Wenn vom Neubeginn einer österreichischen Architektur nach
1945 die Rede ist, dann sind es vor allem Roland Rainer
und die Arbeitsgruppe 4 - mit Wilhelm Holzbauer, Friedrich
Kurrent und Johannes Spalt - denen eine Pionierstellung
eingeräumt wird. Ohne dass wir uns jetzt auf zu verkürzte
Zensuren einlassen sollten, ergibt sich für mich die Frage,
was sich anhand der persönlichen Entwicklung dieser Leute
aufzeigen ließe, Roland Rainer z. B. hat ja immerhin auch
den beängstigenden Bau der ORF-Maschinerie am KünigIberg
zu verantworten, obwohl er parallel dazu ständig von Humanität
und Gartenlandschaften gesprochen hat.
Ich halte Roland Rainer für eine irgendwie tragische Person.
Ich glaube ihm alles, was er über "humanes Bauen", was er
über chinesische und persische Garten oder den Garten schlechthin
schreibt. Da steckt eine sehr subtile Philosophie dahinter,
die erwarten ließe, daß er auch bei großen Bauaufgaben diese
Art von Sensibilität aufnimmt. Er hätte es wahnsinnig gern,
daß ihm etwa die von ihm beschriebene Intimität der Karfreitags-Moschee
in Isfahan in den eigenen Großbauten gelingt, sei es die Stadthalle
oder das ORF-Zentrum. Verwirklichen konnte er sie nur in seinen
kleinen Gebäuden. Bei größeren Aufgaben ist er dran Vokabular
der modernen Architektur verhaftet, das mit seiner wirklichen
Philosophie nichts zu tun hat. Da ist ein persönliches Scheitern
sichtbar geworden. In der gerade am Schillerplatz laufenden
AIvar AaIto-Ausstellung sieht man deutlich, wie es durchaus
gelingen kann, selbst große Bauvolumina aus einem naturverhafteten
Denken heraus auf geglückte Weise zu gestalten. Rainer wollte
das immer, da bin ich völlig überzeugt davon.
Von den Mitgliedern der Arbeitsgruppe 4 wiederum wäre fast
zu erwarten gewesen, daß sie sich unter die profilierten
Vertreter jener Architektur einreihen, die hätte gebaut
werden können, wenn ... Zwei damaligen Partner haben tatsächlich
wenig Projekte realisiert, im Gegensatz zu Deiner kontinuierlichen
Kette verwirklichter Bauten. Gab es da eine Aufspaltung
zwischen Theorie und Praxis?
Dem könnte ich nur zustimmen, wenn es richtig wäre. Ich glaube
aber, dass das von der Arbeitsgrupppe 4 damals aufgebaute
theoretische Gebäude zuwenig Tiefe hatte, um wirklich tragfähig
zu sein. Es ist fragmentarisch geblieben und das war, neben
unseren heterogenen Charakteren, mit ein Grund für das Auseinanderfallen
dieser Gruppe. Ich habe mich nach 12 Jahren endgültig von
ihr getrennt, weil mir klar geworden war, daß die Situation
unsere eigene schöpferische Kraft verlangte und nicht ein
Aufarbeiten der Geschichte, wie wir es mit relativ starkem
Echo durch Ausstellungen über Adolf Loos, die Jahrhundertwende,
über Kirchen- und Theaterbau gemacht hatten. Dafür sind andere
da und es hat sich in dann auch rasch herausgestellt, daß
Achleitner dafür eine ganz außerordentliche Kraft geworden
ist.
Reine Package-Deals
Ein Sprung in die Wirklichkeit, die uns seither hingebaut
worden ist: Nehmen wir nur die massivsten, unübersehbaren
Beispiele her, die UNO City von Staber, das AKH natürlich,
die Hlaweniczka-Versicherungen, seine Wirtschaftsuni, die
Türme in Alt ErIaa, jetzt das Bundesamtsgebäude bei der
Urania von Czernin, das Hotel Mariott am Parkring. Schon
die Suche nach konkreten Fragen macht einen wortlos ...
