Architektur in diesem Land ist für ihn, der keine Spekulationsgebäude,
dafür aber konkrete Literatur und die Fundamente einer sensiblen
Architekturkritik hinterlassen wird, "das Produkt von zivilem
Ungehorsam", da sie fast ausschließlich in einer harten Auseinandersetzung
mit den Behörden entstehen könne. "Was die ‚Z' auf der einen
Seite leistet, ruiniert auf der anderen die BAWAG", sagt er
in seiner Dankesrede zur Verleihung des "Staatspreises für
Kulturpublizistik". Und er fragt die Damen und Herren auch
als Geehrter - wie schon seit 25 Jahren - "wieso es möglich
ist, daß es zum Beispiel der ÖGB seit 40 Jahren schaffte,
kein einzigen Objekt zu errichten, das man mit ruhigem Gewiesen
und mit den bescheidensten Ansprüchen als Architektur bezeichnen
könnte". Und er fragt sie, wieso einmal "die k. k. Staatsbahnen
ein architektonisch bewußtes Unternehmen waren", ganz im Gegensatz
zu den jetzigen Bundesbahnen. Und er fragt sie, warum die
Elektrizitätsgesellschaften oder die Postverwaltung nur bis
in die dreißigerJahre vorbildliche Bau-Beispiele zustandebrachten,
die Post jedoch "heute ihre letzten ordentlichen Bauten zertrümmert
oder sie auf ein Geschmacksniveau heruntersaniert, daß einem
wirklich das Heulen kommen kann". Da der langjährige Postchef
nun ausgerechnet Bautenminister geworden ist, wird er wohl
zwangsläufig zur Leitfigur einer austriacischen "Post-Moderne"
werden (so Otto Kapfinger), von der allerhand zu erwarten
ist.
Die völlig gegensätzliche Konsequenz, mit der Achleitner
auf eine Architektur als "Konzeption und Vision einer besseren
Welt" aus ist und auf eine Architekturpublizistik, die das
Klima beeinflussen und "gerade dem engagieren Architekten
eine Hilfestellung geben sollte", wird selbst in der kleinen
Ausstellung in der Galerie in der Staatsoper sichtbar (mit
Katalog), die seine bisherige Arbeit und deren Integration
von Sprache, Literatur, gedanklichen Konzepten, Bildern und
der Wahrnehmung von Gebautem in Ausschnitten dokumentiert.
Seinen universellen Anspruch, dem kein Detail zu minder ist,
sieht man in dieser Zusammenstellung an deutlich, daß einem
die Automatik der Bauträger, der Bauherren, der Baumeister
noch um einiges unerträglicher wird, als es die Gewöhnung
sonst zulässt. Das alte und das neue Bahnhofsgebäude in Straßwalchen,
das alte und das renovierte Postamt in Fürstenfeld, Kraftwerksanlagen
aus den 20er und aus den glorreichen 70er Jahren, das Wiener
Arbeitsamt in der Herbststraße (1926/27) und Versicherungsburgen
von heute: Nicht an Individuen, an Strukturen liegt es, wenn
Fortschritt in Brutalität umkippt.
Welcher Aufwands-Wahnsinn notwendig ist, um "Österreichische
Architektur im 20. Jahrhundert" (Residenz Verlag 1980/83)
in ihren Qualitätsfragmenten aufzuarbeiten, wird am Beispiel
der Erhebungen in Leoben deutlich gemacht. Dafür und für die
Kraft der Wörter gibt es letztendlich Ehrungen; Geld und ein
Lächeln der Macht gibt es für das Bauen der anderen Art, selbst
wenn es "Vollwertwohnen" heißt und sich Harry Glück dafür
den Hai-Freund Hans Hass und den Bio-Logiker Eibl-Eiblsfeld
("Schon Konrad Lorenz hat gesagt ...") engagiert.
Liegt es doch daran, daß die Übermacht der Materie mit dem
Geist nichts anfangen kann, solange er sich nicht am Korruptionstransfer
beteiligt?
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