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www.ChristianReder.net: Publikationen: Gegen die "Post"-Moderne
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Falter Verlag
   

Gegen die "Post"-Moderne
Achleitner - Ausstellung "Schriften und Werk"

Falter, Wien, Nr. 6/1985

 

 

Architektur in diesem Land ist für ihn, der keine Spekulationsgebäude, dafür aber konkrete Literatur und die Fundamente einer sensiblen Architekturkritik hinterlassen wird, "das Produkt von zivilem Ungehorsam", da sie fast ausschließlich in einer harten Auseinandersetzung mit den Behörden entstehen könne. "Was die ‚Z' auf der einen Seite leistet, ruiniert auf der anderen die BAWAG", sagt er in seiner Dankesrede zur Verleihung des "Staatspreises für Kulturpublizistik". Und er fragt die Damen und Herren auch als Geehrter - wie schon seit 25 Jahren - "wieso es möglich ist, daß es zum Beispiel der ÖGB seit 40 Jahren schaffte, kein einzigen Objekt zu errichten, das man mit ruhigem Gewiesen und mit den bescheidensten Ansprüchen als Architektur bezeichnen könnte". Und er fragt sie, wieso einmal "die k. k. Staatsbahnen ein architektonisch bewußtes Unternehmen waren", ganz im Gegensatz zu den jetzigen Bundesbahnen. Und er fragt sie, warum die Elektrizitätsgesellschaften oder die Postverwaltung nur bis in die dreißigerJahre vorbildliche Bau-Beispiele zustandebrachten, die Post jedoch "heute ihre letzten ordentlichen Bauten zertrümmert oder sie auf ein Geschmacksniveau heruntersaniert, daß einem wirklich das Heulen kommen kann". Da der langjährige Postchef nun ausgerechnet Bautenminister geworden ist, wird er wohl zwangsläufig zur Leitfigur einer austriacischen "Post-Moderne" werden (so Otto Kapfinger), von der allerhand zu erwarten ist.

Die völlig gegensätzliche Konsequenz, mit der Achleitner auf eine Architektur als "Konzeption und Vision einer besseren Welt" aus ist und auf eine Architekturpublizistik, die das Klima beeinflussen und "gerade dem engagieren Architekten eine Hilfestellung geben sollte", wird selbst in der kleinen Ausstellung in der Galerie in der Staatsoper sichtbar (mit Katalog), die seine bisherige Arbeit und deren Integration von Sprache, Literatur, gedanklichen Konzepten, Bildern und der Wahrnehmung von Gebautem in Ausschnitten dokumentiert. Seinen universellen Anspruch, dem kein Detail zu minder ist, sieht man in dieser Zusammenstellung an deutlich, daß einem die Automatik der Bauträger, der Bauherren, der Baumeister noch um einiges unerträglicher wird, als es die Gewöhnung sonst zulässt. Das alte und das neue Bahnhofsgebäude in Straßwalchen, das alte und das renovierte Postamt in Fürstenfeld, Kraftwerksanlagen aus den 20er und aus den glorreichen 70er Jahren, das Wiener Arbeitsamt in der Herbststraße (1926/27) und Versicherungsburgen von heute: Nicht an Individuen, an Strukturen liegt es, wenn Fortschritt in Brutalität umkippt.

Welcher Aufwands-Wahnsinn notwendig ist, um "Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert" (Residenz Verlag 1980/83) in ihren Qualitätsfragmenten aufzuarbeiten, wird am Beispiel der Erhebungen in Leoben deutlich gemacht. Dafür und für die Kraft der Wörter gibt es letztendlich Ehrungen; Geld und ein Lächeln der Macht gibt es für das Bauen der anderen Art, selbst wenn es "Vollwertwohnen" heißt und sich Harry Glück dafür den Hai-Freund Hans Hass und den Bio-Logiker Eibl-Eiblsfeld ("Schon Konrad Lorenz hat gesagt ...") engagiert.

Liegt es doch daran, daß die Übermacht der Materie mit dem Geist nichts anfangen kann, solange er sich nicht am Korruptionstransfer beteiligt?

 

 
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