... das ist fast zwangsläufig, daß man da sprachlos wird.
Mit Architektur hat das alles überhaupt nichts zu tun, Das
sind reine Package-Deals, bloße Umhüllungen für irgendein
Volumen. Die sogenannte UNO-City ist architektonisch eine
Absurdität und städtebaulich ein totales Unding. Sie steht
dort wie ein gelandetes ...
...UFO? ...
... ja, vielleicht UFO, aber wie ein sehr schlecht designtes
UFO. Und das neue Bundesamtsgebäude in der Radetzkystraße
folgt zwar städtebaulichen Grundzügen, nur ist es von so unfaßbarer
Banalität, ist es ein so dummes Gebäude, dass es nicht mehr
unterbietbar ist.
Ein "Realist" könnte sagen, es ist anderswo auch nicht
besser.
Der Unterschied zwischen ernstzunehmender Architektur und
kommerzieller Architektur ist anderswo keineswegs so kraß
wie bei uns. In Frankreich, in der Bundesrepublik, in den
Vereinigten Staaten oder in England werden die wirklich guten
Architekten in zunehmendem Maße herangezogen und das strahlt
dann aus. Bei uns hier ist das einfach nicht der Fall. Es
ist weder der Peichl mit etwas nennenswertem Neuen beschäftigt,
noch der Hollein oder ich. In Amerika bestimmen demgenüber
ein Richard Meyer, ein Michael Graves oder ein Philip Johnson
nicht nur das intellektuelle Geschehen mit, sondern auch das
tatsächliche. Hier aber ist es den verantwortlichen Leuten
in den Behörden völlig wurscht, ob jemand ein guter Architekt
ist, oder ein schlechter oder ob er international anerkannt
ist. Sie haben völlig eigene Mechanismen, nach denen sie ihre
Aufträge vergeben. Mir ist es total schleierhaft, warum in
Cernin der Reihe nach einen Milliardenauftrag nach dem anderen
bekommt. Auf was hinauf? Auf nichts hinauf.
Unbegreifliche Vergabemechanismen
Auf einer primitiven Ebene könnte in solchen Fällen die
übliche Haberei mitspielen, die natürlich sehr leicht in
Korruption übergeht. Es stellt sich aber auch ständig die
Frage, ob das Netz nicht längst viel feiner gesponnen und
damit im politischen Sinn gefährlich ist.
Bei so unbegreiflichen Vergaben kann sich doch jeder leicht
ausrechnen, was da zwischen den Leuten vorgeht. Die Gerüchte
um den ausgeschiedenen Bautenminister lassen ja einiges erwarten.
Und wenn derselbe Architekt Czernin auch noch eine 30 Millionen-Studie
über den Messepalast machen darf, wird man sich doch fragen
dürfen, was er bisher mit Museen überhaupt zu tun gehabt hat
Du planst und baust seit langem auch in Amsterdam. Gibt
es da erkennbare Unterschiede in der Zusammenarbeit mit
staatlichen Stellen?
Es ist auch das Bauen in Amsterdam sehr schwierig. Wir arbeiten
aber dort z. B. mit einem fixen Budget mit präzis definierten,
nur nach dem Index errechneten Kostensteigerungen und darüber
hinaus gibt es keinen Groschen mehr. Das macht man hier rar
nicht. Kostensteigerungen werden hingenommen und manchmal
eben nicht. Qualifizierter sind die Leute dort auch nicht,
nur eines steht für mich fest: Es gibt überhaupt keine Korruption.
Vom Planungsstadtrat Voggenhuber von der Bürgerliste in
Salzburg gehen offensichtlich ziemlich positive Impulse
aus, sehr im Unterschied zu den sonstigen Zuständen Wie
schätzt Du seine Möglichkeiten nach zwei, drei Regierungsjahren
ein?
