Im UMRISS 2/83 ist von der Planung eines Ambulanzgebäudes
für das afghanische Flüchtlingslager Baghicha in Pakistan
berichtet worden, die auf Initiative des "Österreichischen
Hilfskomitees für Afghanistan" von Studenten der Technischen
Universität Graz/Institut für Gebäudelehre (Günther Domenig)
vorbereitet und koordiniert wurde. Inzwischen ist der Bau
fertig.
Die Fotos dokumentieren den Bauzustand Ende Jänner 1984,
also knapp drei Monate nach Baubeginn. Er ist das Ergebnis
von einem Semester Vorplanungen und der konkreten Zusammenarbeit
der lokalen medizinischen Teams und Handwerker mit dem als
Berater entsandten Projektleiter Johannes Melbinger im Lager
selbst. Einfach war es nicht, einen solch einfachen Bau zustande
zu bringen. Am Anfang gab es Verzögerungen durch Terminprobleme
und die Aufenthaltsgenehmigung im Lager. Dadurch verschob
sich die Bauzeit in die kalte Jahreszeit hinein, die Trocknung
der Lehmziegel dauerte länger als vorgesehen, erst das unerwartete
Ausbleiben von Regen kompensierte diese Nachteile wieder halbwegs.
Die Detailgespräche führten zu einem wesentlich umfangreicheren
Raumprogramm als ursprünglich angenommen. Außerdem wurde ein
vorher blockiertes Grundstück dann doch abgetreten und somit
änderten sich die Gegebenheiten. Arbeitsbeiastung und Zeitdruck
erschwerten eine Beraterintegration. Da die Flüchtlinge nicht
irgendeinem simplen Bild von Arbeitslosen entsprechen, die
bedingungslos jedwede Beschäftigungsmöglichkeit annehmen,
mußte auf die soziale Situation sorgfältig eingegangen werden.
Die lokalen Hierarchien spielen bei der Arbeitszuteilung eine
große Rolle, Familienclans beanspruchen Monopolstellungen
und im von über 20.000 Menschen dicht besiedelten Lager finden
sich genügend Ansatzpunkte dafür, einen Druck auszuüben. Das
überlassen von Flächen für die Ziegelproduktion mußte ausgehandelt
werden, genauso wie ein akzeptierter Abstand zur benachbarten
Moschee oder die genaue Zusammensetzung der Arbeitsgruppen.
Ein zwischen geduldigem und energischem Verhandeln pendelndes
Taktieren gehört sozusagen dazu und äußert sich oft als Widerstand
gegen eine allzu geradlinige, bloß effiziente und selbstgefällige
Hilfe - und das ist ja gut so.
Es waren Kuppeln und Gewölbe geplant, um so eine durchgehende,
die Dachkonstruktion miteinschließende Lehmbauweise zu realisieren.
Den mitwirkenden Afghanen war jedoch diese Möglichkeit fremd,
da sie nur in bestimmten Regionen verbreitet ist und so setzte
sich schließlich die teurere Flachdachdeckung durch. Über
eine bewußte Streuung bei der Arbeiteraufnahme gelang es,
120 Familien ein Einkommen zu verschaffen. Die eingespielten
Bautrupps werden jetzt auch bei anderen Vorhaben in der Umgebung
eine Beschäftigung finden. Es ist offensichtlich, daß das
Ambulanzgebäude von den Lagerbewohnern mit einem gewissen
Stolz angenommen wurde und für die Behörden und Hilfsorganisationen
gilt es bereits als Modellfall, weil die reaktivierte Lehmbauweise
lokale Arbeitsplätze schafft und in Verbindung mit durchdachten
Lösungen für Grundrisse, Funktionsabläufe, Durchlüftung, Abwasser-
und Toilettenentsorgung oder für die Warmwasserbereitung mit
selbstgebauten Sonnenkollektoren im Rahmen der Gegebenheiten
vermutlich ein Optimum darstellt. Jedenfalls ist dieser in
Wien und Graz vorbereitete Bau die erste derartige Initiative
in den Flüchtlingslagern. Bei österreichischen Stellen war
kein definitives Interesse für ihn zu erwecken. Für die Finanzierung
konnte schließlich das Norwegian Refugee Council gewonnen
werden.
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