Ab dem 24. Dezember 1979 griffen Sowjettruppen direkt in
Afghanistan ein, der Bürgerkrieg weiter Teile der Bevölkerung
gegen das immer brutaler werdende Regime von Taraki und seines
Nachfolgers Amin wurde zu einem Unabhängigkeitskrieg, bei
dem sich weiterhin kein Ende abzeichnet. Nach neuesten UN-Angaben
sind bisher 5 Millionen Menschen geflohen (3,1 Millionen nach
Pakistan und 1,9 Millionen in den Iran), das ist rund ein
Drittel aller Einwohner des Landes. Die Verluste unter der
Zivilbevölkerung werden auf eine Million Tote geschätzt. Die
Sowjetarmee soll 20.000 bis 40.000 Mann verloren haben. Trotz
ihrer überlegenen Ausrüstung hat sie nur die wichtigen Städte
halbwegs unter Kontrolle; es sind zwar 600 Kampfhubschrauber
und auch Überschallbomber im Einsatz, den Mujahedin gelang
es aber sogar, etwa 100 Flugzeuge zu zerstören. Die afghanischen
Regierungstruppen umfassen nur noch 40.000 Mann, die Sowjetarmee
hat eine Stärke von etwa 150.000 Soldaten. Ihnen stehen 150.000
bis 200.000 bewaffnete Widerstandskämpfer gegenüber, die hauptsächlich
regional organisiert sind. Von den unabhängigen Gruppen, die
sich dem Einfluß der - teils fundamentalistischen, teils gemäßigten
- Exilparteien entziehen, hat sich jene von Ahmed Shah Mahsud
(Falter 7/84) das größte Ansehen erworben. Ihr dürfte auch
nach Ansicht der Schweizer Afghanistan-Experten Albert A.
Stahel und Paul Bucherer ("Afghanistan. 5 Jahre Widerstand
und Kleinkrieg", eine nüchterne Broschüre, die über das Schweizerische
Afghanistan-Archiv, CH-4410 Liestal, Tel. 061946817 / 919838
zu beziehen ist und aus dar die hier verwendeten Zahlenangaben
stammen) künftig eine entscheidende Rolle zufallen:
"Sollte sich Mahsud mit seinem Einsatzkonzept und seiner
Organisation in den nächsten Jahren innerhalb des afghanischen
Widerstandes durchsetzen und sollten die einzelnen Widerstandsgruppen
sich zudem auf ein geeintes Politisches und militärisches
Oberkommando einigen, so könnten die sowjetischen Streitkräfte
in Afghanistan in den kommenden fünf Jahren in die Verteidigung
gedrängt werden, und damit könnte der Weg für eine politische
Lösung des Krieges geebnet werden. Sollte eine solche Einigung
auf der Grundlage des Konzeptes von Mahsud nicht zustande
kommen, so wird der afghanische Widerstand wohl die sowjetischen
Streitkräfte in Afghanistan in den kommenden Jahren erheblich
abnützen, aber nicht entscheidend schwächen und vernichten
können. Solange aber die sowjetische Führung bereit ist, diese
Verluste hinzunehmen, wird sie keiner politischen Lösung zustimmen,
die zu ihrem Nachteil wäre.
Die Strategie der Sowjetunion für Afghanistan weist durch
das bisherige Vorgehen der sowjetischen Streitkräfte auf eine
langfristige Planung hin:
Durch die systematische Vernichtung der Dörfer in den Widerstandsgebieten
soll die afghanische Bevölkerung vertrieben und der afghanische
Widerstand langsam ausgezährt und geschwächt werden. Dieses
Vorgehen beansprucht viel Zeit und führt erst nach Jahren
zum Erfolg. Es ist durch die sowjetische Führung, bedingt
durch die geschlossene Gesellschaft und die fehlende Pressefreiheit
in der UdSSR, ohne weiteres durchsetzbar. Ein historisches
Vorbild hierzu existiert auf sowjetischer Seite bereits:
Die Vernichtung des Widerstandes der moslemischen Basmachi
von 1921 bis 1930 in den Afghanistan benachbarten und heute
zur UdSSR gehörenden zentralasiatischen Republiken. Auch damals
haben Moslems der jungen Sowjetunion mit dem Kleinkrieg Widerstand
geleistet. Dieser Widerstand ist durch zwei Maßnahmen der
sowjetischen Führung zerschlagen worden, die heute genau gleich
eingesetzt werden:
1. Eine gezielte Vertreibung eines Teils der Bevölkerung
ins benachbarte Ausland; damals Afghanistan - heute Pakistan;
2. 1928, der Abschluß eines Abkommens mit dem Emir von Afghanistan
zur Unterbindung der Unterstützung der Basmachi aus Afghanistan.
Kurz danach wurde eine Flugverbindung zwischen Kabul und Taschkent
aufgenommen. Vielleicht muß Pakistan das Beispiel Afghanistans
aufgrund seiner Sandwich-Stellung früher oder später nachahmen
und mit den Sowjets ein ähnliches Abkommen abschließen, diesmal
aber gegenüber den afghanischen Widerstandskämpfern.
Vorderhand geht der Krieg weiter. Aber selbst wenn die sowjetische
Führung weiterhin die Vernichtung der afghanischen Bevölkerung
betreiben sollte, darf als sicher angenommen werden, daß der
Widerstand und der Kleinkrieg der Afghanen gegen die Supermacht
Sowjetunion mindestens 10 bis 15Jahre, entsprechend dem Krieg
der Basmachi, dauern wird."
Von Wien aus leistet das "Österreichische Hilfskomitee für
Afghanistan" seit fast fünf Jahren insofern eine wichtige
Unterstützung, als es eine afghanische Selbsthilfeorganisation
mit derzeit 80 Beschäftigten aufgebaut hat, die in zwei Flüchtlingslagern
in Pakistan einen Gesundheits- und Sozialdienst durchführen
und eine technische Lehrwerkstatt sowie Nähwerkstätten für
Frauen und Mädchen betreiben. Bisher konnten dafür rund 30
Millionen Schilling aufgebracht werden, 20% davon aus Österreich,
der Rest von Hilfsorganisationen in Norwegen, Dänemark, der
Bundesrepublik, England und der Schweiz.
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