Einerseits ist er jemand, dessen Leidenschaft die Architektur
ist, andererseits sieht er immer deutlicher, daß er fast nur
in marginalen Bereichen Erfolge erzielen kann. Er hat sich
beeindruckende Kenntnisse über Architektur angeeignet und
am liebsten wäre er Bauherr für schöne Bauten. Im Gegensatz
zu x-beliebigen anderen Politikern, die immer nur von der
Wirtschaftlichkeit oder von der Notwendigkeit eines Baues
sprechen, nie aber von Qualitäten; sind gerade sie für ihn
das zentrale Anliegen.
Und der von ihm eingesetzte Gestaltungsbeirat?
Ich würde nicht sagen, daß er sich nicht bewährt. Wir - also
Achleitner, Gino Valle, Breicha, Garstenauer und ich - haben
mindestens 10 bis 15 Projekte wirklich wesentlich verbessern
können, gerade durch Kleinarbeit Bei größeren Projekten, wie
der Bebauung der Forellenweg-Gründe mit 400 Wohnungen wird
alles gleich auf die parteipolitische Ebene gezerrt. Es ist
völlig absurd, wie sich da plötzlich alle Parteien in die
formale Gestaltung einmengen, wo zugleich überall, auf den
Schließelberger-Gründen oder auf den Rositten-Gründen Anlagen
von einer Scheußlichkeit gebaut werden, über die sich niemand
aufregt.
Könnte also ein solcher Gestaltungsbeirat für andere Städte
ein Modell sein?
Ich würde so etwas sogar für sehr wesentlich halten. In Salzburg,
und das habe ich auch dem Bürgermeister geschrieben, leidet
unsere Arbeit vor allem daran, daß der Beirat in die Ecke
der Bürgerliste geschoben wird, weil von dort die Initiative
kam.
Selbstbewußte Architekturdarstellungen
Es gibt auch Vorwürfe, daß Du trotz Deiner Beiratsfunktion
am Umbau des ehemaligen "Kiesel"- Gebäudes (jetzt "Quelle")
beteiligt bist.
Ich bin dort auf Drängen Voggenhubers vor Gründung den Beirats
architektonischer Konsulent geworden, weil schon zwei Architekten
fix beauftragt waren und deshalb kein Wettbewerb stattfinden
konnte. Sonst ist da gar nichts. Daß da jetzt Bereicherungsunterstellungen
aufgetaucht sind, ist angesichts unserer ehrenamtlichen Beiratstätigkeit
doppelt infam. Es gibt da eben politische Diffamierungsinteressen,
und ein Beirat, der nichts kostet, ist sozusagen nichts wert.
Deswegen müßte er offensichtlich auch normal honoriert werden,
wenn er auf Dauer wirksam sein soll.
Zurück nach Wien: Die Chancen wären, zynisch gesagt, gut
gewesen, daß die ganze U-Bahn so aussehen würde, wie die
"Pionierstation" KarIspIatz in ihrer gestalterischen Bedeutungslosigkeit
eines Architekt Schlauss. Jetzt soll es in ähnlicher Form
weitergehen, wie ursprünglich begonnen worden ist.
Das stimmt zum Teil. Architekt Schlauss hat ziemlich viele
Stationen bekommen. Es ist das erklärte Ziel des Stadtrat
Hatzel, die weiteren Aufträge zu streuen. Die Aufträge ergehen
jetzt an Leute wie Keimel, die schon diese Stationen an der
Gürtellinie gebaut haben, diese braunen, an die Strecke gepickten
Lindwürmer, die ich für einen Faustschlag auf das ganze Werk
von Otto Wagner halte. Es werden auch frühere Mitarbeiter
von mir und meinen Kollegen in der Archltektengruppe U-Bahn
beauftragt. Also das, was der Gemeinderat einmal nach dem
internationalen Erfolg der von uns gestalteten Stationen auf
den Linien U1 und U4 gesagt hat, dass auch die Linie U3 nach
einheitlichen Gestaltungsrichtlinien gebaut worden soll, das
wird jetzt durchbrochen.
