verwirrung, des Bewacherwechsels und des Fehlens von Gefängnisaufzeichnungen, als wegen der propagierten "Babrak-Karmal-Amnestie" im Jänner 198o freigekommen. An Umfang und Methoden der politischen Verfolgung hat sich aber auch in der Folgezeit nichts geändert: "Nach dem ‚Blutigen Freitag' (22. Februar 1980) gab es in Kabul wieder eine neue Verhaftungswelle, praktisch aus jedem Haus wurden ziemlich wahllos Leute herausgeholt, insgesamt 16.000. Das größte Gefängnis Pul-i-Charki im Norden Kabuls, von den Russen für 35.000 Gefangene gebaut, ist derzeit mit über 60.000 Häftlingen vollständig überüllt ..."

 

 

Das "Österreichische Hilfskomitee für Afqhanistan" bittet um Spenden für seine Flüchtlingshilfe-Projekte in drei benachbarten Lagern für 2o.ooo Menschen, 150 km nördlich des Khaiber-Passes, nahe dem Ort Khar.

- Einrichtung eines Basisgesundheitsdienstes (Zeltlazarett, med.Betreuungswagen, Medikamente)
- spezielles Mutter-Kind-Gesundheitsprogramm
- Impf-und TBC-Programm
- Ausbildung med.Hilfskräfte, Gesundheits-und Hygieneerziehung
- Lernbehelfe für Lagerschulen
- Aufbau von Handwerks-Kooperativen.

 

 
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© Nassim Jawad 1980 & Christian Reder 1980/2001