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Falter Verlag
   

Magie, Zufall und Opposition
Die Siebener-Relation

Falter, Wien, Nr. 19/1984

Neue Forschungen zur Phänomenologie an Österreichs Hochschulen, zusammengefasst von Christian Reder.

 

 

Während des letzten Studienjahres wurden von Mitarbeitern des Instituts für Automatenforschung erste Anzeichen für bislang unentdeckte Beziehungsregelmäßigkeilen an den heimischen Universitäten wahrgenommen. Trotz der vorerst noch sehr diffusen Beobachtungen gelang es ihnen, die nötige Unterstützung für ein eigenes Forschungsprojekt aufzutreiben, und seit die neuesten Statistiken verfügbar sind, konnten sie auch hochinteressante Strukturmerkmale nachweisen, die - ersten Hypothesen zufolge - zu beweisen scheinen, dass das akademische Leben in einem erstaunlichen Ausmaß von der mysteriösen Zahl Sieben geprägt wird.

An den Universitäten wurden nämlich zuletzt 136.490 in- und ausländische ordentliche Hörer registriert und das heißt nichts anderes, als daß jeder von ihnen zu exakt 0,0007 Prozent Teil dieses Ganzen ist. Werden noch die Hochschulen künstlerischer Richtung und die diversen Akademien hinzugezählt, erhöht sich die Hörerzahl auf rund Hundertfünfzigtausend, selbst das ändert jedoch nichts an diesem Basiswert, da es sich erst ab der fünften Kommastelle auswirkt. Weiters fällt auf, daß im statistischen Durchschnitt für jeweils 70 Studenten ein Professor eingesetzt ist und jeder dieser Professoren wiederum 0,049 Prozent (= 72 : 1000) seines gesamten Standes repräsentiert, für den 2.023 Planstellen ausgewiesen werden.

Eine Korrelation ergibt sich jedoch auch für eine Reihe anderer Daten, so etwa bei der Studiendauer, für die sich ein Mittelwert von 7 Jahren ergibt oder bei den 7.000 jährlichen Universitätsabschlüssen. Es läßt sich auch nicht wegdiskutieren, daß bei Gesamtaufwendungen in der Höhe von 11,6 Milliarden (1984) auf jeden einzelnen Studierenden 77.000 Schilling jährlich entfallen oder daß für jeweils 7 Studenten ein anteiliger Großgerätebestand im Anschaffungswert von 70.000 Schilling errechnet werden kann. Daß vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung zuletzt 700 Forschungs- und Entwicklungsprojekte pro Jahr vergeben wurden, bestätigt ebenfalls die Existenz solcher Zusammenhänge und die Zahlen selbst müssen stimmen, da als Datenmaterial nur dessen eigene offizielle Angaben herangezogen wurden (BMWF: Statistisches Taschenbuch. Wien, 1984).

Die Auswertung dieser Feststellungen ist noch im Gang und stößt wegen der uferlosen Literatur über Kraft und Bedeutung der Zahl Sieben auf eine Reihe methodischer Probleme. Um einem Schulenstreit lokaler Interpreten dieses alten Wissens zu entgehen, wurde daher vorerst vor allem auf das in Indien noch in hohem Ansehen stehende Werk von Sepharial "The Kabala of Numbers" (Neudruck Bombay, 1969) zurückgegriffen. Es definiert die Zahl Sieben als die Zahl der Vollendung und führt die überlieferten Begriffe an, mit denen sie seit jeher in Beziehung gesetzt wird: Zeit und Raum, Dauer und Entfernung; Alter, Dekadenz und Tod oder Geduld, Stabilität, Weisheit, Perfektion, Gleichgewicht, Unsterblichkeit und Ruhe. Auf die Verbindung von Drei (Dreifaltigkeit, Dreieinigkeit) und Vier (die Realität, das materielle Universum) wird verwiesen und auf die uralte magische Nutzung, sei es in der Sieben-Tage-Woche oder im Buch mit den sieben Siegeln. Daß auch den Pythagoräern die Zahl Sieben ein Symbol für Ruhe, (kontemplatives) Glück und Gleichgewicht war, sei nur nebenbei erwähnt.

Eine Arbeitsgruppe verfolgt nun weiter, inwieferne der entdeckten Siebener-Relation unbewußte, vielleicht sogar archetypische Assoziationen der Entscheidungsträger zugrunde liegen könnten. Es ist ja kaum zu übersehen, daß das alte Wissen um diese Zahl sehr stark mit Vorstellungen von einem Endzustand verknüpft ist, der sich entweder als Verfall, Absterben, Degeneration und Tod oder eben als ausbalancierte Gleichgütigkeit darstellt. Inwieweit aus diesen Bezügen nun tatsächlich Rückschlüsse auf die Situation an den hiesigen Universitäten gezogen werden können, soll noch genauer untermauert werden, damit nicht durch voreilige Hypothesen die Glaubwürdigkeit der Gesamtaussage zu rasch den Zweiflern ausgeliefert wird.

Zur Sicherheit hat sich daher eine zweite Arbeitsgruppe der bloßen Zufallsforschung verschrieben. Sie untersucht, welche Auslöser die Häufigkeit der Siebener-Relation an Österreichs Hochschulen bewirkt haben könnten, ohne dabei Sinnfragen oder historische Zusammenhänge zu beachten. Ihr geht es nur um Quantität und Streuung und um eine Lokalisierung von Zentren. Dem Vernehmen nach will sie jahrelange statistische Erhebungen abwarten, bis sie sich zu Aussagen in der Lage sieht.

Derzeit dürfte die erste Gruppe - die sich bereits scherzhaft Magie-Gruppe nennt - rascher vorankommen und einige ihrer Aktivisten glauben bereits, daß sie bald eine Theorie vorlegen können, die dem Status Quo einen Sinn gibt.

Schwierigkeiten bereitet noch, warum die Regelmäßigkeit doch manchmal durchbrochen ist. So kommen derzeit annähernd 10 Prozent der Studierenden in den Genuß von Studienbeihilfen (und nicht 7 Prozent, wie es das geheimnisvolle System vorsehen würde). Auch beim ausgewiesenen Buchbestand beträgt die Pro-Kopf-Quote 100 (und nicht 70 oder 700) Bände und bei der auf jeden Studierenden entfallenen Nutzfläche sind erst 5,6 Quadratmeter erreicht. Von den für März dieses Jahres ausgewiesenen 1.400 an Arbeitsämtern vorgemerkten arbeitslosen Akademikern ließe sich allerdings behaupten, daß es eben zwei mal siebenhundert wären.

Erst in den letzten Tagen ist aus verläßlicher Quelle durchgesickert, daß sich informell eine dritte Gruppe gebildet hat, die in Opposition zu den beiden anderen steht und sich ohne Methodenzwang der Quantifizierungssucht widersetzen will. Sie knüpft an einen geheimen, heuer übrigens dreißig Jahre alt gewordenen Bestseller an, der immer noch unter all jenen von Hand zu Hand geht, die mit einer kleineren oder größeren Öffentlichkeit zu tun haben, weil er nichts anderes, als praktische Ratschläge liefert, wie es etwas leichter ist, mit der Wirklichkeit fertig zu werden (Darell Huff: How to Lie with Statistics. London, 1954).

 

 
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© Christian Reder 1984/2001