Nähern wir uns Argumenten zu Deiner Bauauffassung. Deine
Arbeit ist manchmal sehr subtil und feinnervig, sei es bei
der "ersten modernen Kirche der Nachkriegszeit" (Achleitner)
in Parsch/Salzburg, sei es beim Haus Stifter in Oberösterreich.
Andererseits ist ein Hang zum Monumentalen unübersehbar,
der sich über eine zu auffällig spürbare intellektuelle
Skepsis hinwegsetzt. Solche Gegensätzlichkeit liefert Anlässe
für Kritik an Deinen Bauten, sei es nun das Landhaus Bregenz
oder die nächstes Jahr fertige Naturwissenschaftliche Fakultät
der Universität Salzburg, zwei signifikante öffentliche
Gebäude, denen Du ein monumentales Selbstverständnis zuordnest.
Ich habe da eine völlig eindeutige Haltung. Ich glaube an
die Hierarchie bei der Interpretation einer Bauaufgabe und
ich glaube nicht, daß es sich unsere Zeit erlauben kann, keine
architektonischen Monumente zu hinterlassen. Und solche Monumente
sollen dort entstehen, wo es sich um die Verwirklichung von
Bauaufgaben handelt, die eine Gemeinschaft repräsentieren
und nicht das Individuelle. Von verlogenen Architekturdeklarationen,
wie "eine demokratische Architektur hat keine Symmetrieachsen
mehr" oder "eine demokratische Architektur ist kleingliedrig"
halte ich nichts, und auch nichts von einer angeblich "antiautoritären"
Architektur ohne Ordnungskonzeption, ohne Räume und Plätze,
wo alles aufgelöst und hingestreut ist.
Du postulierst hier ein - sogar direkt im Wortsinn - massives
Selbstbewusstsein, etwa für ein Landesparlament oder für
eine universitäre Organisation, so als ob beide einen sehr
stabilen Stellenwert hätten, inmitten einer im Fluß befindlichen
GeseIlschaft. Wenn mir ein solches massives und "organisiertes"
Selbstbewußtsein öffentlicher Einrichtungen unterkommt,
taucht auch die Notwendigkeit auf, es nicht weiter zu bestärken,
es vielleicht sogar zu bekämpfen oder ihm wenigstens dezidierte
Fragen zu stellten.
Da muß ich aber gegenfragen, warum Dir eine solche antipodische
Haltung angemessen erscheint. Wir kennen doch alle eine Bewunderung
für selbstbewußte Architekturdarstellungen, sei es der Markusplatz,
sei es Urbino oder Siena. Ich sehe nicht ein, warum in unserer
Zeit das grundsätzlich anders sein soll.
Daß es äußerlich auf neue Weise schön sein könnte so, ist
eine andere Sache. Kann aber ein solcher Anspruch heute
noch stimmig sein, angesichts ganz anderer Machtstrukturen,
angesichts der Banalität, die keinen ausläßt?
Ein Esterhazy, den eigentlich nur die Jagd interessiert hat,
dürfte vielleicht auch bloß gespürt haben, daß er auf derselben
Ebene bleiben muß wie die zeitprägenden Bauherren, um nicht
als Hinterwäldler angesehen zu werden und deswegen hat er
sich eben erkundigt, wer gut ist. Wer weiß, was ein Joseph
I. alles gemacht hätte. wenn nicht ein Fischer von Erlach
sein Lehrer für Baukunst gewesen wäre. Und Kaiser Franz Joseph
hätte viele der Bauten verhindert, die jetzt als Zeichen seiner
Zeit gelten, wie die Kirche am Steinhof oder die Postsparkasse,
wenn es nur nach ihm gegangen wäre. Nach dreißig oder hundert
Jahren ist es egal, unter welchen Umständen ein wichtiges
Gebäude zustandegekommen ist.
Nur, zurückkehrend zu Utopien, für welche bestimmte Architekten
agitiert haben oder es manchmal noch tun, auch wenn wir
uns auf Österreich beschränken, so leben sie doch von der
Vorstellung einer permanent unfertigen Gesellschaft, die
sich nicht in ihrem gegenwärtigen Zustand dauernd selbst
bestätigt. Soferne Architektur noch auf Visionen von einer
besseren Welt aus ist, muß sie doch auf die existierenden
Spannungen eingehen, ohne unbefriedigende Strukturen zu
konservieren oder ihnen sogar Zeichen zu setzen.
Ich möchte da jetzt etwas Wichtiges ergänzen, korrigieren.
In meinen vorher besprochenen Bauten findet sich ja nicht
nur Monumentales. Es wird eine fraktionelle monumentale Grundhaltung
sichtbar, die in den Einzelheiten immer total aufgelöst wird.
Fassade und Vorplatz des Landhauses haben eine gewisse Monumentalität,
innen tritt man dann in eine große Halle, von der biegst du
links ab und kommst durch ein Foyer in den Landtagssaal. Da
ist nichts Axiales mehr. Der Raum ist völlig aufgebrochen
und durch die Lichtführung fast zerstört in seiner Geschlossenheit.
Er bekommt wieder die Intimität, von der wir vorhin gesprochen
haben. Der Universität Salzburg liegen parallele Denkvorgänge
zugrunde, ein monumentaler Eingangsbereich, der runde Hof,
das Glashaus, dann jedoch ganz gewöhnliche, sozusagen bürgerliche
Innenhöfe, ohne Marmor, mit normalem Verputz. Der Grundriß
ist der Altstadt Salzburgs nachempfunden. Für mich ist eben
Architektur immer geprägt vom Spannungsverhältnis zwischen
dem Gewöhnlichen, dem Ordinären und dem in der Hierarchie
gehobenen, dem Anspruchsvollen.
Der Vorwurf des Faschistischen
In der ganzen Wiener Architekturdiskussion ist einerseits
immer vom ."Zeichen", vom "Monument" sehr dramatisch die
Rede ...
... nur wer hat bis jetzt schon ein Monument gemacht...
...andererseits, wenn dann jemand wie Du mit voller Absicht
monumentalere Bauten hinstellt, so kommt sehr rasch der
Vorwurf des Faschistischen.
Damit hat fast jeder, der jetzt arbeitet, zu kämpfen. Ein
Rossi, ein Krier, ein Ungers haben das genauso zu verkraften,
wie ich. Nur weil jemand die Maßlosigkeit der Symmetrie, die
Maßlosigkeit der Volumina ins Unermeßliche steigern wollte,
wie es Hitler getan hat, kann doch nicht jeder Ansatz, der
im formalen Sinn nicht das geringste gemein hat damit, sondern
sich konzeptionell mit Symmetrie und Volumen befasst, als
faschistisch bezeichnet werden. Das wäre der Tod jeder Entwicklung,
mit der wir unsere Städte wieder einem städtebaulichen Kanon
annähern könnten.
Nochmals zu - Wiener - Utopien. Es gibt sie weiterhin,
die zersplitterte Subkultur mit sehr hohen (zwangsläufig
verbalradikalen) Erwartungen und der Erfahrung, dass die
dann nie eingelöst werden, selbst wenn es "nur" um ästhetische
Fragen geht. Das Bild, das man sich vom anderen macht, das
hält nicht, weil der andere nicht zusammenbringt, was man
selber in ihn hineinlegt oder selber in seinen Träumen vorhat.
Ab irgendeinem Punkt macht jeder dann seine Sache, weil
sich frühere Gruppenbeziehungen aufgelöst haben oder in
Haß und Verachtung umgeschlagen sind. Walter Pichler hat
z. B. unlängst (im UMRIMSS 1/85) neben einem Generalangriff
auf Architektur und Architekten auch davon gesprochen, daß
er in Wien keine Berufsgruppe kenne, "die untereinander
einen derart verwahrlosten Umgang pflegt", wie die Architekten.
Stimmt.
Andererseits hängt beziehungsmäßig alles irgendwie zusammen
und blockiert die Urteilskraft.
Die Formen extremer Kameraderie zwischen der Kritik und gerade
den jüngeren Architekten halte ich für sehr schädlich. Worauf
beziehen sich denn die Kritiken eines Dietmar Steiner oder
eines Otto Kapfinger in der "Presse"? Da wird dann das Teegeschäft
von Luigi Blau in den Himmel gelobt, oder irgendein kleines
Beisel, ein Café der ein Laden. Was daneben alles passiert,
wird nie frontal angegangen. Eine Ada Luise Huxtable hätte,
wenn sie nicht in New York, sondern in Wien arbeiten würde,
sicher andere Wertigkeiten gesetzt und den einen oder anderen
der "Groß-Architekten" so lächerlich gemacht, daß sie weg
wären von der Szene. Aber sicher gibt es gerade in der "Presse"
dauernd Rücksichten auf die Wirtschaft und auf die Verbände
usw. Eine Folge von dem Ganzen ist auch, daß die Generation
um 40, die eigentlich jetzt die Entwicklung bestimmen sollte,
bisher kaum etwas Größeres baut. Der über Lokale erworbene
Ruf genügt ihr offenbar.
Andererseits wird die Architekturkritik aber ziemlich alleingelassen,
wenn es um die Analyse komplexer Zustände gehen soll.
Mir ist es trotzdem schleierhaft, daß sich alle nur über
Hainburg aufregen, nicht jedoch über die Tauernautohahn, bei
der die Techniker einen der schönsten Bereiche der Alpen auf
brutalste Weise verwüstet haben. In Zederhaus z. B., eine
ursprünglich noch völlig intakte lyrische Ortschaft, führt
die Autobahn direkt über die Dächer und alles ist hin. Und
mit der Wildbachverhauung ist es genauso. Die Nazis haben
sich mit Alwin Seifert einen fähigen Reichsbeauftragten für
die Gestaltung der Autobahnen geleistet, dessen Trassierung
zwischen München und Salzburg sich jeder einmal zum Vergleich
anschauen sollte. Unter Roosevelt hat es das auch gegeben,
z. B. beim "Merrit-Parkway" von Connecticut nach New York,
dessen Fahrbahnen auseinander- und wieder zusammenführen,
mit Landschaftsinseln dazwischn, so daß die Straße nicht als
Zerstörer der Landschaft auftritt. Daß es bei den jetzt hier
diskutierten "Umweltschutzbeauftragten"nicht nur um Schutz,
sondern genauso um Gestaltung gehen müßte, hat offensichtlich
noch wenig Resonanz gefunden, nicht einmal bei den neuen politischen
Gruppierungen.
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Wilhelm Holzbauer
geb. 1930 in Salzburg. Architekt. Professor an der Hochschule
für angewandte Kunst in Wien; wichtige Bauten der letzten
Zeit: Stationen der Wiener U-Bahn (1971-1982) und der
Schnellbahn in Vancouver (1981-1986) - mit Marschalek/Ladstätter/Gantar
-. Haus Stifter, Ottensheim bei Linz (1978). Wohnanlage
der Gemeinde Wien "Wohnen Morgen", Wien 15 (1979). Haus
Dichand, Wien 19 (1981) Vorarlberger Landhaus, Bregenz
(1981), Wohnbebauung Berlin-Kreuzberg (1985), Naturwissenschaftliche
Fakultät der Universität Salzburg (1982 - 1986), Rathaus
und Oper Amsterdam (1979-1986). |
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